Mit Leib und Seele (Die Sullivans aus Maine 1) - Bella Andre - kostenlos E-Book

Mit Leib und Seele (Die Sullivans aus Maine 1) E-Book

Bella Andre

3,0

Beschreibung

Der preisgekrönte Drehbuchautor Flynn Stewart scheint in Hollywood ein traumhaftes Leben zu führen. Aber eines Tages wird er schlagartig von seiner dunklen Vergangenheit eingeholt, als er erfährt, dass seine Schwester, die er seit Langem aus den Augen verloren hatte, verstorben ist – und ihm eine sechs Monate alte Nichte namens Ruby hinterlassen hat. Flynn schwört sich, dass er dem kleinen Mädchen, das ihm jetzt alles bedeutet, eine bessere Kindheit schenken wird, als er oder seine Schwester sie jemals hatten. Als er herausfindet, dass Rubys Kindermädchen versucht, die Story an die Presse zu verkaufen, bringt er seine Nichte so weit weg von Hollywood wie nur möglich. Als eines von sieben Geschwistern in Bar Harbor, Maine, ist Cassie Sullivan ihrer Familie, der sie sich eng verbunden fühlt, dankbar für die Liebe und Unterstützung, die sie ihr ganzes Leben lang erfahren durfte. Nur dies gab ihr den Mut, eine erfolgreiche Süßwarenfirma aufzubauen. Als ein Freund ihres Cousins eine Unterkunft sucht, um dort ein paar Wochen mit seinem Baby zu verbringen, lädt sie ihn in ihr Holzhaus im Wald ein. Und vom ersten Moment an verliert sie ihr Herz an den unglaublich attraktiven Mann und sein allerliebstes kleines Mädchen. Flynn hat noch nie so einen fröhlichen und offenen Menschen wie Cassie kennengelernt. Er fühlt sich gleich zu ihr hingezogen und erzählt ihr plötzlich Dinge von früher, über die er noch nie mit jemandem gesprochen hatte. Allerdings ist er sicher, dass jemand mit so einer dunklen Vergangenheit wie er für eine Frau wie Cassie niemals gut genug sein kann. Cassie jedoch hat nicht die Absicht, die beiden Menschen, die ihr das Herz geraubt haben, kampflos wieder ziehen zu lassen. Und sie ist bereit, alles zu geben – all das Licht, die Liebe und das Lachen, das sie brauchen. Werden die Alpträume aus Flynns Vergangenheit ihn weiterhin verfolgen und ihm die Freude an einer Zukunft mit Cassie nehmen? Oder werden Cassies Liebe und die Unterstützung ihrer großen Familie so stark sein, dass er es mit ihrer Hilfe schafft, endlich Licht in die Schatten der Vergangenheit zu bringen und seine Dämonen zu besiegen?

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Beliebtheit




Mit Leib und Seele

Die Sullivans aus Maine

Cassie Sullivan und Flynn Stewart

Bella Andre

Inhaltsverzeichnis

Bucheinband

Titelseite

Copyright

Über das Buch

Eine Anmerkung von Bella

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Epilog

Auszug aus Herzbeben

Alle Bücher von Bella Andre in deutscher Sprache

Über die Autorin

Mit Leib und Seele

© 2020 Bella Andre

Die Sullivans aus Maine

Cassie Sullivan und Flynn Stewart

Übersetzung Christine L. Weiting – Language + Literary Translations, LLC

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www.BellaAndre.com

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Der preisgekrönte Drehbuchautor Flynn Stewart scheint in Hollywood ein traumhaftes Leben zu führen. Aber eines Tages wird er schlagartig von seiner dunklen Vergangenheit eingeholt, als er erfährt, dass seine Schwester, die er seit Langem aus den Augen verloren hatte, verstorben ist – und ihm eine sechs Monate alte Nichte namens Ruby hinterlassen hat. Flynn schwört sich, dass er dem kleinen Mädchen, das ihm jetzt alles bedeutet, eine bessere Kindheit schenken wird, als er oder seine Schwester sie jemals hatten. Als er herausfindet, dass Rubys Kindermädchen versucht, die Story an die Presse zu verkaufen, bringt er seine Nichte so weit weg von Hollywood wie nur möglich.

Als eines von sieben Geschwistern in Bar Harbor, Maine, ist Cassie Sullivan ihrer Familie, der sie sich eng verbunden fühlt, dankbar für die Liebe und Unterstützung, die sie ihr ganzes Leben lang erfahren durfte. Nur dies gab ihr den Mut, eine erfolgreiche Süßwarenfirma aufzubauen. Als ein Freund ihres Cousins eine Unterkunft sucht, um dort ein paar Wochen mit seinem Baby zu verbringen, lädt sie ihn in ihr Holzhaus im Wald ein. Und vom ersten Moment an verliert sie ihr Herz an den unglaublich attraktiven Mann und sein allerliebstes kleines Mädchen.

Flynn hat noch nie so einen fröhlichen und offenen Menschen wie Cassie kennengelernt. Er fühlt sich gleich zu ihr hingezogen und erzählt ihr plötzlich Dinge von früher, über die er noch nie mit jemandem gesprochen hatte. Allerdings ist er sicher, dass jemand mit so einer dunklen Vergangenheit wie er für eine Frau wie Cassie niemals gut genug sein kann. Cassie jedoch hat nicht die Absicht, die beiden Menschen, die ihr das Herz geraubt haben, kampflos wieder ziehen zu lassen. Und sie ist bereit, alles zu geben – all das Licht, die Liebe und das Lachen, das sie brauchen. Werden die Alpträume aus Flynns Vergangenheit ihn weiterhin verfolgen und ihm die Freude an einer Zukunft mit Cassie nehmen? Oder werden Cassies Liebe und die Unterstützung ihrer großen Familie so stark sein, dass er es mit ihrer Hilfe schafft, endlich Licht in die Schatten der Vergangenheit zu bringen und seine Dämonen zu besiegen?

Eine Anmerkung von Bella

Willkommen bei den Sullivans aus Maine!

Es hat mir unglaublich viel Freude gemacht, Mit Leib und Seele zu schreiben, nicht nur, weil ich von Cassie und Flynn als Paar begeistert bin, sondern auch, weil ich es absolut fantastisch finde, endlich über Ethan Sullivan, seine Frau Beth und ihre sieben Kinder schreiben zu können. Ich kann es kaum erwarten, zu erleben, wie es bei jedem der sieben Geschwister funkt, wenn sie sich nacheinander verlieben!

Falls Sie zum ersten Mal ein Sullivans-Buch lesen, sollten Sie wissen, dass sich jedes Buch leicht als Einzelwerk lesen lässt, auch, wenn man die anderen noch nicht kennt.

Ein glückliches Leseerlebnis wünscht Ihnen Ihre

Bella Andre

P.S. Weitere Geschichten über die Sullivans aus Maine folgen in Kürze! Bitte melden Sie sich für meinen Newsletter (BellaAndre.com/Germany) an, damit Sie keine Neuerscheinungen verpassen.

KAPITEL 1

„Oh mein Gott, sie ist wunderschön.“

Die Worte waren Cassie unvermittelt herausgerutscht, als sie den Mann – und das Baby, das er auf dem Arm hielt – auf der Veranda ihres Blockhauses stehen sah.

Instinktiv streckte Cassie die Hand aus, um das weiche Haar des Babys zu streicheln, so wie sie es mit den kleinen Kindern ihrer Schwester und ihrer Cousins tun würde. Aber bevor sie sie berührte, vergrub das kleine Mädchen ihr Gesicht am Hals des Mannes und klammerte sich fester an ihn, während er sie, offenbar, um sie zu schützen, näher an sich zog.

Bereits in den ersten Sekunden, nachdem sie ihre neuen Mieter kennengelernt hatte, kam es Cassie so vor, als sei sie in einen riesigen Fettnapf getreten. Sie ließ ihren Arm wieder sinken und tat einen Schritt zurück. „Sie sind bestimmt Flynn und Ruby. Kommen Sie herein.“

Flynn betrat das Blockhaus langsam und schien zu überlegen, ob er bleiben wollte oder nicht. Beim Klang ihres Namens hob die Kleine kurz den Kopf und versteckte ihr Gesicht dann gleich wieder an seinem Hals.

„Ich bin Cassie. Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Wie war die Reise? Sie sind sicher erschöpft – von den Flügen, den Aufenthalten dazwischen und dann mussten Sie ja auch noch vom Flughafen hierherfahren.“

Ruby rieb sich die Augen, als wäre sie bereit für ein Nickerchen. Obwohl Flynn aussah, als könnte er auch eines gebrauchen, antwortete er einfach: „Wir sind okay.“

„Super.“ Cassie lächelte ihn an, obwohl sie das Gefühl hatte, dass jede Hoffnung, er könne vielleicht zurücklächeln, umsonst war. „Ich hoffe, mein Häuschen ist für Sie beide okay. Den Kühlschrank habe ich aufgefüllt. Ich war mir nicht sicher, was Ruby wohl essen wird, und ob sie überhaupt schon feste Nahrung bekommt. Zur Sicherheit habe ich mal ein Gläschen von jeder Sorte gekauft, pürierte Möhren, Erbsen und Kartoffeln.“ Wenn sie nervös war, redete Cassie. Wie ein Wasserfall. Je weniger Antworten sie bekam, desto weiter holte sie aus, um die Leere zu füllen. „Ich habe auch ein Kinderbett gefunden, dazu einen Wickeltisch und ein paar Stofftiere, eine Gummiente zum Baden, sowie ein paar weiche Babydecken und Windeln in verschiedenen Größen. Das Kinderbett steht vorerst im Hauptschlafzimmer, aber ich kann Ihnen helfen, es ins Gästezimmer zu bringen, wenn Sie es lieber dort hätten.“

„Im Schlafzimmer ist okay.“

Da war wieder dieses Wort. Okay. Was ihrer Erfahrung nach normalerweise alles andere bedeutete als okay.

„Ehrlich“, sagte sie zu ihm, „ich würde Ihnen gerne helfen. Wenn Sie nachschauen wollen, ob noch etwas fehlt, das Sie für heute Abend brauchen, oder ob ich Ihnen helfen kann, irgendetwas umzuräumen, dann packe ich gerne mit an, solange ich noch hier bin.“

Einen Moment lang starrte er sie einfach an. Fast so, als spräche sie eine Fremdsprache. Oder vielleicht alle Fremdsprachen auf einmal.

Schließlich nickte er. „Wir sind gleich wieder da.“

Nachdem er mit dem Kind den Flur hinunter gegangen und im Schlafzimmer verschwunden war, stieß Cassie einen langen Atemzug aus. Sie hatte sich mit all dem albernen Geschwätz zum Narren gemacht. Wenn sie doch nur nicht so nervös wäre.

Ein Teil des Problems war, dass sie nie wusste, wie sie sich in Gegenwart attraktiver Männer verhalten sollte, mit denen sie nicht verwandt war. Dass man bei Flynn Stewart gleich eine viel höhere Messlatte für Attraktivität ansetzen musste, machte es ihr nicht leichter.

Natürlich wusste sie, wer er war. Ein preisgekrönter Drehbuchautor, der fast so berühmt war wie die Schauspieler, die in seinen Filmen die Hauptrollen spielten. Die Frau, mit der er vor nicht allzu langer Zeit zusammen gewesen war, war eine von denen, die die Zeitschrift People zu den „Schönsten Frauen“ auserkoren hatte. Aber ihn in Fleisch und Blut vor sich zu sehen, war etwas ganz anderes, als sich online ein Foto von ihm anzuschauen.

Der echte Flynn, wie er leibte und lebte, war breitschultriger, größer und insgesamt imposanter.

Da er die nächsten Wochen in ihrer Blockhütte wohnen würde, war es höchste Zeit, dass sie sich zusammenriss und aufhörte, wie ein Dummchen um ihn herum zu scharwenzeln. Sollte er doch umwerfend gut aussehen, und wenn schon! Und auch noch wahnsinnig talentiert sein. Sie bot ihm hier nur eine Unterkunft an, weit weg von den grellen Scheinwerfern Hollywoods. Cassie bezweifelte, dass sie ihn oft zu Gesicht bekommen würde, sobald er und Ruby sich erst eingelebt hätten.

Ihr wurde das Herz weich, als sie an das süße Baby in Flynns Armen dachte. Cassies Cousin Smith, der ein weltberühmter Filmstar war, hatte ihr Flynns und Rubys Geschichte nur in groben Zügen geschildert. Offenbar war kürzlich eine Verwandte von Flynn gestorben und er hatte das kleine Mädchen adoptiert. Jetzt mussten sie sich, weil er so berühmt war, an einen entlegenen und ungestörten Ort zurückziehen, um dem Blitzlichtgewitter und den bohrenden Fragen der Paparazzi zu entfliehen. Smith und Valentina hatten sich in Cassies Blockhütte sehr wohl gefühlt, als sie Anfang des Jahres ihre Flitterwochen dort verbrachten. Daher hatten sie gleich gedacht, es könne ein geeigneter Zufluchtsort für Flynn sein. Natürlich war für Cassie ein Freund von Smith automatisch auch ein Freund von ihr, also stellte sie das Blockhaus sehr gern zur Verfügung.

Vor einigen Jahren hatte sie das heruntergekommene Holzhaus inmitten eines großen Waldgebietes in der Absicht gekauft, es zu renovieren und danach weiterzuverkaufen. Aber nachdem sie die Fußböden abgeschliffen und lackiert, neue Küchenschränke eingebaut und jeden Raum in genau der richtigen Farbe gestrichen hatte, hatte sie zu viel Herzblut investiert, um es an Fremde verkaufen zu können. Sie spielte sogar mit dem Gedanken, aus dem Stadtzentrum von Bar Harbor weg und in das Waldhaus zu ziehen. Aber bis der richtige Zeitpunkt gekommen war, um diesen Sprung zu wagen, vermietete sie es gern an Verwandte und Bekannte.

Flynn kam mit leeren Händen ins Wohnzimmer zurück. „Ruby hat nur einen kurzen Blick auf das Bettchen geworfen und wollte gleich hinein. Im Flugzeug hat sie nicht gut geschlafen.“ Er sah selbst völlig erschöpft aus und fuhr sich mit der Hand über die dunklen Bartstoppeln am Kinn. Wenn man ihn so sah, hätte er auch ein rauer Naturbursche sein können, anstatt jemand, der stundenlang am Computer saß und Geschichten erfand. „Danke, dass Sie sich solche Mühe damit gemacht haben, Ihr Blockhaus für sie herzurichten.“ Seine Stimme klang ein bisschen rau, als er hinzufügte: „Für uns.“

„Das hab ich gern getan.“ Sie lächelte wieder und war froh, dass sie sich hatte nützlich machen können. Sie hoffte aufrichtig, dass die beiden an diesem friedlichen Ort glücklich sein würden. „Wenn Sie noch irgendetwas brauchen, sagen Sie einfach Bescheid.“

„Das werde ich nicht.“

Angesichts dieser endgültigen Aussage und seinem etwas schroffen Ton hob sie unwillkürlich die Brauen. „Okay.“ Sie zog sich zur Tür zurück. „Dann will ich nicht weiter stören.“ Er schwieg, während sie ihre Tasche und die Autoschlüssel ergriff. „Meine Telefonnummer liegt auf dem Tresen.“ Sie wusste nicht, was sie sonst noch hätte sagen sollen. Zumal er nicht gerade gesprächig war. Sie öffnete die Haustür, trat auf die Veranda hinaus und fühlte sich schrecklich unbeholfen. „Tschüss.“ Sie zog die Tür hinter sich zu und ging zu ihrem Auto.

Sie setzte sich ans Steuer und zog ihr Handy heraus, um Smith zu schreiben: Flynn und Ruby sind angekommen und gewöhnen sich langsam ein.

Blitzschnell kam seine Antwort: Nochmals vielen Dank, dass sie dein Blockhaus benutzen dürfen. Ich weiß, dass es sehr wichtig für sie ist.

Cassie schickte ein Smiley zurück: Ich helfe gerne!

Und das tat sie wirklich, auch wenn Flynn offensichtlich in Ruhe gelassen werden wollte.

* * *

Mit Anfang zwanzig hatte Flynn mit einem 23 kg schweren Rucksack auf dem Rücken die 130 Kilometer zum Everest Base Camp allein zurückgelegt. Meistens hatte er nachts im Freien geschlafen und schließlich eine Höhe von über viereinhalbtausend Metern erreicht.

Aber in seiner Erinnerung war er sogar damals nicht so müde gewesen wie in diesem Moment. Er war so erschöpft, dass er, als er wieder ins Schlafzimmer gegangen war, um nach Ruby zu sehen, und sich neben dem Kinderbett auf einen Sessel gesetzt hatte, leicht hätte die Augen schließen und einschlafen können. Aber er war zu besorgt, seine Nichte hätte aufwachen und in der fremden Umgebung Angst bekommen können.

Da traf es sich gut, dass er an wenig Schlaf gewöhnt war. Bis siebzehn hatte er praktisch immer mit einem halb offenen Auge geschlafen, weil er nie sicher sein konnte, in welchem Zustand sein Vater aus der Kneipe nach Hause kommen würde. In der Zeit danach – auch als er seinem Vater entkommen war – lag Flynn nachts immer noch oft wach und war überzeugt, es sei nur eine Frage der Zeit, bis ihn irgendjemand als Betrüger entlarven würde, weil er die Person Flynn Stewart im Grunde aus dem Nichts – und aus der Verzweiflung heraus – erschaffen hatte.

Eine Viertelstunde, nachdem er Ruby ins Bettchen gelegt hatte, wachte sie, wie erwartet, laut heulend auf. Als er bei ihr war und die Arme nach ihr ausstreckte, um sie herauszuholen, hielt sie sich bereits wie eine kleine Gefangene am Gitter des Bettchens fest und die Tränen hatten feuchte Spuren auf ihren rosigen Wangen hinterlassen.

„Es ist alles gut“, sagte er leise. „Ich bin ja hier.“

Sie lächelte nicht, als er sie aufhob, sondern stieß nur einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus, als er sie an sich drückte.

Als er sein Spiegelbild mit ihr in dem Ganzkörperspiegel sah, der an der Innenseite der Tür angebracht war, fiel ihm auf, wie eng sie beide miteinander verbunden waren, seit er sie vor drei Wochen in seine Obhut genommen hatte. Abgesehen von Rubys sporadischen Mittagsschläfchen und den bestenfalls sechs Stunden, die sie jede Nacht in ihrem Bettchen schlief, war er rund um die Uhr auf seine sechs Monate alte Nichte konzentriert.

Sie war der einzige Mensch auf Erden, der ihm wirklich wichtig war … obwohl er vor drei Wochen noch gar nicht gewusst hatte, dass sie überhaupt existierte.

KAPITEL 2

Drei Wochen zuvor …

Flynn erkannte die Nummer des Anrufers nicht, der bereits seit einer Stunde versuchte, ihn zu erreichen. Er stellte sein Telefon während des Schreibens immer auf „Nicht stören“, um Ablenkungen zu vermeiden. Bevor er die erste Pause einlegte, hatte er daher nicht bemerkt, dass jemand angerufen hatte. Nach einigen unangenehmen Begegnungen mit Paparazzi vor ein paar Jahren hatte er seine Voicemail für alle Nummern gesperrt, die nicht in seiner Kontaktliste gespeichert war.

Jetzt sah er an der Vorwahl, dass der Anruf aus der Stadt kam, in der er aufgewachsen war, und spürte plötzlich eine Spannung über der Brust. War es jetzt also passiert? Hatte jemand zwei und zwei zusammengerechnet und erkannt, dass Flynn Stewart nicht der war, der er zu sein vorgab?

Fast zwei Jahrzehnte lang war er vor seiner Vergangenheit geflohen, aber er hatte immer gewusst, dass er ihr nicht für immer würde entkommen können. Das konnte niemand – nicht einmal ein Mann, dem es meisterhaft gelang, Geschichten zu erfinden, die wahrer schienen als das wirkliche Leben.

Flynn klappte den Laptop, auf dem er gerade sein nächstes Drehbuch schrieb, zu und atmete tief durch. Dann drückte er auf Wahlwiederholung. Als die Frau mit der Stimme einer Kettenraucherin anfing zu reden, wurde ihm klar, dass sie nicht anrief, um seine Tarnung auffliegen zu lassen. Sie kannte ihn ja noch nicht einmal und nannte ihn Fred anstatt Flynn. Erleichterung verspürte er allerdings keine. Stattdessen ließen ihn ihre Worte wie betäubt und völlig sprachlos zurück.

Seine Schwester, die er seit Langem aus den Augen verloren hatte, war nicht nur an einer Überdosis gestorben, sie hatte auch vor gut fünf Monaten eine Tochter zur Welt gebracht.

Trauer und Schuldgefühle prasselten härter auf ihn ein, als alle Schläge seines Vaters es je gekonnt hatten.

Sein ganzes Leben lang hatte Flynn versucht, seine Schwester vor den Eltern zu schützen. Als er mit siebzehn nach Los Angeles aufgebrochen war, hatte er Sarah gebeten, mit ihm zu kommen. Aber sie war sechzehn und für ihn nicht mehr erreichbar – sie war in dieselbe Welt aus Drogen und Alkohol abgetaucht wie ihre Eltern.

Ein Jahr später, nachdem der Vater im Gefängnis gestorben war und die Mutter sich kurz danach zu Tode getrunken hatte, kam Flynn zurück nach Centertown, Illinois, um Sarah zu sehen. Er flehte sie an, noch einmal ganz neu anzufangen. Er versuchte, sie zu einer Therapie zu überreden, um ihr zu ermöglichen, ein neues und besseres Leben zu führen. Er sagte ihr, dass sie in Los Angeles noch einmal ganz von vorn anfangen könnte. Sie könnte sich aussuchen, wer sie sein wollte und ihre Vergangenheit ablegen, als wäre diese nichts als ein zerrissener, schmutziger Mantel. Aber obwohl sie das Geld nahm, das er ihr anbot, sagte sie, sie könne ihre Freundinnen und ihren Freund nicht verlassen.

Jedes Jahr kam er zurück, um sie erneut zum Wegziehen zu überreden. Bis vor etwas mehr als einem Jahr, als Sarah ihm gesagt hatte, sie wüsste, wie unangenehm es ihm war, in ihre Heimatstadt zurückzukehren, und er brauche die Reise nicht mehr zu machen. Sie hatte geschworen, seine Geheimnisse seien bei ihr gut aufgehoben. Und sie hatte gesagt, sie freue sich für ihn, dass all seine Träume in Erfüllung gegangen waren, als er Flynn Stewart wurde. Aber sie beharrte weiterhin darauf, sie sei nicht in der Lage, sich selbst und ihr Leben so zu ändern, wie er es getan hatte. Sie hatte behauptet, es wäre für beide besser, den Kontakt abzubrechen: Dann würde er nicht länger vergeblich hoffen, sie könne ihr früheres Leben hinter sich lassen und sie müsse sich nicht mehr selbst verabscheuen, weil sie ihn enttäuschte.

Hätte er doch nur geahnt, dass sie ihre Schwangerschaft vor ihm verbarg …

Sie musste gewusst haben, dass er, wenn er erfahren hätte, dass sie ein Baby erwartete, niemals ein Nein als Antwort akzeptiert hätte, sondern sie dazu gebracht hätte, Centertown ein für alle Mal zu verlassen. Er hätte sie gezwungen, sich helfen zu lassen, um von ihrer Drogensucht loszukommen. Er hätte ihr und ihrem Kind gezeigt, dass es da draußen eine Welt jenseits ihrer kühnsten Träume gab.

Flynn nahm in Los Angeles den nächsten Flieger und veränderte sein Aussehen mit einer dunkel gerahmten Brille, einer Baseballmütze, einer abgetragenen Jeans und einem verwaschenen T-Shirt so, dass ihn niemand erkennen würde.

Egal, wie viele Jahre vergangen waren, Centertown sah nicht anders aus als damals in seiner Kindheit. Es lag Verzweiflung in der Luft, besonders an den Straßenecken, wo die Leute entweder dabei waren, sich ihren nächsten Schuss zu besorgen oder bereits von ihrem letzten bewusstlos geworden waren.

Flynn blieb wie angewurzelt stehen, als er durch das Fenster des heruntergekommenen, schmierigen Lokals schaute und Ruby in einem schäbigen, schmutzigen Kinderwagen sitzen sah.

Sie war das Ebenbild seiner Schwester als Baby, mit lockigen braunen Haaren und großen braunen Augen. Er spürte eine lähmende Beklemmung auf der Brust. Sarah war der einzige Mensch, den Flynn jemals rückhaltlos von ganzem Herzen geliebt hatte.

Und jetzt war Ruby der zweite.

Als er sich auf der Sitzbank gegenüber von Sarahs „Freundin“ niederließ, war ihm bereits nach dem ersten Blick auf ihre berechnenden, stark geschminkten Augen klar, dass sie ihm Ruby nicht einfach aus Herzensgüte geben würde.

„Sarah sagte, ich sollte, wenn ihr jemals etwas zustoßen sollte, diese Nummer hier anrufen.“ Die Nummer stand auf einem Handzettel mit dem Menü von Pizza Peddler, dem Restaurant, in dem Flynn und Sarah das letzte Mal zusammen gegessen hatte. „Sie hat sich sehr bemüht, während ihrer Schwangerschaft clean zu bleiben“, sagte die Frau achselzuckend. Er nahm an, dass Sarah nicht die Erste aus der Bekanntschaft dieser Frau war, die an einer Überdosis gestorben war. „Wer bist du überhaupt?“, fragte sie. „Du siehst nicht aus wie einer ihrer üblichen Typen.“

Flynn wusste genau, was der übliche Typ seiner Schwester war. Ein Schlägertyp, genau wie ihr Vater. „Ein Freund von früher“, sagte er nur. Um Ruby so schnell wie möglich von ihr – und von diesem Ort – wegzubekommen, schob er ihr diskret einen Umschlag mit fünftausend Dollar in Hundertern hin. „Danke, dass Sie mich angerufen haben.“ Allein schon der Gedanke daran, was mit Ruby passiert wäre, wenn die Frau jemand anderen angerufen hätte, drehte ihm den Magen um. Gott sei Dank hatte sie die Anweisungen seiner Schwester befolgt.

Ehrlich gesagt, hätte er jede Summe bezahlt, um seine Nichte so weit wie möglich von dieser Frau weg zu bekommen, daher hatte er noch eine enorme Reserve an Geldscheinen dabei, die er ihr hätte geben können, wenn es nötig gewesen wäre. Aber fünf Riesen waren mehr als genug. Als hätte sie auf einmal Schlittschuhe an den Füßen, war sie so schnell mit seinem Geld auf und davon, dass sie an der Sitzbank beinahe Schmauchspuren hinterlassen hätte.

Währenddessen saß Ruby seelenruhig in dem versifften Kinderwagen und beobachtete ihn aus zum Glück noch völlig unschuldigen Augen.

Er erwiderte ihren Blick und hatte keine Ahnung, wie er mit einem Kind sprechen sollte, schon gar nicht mit einem Baby. Im Hinterkopf erinnerte er sich daran, dass er ja tagtäglich Dialoge für fiktive Figuren schrieb. Und immerhin war Flynn Stewart die allererste von ihm erfundene Figur gewesen: ein Mann mit einer so makellosen, vorbildlichen, persilweißen Vergangenheit, dass nie jemand nachgeprüft hatte, ob tatsächlich etwas Wahres daran war. Da sollte er doch eigentlich in der Lage sein, mit seiner Nichte zu reden.

„Hallo, Ruby. Ich bin dein Onkel Flynn“, sagte er leise. „Ich werde mich von jetzt ab um dich kümmern.“

Sie sah ihn so lange an, dass er sich fast fragte, ob sie begriff, was hier vor sich ging. Ob sie wohl irgendwie verstehen konnte, dass sie ihre Mutter für immer verloren hatte und nun bald mit einem völlig Fremden das halbe Land überqueren würde?

Und da geschah das Wunderbarste – mit einem breiten, zahnlosen Lächeln strahlte sie ihn an und streckte ihre Händchen nach ihm aus.

Endlich löste sich die Beklemmung in Flynns Brust und er schnallte sie los, hob sie aus dem Kinderwagen und zog sie an sich. „Ich werde niemals zulassen, dass dir etwas Schlimmes passiert“, versprach er ihr. „Bei mir wirst du immer in Sicherheit sein. Immer.“

Sobald sie wieder in Los Angeles waren, stellte er den Adoptionsantrag und setzte alle Hebel in Bewegung, um den erforderlichen Papierkram in Rekordzeit zu erledigen. Obwohl er nie geplant hatte, Kinder zu bekommen – seine Familie war so schrecklich gewesen, dass er sich nicht hatte vorstellen können, selbst eine normale, intakte Familie zu gründen –, musste er bereits mit dem Schuldgefühl leben, dass er nicht genug für seine Schwester getan hatte.

Was auch immer er in seinem Leben für Ruby ändern musste, würde er ändern. Von diesem Moment an waren Ruby, ihr Stofftier und ihr Wunsch, jeden Augenblick im Arm gehalten zu werden, der Mittelpunkt von Flynns Welt.

Keine protzigen Hollywood-Partys mehr, um sich mit den „richtigen Leuten“ zu vernetzen. Und kein Model mehr als ständige Begleiterin.

Anja hatte von Anfang an unmissverständlich klargestellt, dass sie nicht der mütterliche Typ war, was ihm auch gut gepasst hatte, als er noch dachte, er würde niemals Kinder haben. Als er ihr gesagt hatte, dass Ruby die Tochter einer Verwandten war, mit der er lange keinen Kontakt mehr gehabt hatte, hatte sich Anja so wenig dafür interessiert, mit ihm und dem Kind etwas aufzubauen, dass sie keinerlei Fragen gestellt hatte. Sie hatte einfach die Sachen, die sie in seinem Loft für Übernachtungen aufbewahrte, zusammengepackt und war gegangen. Und eigentlich war er, nachdem sie weg war, vor allem erleichtert, dass er nicht mehr zu den endlos vielen Partys und Premieren musste, an denen sie so gerne teilgenommen hatte.

Im Rampenlicht hatte sich Flynn nie wohl gefühlt, weil es immer das Risiko mit sich brachte, dass jemand ihn und seine Vergangenheit zu genau unter die Lupe hätte nehmen können. Nachdem er jedoch für den Oscar für das beste Originaldrehbuch nominiert worden war und diesen gewonnen hatte, war er unweigerlich immer mehr in die Medien gekommen.

Sich aus dem Rampenlicht zurückzuziehen, fiel ihm leicht. Aber er hatte nicht erwartet, dass auch seine Inspiration beim Schreiben plötzlich weg sein könnte, so als hätte er noch nie vorher einen zusammenhängenden Satz formulieren können.

Als er sich in den ersten Wochen mit Ruby von allem zurückzog, war es für ihn ein viel brutalerer Schock, keine Worte mehr zu finden, als die Freundin oder sein gesellschaftliches Netzwerk verloren zu haben. Sein ganzes Erwachsenenleben lang war er darauf angewiesen gewesen, Geschichten zu erfinden, um voranzukommen und sich über Wasser zu halten.

Was sollte er nur tun, wenn diese Fähigkeit für immer weg wäre?

In der Hoffnung, das Problem bestünde nur in Rubys unregelmäßigen Schlaf- und Essenszeiten, die auch seinen Tagesrhythmus durcheinan­derbrachten, stellte er eine Teilzeit-Kinderfrau ein, um jeden Tag eine gewisse Zeit zum Schreiben zu haben. Nach ihren Papieren zu urteilen, war die Frau gut qualifiziert. In ihrer Nähe strahlte Ruby zwar nicht gerade vor Freude, aber sie ließ sich zumindest, während Flynn über seinen Computer gebeugt und auf den blinkenden Mauszeiger starrend in Sichtweite war, von der Nanny die Windeln wechseln und füttern.

Zwei Wochen lang, während die Nanny sich von Montag bis Freitag täglich drei Stunden lang vergeblich bemühte, Ruby ein Lächeln zu entlocken, bemühte sich Flynn – ebenfalls vergeblich –, seinem Gehirn eine gute Szene zu entlocken.

An dem Tag, als Smiths Anruf kam, machte Ruby gerade ein Nickerchen und das Kindermädchen saß neben dem Kinderbett und las etwas auf dem Handy.

„Wie geht es dir, Flynn?“, fragte Smith. „Wie geht es Ruby?“

Abgesehen von Flynns Agenten, seinem Manager und seiner Ex-Freundin, waren Smith Sullivan und seine Frau Valentina die einzigen anderen Menschen, die Flynn angerufen hatte, nachdem er mit Ruby zu Hause angekommen war. Da Smith und Valentina derzeit seine Chefs waren und auf sein neuestes Thriller-Drehbuch für ihre Film- und Fernseh­produktionsfirma warteten, sah er sich gezwungen, ihnen die Situation zumindest in groben Umrissen zu erklären.

Nachdem er ihnen die gleiche Erklärung gegeben hatte wie Anja – dass Ruby das Kind einer Verwandten war, zu der er vor lange Zeit den Kontakt verloren hatte –, hatte er beteuert, dass seine veränderten familiären Umstände den Termin für sein Drehbuch nicht beeinflussen würden. Smith und Valentina hatten nicht nur gesagt, es sei kein Problem, wenn er ein paar Wochen länger bräuchte, sie hatten ihm auch sehr geholfen, indem sie ihn mit allen möglichen aus Smiths großer Familie stammenden Babyartikeln versorgten.

Flynn antwortete nicht sofort auf Smiths Frage, sondern zog sich mit dem Telefon erst in den hinteren Teil seines Hauses zurück, um Ruby nicht zu wecken. „Ruby geht es gut. Und jetzt, wo ich ein Kindermädchen habe, das jeden Tag ein paar Stunden auf sie aufpasst, hoffe ich, dass ich mit dem Drehbuch gut vorankommen werde.“

„Um das Drehbuch mache ich mir keine Sorgen.“ Aber über irgendetwas klang Smith besorgt. „Ich rufe an, weil ich gerade von einen meiner Pressekontakte gehört habe, dass jemand versucht, eine Geschichte über dich und Ruby an die Medien zu verkaufen.“

Flynns stockte das Herz in der Brust. Er hatte sich geschworen, Ruby zu beschützen … und war bereits dabei, alles zu vergeigen.

War es vielleicht die Freundin seiner Schwester? Ob sie herausgefunden hatte, wer er war, nachdem er weggefahren war? Waren die fünf Riesen nicht genug für sie? Oder könnte es Anja gewesen sein? Aber das ergab auch nicht viel Sinn. Sie hatte nicht nur viel eigenes Geld, sie würde auch ihn und seine Kontakte in der Branche nicht verprellen wollen, indem sie sich auf diese Weise gegen ihn wandte.

Wahrscheinlich wusste Smith sowieso schon die Antwort. Es gab nur wenige Menschen, die im Show-Business besser vernetzt waren als er. „Weißt du, wer die Story anbietet?“

„Es ist deine Nanny, Flynn.“

Einen Moment später hatte er das Telefon fallen lassen und rannte zurück zu Rubys Krippe, wo das Baby noch ruhig schlief, Gott sei Dank.

„Verschwinden Sie aus meinem Haus.“ Er stieß die Worte an die Kinderfrau mit leiser Stimme hervor, weil er Ruby keinesfalls wecken wollte, obwohl er so wütend war wie nie zuvor.

Die Frau starrte ihn mit großen Augen an. „Mr. Stewart, ich weiß nicht, was Sie …“

„Ich sagte, verschwinden Sie.“

Da öffnete Ruby die Augen. Sie brauchte ihn nur kurz anzuschauen, da fing sie bereits an zu schreien. Er hob sie auf und drückte sie fest an sich.

„Ich werde niemandem etwas sagen“, sagte die Frau in den kurzen Pausen zwischen Rubys Schreien. „Wenn Sie nicht wollen, dass ich es tue.“

Es war wirklich blöd von Flynn gewesen, die Dollarzeichen in ihren Augen nicht gleich erkannt zu haben. „Wie viel wollen Sie?“

Langsam verzog sich ihr Gesicht zu einem befriedigten Lächeln. „Zwanzig Riesen.“

Ihre Befriedigung war jedoch nur von kurzer Dauer. Er nahm ihre Tasche, ging zur Haustür und feuerte sie auf die Straße. Er hatte nie die Absicht gehabt, ihr auch nur einen Cent zu zahlen. Er hatte die Frage nur gestellt, um die Bestätigung zu bekommen, dass sie Geld wollte.

„Das werden Sie bereuen“, zischte sie, bevor sie die Tür hinter sich zuschlug und der laute Knall Rubys Weinen noch lauter werden ließ.

Flynn beruhigte sie, wiegte sie auf dem Arm und drückte ihr Küsse auf die Wangen. Als sie sich beruhigt hatte, machte er ihr ein Fläschchen zurecht. Sie hatte keinen Hunger, aber kaute auf dem Sauger herum, bis sie wieder einschlief. Da erst fiel Flynn wieder ein, dass er mitten im Gespräch mit Smith das Telefon hatte liegen lassen.

Nachdem er Ruby sanft in ihre Krippe gelegt und mit einer rosa Decke zugedeckt hatte, hob Flynn sein Handy vom Boden auf und fand darauf eine SMS von Smith: Keine Sorge, ich habe die Story bei jedem potenziellen Medienkanal abgeblockt. Deine Nanny wird sie nirgendwo verkaufen können. Übrigens, meine Cousine hat ein Holzhaus in den Wäldern von Maine. Dort würde niemand dich und Ruby stören.

* * *

Heute …

Mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick auf das Bett trug Flynn Ruby in den Wohnraum, der auch die Küche umfasste. Sie war den ganzen Tag über unleidlich gewesen – was er ihr im Übrigen gar nicht verübeln konnte. Zwei vierstündige Flüge und eine lange und kurvenreiche Fahrt durch die Wälder von Maine in einem muffig riechenden Mietwagen waren nichts für Zartbesaitete. Wenn dann noch schmutzige Windeln, Milchflaschen, die nicht genau die richtige Temperatur hatten, und ein verdammt unbeholfener Onkel hinzukamen, war die Reise mit Hindernissen komplett.

Wenigstens war das Holzhaus keine Bruchbude. Nicht, dass Flynn das angenommen hätte, wo doch Smith und Valentina hier ihre Flitterwochen verbracht hatten. Aber nachdem jetzt sein ganzes Leben völlig kopfstand, hatte Flynns nun in jeder Hinsicht geringe Erwartungen.

Im Grunde war es etwas, dass er als kleiner Junger immer hatte lernen müssen: dass es immer falsch war, von den schlimmsten Eltern der Welt irgendetwas Gutes zu erwarten. Erst als er von Centertown nach Hollywood gezogen war, seinen Namen und seine Lebensgeschichte geändert und ein paar sehr erfolgreiche Drehbücher geschrieben hatte, hatte sich das Blatt gewendet. Und zwar richtig. Auf einmal lagen ihm wunderschöne Frauen zu Füßen und große Summen gingen auf seinem Konto ein.

Ruby fing an, sich in seinen Armen zu winden, also legte er sie auf den Teppich zu einem bunten Stoffelefanten, mit dem sie spielen zu wollen schien. Sie konnte noch nicht krabbeln, aber selbst, wenn er nicht bereits jedes erhältliche Babybuch gelesen und daher gewusst hätte, dass die meisten Babys zwischen sechs und zehn Monaten anfingen zu krabbeln, hätte er geahnt, dass sie bald damit anfangen würde. Einfach, weil sie so entschlossen war, immer zu ihrem Ziel zu gelangen.

Obwohl es ihm vorkam, als würden seine Knochen vor lauter Schlafmangel knarren, ließ er sich neben Ruby auf dem Boden nieder. Wenn er wegginge, würde sie weinen. Wenn er sich einen Meter entfernt auf die Couch setzen würde, würde sie weinen.

Und auch das konnte er ihr nicht verübeln. Ihr Leben war bisher nicht einfach gewesen. Es war noch etwas, was sie gemeinsam hatten – beide waren im Elend geboren.

Für Ruby schwor er sich jedoch, dass sie dem Elend viel früher entkommen würde als er selbst. Egal, was er tun musste, um dafür zu sorgen, so würde sie mehr Triumphe als Misserfolge, mehr Freude als Schmerzen erleben.

Als Ruby fröhlich mit dem ausgestopften Elefanten spielte, konnte er sich endlich in ihrem neuen Zuhause umsehen. Auf dem Esstisch stand eine Vase mit bunten Wildblumen, auf der Küchentheke eine Schale mit frischem Obst und neben dem altmodischen Telefon an der Wand stand ein bunter Becher mit Kulis und Malstiften. Die Teppiche waren weich, die Sofas bequem, und der Küchentisch und die Stühle sahen handgefertigt aus.

In Flynns Wohnung in Los Angeles gab es nur gerade Linien aus Glas, Stahl und poliertem Beton. Dieses Holzhaus hingegen schien vollständig aus altem Holz und Stein gebaut zu sein. Ganz im Innern regte sich in Flynn ein Wohlgefühl in dieser gemütlichen Hütte.

Er hätte nicht erwartet, ein solches Gefühl in einem Waldhaus empfinden zu können. Schließlich hatte er alles Menschenmögliche getan, um von der Waldhütte, in der er aufgewachsen war, wegzukommen. Das helle, ewige Sonnenlicht von Los Angeles, die endlosen Bürgersteige und Betonbauten der Innenstadt, die unerbittliche Hitze – all diese Dinge hatten ihn gerettet und würden dies sicherlich auch weiterhin tun, wenn erst diese Unebenheit auf seinem Weg hinter ihm läge. In ein paar Wochen würde sich der aufgewirbelte Staub – und damit das Interesse der Medien – bestimmt wieder legen.

Zumindest hoffte er das.

Er war unhöflich zu Smiths Cousine Cassie gewesen und hatte sich nicht annähernd so dankbar gezeigt, wie es angebracht gewesen wäre. Trauer, Schuldgefühle und Erschöpfung hatten bei ihm ihre Spuren hinterlassen. Auf jeden Fall würde er sich entschuldigen müssen.

Aber nicht nur der Aufruhr der Gefühle der letzten drei Wochen hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht, als Cassie die Tür öffnete. Bei Rubys Anblick war ein Leuchten über ihr Gesicht gegangen und die Wärme, die von ihr ausstrahlte, machte Flynn sprachlos.

Cassie Sullivan war kein Supermodel. Sie hatte weder endlos lange Beine noch hohe Wangenknochen. Sie hatte auch keine zynischen Augen, die schon alles gesehen hatten.

Tatsächlich schien sie das genaue Gegenteil zu sein. Ihre Haut war ohne jedes Make-up. Ihre großen Augen blickten staunend und um ihren Mund lag ständig ein Lächeln. Und sie hatte üppige Kurven – die ihm auf der Stelle die Sprache verschlagen und das Hirn leergefegt hatten.

Gott nochmal, Smith hatte Flynn doch nicht nach Maine in diese Waldhütte geschickt, damit er seine Cousine anmachen, ihr ihre Unschuld rauben und sie auf alle möglichen sexy-sündhaften Arten verführen konnte.

Auf jeden Fall war die Zeit vorbei, in der er nur an seinen eigenen Spaß dachte. Von nun an war Ruby das Wichtigste in seinem Leben – und nicht, ob er sich plötzlich zu einer schönen Frau hingezogen fühlte.

Wie zur Bekräftigung kroch Ruby ihm wimmernd auf den Schoß und ein kräftiger Windeldunst stieg ihm in die Nase. „Dann wollen wir dich jetzt einmal wickeln und dann schauen, ob du Lust hast, heute Abend einmal Erbsen oder Möhren zu probieren.“

Bislang hatte sie nur eine Flasche gewollt. Den ganzen Tag lang hatte sie jedoch mehr daran genagt als daran zu trinken. Ob das hieß, dass sie für feste Nahrung bereit war?

Ein paar Minuten später trug sie zwar eine frische, trockene Windel, aber sie war trotzdem nicht glücklicher. Weder mit Rahmmais noch mit ihrem Fläschchen. Weder mit einem der Babyspielzeuge aus seiner Tasche noch mit den neuen Sachen, die Cassie für sie in der Hütte gelassen hatte. Ruby schrie sogar in der Badewanne, in der sie sich normalerweise pudelwohl fühlte. Ihr Gesicht wurde immer röter und röter, ihre Händchen ballten sich zu Fäusten und ihre Brust hob und senkte sich mit traurigen kleinen Schluchzern.

Er versuchte alles, was ihm einfiel. Mit ihr herumzuspazieren, ihr etwas vorzusingen, und sogar, sie zu pucken, obwohl sie eindeutig zu groß – und zu wütend – war, um sich in einer Puckdecke beruhigen zu können. Die Sonne ging unter und die Abendstunden vergingen in einer Symphonie aus Wimmern und Wehklagen. Und dieses kam jetzt nicht mehr nur von Ruby.

Flynn sehnte sich verzweifelt nach Schlaf. Und er brauchte unbedingt jemanden, der ihm helfen konnte, Ruby zu helfen.

War sie krank? Hatte sie sich auf der Reise etwas geholt? Das Einzige, was er mit Bestimmtheit wusste, war, dass er im Moment alles noch schlimmer machte … und dass er es nicht allein schaffen konnte.

Er kannte nur einen Menschen in Maine. Smiths Cousine Cassie. Die Frau, der er erst vor ein paar Stunden gesagt hatte, dass er sonst nichts mehr brauchte.

Das hatte er nun davon, dass er sich wie ein brummiger Blödmann aufgeführt hatte. Er würde zu Kreuze kriechen, wie noch niemand vor ihm, wenn Cassie ihm nur helfen würde, herauszufinden, wie man Ruby wieder zum Lächeln bringen konnte.

Mit einem Arm ließ er sein unglückliches Baby auf- und ab hüpfen. Mit der freien Hand nahm er sein Handy und wählte die Nummer, die Cassie auf dem Tresen liegen gelassen hatte.

KAPITEL 3

Vier Uhr morgens …

Cassie drehte sich im Bett um und hoffte, das klingelnde Telefon sei nur Teil eines schlechten Traums.

Das Einschlafen war ihr schwergefallen. Nach der Begegnung mit Flynn und Ruby war sie völlig durcheinander gewesen. Sie konnte nicht vergessen, wie sich die beiden aneinandergeklammert hatten, als seien die einzigen Überlebenden eines Schiffbruchs.

Als das Telefon weiter klingelte, musste sie schließlich einsehen, dass sie nicht träumte. Sie zog einen Bademantel über ihren Pyjama und ging dann in die Küche, wo sie ihr Telefon immer nachts zum Aufladen liegenließ.

Die Nummer war ihr unbekannt, aber sie erkannte die Vorwahl 213, weil sie schon einmal Kisten mit Süßigkeiten an Kunden in Los Angeles geliefert hatte. Sorge ergriff ihr Herz, als ihr klar wurde, dass es Flynn sein musste.

„Flynn, ist etwas nicht in Ordnung?“ Warum sonst sollte er mitten in der Nacht anrufen?

„Ruby hört gar nicht mehr auf zu schreien. Seit Stunden schon weint sie. Seitdem Sie gegangen sind.“ Er klang so, als stünde er selbst am Rande der Tränen. „Ich weiß nicht, was ich tun soll oder wen ich außer Ihnen sonst anrufen könnte.“

„Hat sie Fieber? Oder einen Ausschlag?“

„Nein, weder das eine noch das andere. Ich habe sie praktisch seit zehn Stunden auf dem Arm und ihre Temperatur ist normal. Ich habe sie gewickelt, gefüttert und gebadet. Sie sollte eigentlich keinen Grund zum Weinen haben. Aber was zum Teufel weiß ich schon?“ Die Selbstverachtung in seiner Stimme ob seiner vermeintlichen Inkompetenz war offensichtlich.

„Ich bin sicher, dass Sie alles richtig gemacht haben, aber ich kann ja mal rüberkommen, wenn Sie meinen, dass das etwas nützen könnte. In fünfzehn Minuten kann ich da sein.“

„Bitte beeilen Sie sich.“ Rubys Geheul im Hintergrund war das Letzte, was Cassie hörte, bevor der Anruf abbrach.

Sie machte sich nicht die Mühe, sich anzuziehen, sondern zog sich zu ihrem Flanellschlafanzug und dem Bademantel einfach die Gummistiefel an, die neben der Tür standen, schnappte sich ihre Handtasche und ihre Schlüssel und rannte zu ihrem Auto hinaus.

Noch nie waren ihr fünfzehn Minuten so lang vorgekommen. Bis sie nicht selbst sehen konnte, dass es dem Baby gut ging, würde sie nicht zur Ruhe kommen. Hoffentlich war Ruby nur von ihrer langen Reise müde und gereizt. Wenn es ernster wäre, würde Cassie ihre Mutter um Hilfe bitten. Beth Sullivan war, nachdem sie selbst sieben Kinder großgezogen hatte, jetzt eine echte Babyflüsterin.

Kies spritzte unter Cassies Reifen heraus, als sie von der zweispurigen Forststraße zu ihrem Waldhaus abbog und die lange Einfahrt hinauffuhr. Sie legte den Schalthebel auf Parken, rannte den gepflasterten Pfad hinauf und konnte Rubys Wehgeschrei bereits von draußen hören.

Als Flynn die Tür öffnete, war er fast ebenso rot im Gesicht wie Ruby, deren tränenüberströmte Wangen dunkelrosa angelaufen waren.

„Oh, du armes Baby.“ Sie hätte fast wieder die Hände nach dem kleinen Mädchen ausgestreckt, aber diesmal wusste sie, dass sie zuerst fragen musste. „Könnte ich sie für einen Moment auf den Arm nehmen?“

Sie dachte, er würde vielleicht nein sagen. Dann aber ließ er sich Ruby sehr zögernd abnehmen. Ihr Körper war völlig steif, während sie schrie und strampelte.

Cassie bemühte sich, ruhig zu bleiben, während sie versuchte, sich einen Überblick zu verschaffen. Rubys Windel war frisch und trocken und trotz des Weinens war ihre Haut überraschend kühl. „Haben Sie ihr heute Abend etwas Ungewohntes zu essen gegeben?“

„Sie wollte nichts essen. Sie wollte nicht einmal ihr Fläschchen.“

„Ist das schon mal passiert?“

„Ich kümmere mich erst seit drei Wochen um sie, aber wenn sie weint, gibt es immer einen Grund. Ich dachte, es liegt vielleicht an den Flügen und dem Aufenthalt an einem neuen Ort, aber sie hat noch nie acht Stunden am Stück geweint.“

Ruby öffnete weit den Mund, um einen weiteren Schrei auszustoßen, da sah Cassie es. Etwas Weißes blitzte mitten im geschwollenen Zahnfleisch auf.

„Ich glaube, ich weiß vielleicht, was los ist. Da bohrt sich gerade ein Zahn durch.“

„Lassen Sie mich mal sehen.“ Flynn reckte den Hals, um in Rubys Mund zu schauen, aber genau in dem Moment beschloss Ruby, ihn wieder zuzumachen.

„Hat sie in letzter Zeit an irgendwelchen Sachen genagt?“, fragte Cassie.

„Jetzt, wo Sie es sagen – ich musste heute schon zweimal den Sauger an ihrem Fläschchen auswechseln. Er fuhr sich mit einer Hand übers Gesicht und sah geschafft aus … aber trotzdem wahnsinnig attraktiv. „Ich habe jedes im Handel erhältliche Babybuch gelesen, aber mein Gehirn ist gerade wie leergefegt, keine Ahnung, was für Tipps es für zahnende Kinder gibt.“

„Als der Sohn meiner Schwester am Zahnen war, hat Ashley Waschlappen zusammengedreht und gekühlt und sie ihm dann zum Kauen gegeben. Sie sagt, es war ihre letzte Rettung.“ Cassie öffnete den Kühlschrank. „Es wäre schön, wenn wir sofort etwas finden könnten, was ihr jetzt gleich Erleichterung verschafft, damit wir nicht warten müssen, bis die Waschlappen kalt sind.“

Sie sah sich im Kühlschrank um und entdeckte einen rosa und lila gepunkteten Stoffelefanten im mittleren Fach.

Als sie ihn herausholte, stöhnte Flynn. „Gut, dass ich heute Abend keine Maschine bedienen muss. Keine Ahnung, wann ich den da rein gelegt habe. Er ist eines der vielen Dinge, mit denen ich heute Abend versucht habe, Ruby abzulenken.“

„Also eigentlich …“ Sie hielt das Spielzeug an ihre Wange, um die Temperatur zu prüfen. „Das könnte im Moment genau das Richtige sein.“ Sie fuhr mit dem Stofftier leicht über die Wange des Babys, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen, und tat dann so, als steckte sie ihn sich selbst in den Mund, bevor sie ihn an Rubys Mund hielt. „Damit wirst du dich gleich viel besser fühlen, meine Kleine.“

Mit einer überraschend schnellen Bewegung packte das Baby das Spielzeug und schob es sich in den Mund. Ihre großen braunen Augen weiteten sich kurz bei der unerwartet kühlen Temperatur, aber anstatt zu spucken, biss sie zu.

Es dauerte nicht lange, bevor sich Rubys erstarrter Körper zu lockern begann. Cassie spürte, wie sich ihre eigenen Gliedmaßen entspannten, als sie das kleine Mädchen näher an sich kuschelte.

„Vielleicht, nur vielleicht, sind wir aus dem Schneider“, flüsterte Cassie Flynn zu, weil sie das Baby nicht erschrecken wollte. „Zumindest im Moment.“

Er schwankte ins Wohnzimmer und ließ sich auf die Couch fallen. „Gott sei Dank.“ Er hielt den Kopf auf die Hände gestützt. „Wenn Ruby etwas zustieße … Wenn sie krank wäre und ich nicht wüsste, wie ich ihr helfen kann … Ich würde es mir nie verzeihen.“

„Flynn.“ Cassie saß im Sessel neben der Couch und hielt das Baby auf dem Schoß. „Sie haben eine Reise quer durch die USA hinter sich. Sie haben alles richtig gemacht, alles, was Ihnen einfiel, um sie zu beruhigen. Und dann haben Sie jemanden um Hilfe gebeten. Wenn ich nicht gewusst hätte, was zu tun ist, hätte ich meine Mutter angerufen. Und wenn eine Mutter von sieben Kindern nicht aufgrund ihrer Erfahrung gemerkt hätte, was nicht stimmt, dann hätten wir Ruby zu einem Arzt gebracht, der einen Weg gefunden hätte, alles besser zu machen.“ Unwillkürlich legte sie ihre Hand auf seine. „Ruby hat großes Glück, dass sie Sie hat.“

Sein Blick glitt von ihrem Gesicht zu ihrer Hand. Sie zog sie rasch zurück.

Ruby kaute immer noch an dem kühlen Spielzeug und rieb sich die Augen. „Du kannst jetzt schlafen gehen, Ruby.“ Cassie glättete ihr das weiche, dunkle Haar, das in feuchten Büscheln hochstand. „Wir werden dafür sorgen, dass es für dich beim Aufwachen viele kalte Dinge zum Draufkauen gibt.“

Als das Baby seinen Kopf auf Cassies Schulter legte und mit einem tiefen, schläfrigen Seufzer der Erleichterung die Augen schloss, ging Cassie das Herz über.

Die Liebe auf den ersten Blick war bereits zu etwas mehr geworden. Zu etwas Größerem.

Da merkte Cassie klar, dass Ruby nicht als Einzige dabei war, einzuschlafen. Flynns Kopf lag an der Rückenlehne der Couch. Seine Augen waren geschlossen, die Stressfalten in seinem Gesicht glätteten sich, als er endlich die Ruhe fand, die er so dringend brauchte.