Mitgefühl, Trauma und Achtsamkeit in psychodynamischen Therapien - Luise Reddemann - E-Book

Mitgefühl, Trauma und Achtsamkeit in psychodynamischen Therapien E-Book

Luise Reddemann

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Beschreibung

Zunehmend werden therapeutische Möglichkeiten von spirituellen Ressourcen diskutiert. Die in diesem Bereich erfahrene Psychoanalytikerin und Ärtzin Luise Reddemann stellt die psychodynamische Arbeit mit den Aspekten Mitgefühl und Achtsamkeit vor. Dies kommt insbesondere seelisch traumatisierten Patientinnen und Patienten zugute. Mit einer Haltung teilnehmender Offenheit für die Patienten treten Achtsamkeit, Sorge und Haltefunktionen in den Vordergrund. Fallbeispiele illustrieren neue kreative Interventionen, zu denen auch eine meditative Praxis gehört. Den Abschluss bilden persönliche Überlegungen zu Mitgefühl und Achtsamkeit als Grundbedingung jedes therapeutischen Handelns.

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PSYCHODYNAMIK Kompakt

Herausgegeben vonFranz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Luise Reddemann

Mitgefühl, Trauma undAchtsamkeit in psycho-dynamischen Therapien

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99796-4

Umschlagabbildung: Paul Klee, Landschaft am Anfang, 1935, akg-images

© 2016, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.

www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Satz: SchwabScantechnik, Göttingen

Inhalt

Vorwort zur Reihe

Vorwort zum Band

Vorbemerkungen

1Historischer Bezug und aktuelle Haltungen

2Einige Aspekte von Mitgefühl in der zeitgenössischen Philosophie

3Mitfühlende psychodynamische Psychotherapie

3.1Die intersubjektive Sicht

3.2Ego-State-orientierte Sicht und Verbundenheit mit sich selbst

3.3Mitgefühl und Verbundenheit

4Mitgefühl und phronesis

5Mitgefühl und Hoffnung

6Mitgefühl im Kontext der Lehre von den »himmlischen Verweilungen« oder die Freude am Weg als salutogenetisches Vorgehen

7Einige Beispiele von Begegnungen von Psychodynamikern und Buddhismus

7.1Historische Vorläufer der Begegnung von Psychodynamik und Buddhismus

7.2Aktuelle Begegnungen

7.3Wichtige Themen

8Mitgefühl und Achtsamkeit in der therapeutischen Beziehung – psychodynamische Psychotherapie und buddhistische Konzepte

9Psychoanalytische Identität und Begegnung mit buddhistischen Konzepten

10Achtsamkeit und psychodynamische Sichtweisen

11Meditative Praxis als Übungsweg

12Abschließende Überlegungen

Literatur

Vorwort zur Reihe

Zielsetzung von PSYCHODYNAMIK KOMPAKT ist es, alle psychotherapeutisch Interessierten, die in verschiedenen Settings mit unterschiedlichen Klientengruppen arbeiten, zu aktuellen und wichtigen Fragestellungen anzusprechen. Die Reihe soll Diskussionsgrundlagen liefern, den Forschungsstand aufarbeiten, Therapieerfahrungen vermitteln und neue Konzepte vorstellen: theoretisch fundiert, kurz, bündig und praxistauglich.

Die Psychoanalyse hat nicht nur historisch beeindruckende Modellvorstellungen für das Verständnis und die psychotherapeutische Behandlung von Patienten hervorgebracht. In den letzten Jahren sind neue Entwicklungen hinzugekommen, die klassische Konzepte erweitern, ergänzen und für den therapeutischen Alltag fruchtbar machen. Psychodynamisch denken und handeln ist mehr und mehr in verschiedensten Berufsfeldern gefordert, nicht nur in den klassischen psychotherapeutischen Angeboten. Mit einer schlanken Handreichung von 60 bis 70 Seiten je Band kann sich der Leser schnell und kompetent zu den unterschiedlichen Themen auf den Stand bringen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

–Kernbegriffe und Konzepte wie zum Beispiel therapeutische Haltung und therapeutische Beziehung, Widerstand und Abwehr, Interventionsformen, Arbeitsbündnis, Übertragung und Gegenübertragung, Trauma, Mitgefühl und Achtsamkeit, Autonomie und Selbstbestimmung, Bindung.

–Neuere und integrative Konzepte und Behandlungsansätze wie zum Beispiel übertragungsfokussierte Psychotherapie, Schematherapie, Mentalisierungsbasierte Therapie, Traumatherapie, internetbasierte Therapie, Psychotherapie und Pharmakotherapie, Verhaltenstherapie und psychodynamische Ansätze.

–Störungsbezogene Behandlungsansätze wie zum Beispiel Dissoziation und Traumatisierung, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen, Borderline-Störungen bei Männern, autistische Störungen, ADHS bei Frauen.

–Lösungen für Problemsituationen in Behandlungen wie zum Beispiel bei Beginn und Ende der Therapie, suizidalen Gefährdungen, Schweigen, Verweigern, Agieren, Therapieabbrüchen; Kunst als therapeutisches Medium, Symbolisierung und Kreativität, Umgang mit Grenzen.

–Arbeitsfelder jenseits klassischer Settings wie zum Beispiel Supervision, psychodynamische Beratung, Arbeit mit Flüchtlingen und Migranten, Psychotherapie im Alter, die Arbeit mit Angehörigen, Eltern, Gruppen, Eltern-Säuglings-Psychotherapie.

–Berufsbild, Effektivität, Evaluation wie zum Beispiel zentrale Wirkprinzipien psychodynamischer Therapie, psychotherapeutische Identität, Psychotherapieforschung.

Alle Themen werden von ausgewiesenen Expertinnen und Experten bearbeitet. Die Bände enthalten Fallbeispiele und konkrete Umsetzungen für psychodynamisches Arbeiten. Ziel ist es, auch jenseits des therapeutischen Schulendenkens psychodynamische Konzepte verstehbar zu machen, deren Wirkprinzipien und Praxisfelder aufzuzeigen und damit für alle Therapeutinnen und Therapeuten eine gemeinsame Verständnisgrundlage zu schaffen, die den Dialog befördern kann.

Franz Resch und Inge Seiffge-Krenke

Vorwort zum Band

Nachdem spirituelle Themen in der Psychotherapie viele Jahre tabuisiert wurden, markieren zahlreiche Veröffentlichungen der letzten Jahre einen bemerkenswerten Richtungswechsel. Die therapeutischen Möglichkeiten von spirituellen Ressourcen werden zunehmend diskutiert.

In diesem Rahmen ist das Buch von Luise Reddemann angesiedelt, das auf ihren umfangreichen Erfahrungen zur Arbeit mit traumatisierten Patienten und dem Zugang zur Spiritualität aufbaut und aus der Sicht von Therapeuten und Patienten argumentiert. Ihr Buch zu den Aspekten des Mitgefühls und der Achtsamkeit im therapeutischen Prozess bietet eine originelle Sicht auf psychodynamisches Arbeiten insbesondere mit seelisch traumatisierten Patientinnen und Patienten. Es stellt diese emotional getragenen Aspekte der Intersubjektivität ins Zentrum der Betrachtung.

Basierend auf einem historischen Rückblick auf Freuds paternalistische Strenge im Umgang mit seinen Patienten werden moderne Relativierungen vorgenommen, die – ohne die intellektuelle Schärfe der psychodynamischen Konzeption zu verwässern – der teilnehmenden Offenheit für Patienten das Wort reden: Achtsamkeit, Sorge und Haltefunktionen treten in den Vordergrund. Eine philosophische Fundierung des Mitgefühls in der Therapie gelingt überzeugend.

Schließlich werden über einen persönlichen Erfahrungszugang der Autorin Zusammenhänge zwischen der psychodynamischen Psychotherapie und der buddhistischen Vorstellungswelt aufgezeigt und neue kreative Interventionen daraus abgeleitet, die auch an Fallbeispielen illustriert werden. Die meditative Praxis kann neben der psychodynamischen Einsicht durch gezielte Übungen betroffene Patienten in ihrem Selbsterleben positiv beeinflussen. Den Abschluss bilden persönliche Überlegungen, die das Mitgefühl und die Achtsamkeit als Grundbedingung jedes therapeutischen Handelns fassbar werden lassen.

Inge Seiffge-Krenke und Franz Resch

Vorbemerkungen

Mitgefühl, das Hauptthema dieses Buches, war bis vor kurzem kein Begriff in Lehrbüchern der Psychotherapie. In letzter Zeit ist das Wort im öffentlichen Sprachgebrauch häufiger geworden: zum Beispiel Mitgefühl mit den Opfern von »Charlie Hebdo« und den neuerlichen Anschlägen des IS in Paris, Mitgefühl mit Flüchtlingen. Man findet entsprechende Gegenbewegungen, die Mitgefühl allenfalls für Menschen des eigenen Nahfeldes aufbringen wollen.

Der Begriff des Mitgefühls gehört im Bezugsrahmen psychodynamischer Ansätze in den Bereich der Relationalität oder der Intersubjektivität. Ein Leitgedanke mag der eines der Gründerväter der relationalen Psychoanalyse, Emmanuel Ghent, sein: »Bei der Persönlichkeitsentwicklung, bei der Entstehung von Psychopathologie und bei der psychoanalytischen Behandlung spielen menschliche Beziehungen in ihrer Besonderheit und Einzigartigkeit eine übergeordnete Rolle« (Ghent, 1992, S. XVIII, zitiert bei Aron u. Harris, 2006). Wie mag es sich auswirken, wenn diese menschlichen Beziehungen geprägt sind von Verachtung, Vernachlässigung, Gewalt, und was mag das für die psychodynamische Arbeit bedeuten? Diese Überlegungen waren Anlass für die Entwicklung von mitgefühlsbasierten Interventionen im Rahmen meines Konzeptes der »Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie«.

Anfang der 1980er Jahre, als ich meine psychoanalytische Ausbildung begann, war in Deutschland von Intersubjektivität und relationaler Psychoanalyse kaum die Rede. Da ich schon bald schwerpunktmäßig mit traumatisierten Menschen zu arbeiten begann, waren die damals verfügbaren psychoanalytischen Möglichkeiten sowohl in der Theorie als auch in der Praxis sehr gering. Ich bin daher einen eigenen Weg gegangen, der von vielen psychoanalytischen Kollegen als »unanalytisch« bezeichnet wurde. Erst in den 2000er Jahren wuchs hierzulande auch das Interesse an den intersubjektiven Ansätzen und es wurde deutlicher, dass interpersonellen Traumatisierungen mit neuen Konzepten zu begegnen war (siehe z. B. das Doppelheft zu Trauma in der »Psyche« im Herbst 2000, herausgegeben von Werner Bohleber).

In der »Psychodynamisch Imaginativen Traumatherapie« bezieht sich das Imaginative auf die Fähigkeit, imaginativ einen Raum zwischen Therapeutin1 und Patientin zu erschaffen, in dem tröstende Vorstellungen ihren Platz haben, die wiederum als Übergangsobjekte vom Patienten verwendet werden (können). Insbesondere die achtsame und mitfühlende Zuwendung der Patientin zu sich selbst, also zu Selbstanteilen (oder »ego states« nach Federn, 1953) aufgrund des modellhaften Verhaltens der achtsamen und mitfühlenden Zuwendung der Therapeutin, spielt in diesem Übergangsraum eine bedeutende Rolle. So sind Erinnern, Mitgefühl und Trost wesentliche Komponenten dieser Arbeit (Reddemann, 2001, 2012).

In diesem Band geht es nicht um Psychoanalyse als Therapie, jedoch um von der Psychoanalyse geprägte Grundhaltungen, die wiederum in psychodynamischen Therapien eine wesentliche Rolle spielen. Ich unternehme den Versuch, diese Grundhaltungen in Beziehung zu setzen zu manchen Konzepten, die nach meinem Verständnis implizit in psychodynamischen Psychotherapien mehr oder weniger schon immer Platz hatten.

Ich habe durch jahrzehntelange Meditationspraxis erfahren, dass Mitgefühl, wie es im Buddhismus gelehrt wird, meine therapeutische Arbeit inspiriert und bereichert. Vieles verdanke ich Sylvia Wetzel (z. B. Wetzel, 2015), von der ich seit über zwanzig Jahren lerne. Ich werde mich auf einige Kolleginnen und Kollegen beziehen, die in beiden Feldern zu Hause sind, und über meine Erfahrungen in der therapeutischen Arbeit berichten. Es ist in den letzten Jahren allein auf Deutsch eine kaum mehr übersehbare Zahl von Büchern zu Achtsamkeit – und mehr oder weniger auch zu Mitgefühl – in der Psychotherapie erschienen (z. B. Anderssen-Reuster, 2011; Germer et al., 2009; Reddemann, 2011; Harrer u. Weiss, 2015). Interessierte Psychotherapeuten können sich umfassend informieren. Zur Vertiefung empfehle ich die Lektüre von ausgewiesenen buddhistischen Lehrerinnen, Lehrern und dazu Forschenden (zur Einführung z. B. Gäng; 2002, Kolk, 2015).

Jerome Frank (1981) hat die Frage gestellt, ob Hoffnung ein Element jeder Psychotherapie sei. Ähnlich frage ich nach achtsamem Mitgefühl als einem Element jeder Psychotherapie. Mitgefühl wird hier verstanden als Einfühlung und der Wunsch, Hilfreiches oder sogar Heilsames zu bewirken. Heilung, Besserung oder Linderung von Beschwerden sind Ziele für jede Art von Krankenbehandlung; es handelt sich dabei nicht nur um einen Wunsch der Patienten an uns, sondern sogar um einen Anspruch, der sich aus unseren Gesetzen (Sozialgesetzbuch) ergibt. Nach meinem Kenntnis- und Erfahrungsstand ist bei schwer belasteten Menschen vollständige Heilung selten, Besserung häufiger und Linderung fast immer möglich.