Montags kommt keine Post - Elisabeth Weber - E-Book

Montags kommt keine Post E-Book

Elisabeth Weber

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Beschreibung

Von jetzt auf gleich verändert ein Brief im August 2018 das Leben der Autorin grundlegend. Der Befund und die anschließende Diagnose Brustkrebs treffen die ehemalige Grundschullehrerin völlig unvorbereitet. Nach dem ersten Schock und inmitten nicht enden wollender Untersuchungen und Behandlungen beginnt sie, ihre Gedanken und Erlebnisse um die neue Lebenssituation niederzuschreiben. Teils als Ablenkung, teils als Therapie für sich selbst, entsteht so ein persönlicher Einblick in die Gefühlswelt, den Alltag und in das ständige Auf und Ab von Hoffnung und Verzweiflung. Als inmitten der Krebsbehandlung ein weiteres einschneidendes Ereignis in der Familie das Leben der Autorin erschüttert, entwickelt sich ihre Geschichte in eine unvorhergesehene Richtung...

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Seitenzahl: 97

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Inhaltsverzeichnis

Wünsche für meine Kinder und Enkel

Vorwort

Deutschland im Juli 2018

August

Montags kommt keine Post

Stanze

Diagnose

Kneippen in Bad Wörishofen

Ich habe Krebs

Untersuchungsmarathon

Der Untersuchungsmarathon geht weiter

September am Schwarzen Meer

September

Fotokünstler in Köln

Operation in der Karibik

Kuba

Noch mal Glück gehabt?

Familienbande

Oktober am Rande des Hainichs

Oktober

Arztbesuche ohne Ende

Zwischenspiel

Mein Leipzig lob ich mir…

Novemberwinter

November

Bestrahlungsmarathon

Dezember in Deutschland

Zwischen den Jahren

In guten wie in schlechten Tagen

Deine Liebe

Leidensgefährtinnen

Januartag

2019

AHB – eine „Außer-Haus-Behandlung“?

Anschlussheilbehandlung Teil 2

Schatten

Namenlose Angst

Ausnahmezustand

Mandelblüte

Die Gefühle fahren Achterbahn

Hochfliegende Pläne

Reise in die neue Welt

Willkommen und Abschied

Ein Jahr ist vergangen

~ Für meine Enkelin

Alltag

2020

Was bringt das neue Jahr?

Gedicht ohne Titel

Corona hält die Welt in Atem

Corona-Alltag

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein

Die Ostsee schmeckt nach Me(h)r

Darßer Weststrand

Déjà-vu?

Ungewissheit

Glückliche Wendung

Corona

Wünsche für meine Kinder und Enkel

Ich wünsche dir Füße,

die dich auf den Weg bringen

zu dem was wichtig ist…

Ich wünsche dir ein Rückgrat,

mit dem du aufrecht

und aufrichtig leben kannst…

Ich wünsche dir ein Herz,

in dem viele Menschen zu Hause sind

und das nicht müde wird,

Liebe zu üben und Schuld zu verzeihen.

Nach einem jüdischen Segen

Vorwort

Im Februar 2018 habe ich einen Termin bei meiner Frauenärztin zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung. Selbstverständlich untersucht die Ärztin dabei auch meine Brust. Sie tastet sie gründlich ab und kommt zu dem Schluss: „Alles in Ordnung, Frau Weber. Außerdem steht doch in diesem Jahr noch das Mammographie-Screening an, wie ich aus Ihren Unterlagen ersehe.“

„Ja, schon“, antworte ich etwas zögerlich, „soll ich denn da noch mal hingehen? Ich bin doch schon 67 Jahre alt und mit 69 ist doch eh Schluss mit diesem Screening. Außerdem hört man so viel von Überdiagnosen…“ Die Ärztin schüttelt energisch den Kopf. „Frau Weber, lassen Sie sich durch solche Aussagen doch nicht verunsichern. Selbstverständlich gehen Sie zur Brustkrebsvorsorge. Ich habe volles Vertrauen zu den dort arbeitenden Kollegen und Sie können es auch haben.“

Dieses Gespräch gibt den letzten Ausschlag, dass ich am 23. Juli 2018 der Einladung zur Mammographie folge… Am 17. Juli, also erst ein paar Tage vorher, hat mir meine Hausärztin, die mich schon seit vielen Jahren kennt, nach einer routinemäßigen Blutuntersuchung versichert: „Du bist beneidenswert gesund. Und im Übrigen: Was kommt, das kommt!“

Deutschland im Juli 2018

Sonnenschein tagein tagaus.

Blauer Himmel als Dauerschleife.

Sommerseligkeit im Überfluss.

Längst der Rasen verbrannt,

die Erde staubtrocken,

Dürre zehrt das Land.

Ich sehne mich nach Regen,

warte auf erfrischendes Nass.

Doch die Regentrude macht Urlaub.

Sie hat die Jalousien heruntergelassen,

ist für niemanden zu sprechen.

Arbeiten will sie erst wieder,

wenn die Hitze vorbei ist.

August

Montags kommt keine Post

Wie oft ich diesen Satz schon gehört habe! Mindestens 52-mal im Jahr, denn an jedem Montag passiert haargenau dasselbe: Ich schaue erwartungsvoll wie jeden Tag in unseren Hausbriefkasten, ob nicht auch an einem Montag Post für mich gekommen ist, aber genau diese Erwartung versucht mein Mann schon im Keim zu ersticken mit dem immer gleichen Satz: „Montags kommt keine Post!“

Heute brauche ich mir gar nicht erst die Mühe zu machen, den Briefkasten aufzuschließen. Ich höre das Postauto vorfahren und mein Blick aus dem Küchenfenster bestätigt mir, dass es auch genau vor unserer Haustür hält. Unsere Postfrau steigt aus und gibt meinem Mann, der draußen im Vorgarten werkelt, einen Brief. Ich höre die beiden schwatzen, verstehe aber nicht, worum es geht. Erst als sich das gelbe Auto schon wieder in Bewegung setzt, höre ich meinen Mann rufen: „Normalerweise kommt ja montags keine Post!“ Dann tritt er ins Haus und übergibt mir wortlos einen Brief.

Mein Herz schlägt wie wild, denn ich kenne den Absender. Seit 14 Tagen warte ich mit bangem Gefühl genau auf diesen einen Brief, auf diese Nachricht. Bei allen vorherigen Mammographie-Untersuchungen kam schon nach ein paar Tagen der Brief mit der erlösenden Nachricht: Alles in Ordnung. Aber diesmal lässt mich schon die längere Wartezeit Schlimmes ahnen.

Mit einem Ratsch öffne ich das Kuvert, ein letzter Funke Hoffnung glimmt in mir auf, dass es doch eine gute Nachricht sei, aber dann trifft mich der Inhalt des Briefes wie ein Schlag in die Magengrube. „Bei Ihrer Mammographie- Untersuchung vor zwei Wochen gab es einen auffälligen Befund. Kommen Sie bitte am Mittwoch zur Abklärung in die Praxis.“ Am Mittwoch? Das ist ja erst übermorgen, also liegen noch zwei weitere Tage voller Ungewissheit, voller Angst, aber auch voller Hoffnung vor mir. Was wird die endgültige Diagnose sein? Ich weiß nur eins hundertprozentig: Montags kommt doch Post!

Stanze

Wie soll ich diese zwei Tage nur überstehen? In meinem Kopf herrscht Leere. Die gnadenlose Hitze in diesem „Jahrhundertsommer“ 2018 tut ihr übriges. Sprechen möchte ich mit niemanden, ich muss mit meinem eigenen Entsetzen fertig werden.

„Sag deinen Wassergymnastiktermin in der Therme ab, lass uns lieber zum Kiesteich fahren,“ schlage ich meinem Mann vor. „Meinst du wirklich?“ fragt er etwas ungläubig, um aber gleich darauf festzustellen: „Ja, du hast recht, lass uns diesen Tag noch mal zusammen draußen am Wasser verbringen.“ Er umarmt mich vorsichtig und ich sage nur etwas lakonisch: „Noch bin ich ganz.“ Und so vergeht ein fast lautloser Tag unter den großen Bäumen am Kiesteich. Uns ist nicht nach reden zumute, wir hängen jeder unseren Gedanken nach und geben uns Hoffnungen hin. Auch der nächste Tag geht irgendwie vorbei, wir gehen sehr sanft miteinander um, die Angst steht uns ins Gesicht geschrieben.

Am Mittwoch soll ich um 11 Uhr in der Mammographie-Praxis sein. Dort herrscht Hochbetrieb und die Schwester bittet uns, doch draußen auf der Bank vor der Praxis zu warten. „Ich bringe Ihnen auch etwas zu trinken und rufe Sie dann rechtzeitig rein,“ versucht sie uns das Warten etwas angenehmer zu machen. Zum Glück steht die Bank im Schatten, denn die Hitze ist an diesem Tag schon wieder unerträglich.

Endlich werde ich aufgerufen und betrete das ausgesprochen kühle Behandlungszimmer. Die etwa füllige Schwester, die ich schon von der ersten Untersuchung her kenne, begrüßt mich freundlich. Sie erklärt mir, dass sie jetzt noch einmal eine Mammographie-Untersuchung machen werde, aber nur von der linken Brust, denn da sei etwas auffällig. Die Linke ist es also, aber das erstaunt mich nicht, das hatte ich irgendwie geahnt, obwohl nichts zu tasten war.

„Nun wird Dr. B. alles Weitere mit Ihnen besprechen.“ Mit nacktem Oberkörper betrete ich den abgedunkelten Raum. Der Arzt begrüßt mich kurz und beginnt mit dem Abtasten der Brust. Ich bin erstaunt, wie behutsam er dabei vorgeht. „Also tasten kann ich nichts. Haben Sie selber etwas gespürt?“, fragt er mich. „Nein, ich habe nichts gemerkt“, antworte ich tonlos.

„Gut, dann machen wir erst mal einen Ultraschall.“ Routiniert beginnt er mit der Untersuchung, die Schwester assistiert ihm. Die beiden sind ein eingespieltes Team. „Schauen Sie mal, hier auf der Zwölf, da ist was.“ Ich beginne trotz der Kühle im Raum zu schwitzen. Arzt und Schwester tauschen sich weiter über die Beschaffenheit meiner Brust aus. Endlich sind sie fertig und ich darf mich aufrichten. „Frau Weber, in Ihrer linken Brust ist etwas, was dort nicht hingehört, man kann es im Ultraschall gut erkennen. Um eine genauere Diagnose zu stellen, müsste ich eine Biopsie machen. Das heißt, ich entnehme mit einer sogenannten Stanze mehrere Gewebeproben, die dann im Labor entsprechend weiter untersucht werden. Erst danach wissen wir mehr. Ich schlage Ihnen vor, dass wir das jetzt sofort machen. Sind Sie damit einverstanden?“ Die Stimme des Arztes scheint aus weiter Ferne zu kommen, obwohl er doch genau neben mir steht. Träume ich nur oder ist das die Wirklichkeit? In meinem Kopf macht sich Leere breit. Ich hole mehrmals tief Luft und schaue den Arzt scheinbar völlig verständnislos an, denn er fragt sehr nachdrücklich: „Frau Weber, haben Sie mich verstanden?“ Und dann an die Schwester gerichtet: „Bitte bringen sie doch mal Wasser für unsere Patientin, nicht dass sie uns noch kollabiert.“ Nein, das tue ich nicht. Wenig später unterschreibe ich den Aufklärungsbogen und bin auch damit einverstanden, dass man mir einen sogenannten Clip setzt. „Da findet der Operateur die betroffene Stelle in ihrer Brust schneller,“ fügt der Arzt erklärend hinzu. Operateur?? Steht etwa schon fest, dass ich operiert werde?

Die Biopsie verläuft wider Erwarten schmerzfrei, selbst die Betäubungsspritze spüre ich kaum. Auf das laute Knallgeräusch, das die Stanze verursacht, hat mich die Schwester fürsorglich vorbereitet, so dass mich selbst das nicht sonderlich erschreckt. Der Arzt nimmt vier Proben aus dem Gewebe der linken Brust und ist mit deren Qualität anscheinend zufrieden. „Lassen Sie sich einen Termin für nächsten Mittwoch geben, dann werden wir den Befund besprechen.“ Ich bin entlassen. Die Schwester lächelt mir aufmunternd zu, aber sie verkneift sich jeglichen gut gemeinten Spruch.

Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit wieder ins Wartezimmer komme, springt mein Mann auf und sein Gesichtsausdruck sagt mir, er hat nicht nur eine Ewigkeit gewartet. Ohne auf seinen fragenden Blick einzugehen, renne ich förmlich aus der Praxis. Auf dem Weg zum Parkplatz erzähle ich, was mit mir gemacht wurde. H. bleibt wie angewurzelt stehen und fängt hemmungslos an zu weinen. Hilflos drücke ich mich an ihn. „Bitte nicht hier, wir sind doch gleich am Auto“, versuche ich Haltung zu bewahren, obwohl mir das Herz bleischwer ist und auch ich losheulen möchte. Mit einer Floskel versuche ich mich und meinen Mann zu beruhigen: „Noch ist nichts verloren, es muss ja nicht bösartig sein.“ Bis zum nächsten Mittwoch läuft die Gnadenfrist.

Diagnose

Eis auf meiner Seele,

Schauder auf meiner Haut.

Gedanken wie rotierende Steine,

sengende Hitze so laut.

Diagnose

Wieder ist es ein Mittwoch und wir sind auf dem Weg in die Mammographie-Praxis. Wieder ist es ein strahlend schöner Sommertag im August.

Diesmal warten nur wenige Patientinnen im Wartezimmer, so dass wir relativ schnell aufgerufen werden. Das heißt, aufgerufen werde eigentlich nur ich, aber ich habe mit meinem Mann abgesprochen, dass er auf jeden Fall bei diesem Arztgespräch von Anfang an mit dabei sein wird. So nehmen wir beide vor dem Schreibtisch des Arztes Platz.

Doktor B. kommt ohne Umschweife zur Sache: „Also Frau Weber, in Ihrer linken Brust befindet sich ein deutlich abgegrenztes etwa 17 Millimeter großes bösartiges Karzinom. Es sitzt ziemlich tief, so dass es nicht zu tasten ist. Es muss operativ entfernt und anschließend noch bestrahlt werden. Dann haben Sie sehr gute Heilungschancen. Zu 95 % werden Sie daran bestimmt nicht sterben.“ Kurz und schmerzlos trifft der Arzt seine Aussagen. „Ich kann das gar nicht glauben, ist die Diagnose wirklich sicher?“, frage ich leise nach. „Dass Sie das nicht glauben wollen, verstehe ich gut, weil Sie ja nichts spüren. Der Befund der Gewebsprobe ist jedoch eindeutig, es gibt keine Zweifel: Es ist ein bösartiger Tumor.“ Ungläubig schaue ich auf Doktor B. und dann auf meinen Mann und sehe in seinem Gesicht nur eins: Fassungslosigkeit. In die folgende Stille hinein höre ich mich fragen: „Und wie geht es nun weiter?“