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Das Hobby "Kinder" zum Beruf gemacht, den Traummann gefunden, fehlen nur noch gemeinsame Kinder zum großen Glück. Als es mit eigenen Kindern nicht klappt, reift die Idee, ein Kind zu adoptieren. Doch damit beginnt ein schier endloser Papierkrieg mit Ämtern und Behörden. Als die deutschen Behörden dem entschlossenen Ehepaar eine Adoption verweigern, orientiert sich die Autorin im Ausland - auch in anderen Ländern gibt es Kinder, die auf der Suche nach Geborgenheit und einer Familie sind. Es folgen zahllose Anträge, beschwerliche Reisen und die Konfrontation mit großer Armut, Unterdrückung und schrecklichen Lebensumständen. Aber auch wunderbare Begegnungen mit großartigen, engagierten Menschen - und zwei kleinen Mädchen, die das persönliche Lebensglück perfekt machen.
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Seitenzahl: 223
Inhalt
Impressum 7
Zitat 8
Widmung 9
Vorwort 10
Stuttgart - am 21. August 1998 12
Januar 1980 - Hoffnung 14
Fühler ausstrecken in anderen Ländern 18
Am 23. Februar 1980 - Der erste Schritt in die Zukunft 20
Am 24. März 1980 - Die vorläufige Pflegeerlaubnis wird ausgestellt 21
Am 27. Mai 1980 - Ein Hoffnungsschimmer aus Peru 22
Am 04. Juni 1980 - Von guten Kräften wunderbar geborgen 24
Am 16. Juni 1980 - Vollmachten für eine gemeinsame Zukunft 25
Am 23. Juni 1980 - Kinder werden streunenden Hunden gleichgesetzt 27
Pressestimmen 28
Situationsberichte wie es um diese Kinder steht 29
Und zwei Jahre später 31
Am 26. Juni 1980 - Im Land der Inkas 32
Lima/Peru - am 26. Juni 1980 33
Lima am 27. Juni 1980 - Ein Kind erblickt das Licht der Welt 40
Lima am 30. Juni 1980 - Überlebenskampf 41
Ein Lichtblick 44
Lima am 14. Juli 1980 - Das Schicksal nimmt eine unerwartete Wendung 46
Aus dem Gerichtsprotokoll 47
Lima 21. Juli 1980 - Entdeckt 48
Lima am 22. Juli 1980 - Das kleine Mädchen erhält einen Namen 49
Lima am 24. Juli 1980 - Adoptionszustimmung 50
Deutschland am Donnerstag 31. Juli 1980 - Sprachlos 51
Lima am 06. August 1980 - Unsere kleine Tochter in Lima 54
Lima am 10. August 1980 - Endlich eine Geburtsurkunde 55
Deutschland am Mittwoch, 13. August 1980 - Träume 56
Samstag, 16. August 1980 - Die große Reise ins Unbekannte 57
Flughafen Stuttgart - 14:50 Uhr 58
Sonntag, 17. August 1980 - Geschafft 60
Lima am Dienstag, 19. August 1980 - Limas verlorene Kinder 65
Lima am Donnerstag, 21. August 1980 - Prüfung 68
Das Leben in Lima 72
Lima, Freitag, der 22. August 1980 - Das Außenministerium genehmigt die Ausreise 75
Versprechen eingelöst 79
Lima am Samstag, den 23. August 1980 - Ein Kind für fünf Dollar? 80
Auf dem Flug nach Deutschland 82
Irgendwo über dem Ozean - am Sonntag, 24. August 1980 83
Madrid - am 24. August 1980 84
Paris - am 24. August 1980 85
Frankfurt - am 24. August 1980 86
Gelandet 87
Am 21. September 1980 - Elternteilzeit 88
Am Sonntag. 28. September 1980 - Auch vor Gott unser Kind 90
Mittwoch 19. November 1980 - Gracias und Danke 91
Januar 1981 - Ämterstress 92
5. Februar 1981 - Pflegekind 93
Kampf mit einem Ungeheuer 94
Mai 1981 - Adoption in Deutschland wird abgelehnt 96
Am 23. Mai 1981 Adoptionsunterlagen - im Gericht spurlos verschwunden 98
Am 05. Juni 1981 Stellungnahme - der Stellungnahme der Stellungnahme 99
Am 06. Juli 1981 - Die Adoptionsakte wird geschlossen 100
September 1981 - Der zweite Anlauf 102
Sylvester 1981 103
Lebensphilosophie und selbstbewusste Tochter 105
Felicitas macht 1984 - eine umwerfende Erfahrung 106
Sommer 1985 - Ein Inka und ein Maya 107
Was wären wir ohne euch? 108
Umgang mit … Zum Muttertag 1987 - Spielen und Lernen 109
November 1986 - Einladung mit weitreichenden Folgen 111
Nürtingen am 30. Juni 1988 - Das erste Zeugnis 112
Aus dem Schulordner von Felicitas: September 1999 113
Das Jahr 1981 114
Absagen ohne Ende 115
Adoptionsfamilien - mit einem Kind aus Peru 116
Auf dem Weg zum Nobelpreis - Wasser einfangen 117
Frühlingsschnee 118
Sonntag, 18. April 1982 - Namensfindung 119
Peru schließt seine Adoptionsgrenzen 120
Landungs-Jahrestag - 24. August 1982 121
Das zweite Wunder - Ein Kind aus Guatemala 122
Am 11. Mai 1982 - Antrag in Guatemala 123
Juni 1982 - Hoffnung und Ernüchterung 125
Adoption – nein danke - meint das staatliche Schulamt 126
Peru-Absagen - die Grenzen sind dicht 127
Absagen aus Tarma 128
Juli 1982 - Neue Hoffnungen 129
Samstag, 28. August 1982 - Und ein blauer Luftpostbrief aus Guatemala 130
Achtung - Wieder streng geheim 132
Samstag 18. September 1982 - Terre des hommes sagt ab 133
Ende September 1982 - Hoffnungsschimmer aus Guatemala 135
Papierkrieg 136
3. Oktober - Wege, die sich kreuzen 137
Am 13. 10. 1982 - Die Botschaft in Bonn als Geburtshelfer 142
Am 17. 10. 1982 143
Freitag, 29. 10. 1982 - Gespräch über den Atlantik 144
Oktober - Erneute Notarsuche 145
Am 1. November 1982 146
Am 21. November 1982-Wir kriegen ein Baby 147
Am 24. November 1982 - Der letzte Baustein 149
Wer ist Ingrid de Chavarria? 150
Und Ingrid ergänzt bei ihrem letzten Adoptionstreffen 2008 151
Nachtrag 2010 durch ihren Ehemann Julio 153
Guatemala-Stadt, 2. Dezember 1982 - Gebet 154
Guatemala am Dienstag, 7. Dezember 1982 - Ein Kind erblickt das Licht der Welt 156
Erster offizieller Adoptionsschritt 158
Donnerstag, 09. Dezember 1982 - Das zweite Wunder 159
Sylvester 1982 162
Am 12. Januar 1983 - Das erste Foto 163
Schreckensbotschaft 165
Guatemala am 15. Januar 1983 - Aus den Gerichtsakten 166
Um 10:20 Uhr beginnt - die Verhandlung 167
Am 29. Januar 1983 - Taufpatin aus Guatemala 168
Am 10. Februar 1983 - Aus den Gerichtsakten 169
Am 11. Februar 1983 - Verloren gegangene Briefe 170
Donnerstag, 17. Februar 1983 - Privatvergnügen 171
Patenkinder - in Guatemala, Peru und Nicaragua 172
Guatemala am 24. Februar 1983 - Die Ausreise wird genehmigt 173
Freitag 25. 2. 1983 - Ein schwarzer Freitag 174
Sonntag, 27. 2. 1983 - Blinde Buchung 176
Montag, 28. 2. 1983 - Bürgerkrieg 177
Dienstag, 1. März 1983 - Noch ein Wunder 178
Am 3. März 1983 - Abflug abermals verschoben 179
Dienstag, 8. März 1983 - Sie kommen 180
Mittwoch, 9. März 1983 - Schutzengel 181
Donnerstag, 10. März - Ankunftstag 182
Wenn die Welt stillsteht 184
Taufsonntag - 13. März 1983 186
Guatemala, Frühjahr 1983 187
Flucht aus Guatemala 189
Mittwoch, 18. Mai 1983 - Wir adoptieren unser eigenes Kind 191
Juli 1983 - Goldstücke und Sternenhimmel 192
Brückenbau über den Ozean 193
Noch immer Liebe auf den ersten Blick 194
Donnerstag, 22. September 1983 - Jugendamtsbesuch 195
Dezember 1983 - Weltwissen entdecken 197
Am 7. Dezember 1983 - Geburtstagsüberraschung 198
Am 13. Februar 1984 - Adoptionsakte wird geschlossen 200
Februar 1984 - Champion Desiree Klink 201
Am 2. September 1984 - Felicitas als Lebensretterin 202
Weltwissen sammeln - Wie der Mond sein Licht anknipst 204
Dezember 1984 - Ich bin ich 205
April 1985 - Das ist alles MEINS! 206
Wissenswertes über Peru - (Stand 1980) 208
Juli – August 1986 - Reise in die Vergangenheit und Zukunft 211
Begegnung mit einem ganz besonderen Menschen 212
Wo es Liebe und Nächstenliebe gibt, dort ist Gott 213
Im Waisenhaus in Tarma 214
Wieder in Lima 215
Im Lande der Maya 216
Totonicapan 217
Anhang und Nachwort für Desiree 220
El Salvador 222
1992 - Friedensnobelpreis für Rigoberta Menchu 223
Guatemala August 1992 224
Guatemala 1996 - Friedensvertrag 225
1998 - Die Vergangenheitsbewältigung Guatemalas 226
Wissenswertes über Guatemala 227
Stand 2008 230
Für meine Mama - am 13. Mai 1990 zum Muttertag von Desiree 231
Resümee Nürtingen im März 2010 232
Adoption - ein Abenteuer mit glücklichem Ausgang 233
Was kann es für ein Kind Besseres geben als erwünscht zu sein und geliebt zu werden? 234
Adoption - ein Hindernislauf 235
Fazit 237
Dezember 2008 - Ingrids Lebensbuch wird geschlossen 238
Unsere Töchter 1998 - Ein Portrait 239
Nürtingen 2010 243
Danke 245
Am 09. Dezember 2010 schreibt Desiree 246
Ergänzung - Juni 2014 247
Und so schließt sich der Kreis im Mai 2015 - Erneut zu Gast in Peru 248
Reisebericht für unsere Nürtinger Zeitung 249
Bei den Kindern in den Wolkenschulen 251
Hilf mir es selbst zu tun 253
Workshops in Cajamarca 254
Schulunterricht und Kinder mit Down-Syndrom 255
Erwachsenenseminare 256
Und meine persönliche Bilanz? 257
Licht der Hoffnung - Herbst 2015 258
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2022 novum publishing
ISBN Printausgabe: 978-3-99107-924-8
ISBN e-book: 978-3-99107-925-5
Lektorat: Birgit Himmüller
Umschlagfoto: Sasin Tipchai, Milic Djurovic | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Zitat
„Du bist nicht unter meinem Herzen gewachsen,
sondern in meinem Herzen.“
Heute seid ihr erwachsen und könnt mit diesen Tagebuchaufzeichnungen eure Adoptionsgeschichte hautnah mit allen Sinnen nachvollziehen, ganzheitlich verstehen und erfassen und eure Wurzeln mit zwei Müttern und zwei Heimatländern begreifen und verarbeiten.
Widmung
Für den besten Ehemann der Welt
und unsere wunderbaren Töchter
Für die beste Schwester der Welt,
Renate Dybietz
Vorwort
Zwei Mütter, die sich nie begegnet sind,
bleiben für immer verbunden.
Die eine hat dich unter Schmerzen geboren.
Die andere hatte das Glück,
dich als Geschenk zu erhalten.
Du hast zwei Mütter, zwei Heimatländer, innere
und äußere Wurzeln, die dich prägen und
begleiten durch dein ganzes Leben.
Die Mutter, die dich unter ihrem Herzen trug,
war dein guter Stern.
Die Mutter, die dich durchs Leben begleitet,
ist deine Sonne.
Es ist unendlich schön, als Eltern erleben zu dürfen,
wie Kinder wachsen und sich entwickeln,
wie sie sich Schritt für Schritt ihre Welt erobern,
wie sie flügge werden und in die Welt hinausziehen,
um ihre eigenen Wege zu erkunden
und einzuschlagen.
Es ist unendlich schön, Kinder zu haben.
Es ist unendlich schön, Eltern zu sein.
Es ist unendlich schön,
dafür Verantwortung zu übernehmen.
Es ist unendlich schön, Liebe zu schenken
und Liebe zu erhalten.
Es ist unendlich schön, auf der Welt zu sein.
Dieses Glück hautnah zu spüren und zu erleben:
Dafür danken wir den Indiomüttern
in Peru und Guatemala.
Stuttgart - am 21. August 1998
Nach genau 936 Samstagen oder an einem Samstag vor genau achtzehn Jahre stehen wir wieder auf dem Flughafen Stuttgart. Wir erwarten unsere Tochter von ihrer ersten Reise in den fernen Urlaub zurück. Die Lichter auf der großen schwarzen Anzeigetafel blinken nervös, hellgrün leuchtend auf. Die Maschine ist gelandet.
Dieses Mal nicht aus dem fernen Peru vom Ende der Welt, aus Lateinamerika, sondern aus dem nahen Ibiza. Dieses Mal ist es nicht spät abends, sondern Mittagszeit und dieses Mal stehen wir als Eltern hinter den Sicherheitstüren des Zolls.
Und noch etwas ist grundlegend anders: Heute erwarten wir unsere achtzehnjährige, volljährige Tochter, groß, schlank, sichtlich gut erholt und noch brauner als sonst, strahlend an der Seite ihres langjährigen, groß gewachsenen, sportlichen, blonden Freundes.
Uns beiden Wartenden gehen wohl dieselben Gedanken durch den Kopf und berühren unsere Herzen. Wir sehen so, als wäre es erst neulich passiert, ein kleines, schwarzhaariges Etwas bäuchlings in einer blauen Babytragetasche verpackt, wenige Wochen alt und völlig durcheinander von den sich überschlagenden Ereignissen.
Aus dem dunklen, kleinen Bündel Mensch ist heute eine hübsche, junge, strahlende Frau geworden: damals wie heute unsere Tochter, unsere Adoptivtochter aus Lima, dem Lande der Inkas.
Achtzehn Jahre voller Samstage. Auch an diesem Samstag nach genau achtzehn Jahren. Purer Zufall, Glück, Schicksal.
Solange wir warten, wandern unsere Gedanken und Gefühle blitzschnell, fast wie in einem Filmriss rückwärts. Viel zu schnell sind die Jahre enteilt und vergangen. Achtzehn Jahre, obwohl laut Kalender noch zwei Tage fehlen bis zum damaligen Datum. Damals.
Wir versuchen, aus der quirligen Schar der Urlauber unsere lachende, braun gebrannte Tochter zu entdecken. Wir winken schon einmal mit der lachsroten, langstieligen Rose.
Damals stand ich aufgeregt, übermüdet, durcheinander und aufgelöst jenseits der Tür in der Masse der zum Ausgang strömenden Fluggäste eingekeilt.
Damals stand ein gerade zum Vater gekürter „Vater“, einen großen bunten Sommerstrauß schwenkend und mit klopfendem Herzen harrend auf der Empfangsseite. Er schaute angestrengt in die dem Ausgang zustrebenden Menschen, hoffend, dass jemand aus der sich langsam vorwärtsdrängenden Masse zurückwinkt, nämlich seine Frau mit der kleinen Tochter aus Peru.
Heute harren wir zu zweit, unsere Herzen klopfen zwar nicht mehr so angespannt und aufgeregt, aber eine gewisse Nervosität und Angespanntheit ist dennoch spürbar.
Und dann entdecken wir sie fast gleichzeitig. Da kommt sie, leichtfüßig. Endlich erwachsen, selbstständig, eigenverantwortlich. Kein Kind mehr und dennoch unser Kind. Unsere Tochter.
Januar 1980 - Hoffnung
Wir hatten uns schon immer Kinder gewünscht. Eigene und Adoptivkinder. Doch eines Tages mussten wir erfahren: Wir werden keine eigenen Kinder haben können! Zuerst brach alle Hoffnung wie ein Kartenhaus zusammen. Viele schwierige Monate brauchten wir, ehe wir bereit waren, diese unumstößliche Tatsache zu akzeptieren. Also beschlossen wir, mit dem zweiten Teil unseres Wunsches zu beginnen.
Wir glaubten, ein Kind zu adoptieren dürfte nicht so schwierig sein, doch abermals hatten wir uns grundlegend getäuscht. Untersuchungen, Behördengänge, sich ausfragen lassen. Auch persönliche, ganz intime Fragen mussten wir auf dem Jugendamt gemeinsam und getrennt klar beantworten. Fragen, die erst das Leben stellen wird, wenn überhaupt. Aber die Vorschriften verlangen, das zukünftige Elternpaar bis in den kleinsten Winkel ihres Herzens zu durchleuchten, abzuklopfen, jede Gefühlsregung zu dokumentieren – gleichgültig, wie unsinnig uns die Fragen auch erschienen.
Monat um Monat verstrich. Ohne Ergebnis. Nach neuen Wegen suchen. Adoption in der Dritten Welt? Warum eigentlich nicht. Wieder wurden die Fühler ausgestreckt. Mit großen Hoffnungen schrieben wir unzählige Briefe und ließen die Drähte unseres Telefons heiß laufen.
Die Ergebnisse waren niederschmetternd. Unser innigster Wunsch rückte immer weiter weg, versank im Ungewissen, im Dschungel und Nebel der Adoptionsvorschriften. Den einen waren wir mit 35 und 39 Jahren zu alt, dann hatten wir die falsche Konfession oder passten nicht in das gewünschte Weltbild oder Raster hinein.
Beim zuständigen Jugendamt, der Adoptionsvermittlungsstelle, deponierten wir alle Unterlagen, Fragebögen, Stellungnahmen, Interview, unsere Lebensläufe, Gesundheitszeugnisse, polizeiliches Führungszeugnis, Familienstammbuch, Leumund, Verdienstnachweise usw.
Besonders der umfangreiche Fragenkatalog beim Jugendamt war beachtenswert. Da wurden wir nach unserem Freizeitverhalten oder unseren persönlichen Erziehungsvorstellungen ausführlich befragt. Unsere eigene Kindheit wurde ausgeleuchtet. Man war neugierig von uns zu erfahren, wie wir die Fragen zu Sauberkeitserziehung unseres zu adoptierenden Kindes in den Griff bekommen möchten. Auch die späteren schulischen Laufbahnvorstellungen wurden bis ins Detail vorsorglich abgeklopft und waren dem Jugendamt enorm wichtig. Pubertätsprobleme, so genannte „Falsche Freunde“ oder Verhaltensstörungen standen ebenso zur Debatte wie die Nähe eines zukünftigen Kindergartens oder unser persönliches Umfeld, unser finanzieller Status, heute, morgen und in zehn Jahren.
Wir wurden erforscht, vermessen, bewertet, in Schubladen eingeordnet. Das alles, um einen messbaren, nachweislichen, unumstößlichen Nachweis und Beweis zu erstellen und zu dokumentieren, dass wir in der Lage sind, ein Kind groß zu ziehen.
Viele Einbestellungen im Jugendamt, Befragungen einzeln oder gemeinsam, Besuche bei uns zu Hause, alles ließen wir letztendlich über uns ergehen, obwohl uns immer wieder das ungute und auch beängstigende, verunsichernde Gefühl beschlich, wie unser Land wohl aussehen würde, wenn sich alle werdenden Eltern diesen Testanforderungen zu stellen hätten.
Klar möchte man Adoptiveltern ganz besonders genau und gründlich unter die Lupe nehmen, von allen Seiten ausleuchten, von allen erdenkbaren Seiten und Ecken begutachten, erforschen, Ansichten, Wünsche, Gedanken in die Zukunft hinterfragen und alles bis ins kleinste Detail durchleuchten. Die Stabilität der Partnerschaft, die Adoptionsbelastung als Paar, Problembewältigung in der Zukunft, irgendwann einmal, vielleicht oder auch nicht. Wie wirkten wir auf die Dame des Jugendamtes, die etwa zehn Jahre älter war als wir und selbst keine Familie hatte? Sie erschien offen und distanziert, neugierig und forschend, menschlich und amtlich, Mut machend, um gleich alles wieder infrage zu stellen, Hoffnungen wurden geweckt, um gleichzeitig die Aussichtslosigkeit festzustellen. Ein Wechselbad der Gefühle von Himmel hoch jauchzend bis zu Tode betrübt.
Einblick in unsereUnterlagen, Protokolle, Klassifizierungen, Meinungsfindung – alles blieb als Verschlusssache wie in einer Geheimakte verborgen.
Welche Chancen und Möglichkeiten waren noch offen? Fragen unsererseits und Antworten oder Auskünfte seitens des Jugendamtes – ihre Auswirkungen, unsere Chancen? Hatten wir überhaupt eine Chance oder war das Ergebnis bereits festgezurrt? Hatten wir die Dame des Jugendamtes berührt, war es uns gelungen, sie positiv auf uns und unsere große Hoffnung einzustimmen? Stand sie uns eher positiv, zögernd oder gar negativ gegenüber? Es war wie ein Schweben im luftleeren Raum, ohne nur im Geringsten zu ahnen, wohin die Reise uns treiben würde.
Über die Auswahlkriterien, Möglichkeiten, Hoffnungen oder Hoffnungslosigkeit unseres Unterfangens wurde undurchdringliches Stillschweigen bewahrt. Ein Wechselbad an Wünschen, Hoffnungen und Gefühlen. Alles blieb ein großes, gut gehütetes Geheimnis. Über unsere Möglichkeiten, welchen Rang wir im Karussell der zukünftigen Adoptiveltern einnehmen würden – nichts war herauszukitzeln.
Schweigen, schweigen, schweigen. Wir fühlten uns hilflos und verloren, aussichtslos und trotzdem würden wir nie aufgeben. Wo eine Tür zuschlägt, öffnet sich irgendwo eine andere, uns noch unbekannte Tür und wenn es nur einen Spalt breit wäre. Wir würden einfach blitzschnell unseren Schuh dazwischenschieben und die noch so kleinste Chance am Schopfe packen. Wir versuchten nun parallel die Adoptionsgenehmigung für ein Kind irgendwo auf der großen weiten Welt zu erhalten und suchten nach einer Adoptionschance.
Die Ergebnisse waren niederschmetternd.
Das Jugendamt ließ uns nach vielen Wochen und Monaten wissen, dass wir für ein deutsches Adoptivkind mit fünfunddreißig und neununddreißig Jahren zu alt seien. Ungeschminkt signalisiert man uns: „Wissen Sie, wir suchen Eltern für Kinder, aber keine Großeltern.“
Aber da gäbe es noch eine klitzekleine Chance, natürlich nicht auf ein Baby oder Kleinkind. „Wir hätten da schon was Geeignetes für Sie, besonders bei den pädagogischen Kenntnissen Ihrer Frau als Erzieherin und Lehrerin und Ihrem ehrenamtlichen Engagement im Kinder- und Jugendsport, Herr Klink.“ Es folgte eine kurze Pause: „Wir haben drei Kinder im Alter von zehn bis vierzehn Jahren. Geschwister. Man sollte sie möglichst zusammen adoptieren. Sie leben in einer Pflegefamilie, müssen dort aber raus. Das wäre doch etwas für Sie?“
Nein, diesen Vorschlag wollten und konnten wir nicht umsetzen. Daraufhin deutete man uns unumwunden an, dass wir in Deutschland keine weiteren Adoptionschancen mehr hätten.
„Nein, schriftlich könne man uns diese Aussage natürlich nicht bestätigen.“ – „Natürlich würde unsere Akte auf eine Adoption auch weiterhin im Amt verbleiben.“ – „Natürlich können wir uns die Adoption der drei Halbwüchsigen gerne noch einmal überlegen.“ – Natürlich …
Fühler ausstrecken in anderen Ländern
Nachdem uns somit die in Deutschland zuständigen Institutionen alle als „nicht geeignet“ abgestempelt hatten, erwachte in uns ein ungeheurer Kampfesgeist.
Wir waren uns sicher: Es gibt irgendwo ein Kind für uns. Wenn nicht in Deutschland, dann in …?
Mit dem Orden von Mutter Theresa in Indien standen wir ebenfalls im Briefkontakt. In einem Schreiben wurden wir dann auch zu unserer Religionszugehörigkeit befragt. „Nein, wir sind nicht katholisch. Nein, keiner von uns beiden kann sich vorstellen, zum katholischen Glauben überzutreten.“ Und so mussten wir akzeptieren, dass wir für ein indisches Kind nicht den richtigen Glauben besaßen. Aber sind die Inder nicht Hindus oder Moslems? Während der drei Jahren Auslandsschule von 1968-1971 in Kabul/Afghanistan war ich auch mehrmals in Indien.
Zu „terre des hommes“ nahmen wir nicht nur Kontakt auf, wir nahmen auch an einem Adoptionstreffen teil. Aber hier waren die Verantwortlichen des Treffens nicht mit unserem Weltbild – ohne dies näher zu erläutern – einverstanden. Und der Organisation war es ein Dorn im Auge, dass wir weder ein behindertes noch halbwüchsiges Schulkind aus Schwarzafrika adoptieren wollten.
Wir erkundigten uns bei Botschaften und Auslandsschulen, auch in Südamerika. Hatte ich nicht drei Jahre lang in Südchile gearbeitet? Vielleicht konnten hier alte Fäden neu aufgegriffen werden? Aber aus Chile ließ man uns wissen, nach Deutschland dürften nun keine Kinder mehr vermittelt werden.
Wir nahmen Gespräche mit Familien in Deutschland auf, die bereits einem Kind aus der „Dritten Welt“ Liebe, Geborgenheit und einen Platz in ihrem Herzen eingeräumt hatten. Neue Informationen und Wege eröffneten sich.
Und wieder waren Monate ins Land gegangen. Sie waren angefüllt mit Briefe schreiben, sich an den unterschiedlichen Bewerbungsstellen immer wieder möglichst unaufdringlich in Erinnerung bringen, bangen, hoffen, sehnen, verzweifeln, verzagen, erschöpft und mutlos aufgeben wollen, um gleichzeitig mutig weiter zu kämpfen.
Manche Vermittlungsstellen reagierten auf den fünften oder zehnten Brief, andere meldeten sich nicht. Damals gab es noch kein Internet, keinen PC, alle Schreiben wurden auf der alten, klapprigen Schreibmaschine, die ich heute noch besitze, getippt. Damals war telefonisch so gut wie niemand erreichbar, denn Telefon gab es nur in den offiziellen Ämtern. Und so ein Brief über den Großen Teich dauerte schon mal zwei Wochen. Mit sechs Wochen Postdienst musste man dann schon rechnen, bis ein Antwortschreiben nach Deutschland flatterte.
Unsere Hoffnungen sanken unter den Gefrierpunkt. Keine Chance in naher Zukunft. Die Wartelisten schienen ungeheuer lang, Lichtjahre entfernt von unserem großen Wunsch nach einem Kind.
Wut, Bitterkeit, Resignation bemächtigten sich unser. Da gab es so viele Kinder, die ohne Eltern aufwachsen, ohne Liebe und Geborgenheit einer Familie, die auf der Straße dahinvegetierten. Kinder ohne Lebenschance und Lebensperspektive. Darüber wusste ich Bescheid, schließlich hatte ich sechs Jahre in sozialen Einrichtungen in Chile und Afghanistan gearbeitet und gelebt und unendlich viel Leid, Not und Elend der Kinder und deren Familien hautnah erlebt.
Aufgeben? Nein! Zu keinem Zeitpunkt waren wir bereit, unser Ziel fallen zu lassen. Wir waren felsenfest davon überzeugt: Irgendwo in der Welt wartet ein Kind, das zu uns gehört. Unser Kind.
Am 23. Februar 1980 - Der erste Schritt in die Zukunft
Was wir nicht mehr erhofften, geschah. Wir hatten nun alle Papiere des Jugendamtes für eine Adoption im Ausland zusammen. Die internationalen Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, polizeiliche Führungszeugnisse, Wohnsitznachweise, Arbeitsbescheinigungen, Lohnbescheinigungen, Gesundheitszeugnisse, Leumund, Referenzen, Pässe usw.
Der Sozialbericht des Jugendamtes wurde uns zugesagt. Dieses wichtige, nein wichtigste Papier überhaupt sollte die vorläufige Pflegeerlaubnis enthalten, die ein Rechtsanwalt als Vollmacht benötigt, um eine Adoption irgendwo in der Welt einzuleiten.
In Peru sollten Auslandsadoptionen möglich sein, hatte mir eine Familie berichtet. Sie stünden auf der Warteliste, aber ihr Jugendamt sei nicht gerade begeistert, ein fremdländisches Kind nach Deutschland zu holen. So fahren wir zu dieser Familie, um so rasch als möglich die Bedingungen zu erkunden. Das Ehepaar ist inzwischen schon weit nach vorne in der Adoptionsliste aufgerückt.
Dieser Zufall sollte unser Hauptgewinn sein. Das Jugendamt vermittelte dem Ehepaar ein neugeborenes deutsches Baby. Dann liefen die Drähte heiß und das große Wunder geschah: „Der Warteplatz wird auf das Ehepaar Klink übertragen.“
Mit neuem Mut fuhren wir nach Hause. Ich setzte mich sofort an die Schreibmaschine, um den ersten Brief nach Peru zu senden.
Unsere Anfragen in Afghanistan und Südchile wurden in diesen Tagen negativ beschieden. Ich hatte zwar das untrügliche Gefühl, dass wir dort eine Chance, wenn auch nur eine winzig kleine hätten, weil ich ja in diesen Ländern je drei Jahre gearbeitet hatte. Aber das war wohl nur ein weiteres, ganz großes Missverständnis auf dem langen Weg einer Adoption.
Am 24. März 1980 - Die vorläufige Pflegeerlaubnis wird ausgestellt
Endlich war wieder ein Schritt geschafft. Unser Jugendamt ließ uns zur Adoption zu, wenn auch nicht in Deutschland, sondern irgendwo in der großen weiten Welt.
Der erste wirkliche Hoffnungsschimmer nach fast zwei Jahren eiserner Bemühungen um ein Adoptivkind.
An dem Tag hatten wir den vierseitigen Antrag auf Pflegeerlaubnis beim Jugendamt abgegeben. Ein Stoßgebet wurde mit dem Schreiben gleich schwungvoll mit in den Briefkasten eingeworfen. Wir hatten längst alle Papiere für eine Auslandsadoption beisammen und vom Landgericht beglaubigen lassen. Unendlich viel Zeit, Nerven wie Drahtseile, Telefonate mit den Ämtern in unserem Bezirk, Übersetzungskosten und natürlich Legalitätskosten. Nur die Beglaubigung von der Beglaubigung durch die zuständige Botschaft des Adoptionslandes stand noch aus. So harrten wir auf das erste Hoffnungszeichen aus irgendeinem Land. Die erste Zusage wollten wir beim Schopfe packen.
Dieser feste, unbeugsame Wille und eine wilde Entschlossenheit, dass unser Kind uns finden würde, nährten unser Durchhaltevermögen und gaben uns Kraft, viel Kraft.
Am 27. Mai 1980 - Ein Hoffnungsschimmer aus Peru
Im Briefkasten lauerte ein blauer Luftpostbrief mit peruanischen Briefmarken. Inkamotive waren darauf abgebildet. Vor lauter Aufregung und Anspannung riss ich mit zittrigen, ungeschickten Händen den Umschlag auf. Noch auf der Treppe las ich die ersten Zeilen. Sie waren mit der Schreibmaschine auf Deutsch getippt. Dann musste ich mich setzen. Meine Beine knickten wie Gummi ein. Vor Schreck wurde es mir ganz übel.
Eigentlich hätte ich ja einen Jubelschrei heraustrompeten müssen, dass die Wände wackeln, oder einen Luftsprung bis an den Himmelsrand vollführen. Aber da saß ich und starrte auf die wenigen, mit der Schreibmaschine getippten Zeilen auf dem hauchdünnen Luftpostpapier.
„… und möchte Ihnen mitteilen, dass ich in einigen Wochen ein Kind zur Adoption finden könnte. Sobald ich Ihre deutschen Unterlagen nach beiliegendem Papier in den Händen halte …“
Die Buchstaben verschwammen, ich vergaß zu atmen, saß da wie zur Salzsäule erstarrt und konnte es nicht fassen. Ich konnte es einfach nicht glauben und saß zusammengesunken auf der kalten Steintreppe. Und gleichzeitig sagte eine Stimme tief in meinem Inneren. „Glaub es nicht, es kann wiederum nur ein Strohfeuer sein. Mach dir keine Hoffnungen, du bist schon viel zu oft enttäuscht worden. Das ist eine Fata Morgana.“ Aber mein anderes „Ich“ schrie den inneren Schweinehund nieder: „Warum soll es dieses Mal nicht klappen, es ist doch eine Zusage.“ Und um ganz sicherzugehen, dass ich keiner Halluzination aufsaß und es auch kein Traum war, strich ich mit der Hand über den unwillkürlich zusammengedrückten Brief. Das leise Knistern holte mich blitzschnell in die Wirklichkeit zurück. Sorgsam strich ich das hauchdünne Papier glatt, eilte die Treppe hinauf und legte den Brief wie ein kostbares Geschenk behutsam auf den Tisch.
„Das wird heute Abend die Überraschung der Welt werden, wenn Siegfried nach Hause kommt.“ Es fiel mir unendlich schwer, nicht zum Telefonhörer zu greifen und mein Glück hinauszurufen.
Am 04. Juni 1980 - Von guten Kräften wunderbar geborgen
Wir beide fühlten uns von guten Mächten wunderbar geborgen. Und dann trudelte die Pflegeerlaubnis ein. Es war ein gutes Omen. Nichts schien mehr schief gehen zu können.
Ich ertappte mich, wie ich einen Moment plötzlich wieder an die guten Mächte und eine hilfreiche Fee glaubte, wie in Kindertagen.
Sofort kopierte ich alle Unterlagen und kostbaren Originalpapiere, verfrachtete diese in einen großen braunen Umschlag und versah ihn mit vielen Briefmarken. Den blauen Luftpostaufkleber aufkleben und nach Peru senden.
Der Postbeamte benötigte einige Minuten, um das Porto nach Südamerika zu berechnen und wollte ihn im Postsack verschwinden lassen. „Kann ich den Brief selbst einwerfen?“, bat ich den Postbeamten. Er blickte mir fragend ins Gesicht: „Natürlich.“
Ich nahm dem Umschlag behutsam, fast zärtlich in die Hand, drückte heimlich ein Küsschen darauf und mit innigen, guten Wünschen glitt er fast lautlos in das gefräßige gelbe Maul des Postkastens. Die anderen Briefe an Waisenhäuser in Indien und Korea, Südchile, Brasilien, Ecuador und Nordperu purzelten hinterher.
Am 16. Juni 1980 - Vollmachten für eine gemeinsame Zukunft
Seit drei Tagen lag die Vollmacht aus Lima auf dem Tisch. Wir hatten dieses unglaubliche Dokument hundert Mal gelesen. Endlich war der Notartermin. Dort mussten wir ein Schriftstück unterzeichnen, in dem wir dem Rechtsanwalt und Notar in Lima die Adoptionsvollmacht erteilten. Er konnte uns dann in allen rechtlichen Dingen auf den Ämtern in Lima vertreten und alle für eine Adoption benötigten Unterlagen und Urkunden vorlegen und einholen.
In einer Vollmacht, deren Wortlaut uns aus Lima vorgeschrieben ist, verpflichteten wir uns, ein Kind uneingeschränkt bei uns aufzunehmen sowie alle Kosten der Adoption zu übernehmen.
Siegfried als werdender Vater musste noch eine dritte Vollmacht unterzeichnen, in der er mich als seine Ehefrau ermächtigte, die Adoption in Peru persönlich durchzuführen, das Verfahren auch in seinem Namen in Lima abzuwickeln und mit dem adoptierten Kind nach Deutschland zurückzureisen.