Moderieren - Markus Tirok - E-Book

Moderieren E-Book

Markus Tirok

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Beschreibung

»Moderieren« führt kenntnisreich und anschaulich in die Arbeit als Moderator oder Moderatorin vor der Kamera oder bei Veranstaltungen ein. Alle wichtigen Moderationsformen wie Anmoderation, Aufsager, Interview, Podiumsdiskussion, Event-Moderation werden vorgestellt und mit der angemessenen mentalen Haltung in Verbindung gebracht. Der Praxisratgeber dient gleichermaßen zur Ausbildung und Professionalisierung. Er bietet eine handwerkliche Anleitung zum Moderieren: von der richtigen Vorbereitung auf ein Interview, eine Sendung, ein Casting über den Umgang mit Pannen bis hin zur Kommunikation mit einem Auftraggeber. Dabei gibt Markus Tirok viele Tipps: wie man Lampenfieber für eigene Höchstleistungen nutzt, Hilfsmittel (Moderationskarten, Teleprompter) effektiv einSetzt und sich durch Eigen-PR einen guten Namen macht. Medienexperten und prominente Moderatoren der deutschen TV-Landschaft sprechen erstmals ausführlich und offen über ihre Erfahrungen und geben ebenfalls Empfehlungen. Den Fragen des Autors haben sich gestellt: Sandra Maischberger, Frauke Ludowig, Barbara Eligmann sowie ihre Kollegen Roger Willemsen, Peter Kloeppel, Steffen Hallaschka und Johannes B. Kerner. Zusätzlicher Service zum Buch auf: www.professionell-Moderieren.de.

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[1]

[2]Markus Tirok ist Fernsehjournalist, Moderator und Produzent in Köln. Seit 2002 trainiert und berät er Moderatoren, Führungskräfte und Experten bei öffentlichen Auftritten, Präsentationen und Medienkontakten.

Kontakt: www.tirok.de

[3]Markus Tirok

Moderieren

UVK Verlagsgesellschaft Konstanz · München

[4]Praktischer Journalismus

Band 94

Filmbeispiele können Sie auf

www.professionell-moderieren.de ansehen.

Geben Sie hierfür bitte folgende Zugangsdaten ein:

Nutzer: Leser

Passwort: Eku7jub1

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISSN 1617-3570

ISBN 978-3-86496-139-7

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Dieses eBook ist zitierfähig. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die Seitenangaben der Druckausgabe des Titels in den Text integriert wurden. Sie finden diese in eckigen Klammern dort, wo die jeweilige Druckseite beginnt. Die Position kann in Einzelfällen inmitten eines Wortes liegen, wenn der Seitenumbruch in der gedruckten Ausgabe ebenfalls genau an dieser Stelle liegt. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler.

© UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2013

Einbandgestaltung: Susanne Fuellhaas, Konstanz

Einbandfoto: André Forster

Icons: Istockphoto Inc., Erhan Ergin · Fotolia

Lektorat und Satz: Klose Textmanagement, Berlin

UVK Verlagsgesellschaft mbH

Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz · Deutschland

Tel.: 07531-9053-0 · Fax: 07531-9053-98

www.uvk.de

eBook-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheimwww.brocom.de

[5]Inhalt

Vorwort

1 Journalistische Kompetenz

2 Grundlagen der Kommunikation

2.1 Wie wir lernen

2.2 Ihr Ziel

2.3 Aus Fehlern lernen

2.4 Die Wahrnehmungsfilter

2.5 Die Perspektive

Teil 1: Fernsehmoderation

3 TV-Moderationsarten

3.1 Freies Sprechen

3.2 Anmoderation

3.3 Aufsager

3.4 Interview

4 TV-Handwerk

4.1 Moderationskarten

4.2 Teleprompter

4.3 Knopf im Ohr

4.4 Sendeablauf

4.5 Kleidung

5 Mentale Vorbereitung

5.1 Innere Haltung

5.2 Körpersprache

5.3 Sprache

[6]5.4 Auswendig lernen?

5.5 Aufwärmen von Stimme und Körper

5.6 Umgang mit Pannen

5.7 Lampenfieber

6 Selbstvermarktung

6.1 Wie glamourös ist Fernsehen?

6.2 Agenturen und Management

6.3 Coaching

6.4 Castings

6.6 Homepage

6.7 Regionale und lokale Fernsehsender

Teil 2: Event-Moderation

7 Event-Moderationsarten

7.1 Ablaufmoderation

7.2 Doppelmoderation

7.3 Podiumsdiskussion

7.4 Messemoderation

8 Auftraggeber und Publikum

8.1 Ziel und Erwartung des Kunden

8.2 Das Publikum

8.3 Honorar für freie Engagements

9 Was prominente Moderatoren raten

10 »Ein Moderator sollte Hunger auf Menschen haben« (Interview mit Roger Willemsen)

Schlusswort

[7]Anhang

Interviewpartner

Lokale und regionale Fernsehsender (Auswahl)

Aus- und Weiterbildung

Literatur

Index

Interviewabschriften

Barbara Eligmann

Christiane Gabor

Steffen Hallaschka

Annette Hillebrand

Johannes B. Kerner

Peter Kloeppel

Michael Laschet

Frauke Ludowig

Déirdre Mahkorn

Sandra Maischberger

Kixka Nebraska

Bernhard Roetzel

Markus Tirok

Roger Willemsen[8]

[9]Vorwort

»Die Dienstleistung einer Moderation besteht darin, dass man Themen transportiert, Persönlichkeiten präsentiert. Das macht man nicht für sich, sondern für andere. Aber es wäre langweilig für den Zuschauer, wenn es nur eine Dienstleistung wäre. Ein eigener künstlerischer Strich kann dabei nicht schaden. Aber es soll auch nicht übertrieben sein. Nur Kunst braucht kein Mensch im TV.« Sandra Maischberger

Film 2

Ein filmischer Gruß Ihres Autors (0:50).

Kann man lernen, ein guter Moderator zu werden?

Lassen Sie uns kurz in die Küche gehen, um eine Antwort zu finden. In Küchen finden wir meist Antworten und dort lassen sich die besten Gespräche führen. Und wenn wir schon in der Küche sind, dann lassen Sie mich die Frage anders formulieren: Glauben Sie, dass man kochen lernen kann? Bitte antworten Sie jetzt mit Ja, das erleichtert mir die Arbeit. Ich glaube fest daran, dass kochen zu lernen ist. Wenn wir erst einmal verstanden haben, dass Kartoffelwasser nicht anbrennen kann und Eier bei längerem Kochen nicht weicher werden, haben wir die besten Voraussetzungen dafür, in der Küche nicht zu verhungern.

Von einem Vier-Gänge-Menü sind wir noch weit entfernt, aber Bratkartoffeln schmecken auch sehr gut. Die ersten Küchenkatastrophen lassen bestimmt nicht lange auf sich warten – aber mit Mut, Freude und Humor lernen wir aus dem Angebrannten. Und eines Tages verschwindet das Rezeptbuch neben dem Herd und wir haben verstanden, was Muttis Mengenangabe[10] »noch etwas Salz dazu« zu bedeuten hat. Und auf einmal ist kochen ganz einfach geworden.

Dieses Buch ist ein Rezeptbuch zum Moderieren und richtet sich an alle, die vor der Kamera oder vor Publikum auftreten und sich präsentieren möchten. Das sind in den vergangenen Jahren ganz schön viele geworden. Heute gibt es mehr Moderatoren denn je. Denn schließlich finden wir unseren Berufszweig nicht nur bei den etablierten Sendeanstalten, sondern mittlerweile auch bei innovativen Internetprojekten und auf Event-Bühnen.

In diesem Buch beschreibe ich die Grundlagen und Techniken der Fernseh- und Bühnenmoderation detailliert und präzise, Sie erhalten Einblicke in die heutige Produktionswelt und werden sich mit Ihren eigenen Zielen und Motiven auseinandersetzen. Prominente Moderatoren aus dem deutschen Fernsehen haben sich meinen Fragen gestellt und haben erstmals in aller Ausführlichkeit Einblick in ihre Profession gegeben.

Dieses Buch versteht sich nicht als Nachttischlektüre, sondern als konkreter Ratgeber. Sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen, probieren Sie etwas aus. Vom Rezeptelesen ist noch keiner satt geworden. Sie müssen schon an den Herd.

Film 3

Wie beantworten Frauke Ludowig, Sandra Maischberger, Peter Kloeppel und Roger Willemsen die Frage, ob man moderieren lernen kann? Hier erfahren Sie es (2:52).

Wegweiser durch das Buch

Icons erleichtern Ihnen die Orientierung in diesem Buch:

Info

Checkliste

Film/Webvideo

Statement

Interview

[11]Auf der Website www.professionell-moderieren.de können Sie die im Buch angegebenen Filme, die der Autor von prominenten Moderatoren und Experten aufgenommen hat, sowie weitere Webvideos ansehen. Hier finden Sie auch weitere Infos zum Thema »Moderieren«. Bitte geben Sie zum Öffnen der Website die Zugangsdaten auf Seite 4 ein.[12]

[13]1 Journalistische Kompetenz

Welchem übergeordneten Berufsbild wird der Moderator zugeordnet? Oder müssen wir uns erst die Frage stellen, ob »Moderator« überhaupt ein Beruf oder eher eine zeitlich begrenzte Tätigkeit ist? Nur sehr wenige Moderatoren stehen tatsächlich ihr Leben lang vor der Kamera. Für viele ist es nur eine Etappe in ihrem beruflichen Werdegang. Fernsehmoderator Roger Willemsen beantwortet die Frage für sich so:

»Es ist ein Beruf, weil man eine hohe Meinung vor der Leistung haben sollte, die ein guter Moderator zu erbringen hat. Würde man es nicht als Beruf bezeichnen, dann hieße es erstens, daran gibt es nichts zu lernen, und zweitens hieße es, dass es auch Tätigkeit ist, die man als Hobby betreiben kann. Da es aber etwas wie ein Berufsethos für den Moderator gibt, würde ich es immer als Beruf bezeichnen. Ich glaube, dass es in vielen Fällen sogar ein Traumberuf sein kann. Das hängt aber mit der persönlichen Disposition des Fragenden zusammen.«

Wo liegen die Wurzeln? Im darstellenden Fach, also im Schauspiel? Oder gründet sich eine Karriere auf die Berichterstattung und damit aufs journalistische Handwerk? Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Diskussion sehr schnell leidenschaftlich und energisch werde. Zu oft trifft man im Fernsehen auf ausgediente Casting-Show-Kandidaten, die vollkommen selbstverliebt in die nächste Kamera posaunen, dass sie demnächst als Moderator eine eigene Sendung übernehmen wollen oder vielleicht doch eine Platte aufnehmen, wenn sie nicht gerade einen Film drehen. Das sind die Momente, die mir über die Hutschnur gehen und ich deutlich werden kann. Die drei beschriebenen Optionen sind eigenständige Berufe, die auf einer Ausbildung, Talent und vielen Jahren Erfahrung basieren. Stellte ich mich hin und behauptete, ich würde jetzt mal eben Pilot werden oder vielleicht doch Chirurg, dann würde man mich für verrückt erklären.

Ich bin nicht der einzige, der bei diesem Thema leidenschaftlich wird. TV-Moderatorin Barbara Eligmann geht es ähnlich. Ihr Ansatz ist journalistisch begründet:

[14]»Ich kann hier und sofort aus jedem Thema etwas machen, drüber reden und drüber berichten. Es gibt aber auch andere: Die kommen, sind traumschön und furchtlos und sagen sich: ›Warum bin ich denn eigentlich nicht im Fernsehen?‹. Das wäre dann der Ansatz: ›Ich kann das nicht und das auch nicht, aber vielleicht kann ich moderieren.‹«

Wenn wir die deutsche TV-Landschaft betrachten und uns die Lebensläufe ansehen, können wir klar zuordnen, dass die meisten Moderatoren einen journalistischen Hintergrund haben. Fast jede Karriere begann in einer Redaktion, in der das journalistische Handwerk erlernt und die ersten Erfahrungen gesammelt wurden. Einige Kolleginnen und Kollegen haben Jahre als Redakteur oder Realisator beim Fernsehen gearbeitet. Vielleicht war es Zufall, der sie vor die Kamera brachte, vielleicht wurden sie entdeckt oder vielleicht haben sie auch die Chance eines Castings ergriffen und konnten sich beweisen. Doch nicht nur die sich bietende Chance ist ein willkürlicher Moment, sondern auch das Talent ist ein nicht zu beeinflussender und auch entscheidender Faktor. Johannes B. Kerner formuliert es so:

»Das ist ein Talent und Talent kann man sich nicht erarbeiten, das kann man nicht erlernen und das kann man auch nicht online bestellen. Man hat es. Oder man hat es eben nicht.«

Film 4

Haben Sie das Zeug zum Moderator? Kann jeder Moderator werden? Hier geben Ihre zukünftigen Kollegen die Antwort (16:30).

Talent ist wichtig, aber nicht alles: Ohne journalistische Grundkenntnisse wird kein Moderator auskommen. Wie funktioniert die Recherche? Wie formuliere ich richtig? Wie baue ich ein Interview auf? Wie sieht eine Nachricht aus? Wie strukturiere ich Inhalte? Woran erkenne ich Nachrichten? Diese Fragen richtig beantworten zu können, ist die Grundlage für den (massen)medienorientierten Moderationsalltag.

Film 5

Wie wichtig ist die journalistische Kompetenz für die Arbeit vor der Kamera? Prominente Moderatoren geben die Antwort (5:08).

Es gibt allerdings einige Moderatoren, die ihre Ausbildung nicht in einer Redaktion gemacht haben und dennoch vor der Kamera gelandet sind. Das [15]ist eher die Ausnahme von der Regel, aber auch sie werden eng mit einer Redaktion zusammenarbeiten und werden in dieser Zusammenarbeit die Grundlagen des Handwerks erlernen. Learning by Doing. Ich gestehe an dieser Stelle jedoch ein, dass auch schauspielerisches Talent und die Freude, sich zu zeigen, hilfreich sind. Die Chance, über eine redaktionelle Arbeit den Platz vor der Kamera zu erobern, ist jedoch weitaus größer. Diese Meinung vertritt auch RTL-Chefredakteur Peter Kloeppel:

»Wer von jetzt auf gleich ins Studio will, hat meiner Meinung nach nicht ausreichend Hintergrund, nicht genügend Wissen und ist nicht ausreichend teamfähig, um in einer Redaktion arbeiten zu können. Man ist als Moderator kein Übermensch, der übers Wasser geht, sondern ein Redaktionsmitglied, das genauso bei der Themenfindung, bei der Recherche, bei der Entwicklung von Sendungen mitarbeitet wie jeder andere Redakteur auch. Man muss auch Teamplayer sein, um von der Redaktion ernst genommen zu werden. Und nur, wenn man von der Redaktion ernst genommen wird und auch selber weiß, »Ja, ich habe das mitgestaltet, was ich hier präsentiere«, dann kommt man auch bei den Zuschauern an.«

Mein Rat: Ab in die Redaktion eines Senders, einer Produktionsfirma! Hier lernen Sie, wie Fernsehen gemacht wird und erhalten die besten Voraussetzungen für eine Karriere im 16:9-Format.

Und wenn ich schon ungefragt väterliche Ratschläge verteile – gleich noch einen hinterher: Sie machen bitte Ihr Abitur, dann werden Sie einen Abschluss an einer Hochschule machen, und nutzen Sie die Zeit, um ein Auslandssemester einzuschieben. Später werden Sie dazu nicht mehr kommen. Während ihres Studiums knüpfen Sie Kontakte in die Medien, z. B. über Hospitanzen und Praktika. Und nach dem Studium geht es dann ab in die Praxis. Machen Sie noch ein eineinhalbjähriges Volontariat und danach sind Sie bestens gerüstet für eine Karriere in den Medien.

Der promovierte Germanist, Autor und TV-Journalist Roger Willemsen ist mit dem Rat, zu studieren, etwas vorsichtiger, obwohl er selbst sogar vor der Habilitation stand, bevor er in die Medien ging:

»Ein Studium ist nur dann sinnvoll, wenn, erstens, die Leidenschaft vorausgesetzt ist für das, was ich machen will. Zweitens, wenn ich das Studium so instrumentell anfasse, dass ich sage, ich weiß, wohin ich mit dem Studium will. Dieses sich Parken in ei[16]nem Niemandsland des Studierens, das einem sagt, ich bin beschäftigt und irgendwann kann ich vorweisen, dass ich studiert habe, führt meiner Ansicht nach zu nicht viel.

Ich glaube, es wäre sinnvoll, wenn sich Studenten erst einmal darauf konzentrieren würden, sich zu fragen, wo habe ich die größte mögliche Leidenschaft? Für was gehe ich durchs Feuer? Was ist der Stern, dem ich unbedingt folgen muss? Und nicht – wie komme ich da rein? Wie mache ich mich windschnittig, um irgendwann eine Position zu haben, in der ich möglichst nicht auffalle.«

Dann gibt es noch die Journalistenschulen. Deutschland hat einige sehr renommierte Schulen, die meist einem Verlagshaus angehören. Wer es hier schafft, aufgenommen zu werden, wird sich auch nicht viele Sorgen um seinen beruflichen Werdegang machen müssen.

Private Akademien sollten Sie kritisch betrachten. Wie lange gibt es diese Akademie bereits? Wie sehen die Inhalte aus? Woher kommen die Dozenten und welches Angebot kann eine Akademie den Studierenden bieten? Es gibt einige Akademien, die den Teilnehmern das Geld aus der Tasche ziehen und trotzdem selbst nach zwei Jahren pleite sind und den Lehrbetrieb einstellen. Damit ist wohl keinem geholfen. Planen Sie Ihre Ausbildung sehr genau und sehr kritisch. Die Zeit vergeht schnell und Sie werden nur einmal die Ausbildungsphasen durchlaufen. Nehmen Sie alle Möglichkeiten mit, die sich Ihnen bieten.

Ist es ratsam, gleich nach dem Abitur ein Volontariat zu machen, gleich in eine Redaktion zu gehen und Geld zu verdienen? Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie verlockend die Vorstellung ist, endlich nicht mehr die Schul- oder Unibank drücken zu müssen, das machen zu können, was einem Spaß macht, und dafür auch noch Geld zu erhalten. Das war mein Weg. Bereut habe ich ihn nicht – heute würde ich ihn aber nicht noch einmal so gehen. Die Zeiten und die Anforderungen haben sich verändert. Ich würde keinem raten, auf ein Studium zu verzichten. Häufig ist das Studium auch eine Grundvoraussetzung, um überhaupt den ersten Schritt in eine Redaktion zu machen.

Studieren kann Spaß machen, im Studium lernen Sie viel Neues dazu und Sie können die Zeit des Studiums nutzen, um Erfahrungen zu machen und Kontakte zu knüpfen. Ob Sie sich für eine akademische Ausbildung entscheiden oder dagegen, auf eines werden Sie nicht verzichten können, sagt auch Sandra Maischberger:

[17]»Selbst wenn man studiert, muss man die praxisorientierte Ausbildung bekommen, sei es ein Volontariat, eine Schule oder eben Kurse. Das kann einem ein Studium nicht vermitteln. Man muss Texte schreiben, man muss Interviews führen, man muss sprechen lernen.«

Film 20

Wie wichtig ist ein Hochschulstudium für Journalisten und Moderatoren?

Die Meinungen gehen auseinander (4:17).

Wie wird man Moderator?

Die Moderation verbindet journalistisches Handwerk mit der Freude an der Präsentation und die Kunst der Darstellung.

Die meisten Moderatoren haben einen journalistischen Hintergrund.

Ein abgeschlossenes Hochschulstudium ist empfehlenswert, weil es den Berufseinstieg vereinfacht.

Beginnen Sie frühzeitig ein berufliches Netzwerk aufzubauen und zu pflegen.

Fragen an Annette Hillebrand, Direktorin der Akademie für Publizistik in Hamburg

Frage: Ist Moderator ein eigenständiger Beruf?

Annette Hillebrand: Man kann so wenig Moderator werden, wie man Intendant eines Theaters werden kann. Das ist kein definiertes Berufsfeld. Man kann sich dahin entwickeln, indem man sich notwendige Kenntnisse aneignet und Kompetenz erwirbt. Aber sich mit 18 hinzustellen und zu sagen, in drei Jahren bin ich Moderator, halte ich für eine verrückte Idee.

Frage: Viele erfahrene Journalisten raten davon ab, ein Journalismus zu studieren. Folgen Sie dieser Empfehlung?

Annette Hillebrand: Das finde ich nicht richtig. Das galt vielleicht vor zehn Jahren, als die Studiengänge noch sehr theorielastig waren. Inzwischen gibt es genügend Studiengänge mit hohem Praxisanteil. Und diesen Grundsatz »Mach es aus der Praxis und besuche keine Universität«, den finde ich falsch. So werden wir den Angeboten nicht gerecht.

Frage: Was ist Ihr Rat an junge Kollegen, die vor die Kamera streben?

Annette Hillebrand: Versuch so schnell wie möglich herauszufinden, wo Deine Talente liegen. Das finde ich noch viel wichtiger, als es früher war. Beschäftige ich mich gerne mit Technik? Kann ich gut mit Bildern Geschichten erzählen? Was ist mein besonderes Talent in diesem riesigen Feld ›Was mit Medien‹? [18]Da kommt man nur durch, wenn man relativ schnell weiß, wo man besonders talentiert ist.

Film 6

Das ausführliche Interview mit Annette Hillebrand, der Direktorin der Akademie für Publizistik Hamburg (3:42).

[19]2 Grundlagen der Kommunikation

2.1 Wie wir lernen

Das Ziel dieses Buches ist, Methoden und Techniken zu vermitteln, Gelerntes zu überprüfen und zu verbessern. Aber wie genau lernen wir? Lernen erfolgt in vier aufeinander aufbauenden Phasen:

Wie wir lernen – die vier Lernschritte

Die Grafik veranschaulicht den Lernprozess: Bei der unbewussten Inkompetenz wissen wir nicht, wie etwas funktioniert, und wissen auch nicht, dass wir es nicht wissen. Sie werden sich nicht mehr an die Zeit erinnern, es gab sie jedoch. Die Zeit, in der Sie weder Fahrrad fahren konnten noch wussten, dass es Fahrräder gibt. Das friedliche Tal der Ahnungslosen. Von der bewussten Inkompetenz sprechen wir im zweiten Schritt dann, wenn wir dabei sind, neue Fähigkeiten zu lernen und schnell an die eigenen Grenzen[20] gelangen. Wir bemerken, dass wir die neue Fähigkeit noch nicht beherrschen.

Steigen wir also noch einmal aufs Fahrrad. Mit Stützrädern waren die ersten Fahrversuche recht wackelig, ohne Stützräder ging es anfänglich gar nicht. Oder kochen Sie lieber, als dass Sie Rad fahren? Auch gut – Sie wissen jetzt, wie Sie Pasta machen, an das Rinderfilet trauen Sie sich aber noch nicht.

Die dritte Phase des Lernens ist die bewusste Kompetenz. Sie können alles Gelernte erfolgreich einsetzen, aber es bedarf Ihrer gesamten Aufmerksamkeit. Sie machen eine gute Figur auf dem Fahrrad, aber eine Unterhaltung nebenbei wäre noch etwas zu viel. Genauso sähe es in der Küche aus. Ihre Konzentration gehört dem Rezept, den Pfannen und Töpfen. Bitte jetzt nicht ansprechen!

Perfektion und Entspannung finden wir erst in der letzten Phase, in der unbewussten Kompetenz. Theorie und Praxis sind Ihnen in Fleisch und Blut übergegangen, Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen, es läuft wie von selbst, sowohl in der Küche als auch beim Sieben-Tage-Rennen. Ihr Unterbewusstsein steuert Ihre Tätigkeit.

Nun kann es allerdings sein, dass Ihre Gewohnheiten für die Aufgabe nicht die effektivsten sind oder dass Sie sich unbewusst etwas Falsches antrainiert haben. Da Sie diese Möglichkeit erkennen, suchen Sie sich einen Coach, einen Trainer. Seine Aufgabe wird es nun sein, Sie rückwärts aus der unbewussten Kompetenz über die bewusste Kompetenz bis hin zur bewussten Inkompetenz zu leiten, um ein Detail Ihrer Fähigkeiten verändern zu können, Ihrer Fertigkeiten zu verfeinern, effektiver zu arbeiten. Ein neuer Lernprozess durch alle drei Phasen beginnt.

Warum erkläre ich Ihnen so ausführlich diese Wege des Lernens? Zum einen, damit Sie verstehen, welchen Weg wir in diesem Buch gemeinsam gehen werden, und damit Sie sich erlauben, sich die Zeit für Ihre Veränderung zu nehmen. Wir sollten keine Wunder von uns erwarten, und wenn wir unser ganzes (Berufs)Leben eine Aufgabe auf eine bestimmte Art und Weise erfüllt haben, dann darf es ruhig etwas dauern, bevor wir uns daran gewöhnt haben, die Aufgabe neu anzugehen.

Wie lernen wir?

Lernen erfolgt in vier aufeinander aufbauenden Phasen.

Perfektion und Entspannung finden wir erst in der letzten Phase.

Unser kognitives System benötigt Zeit, alte Verhaltensmuster zu verändern.

[21]2.2 Ihr Ziel

Um effektiv mit Ihnen zu arbeiten, möchte ich zu Anfang einige Kommunikationsgrundlagen vorstellen, die uns helfen werden. Sie sind einfacher Natur, aber das macht nichts. Denn tatsächlich können Sie erstaunliche Ergebnisse mit diesen simplen Techniken erzielen, und das weit über den Bereich der Moderation hinaus. Diese Grundlagen haben ihren Ursprung im ›Neurolinguistischen Programmieren‹ (NLP), einem erfolgreichen Methodenbaukasten für Kommunikation. Dieser wurde Ende der 1960er-Jahre von führenden Psychotherapeuten in den USA entwickelt. Keine Bange, ich schicke Sie heute (noch) nicht auf die Couch.

Wir beginnen mit dem Ziel. Betrachten wir das Zielsetzungsverhalten bei Menschen, können wir die Ausrichtung ihrer Orientierung in zwei unterschiedliche Kategorien einteilen. Seien Sie gespannt, in welcher Schublade Sie sich gleich selbst wiederfinden werden und nehmen Sie es mit Humor. Nur Mut – Schubladen kann man öffnen und Inhalte neu verpacken.

Die eine Kategorie wird als ›Hin-zu-Orientierung‹ bezeichnet, die andere Kategorie ist eine die ›Weg-von-Orientierung‹.

Wie wählen Sie Ihr Gericht im Restaurant? ›Weg von‹ oder ›hin zu‹?

An Beispielen sind diese Begriffe am besten zu veranschaulichen: Sie steigen am Hauptbahnhof in ein Taxi und sagen dem Taxifahrer, dass Sie bitte[22] zum Schlosshotel möchten. Dieser knurrt zwar, weil das Schlosshotel nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt ist, erkennt aber als arbeitsloser Diplompsychologe sofort, dass Sie eine Hin-zu-Orientierung genutzt haben. Der Weg-von-Typ würde sich in das Taxi setzen und dem Taxifahrer zu verstehen geben, er wolle nicht zum Flughafen. Wohin er aber tatsächlich möchte, bliebe ungewiss und ungesagt. Der Taxifahrer ist erfreut, das könnte eine ziemlich ertragreiche Taxifahrt für ihn werden. Bei einer Hin-zu-Orientierung ist man selbst also in der Lage, sein Ziel genau zu benennen. Es geht um das Erreichen des gesteckten Zieles. Einem weg-von-orientierten Menschen ist das Vermeiden wichtiger. Er weiß genau, was er nicht will, was es zu vermeiden gilt. Er wird kein genaues Ziel anpeilen. Auf den ersten Blick sieht eine klare Hin-zu-Orientierung erfolgversprechender aus. Seien Sie sich aber darüber im Klaren, dass dies nicht in jeder Situation zutrifft. In einer brenzligen Situation ist es angemessen, auf die Weg-von-Orientierung zu setzen: Sollte ihr Haus brennen, sind Sie gut beraten, weg vom Feuer zu rennen. Wohin ist erst einmal egal.

Sie werden sich selbst noch nicht klassifiziert haben, denn bei dem Taxi- und Feuerbeispiel handeln wir alle gleich. Doch es gibt viele Situationen im Leben, in denen wir unsere Hauptorientierung preisgeben. Oft reden wir mehr über das, was wir nicht möchten, als über das, was wir anstreben.

»Ich bin den Stress wirklich leid …«

»Bitte nicht schon wieder Spaghetti …«

»Ich möchte meinen Job wechseln, ich will einfach nicht mehr mit diesem Team von Vollidioten zusammenarbeiten.«

»Endlich fahre ich in den Urlaub, hoffentlich wird dieser nicht langweilig.«

»Schatz, ich will einfach nicht ewig deine Putzfrau spielen …«

Beginnen Sie im Alltag einmal darauf zu achten, was die Menschen Ihnen tatsächlich durch ihre Äußerungen verraten. Sagen sie wirklich das, was sie wollen? Sagen Sie das, was Sie wirklich wollen? Kennen Sie ihr berufliches Ziel oder sind Sie sich nur über die Aspekte sicher, die Sie partout ablehnen? Die Erfahrung zeigt, dass es den Menschen häufig schwer fällt, sich für ein Ziel zu entscheiden. Natürlich ist es einfacher, eine Sache auszuschließen, um sich viele weitere Optionen offenzuhalten. Wie wollen Sie ein Ziel erreichen, wenn Sie sich keines gesetzt haben? Wie sollen Sie erfolgreich sein, wenn Sie gar nicht wissen, wann genau Sie erfolgreich sind? Sie sollten Ihre Zielgerade kennen, sonst endet Ihr persönlicher Marathonlauf auch nach 42 Kilometern nicht und Sie wissen nicht, wann Sie Ihre [23]Arme zur Siegespose in die Luft reißen sollen. Je konkreter Sie Ihr Ziel definieren können, desto eher werden Sie es erreichen und desto zufriedener werden Sie sich fühlen.

Dies gilt für die Inhalte: Was will ich erreichen? Und dies gilt auch für die Art und Weise: Wie will ich mein Ziel erreichen?

Unzufriedene Menschen gibt es zuhauf. Ich bin mir sicher, auch Sie kennen solch einen Menschen. Hat er ein Ziel, um Zufriedenheit zu erlangen, oder kann er wortreich ausführen, was er nicht möchte?

Was hat dies alles mit Moderation zu tun? Jede Moderation beinhaltet ein Ziel. Ich definiere für mich, was ich erreichen möchte und wie ich es erreichen möchte. Ich muss mir darüber im Klaren sein, mit was ich beginne und wohin es mich bringen soll. Ist doch einfach, oder?

Ist es tatsächlich nicht. Meine Erfahrung mit vielen Moderatoren – Anfänger und Profis – hat gezeigt, dass bei einer verunglückten Moderation selten das Ziel wirklich klar war. Irgendwie wussten sie, was sie machen und sagen wollten. Aber eben nur irgendwie. Und das reicht nicht, wenn es darum geht, innerhalb von 20 Sekunden eine Geschichte einzuleiten. Denn wie häufig kann man in 20 Sekunden mit der Fernbedienung durch das Programm zappen, wenn es dem Moderator nicht gelingt, uns zu fesseln. Ob bei der Anmoderation, im Interview oder bei einer Live-Reportage vor Ort – kenne ich mein Ziel, dann kenne ich meinen Weg.

So gehören z. B. der erste und letzte Satz zu den wichtigsten Etappen in einer Moderation. Der erste Satz fällt noch leicht, irgendwie muss ich ja anfangen. Doch bei dem letzten Satz siegt dann oftmals die Bequemlichkeit des Moderators, »der fällt mir dann schon ein …« Ja, wäre schön gewesen. Aber nein, der letzte Satz fiel ihm nicht ein und die Moderation endete qualvoll oder langweilig.

Eine Aufgabe möchte ich Ihnen konkret vorschlagen, um sich dieses Thema bewusst zu machen: Achten Sie in den nächsten Tagen darauf, wie die Menschen von ihren Zielen erzählen. Und achten Sie auf sich, wie Sie selbst Ihre Ziele einschätzen. Und vielleicht haben Sie ja jetzt Lust bekommen, sich aus ihrer Weg-von-Schublade zu befreien und einfach mal die Hin-zu-Schublade auszuprobieren. Ihre Zuschauer werden es Ihnen danken, Ihr Partner sowieso.

Und wenn es um die Moderation geht, dann gilt ab heute: Ich kenne mein Ziel und weiß, woher ich komme und wohin ich gehe. Das ist schon sehr viel, und noch mehr gibt es jetzt. Und wieder können Sie sich eine Schublade aussuchen. Es geht um Negationen. Denken Sie bitte jetzt nicht an einen rosafarbigen Elefanten.

[24]

Wie sieht Ihr rosa Elefant aus?

Sieht niedlich aus, oder? Ich muss Sie nicht einmal persönlich kennen, um sicher zu sein, dass eben ein rosa Elefant in Ihren Gedanken aufgetaucht ist. Ob als Wort oder als Bild, ist nebensächlich.

Wie kommt das?

Unser Unterbewusstsein ist leider außerstande, eine Verneinung zu verarbeiten. Das heißt, auf die Bitte, nicht an den Elefanten zu denken, haben wir schon die gesamte Aufmerksamkeit unseres Bewusstseins auf das Tier mit dem rosa Rüssel gelenkt. Es geht gar nicht anders und ist in diesem Fall auch egal. Aber eben nur in diesem Fall. Denn es gibt genügend Anlässe, in denen wir gut daran täten, die Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken.

»Ich bin nicht eifersüchtig, sondern fand ihre Reaktion nur komisch.« Wir können bei dieser Aussage davon ausgehen, dass hier jemand sehr wohl eifersüchtig ist. Der Grad der Eifersucht mag noch gering sein, aber wäre die Eifersucht gar kein Thema, würde sie nicht angesprochen werden, man würde nicht einmal auf die Idee ›Eifersucht‹ kommen. ›Nicht‹ dient hier eher zur Tarnung.

»Ich will nicht davon anfangen, dass ich jede Woche das Bad für dich mit putze …« Warum um Himmels willen führt unsere genervter Hausmann das Thema Badezimmer denn an, wenn er es nicht möchte. Und schon hat er sich verraten.

»Nicht, dass mich Ihr Roman langweilen würde …« Aua, das ist eine fiese Kritik gegenüber dem Schriftsteller, der hoffentlich gelernt hat, genau zuzuhören. Wäre der Roman voller Spannung, würde Langeweile gar nicht zur Debatte stehen.

[25]Unsere Beispiele zeigen, dass die Menschen meist schneller und direkter verraten, was sie denken, als ihnen lieb und bewusst ist. Sie haben jetzt zwei Vorteile: Sie hören künftig, was tatsächlich gemeint ist, wenn das Wort »nicht« auftaucht. Und Sie selbst können direkt damit anfangen, den Menschen zu sagen, was sie wirklich sagen wollen, und können aufhören, den Menschen zu erzählen, was Sie eigentlich für sich behalten möchten.

Dies versetzt Sie in einem Interview in eine sehr professionelle Zuhörerlage. Denn wenn der Bürgermeister sich das nächste Mal Ihren Fragen stellt, darf er sich schon gute Argumente überlegen, wenn er Ihnen vorher verraten hat, dass er nicht über eine Steuererhöhung nachdenkt. Und auch hierzu gibt es die Übung für Sie: Achten Sie an den kommenden Tagen auf das Wort »nicht«. Wer nutzt es in welchen Momenten? Was möchte »Herr Nicht« uns eigentlich sagen und was glauben Sie, warum er dieses verräterische Wort genutzt hat? Sie werden zu aufschlussreichen Ergebnissen kommen, wenn Sie sich erst einmal daran gewöhnt haben, auf diese Details zu hören.

Und hören Sie sich bitte wieder selbst zu. Wie oft bemühen Sie das Wort »nicht« – und was hätten Sie stattdessen sagen wollen?

Aber es ist eine schwierige Disziplin, diese beiden Techniken in der eigenen Sprache anzuwenden und zu berücksichtigen. Dazu gehört einige Zeit des Trainings. Doch das Trainingsziel vor Augen lässt uns durchhalten. Es ist ein großes Vergnügen, endlich genau sagen zu können, was und wohin man möchte. Sie werden viel klarer und präziser formulieren können. Und die anderen Menschen werden Sie deutlicher wahrnehmen können. Ob nun vor der Kamera, auf der Bühne oder beim Putzen des Bades.

Wir haben jetzt schon gelernt, dass nicht alles, was sich als Ziel tarnt, am Ende des Tages sich tatsächlich als Ziel herausstellt. Wenn wir uns bei der Definition eines Ziels jedoch Mühe geben, steigen die Chancen, es zu erreichen, um einiges.

Sieben zu erfüllende Kriterien gehören zu einem sogenannten wohlgeformten Ziel.

[26]

Checkliste: Ziele korrekt formulieren

Positiv formulieren: Formulieren Sie das, was Sie wollen, anstatt das, was Sie nicht wollen.

Aktiv beteiligen: Sie müssen aktiv an dem Erreichen Ihres Ziels beteiligt sein. Nur auf den Lottogewinn zu warten, ist zu wenig, Sie müssen auch Lotto spielen. Formulieren Sie, was Sie aktiv machen werden, was Ihrem Einfluss unterliegt.

Spezifisch sein: Formulieren Sie Ihr Ziel so genau es geht.

Beweiskräftig resümieren: Formulieren Sie den Beweis, mit dem Sie sich Ihrer Zielerreichung vergewissern.

Ressourcen erkennen: Formulieren Sie Ihre Ressourcen, die Sie benötigen, um das Ziel zu erreichen. Sind diese Ressourcen alle vorhanden oder sollten Sie noch einen Sprachkurs vor einem Auslandsjob besuchen?

Zielgröße abschätzen: Hat ihr Ziel eine angemessene Größe? Sollte Ihr Ziel zu groß sein, gestalten Sie sich Etappenziele. Die Wahrscheinlichkeit, auf der Straße zum neuen »Wetten dass …«-Moderator entdeckt zu werden, ist natürlich gering.

Ökologisch denken: Überprüfen Sie die Konsequenzen, die das Erreichen Ihres Zieles für alle Beteiligten mit sich bringen wird. Wollen Sie Ihr Ziel noch immer erreichen? Können Sie damit leben, statt ein geschütztes Privatleben zu führen eine Person des öffentlichen Lebens zu sein? Thomas Gottschalk konnte es – Sie auch?

Wenn Sie alle sieben Kriterien beantwortet haben, haben Sie ein sehr konkretes Ziel definiert.

[27]

Die sieben Kriterien eines Ziels

Ziele

Es gibt zwei Zielorientierungen: ›hin zu‹ und ›weg von‹.

Sie können Ziele nur erreichen, wenn Sie zuvor diese Ziele konkret definiert haben.

Legen Sie für Ihre Moderation Ihre Ziele fest.

Das Unterbewusstsein akzeptiert keine Verneinung.

Mit einer Verneinung verraten wir oft genau das, was wir geheim halten wollen.

Sagen Sie nicht das, was Sie nicht sagen wollen – sagen Sie genau das, was Sie wirklich wollen.

Wenn Sie sich ein Ziel setzen, beachten Sie die sieben Zielkriterien.

2.3 Aus Fehlern lernen

Machen Sie möglichst viele Fehler! Jeder Fehler wird Ihnen helfen, sich zu verbessern, sich zu entwickeln. Fehler gehören dazu, Fehler sind richtig. [28]Diese Erfahrung habe ich in einem Kommunikationsseminar gemacht, als mir der Seminarleiter drei Bälle in die Hand drückte und dann begann, uns das Jonglieren beizubringen. Die erste Übung: einen einzelnen Ball nehmen und fallen lassen. Beim Fallenlassen dem Ball mit den Augen bewusst folgen. Und das immer und immer wieder. Fünf Minuten Ball nehmen, fallen lassen. In jeder Seminarpause zeigte uns der Seminarleiter eine neue Übung mit den Bällen. Doch der Einstieg war stets derselbe: Bälle nehmen und auf den Boden fallen lassen. Nach einem Tag waren alle Teilnehmer in der Lage, mit drei Bällen zu jonglieren. Ich war von mir selbst überrascht.

Später erklärte uns der Seminarleiter die Bedeutung des bewussten Fallenlassens. Das Fallenlassen wird üblicherweise als Fehler, als Schwäche bewertet. Wer jedoch jonglieren lernen möchte, wird nicht umhinkommen, seine Bälle ab und zu vom Boden aufzusammeln. Das Fallenlassen der Bälle gehört zum Training dazu. Wenn wir jedes Mal, wenn ein Ball runterfällt, uns selbst schelten und das Fallenlassen als Fehler interpretieren, werden wir sehr schnell frustriert die Bälle ein letztes Mal in die Ecke werfen und sie dann nie wieder anfassen. Wenn wir aber von Anfang an wissen, dass es ohne Fallenlassen gar nicht geht, dass es wichtig und unabdingbar für den Lernerfolg ist, dass es ein wichtiger Teil des Trainings ist, bleiben wir motiviert und entspannt. Der Ball fällt, wir haben aber alles richtig gemacht und müssen uns nicht grämen.

Genau so sollten wir alle ›Fehler‹ beim Lernen betrachten. Nicht nur beim Jonglieren. Wer eine neue Fertigkeit erlernt, wird Fehler machen. Also betrachten wir jeden Fehler als notwendig und hilfreich, und schon lernen wir schneller und entspannter.

Also – bitte alle Fehler machen. Danke.

Fehler

Fehler sind wichtige Bestandteile des Lernens.

Wir sollten Fehler als hilfreich betrachten.

Wir sollten nicht versuchen, Fehler zu vermeiden, sondern das Richtige zu erreichen.

2.4 Die Wahrnehmungsfilter

Warum verstehen sich manche Menschen einfach nicht? Der Volksmund hat die passende Antwort parat: Weil sie eine andere Sprache sprechen. Recht hat er, der Volksmund. Sie mögen zwar ähnliche oder die gleichen [29]Vokabeln nutzen, doch diese haben mitunter für jeden Menschen eine andere Bedeutung. Wie nehmen wir die Welt wahr? Eine Frage, die selbst ein Vorschulkind beantworten kann – über unsere Sinne: das Sehen, das Hören, das Fühlen, das Riechen und das Schmecken. Diese fünf Sinne sollten wir möglichst oft beisammenhaben, um die Welt zu begreifen.

Doch was geschieht, wenn Sie einen Meteorologen, einen Archäologen und einen Bäcker gemeinsam am Strand spazieren gehen lassen? Was werden die drei Personen anschließend zu berichten haben? Der Meteorologe wird die anderen beiden Strandläufer überraschen, denn er wird die Wolkenkonstellation detailliert wiedergeben können. Da staunt der Archäologe, der nicht einmal seinen Blick in den Himmel gerichtet hat, sondern uns sehr konkret verraten kann, was er für Steine und Muscheln am Strand gesehen hat. Der Bäcker wird ebenfalls staunen, was die anderen alles wahrgenommen haben. Er berichtet über den salzigen Geschmack des Windes und den Geruch des Strandguts. Drei unterschiedliche Geschichten von ein und derselben Situation.

Wir müssen nicht den romantischen Strandspaziergang bemühen, sondern brauchen nur einen Polizisten nach seinen Erfahrungen befragen. Jeder Zeuge eines Unfalls hat meist etwas ganz anderes wahrgenommen als ein anderer Zeuge. Gleiche Zeit, gleicher Tatort, und ganz unterschiedliche Protokolle.

Dies geschieht durch die Art und Weise unserer persönlichen Wahrnehmung. Wir betrachten die Welt und müssen Wichtiges vom Unwichtigen unterscheiden. Die Wahrnehmungspsychologie belegt, dass wir in jedem Moment nur etwa sieben Dinge wahrnehmen und im Kurzzeitgedächtnis speichern können. Wir blicken wie durch Filter: Ein Filter tilgt Informationen, weil uns sonst die Reizüberflutung in den Wahnsinn treiben würde. Oder haben Sie sich jeden Baum in einem Wald angesehen, um zu wissen, dass es sich um einen Wald handelt? Ein weiterer Filter verallgemeinert die Informationen. Sonst müssten wir jeden Tag aufs Neue die heiße Herdplatte anfassen, um festzustellen, dass sie Verbrennungen hervorruft. Einmal als Kind diese schmerzhafte Erfahrung gemacht zu haben, reicht für ein Leben meist aus. Und ein dritter Filter verzerrt die Informationen, um sie besser zu verarbeiten. Die Oberfläche eines Tisches scheint glatt zu sein. Betrachten wir sie unter einem Mikroskop, müssen wir feststellen, dass sie eine ziemlich hüglige Angelegenheit ist.

[30]

Wahrnehmungsfilter verändern die Sicht auf die Welt.

Wie die Welt auch immer aussehen mag, wir machen uns ein eigenes Bild von ihr durch unsere Wahrnehmung. Diese Bilder sind so individuell wie jeder von uns. Oder wie das arabische Sprichwort es ausdrückt: »Wie ein Stück Brot aussieht, hängt davon ab, ob du hungrig bist oder nicht.« Dieses Wissen um die so vielfältige Wahrnehmung der Welt hilft uns, unsere Gesprächspartner und -gäste besser zu verstehen.

Politiker unterschiedlicher Couleur mögen sich über das gleiche Thema unterhalten, ihr Blickwinkel ist jeweils ein ganz anderer. Und es ist hilfreich für ein gutes Interview, sich auf die Wahrnehmung der Welt des anderen einzulassen oder dem anderen einen Einblick in die eigene Wahrnehmung zu geben. Dies gilt auch beim Thema Anmoderation, schließlich möchte ich mit meiner inhaltlichen Hinführung andere begeistern, interessieren, ein Thema spannend einleiten. Ist mir bewusst, aus welchem Blickwinkel meine Zuschauer teilnehmen, kann ich sie direkter erreichen.

Sie wissen jetzt sicherlich schon, welche Übung ich Ihnen anbieten möchte: Beschäftigen Sie sich einige Tage mit der Wahrnehmung anderer Menschen. Wie unterscheidet sich ihre Wahrnehmung von Ihrer eigenen? Worauf achten Sie, worauf achten die anderen? Sie werden Überraschendes entdecken.

Wahrnehmung

Menschen nehmen in jedem Moment etwa sieben Dinge gleichzeitig wahr und können diese im Kurzzeitgedächtnis speichern.

Jeder nimmt die Welt ganz anders wahr.

Wahrnehmung ist: Verzerrung – Verallgemeinerung – Tilgung.

[31]Wir sind gut beraten, wenn wir uns auf die Wahrnehmung anderer einlassen.

2.5 Die Perspektive

Zur Abrundung dieser kurzen Exkursion in die Kommunikationspsychologie möchte ich Ihnen noch die unterschiedlichen Wahrnehmungspositionen vorstellen. Die erste Perspektive ist die eigene. Wie schauen Sie auf die anderen? Was nehmen Sie war? Woran denken Sie, was fühlen Sie, wenn Ihnen ein Kollege aus der Redaktion begegnet und wieder einmal etwas zu kritisieren hat. Die zweite Perspektive ist dann die Sichtweise Ihres Gegenübers. Wie genau beobachtet Ihr Kollege Sie, was wird er wohl denken, wenn er Ihnen begegnet und genervt darüber ist, dass der Termin mit dem Interviewgast noch immer nicht abgestimmt wurde. Die dritte Perspektive ist schließlich der Blick von außen auf die Situation. Was denken die anderen Kolleginnen und Kollegen, die im Raum sind und Ihr Streitgespräch mitbekommen? Sie haben nichts weiter mit Ihnen zu tun, sind vielleicht nur zufällig Zeuge dieser Situation.

Diese drei Perspektiven sind deshalb so wichtig, weil sich alle während einer Moderation wiederfinden. Sie müssen sich gut und sicher Ihrem Gast gegenüber fühlen. Ihr Gast sollte sich in Ihrer Sendung ebenso sicher fühlen, um gute Antworten zu geben. Und das Publikum sollte mit einbezogen und so integriert sein, dass es mit Interesse und Aufmerksamkeit Ihrem Dialog zu lauschen vermag.

Das Wechselspiel der Positionen

[32]Als Gastgeber und Interviewer, als Moderator müssen wir in der Lage sein, ein Gespür für diese drei Positionen zu entwickeln. Blitzschnell! Nur so können Sie eingreifen, wenn es nötig ist, und ein spannendes Gespräch, eine interessante Sendung gestalten. Ist der Talk zu langweilig, droht ihr Publikum im besten Falle einzuschlafen – also bringen Sie Geschwindigkeit und Spannung in das Gespräch. Fühlt sich Ihr Gast unsicher, bemühen Sie sich, ihm seine Aufregung zu nehmen, damit er gute Antworten geben kann. Haben Sie allerdings das Gefühl, dass ein Gast mal nicht auf Ihre Fragen antwortet aus einer sicheren, selbstbewussten Position heraus, dann haken Sie nach, machen Sie es ihm nicht zu bequem.

Das Wissen um diese unterschiedlichen Positionen ermöglicht es Ihnen, ein Gespräch, ein Interview ganz bewusst und zielgerichtet zu lenken. Sie haben dann alle Fäden in der Hand und steuern die Gesprächssituation.

So weit der spannende Ausflug in die Kommunikationspsychologie. Wenn Sie nun Freude daran gefunden haben, sich mit dem Wie und Warum unserer Kommunikation auseinanderzusetzen, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich intensiver dem Thema Neurolinguistisches Programmieren (NLP) zuzuwenden. Es gibt einige Literatur zu diesem Thema am Ende des Buches. Noch besser als Lesen ist jedoch praktisches Erleben: Vielleicht haben Sie Lust bekommen, selbst einmal an einem NLP-Seminar teilzunehmen und Kommunikation neu zu erleben.

Perspektive

Es gibt drei Wahrnehmungspositionen:

– Wie nehme ich mein Gegenüber und die Situation wahr?

– Wie nimmt mein Gegenüber mich und die Situation wahr?

– Wie betrachtet ein Beobachter mein Gegenüber, mich und die Situation?

Als Moderator sind mir die konkreten Perspektiven bewusst und ich kann mich flexibel in ihnen bewegen.

[33]3 TV-Moderationsarten

3.1 Freies Sprechen

Betrachten wir mit viel Abstand eine Fernsehmoderation – also etwas mehr als zwei Meter vor dem Flachbildschirm –, verbirgt sich die Besonderheit und das Können hinter dem Alltäglichen. Es sind meist Menschen ohne Unterkörper, die berichten, was gestern in der Nachbarschaft im Sauerland geschehen ist, oder ankündigen, dass sich die Politiker vom vielen Haushaltssparen erholen müssen und kurzerhand ihre Diäten erhöht haben. Was ist schon dabei? Herr RTL-Moderator oder Frau ZDF machen doch eigentlich nichts anderes, als wir machen, wenn wir unsere Nachbarin im Treppenhaus treffen. Sie erzählen sich etwas. Und das machen Sie doch eigentlich auch schon Ihr ganzes Leben lang so. Doch jeder, der schon einmal vor einer Kamera oder auf einer Bühne gestanden hat, bemerkt: Es ist ganz anders und hat auf einmal nichts mehr gemein mit ›einfach erzählen‹.

Mark Twain bringt es auf den Punkt:

»Das menschliche Gehirn ist eine großartige Sache. Es funktioniert so lange, bis du aufstehst, um eine Rede zu halten.«

Fernsehmoderationen gab es damals noch nicht.

Stehen wir vor der Kamera oder auf einer Bühne, werden wir direkt in eine Art Pubertät katapultiert: Die Stimme hüpft nach oben, der Schweiß bildet ganz unelegante Flecken, anstelle von Pickeln bekommen einige hektische rote Flecken am Hals und was wir sagen wollen, das haben wir längst vergessen. Es ist, als würde ein Junge das erste Mal ein Mädchen ansprechen. Wir können froh sein, den eigenen Namen ohne Stottern auszusprechen, und unsere sonst so gewohnte Souveränität ist häufig dahin. Und wenn Sie glauben, ich übertreibe hier, dann kann ich Ihnen schon mal gratulieren, dass es Sie offensichtlich nicht ganz so schüttelt wie viele, die zum ersten Mal vor einer großen Öffentlichkeit sprechen.

Steigern wir uns lieber nicht in das erste Bühnentrauma hinein, sondern stellen fest: Das Moderieren unterscheidet sich ganz erheblich vom einfachen Erzählen und Sprechen. Genau in diesem Moment möchte ich [34]mir allerdings selbst widersprechen – das wäre aber doch zu früh und ich verschiebe meinen Einspruch auf einen späteren Zeitpunkt. So viel kann ich schon verraten: Fühlen wir uns im Moment der Moderation wohl, sicher und selbstbewusst, nähert sie sich dem Erzählen sehr stark an. Dazu aber später mehr.

Begrenzen Sie Ihr Thema

Bleiben wir beim freien Sprechen. Ich möchte Ihnen eine Übung vorschlagen. Nehmen Sie sich eine Uhr und setzen sich bitte vor einen Spiegel. Sitzen Sie? Dann sprechen Sie jetzt zwei Minuten über das Thema soziale Marktwirtschaft. Nicht zögern, bitte keine Vorbereitung, sofort loslegen. Und bitte.

Was fällt Ihnen in zwei Minuten zur sozialen Marktwirtschaft ein?

Eine Minute später: Ich nehme an, Sie lesen schon wieder und haben die Übung bereits nach weniger als einer Minute abgebrochen. Weiterhin nehme ich an, dass Ihnen das Thema nicht gefallen hat, und Sie nur aus diesem Grund nicht zwei Minuten über die soziale Marktwirtschaft sprechen konnten oder wollten. Treffen meine Vermutungen zu, dann gehören Sie zu der Mehrzahl der Menschen, der bei dieser Übung das Gleiche passiert und sich anschließend amüsiert wundert.

Was passiert da genau? Etwas verunsichert beginnen wir mit unserem Vortrag. Nach etwa 20 Sekunden, die uns wie drei Minuten erscheinen, sind wir fertig. Ein weiterer Aspekt fällt uns nicht mehr ein, wir kommen ins Schwimmen und hören lieber auf. Was sollen wir noch sagen? Wie kann das sein? Wieso sind wir nicht in der Lage, locker zwei Minuten über ein [35]Thema zu sprechen? Die Antwort ist einfach: Uns fehlt der Rahmen, die inhaltliche Begrenzung. Zu jedem Thema fallen uns unendlich viele Unterthemen und Stichworte ein, doch für welches Stichwort sollen wir uns entscheiden, mit welchem sollen wir fortfahren, passt das überhaupt alles zusammen? Während wir mit diesen Gedanken, Bedenken und Einschränkungen beschäftigt sind, gehen uns die Worte und Aspekte aus, und wir wissen nicht mehr, was wir noch sagen könnten. Und dazu noch die Aufregung, schließlich wird etwas scheinbar Leichtes von uns erwartet, was wir blöderweise gerade nicht erfüllen können.

Assoziationen ohne Rahmen und mit Rahmen

Sollten Sie noch dabei sein, mir zu widersprechen, und halten an Ihrer Behauptung fest, Ihnen falle nun einfach nichts zu diesem oder jenem Thema ein, gebe ich Ihnen gerne noch einen weiteren Tipp: Denken Sie in größeren Kategorien um das Thema herum – assoziieren sie offen: Gibt es einen persönlichen Bezug, ein Erlebnis, eine Geschichte? Gibt es etwas, das nur annähernd mit dem Thema zu tun hat? Und schon haben Sie Ihren nächsten Aspekt gefunden. Wenn es um den Vatikan gehen soll, können Sie von Ihrem letzten Kirchenbesuch erzählen, geht es um die Weltwirtschaftskrise, reden Sie doch von Ihren Kinder, die gerade dabei sind, Geld für das neue Lego-Spielzeug zu sparen. Wie gesagt, es geht nicht darum, besonders intellektuell zu sein, sondern erst einmal darum, zwei Minuten entspannt und frei zu sprechen und durchzuhalten.

[36]Das hört sich alles sehr theoretisch an? Dann lassen Sie uns die Praxis untersuchen. Wenn wir uns in aller Ruhe hinsetzen und ein Brainstorming zum Begriff ›soziale Marktwirtschaft‹ machen, dann fallen uns viele andere Begriffe ein. Erlaubt ist, was gefällt, keiner hat einen wirtschaftswissenschaftlichen Vortrag von Ihnen erwartet. So kann es aussehen:

Sieben Stichworte zur sozialen Marktwirtschaft

Ich bin mir sicher, jetzt könnten Sie diese Liste auch weiterführen. So geht es auch: Geld – Wochenmarkt – Sparbuch – Traum verwirklichen – sozial – Schankwirtschaft – Wochenende – Bierdeckel und so weiter.

Überrascht? Wir haben uns lediglich von einer zu starren inhaltlichen Begrenzung gelöst und haben unser System für neue Gedanken geöffnet. Der Grund, warum wir nicht in der Lage sind, zwei Minuten spontan zu diesem Begriff zu sprechen, liegt nicht an dem Thema, sondern am fehlenden Rahmen. Denn in Wirklichkeit können wir uns gedanklich durch das Überangebot an Begriffen und Unterthemen, die uns einfallen, nicht entscheiden, worüber genau wir sprechen möchten. Das ist uns nicht bewusst, aber fragen Sie mal Ihr Unterbewusstsein, das kann ein Lied davon singen.

Diese Unentschiedenheit ist leicht zu ändern, und zwar mit der folgenden Übung: Notieren Sie bitte Ihre fünf Begriffe zum Thema ›Klimawandel‹ auf eine Moderationskarte. Vollkommen egal, was Ihnen dazu in den Sinn kommt. Es müssen nur fünf Begriffe sein. Nun bitte mit Ihrer Uhr und Ihren Begriffen ab vor den Spiegel. Erneut haben sie zwei Minuten Zeit, über diese fünf einzelnen Begriffe zu sprechen. Noch eine kleine Hilfe: Bei fünf Begriffen und zwei Minuten sind das exakt 25 Sekunden pro Begriff. Haben Sie noch immer Zweifel, dass Ihnen nichts einfällt? Das schaffen Sie, nur Mut und Übung!

[37]

Sprechen Sie frei zwei Minuten über den Klimawandel!

Ich gehe davon aus, dass Sie entspannt zwei Minuten über den Klimawandel gesprochen haben. Glückwunsch! Sie haben einen Rahmen gesetzt, Sie haben die Inhalte ausgewählt und konnten so zwei Minuten entspannt frei sprechen. Diese Erkenntnis sollten wir uns merken: Der Rahmen ist entscheidend, denn er bestimmt die Auswahl des Inhalts.

Sprechen mit Hilfe der Satellitentechnik

Ich möchte diese Übung noch etwas ausdehnen. Denn es gibt mindestens zwei Möglichkeiten, die Begriffe aufzuschreiben, die auf Ihrer Moderationskarte stehen. Und auch diese zwei Möglichkeiten bilden einen Rahmen. Ich gehe davon aus, dass Sie Ihre fünf Begriffe untereinander auf das Blatt geschrieben haben, also chronologisch.

Chronologische Stichwortsammlung der linearen Technik – sehen Ihre Notizen ähnlich aus?

[38]Diese von Ihnen festgelegte Reihenfolge führt dazu, dass Sie wahrscheinlich die Begriffe auch in der geschriebenen Reihenfolge verwenden. Dies hat den Vorteil, dass Sie so Ihre freie Ansprache dramaturgisch aufbauen können und somit ein sicheres Korsett haben. Und genau dieses Korsett, dieser Rahmen beschränkt Sie im selben Moment. Ihre fünf Begriffe geben Ihnen eigentlich die Möglichkeit, Ihr freies Sprechen fünfmal zu variieren, wenn Sie auf eine Reihenfolge verzichten und sich die Freiheit nehmen, im Moment des Sprechens zu entscheiden, mit welchem Begriff es weitergehen soll.

Wie sehen diese freien Notizen nun aus? In der Mitte steht der zentrale Begriff, das Thema Klimawandel. Und die fünf Begriffe ordnen Sie nun frei um dieses Thema an. Lassen Sie sie um das Thema kreisen. Ihr Papier könnte dann so aussehen:

Freies Sprechen nach der Satellitentechnik

Diese Methode wrd Satellitentechnik genannt und ermöglicht Ihnen, mit ein und demselben Zettel fünf unterschiedliche Vorträge zu halten. Probieren Sie es einmal aus.

Ihr Thema lautet jetzt »Die Oscarverleihung«. Entscheiden Sie sich für fünf Aspekte, zeichnen Sie Ihren Satelliten und für zwei Minuten geht es wieder ab vor den Spiegel. Das war der erste Durchlauf. Halten Sie nun erneut einen Vortrag zum selben Thema, aber entscheiden Sie sich für eine andere Reihenfolge Ihrer Aspekte. Und wieder zwei Minuten zum Probesprechen. Sie müssen ja nicht fünf Vorträge halten, aber ein drittes Mal sollte es schon sein. Wegen des Trainingseffektes. In zwei Minuten geht es hier also weiter.

[39]Mit dieser wunderbaren und hilfreichen Methode sind Sie in der Lage, sich jedem Thema im freien Sprechen zu nähern. Welches ist nun die bessere Methode? Die gibt es nicht – jede Methode hat ihre Vorteile und ihren Einsatzbereich. Sie entscheiden selbst, mit welcher Methode Sie zu welcher Gelegenheit gut arbeiten können. Natürlich haben Sie Recht, dass es angemessen wäre, sich vorher intensiver über ein Thema zu informieren, bevor Sie auf die Bühne gehen und mit einem selbst gemalten Satelliten die Zuschauer beglücken. Um die Vorbereitung auf Moderationen und Auftritte geht es dann erst auf Seite 169.

In diesem Kapitel haben Sie nun eine erste Struktur kennen gelernt, um sich einem Thema zu nähern. Und Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Sie zu jedem Thema zwei Minuten sprechen können – ganz frei und ohne Vorbereitung. Und das ist eine wichtige Erfahrung, an die Sie sich während Ihrer Arbeit mit diesem Buch gerne erinnern können. Trainieren Sie dieses freie Sprechen. Suchen Sie sich Themen, entscheiden Sie sich für Ihre fünf Aspekte und reden Sie. Das können Sie erst einmal allein machen. Doch sollte sich die Gelegenheit ergeben, dass Sie vor Publikum einmal eine kurze Ansprache halten können, dann sollten Sie der Erste sein, der diese Chance und Trainingsmöglichkeit nutzt. Sie mögen die ersten Male ihr Herz vor Aufregung vielleicht besonders laut klopfen hören und können anfangen, dieses Lampenfieber zu genießen. Und beim nächsten Mal wird es sicherlich schon etwas leiser und Sie haben an Sicherheit gewonnen. Trainieren Sie beide Techniken – legen Sie eine Reihenfolge fest und arbeiten Sie bei nächster Gelegenheit mit Ihrem Satelliten.

Ihr Ziel ist es, als Moderator vor vielen Menschen zu sprechen – ob nun vor einem Kameramann und 1,5 Millionen Zuschauern oder vor 200 Gästen auf einem Kongress. Die Anzahl Ihrer Zuhörer und Zuschauer macht kaum den Unterschied aus. Also nutzen Sie jede Trainingsmöglichkeit und halten Sie beim nächsten Besuch des Schlachters einen kurzen Vortrag über Vegetarier. Das ist gesund und wird Ihre Fleischfachverkäuferin sicherlich auch erfreuen.

Freies Sprechen

Freies Sprechen ist die Grundlage jeder Art von Moderation.

Grenzen Sie Ihre Inhalte durch Rahmen ein.

Verbinden Sie auch ferne Inhalte miteinander, assoziieren Sie über Grenzen hinweg. Wir unterscheiden zwischen der linearen und der Satellitentechnik.

[40]3.2 Anmoderation

Alles, was mit Moderation zu tun hat, basiert auf der Fähigkeit, frei zu sprechen und hervorragend anzumoderieren. Denn Anmoderationen sind viel mehr als nur eine kurze Einführung in einen Beitrag oder in ein Thema. Anmoderationen finden sich im Interview wieder, bei Aufsagern, Live-Schaltungen und Reporterstücken, bei Podiumsdiskussionen, Messepräsentationen, Doppelmoderationen – mir fällt keine Moderationsart ein, die darauf verzichten könnte. Und die Grundlage der Anmoderation finden wir im vorherigen Kapitel über das freie Sprechen. So einfach diese beiden Kapitel auch erscheinen mögen, schon hier entscheidet es sich, wie gut Sie als Moderator werden.

Steffen Hallaschka, Moderator von Stern TV, ist sich der Bedeutung und der Auswirkung einer Anmoderation bewusst:

»Sie ist das A und O. Manche Journalistenschulen predigen: ›Die Anmoderation ist das Gold des Beitrags.‹ Jeder Autor, der einen Film oder Radiobeitrag abliefert, wird angehalten, sich das Schönste, das Verfänglichste, das Attraktivste für die Anmoderation aufzuheben, um auf die Geschichte neugierig zu machen und um dem Kollegen, der vor der Kamera oder vor dem Mikrofon steht, einen Einstieg anzubieten. In der Praxis ist das Gegenteil oft der Fall. Die Beiträge zelebrieren häufig ihre eigene Eröffnung und führen eine Anmoderation oft ad absurdum.

Der Moderator ist die Stimme oder das Gesicht der Sendung und hat die Verantwortung und auch das große Glück, in diesen 40 Sekunden neugierig zu machen auf das, was folgt. Wenn er das verfehlt, dann wird die Sendung kein Erfolg. Vielleicht hat er die Zuschauer schon verloren, bevor der Beitrag überhaupt beginnt.«

Eine Anmoderation ist die moderierte Einleitung zu einem beliebigen Thema. Sie führt einen Filmbeitrag ein, stellt einen Gast oder eine Gesprächsrunde vor, kündigt eine Produktpräsentation an und verweist auf einen weiteren Showact, sowohl im Fernsehen als auch bei Veranstaltungen. Die Länge einer Anmoderation variiert und hängt vom Umfeld ab. Wenn Sie eine Anmoderation in einem Boulevardmagazin für einen Beitrag sprechen, wird diese selten länger als 20 Sekunden dauern. Stellen Sie eine Gesprächsrunde oder einen Gast auf einem Kongress vor, kann diese länger dauern. Sie sollte aber immer so kurz sein, dass die Aufmerksamkeit des Zuschauers und Publikums erhalten bleibt.

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Webvideo 1

Für Frauke Ludowig gehören Anmoderationen beiRTLzum täglichen Geschäft. Hier einige Beispiele für schöne Anmoderationen aus dem Boulevard-Bereich.

An die Zuschauer denken

Der Grund für die Anwesenheit der Zuschauer hängt meist mit den Inhalten der Sendungen zusammen, selten liegt es am Moderator. Es gibt genügend Negativbeispiele, bei denen ein Fernsehmoderator seine Zuschauer »wegmoderiert« hat. Das ist nicht nur ärgerlich für die Zuschauer, sondern führt meist auch zur Arbeitslosigkeit des TV-Kollegen. Denn folgender Satz sollte uns jeden Tag bewusst sein: Wir machen Fernsehen für den Zuschauer. Nicht für uns, nicht für unsere Gäste und auch nicht für unsere Kollegen oder Chefs. Keine Zuschauer – das bedeutet kein Programm, kein Moderator, kein Ruhm und keine Ehre und kein Geld.

Also bleiben wir beim Interesse des Zuschauers, denn genau das soll geweckt werden. Wie gelingt uns das? Indem wir spannende Geschichten erzählen, um so ins Thema einzuführen. Natürlich sollen Anmoderationen Informationen enthalten, sie sollen aber nicht damit überfrachten werden, weder mit Zahlen noch mit zu vielen anderen Details. Sie sollen vielmehr die Zuschauer an die Hand nehmen, um sie zum Beginn des Beitrags zu führen und sie dann der Geschichte zu übergeben. Das bedeutet, dass wir den Zuschauer dort abholen, wo er sich befindet. Wir greifen seine Sprache, seine Lebensumstände, seine Interessen auf.

Manche Kolleginnen und Kollegen sträuben sich genau vor dieser Adaption. Sie fürchten sich davor, sich auf das Niveau des Zuschauers zu begeben. Meinen sie doch, so viel mehr zu wissen, und sie möchten vor allem nicht als einer von vielen wahrgenommen werden. Ich finde dies respektlos dem Zuschauer gegenüber. Ich möchte aber diesen Aspekt noch ein wenig zurückstellen, denn mir ist diese Haltung dem Zuschauer gegenüber so wichtig, dass ich diesem Thema ein ganzes Kapitel widme.

Zurück zur Anmoderation: Wir waren gerade dabei, das Interesse des Zuschauers zu wecken, Spannung aufzubauen. Spannung aufbauen ist nicht sonderlich schwierig – wir könnten zum Beispiel sensationelle Neuigkeiten versprechen und nutzen alle Superlative, die uns in den Sinn kommen. Das funktioniert und ist dann angemessen, wenn der folgende Beitrag tatsächlich mit überraschenden Neuigkeiten daherkommt. Folgt allerdings [42]eine aufgewärmte Suppe, ein Beitrag, der wirklich nichts Spektakuläres in sich trägt, was geschieht dann?

Stellen Sie sich vor, ich verspreche Ihnen, wir gehen direkt zur Königin von England. Sie werden Einblicke erhalten, die noch kein Bürgerlicher vor Ihnen zu sehen bekommen hat, Sie werden in die Tiefen des Buckingham-Palasts vordringen. Hört sich doch spannend an, oder? Und dann mache ich mit Ihnen doch nur die gewöhnliche Touristenführung vor den Toren des Palasts. Sie werden sich bedanken und höchstwahrscheinlich schwer enttäuscht sein. Und das zu Recht. Werden Sie überhaupt ein gutes Wort über die Führung verlieren? Werden Sie Freunden diese Führung dann noch empfehlen? Werden Sie selbst diese Führung noch einmal machen? Wohl kaum. Ich habe Ihnen etwas versprochen und habe mein Versprechen nicht gehalten.

So sind wir als Zuschauer also enttäuscht, wenn uns Großes versprochen und Kleines gezeigt wird. Warum sollten wir diesem Sender, dieser Sendung weiter Aufmerksamkeit und Glauben schenken? Versuchen wir es doch lieber mit der Fernbedienung und einer anderen Sendung. Es gibt ja genügend.

Wir sollen Spannung schaffen, aber dieser Spannungsbogen muss genau auf dem Niveau enden, wo der Beitrag seinen Anfang findet. Schüren wir zu große Hoffnungen, wird der Zuschauer enttäuscht – moderieren wir das Thema zu langweilig an, wird der Zuschauer den Anfang des Beitrags vielleicht gar nicht miterleben, weil er längst umgeschaltet hat.

Das richtige Niveau ist entscheidend. Deswegen sehen Sie sich zur Vorbereitung auf Ihre Moderation immer die Beiträge genau an. Mit welchem Bild beginnt der Beitrag? Mit welchem Satz, mit welchem Aufhänger, [43]mit welcher Idee? Nur wenn Sie den Anfang des Beitrags genau kennen, werden Sie eine schlüssige und passende Anmoderation schreiben können.

Der angemessene Spannungsbogen einer Anmoderation