Moonlight Romance 10 – Romantic Thriller - Peter Haberl - E-Book

Moonlight Romance 10 – Romantic Thriller E-Book

Peter Haberl

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Beschreibung

Es ist der ganz besondere Liebesroman, der unter die Haut geht. Alles ist zugleich so unheimlich und so romantisch wie nirgendwo sonst. Werwölfe, Geisterladies, Spukschlösser, Hexen, Vampire und andere unfassbare Gestalten und Erscheinungen ziehen uns wie magisch in ihren Bann. Moonlight Romance bietet wohlige Schaudergefühle mit Gänsehauteffekt, geeignet, begeisternd für alle, deren Herz für Spannung, Spuk und Liebe schlägt. Immer wieder stellt sich die bange Frage: Gibt es für diese Phänomene eine natürliche Erklärung? Oder haben wir es wirklich mit Geistern und Gespenstern zu tun? Die Antworten darauf sind von Roman zu Roman unterschiedlich, manchmal auch mehrdeutig. Eben das macht die Lektüre so phantastisch... Moonlight Romance ist der Romantic Thriller der Extraklasse. Die besten Schriftsteller dieses Genres schreiben für Sie! Hatte er einen Blick in die Vergangenheit geworfen? Hatte er wirklich schon einmal gelebt? Wenn ja, war damals seine Frau auf dem Scheiterhaufen gestorben? Wer war damals seine Frau? Agnes Böttcher etwa? War sie in Diana reinkarniert? Oder in Simone Reichinger? In Alexander Paulins Kopf wirbelten die Fragen durcheinander. Antworten fand er nicht, er hatte das Gefühl, verrückt werden zu müssen, und das machte ihn aggressiv. Der Zorn kam in rasenden, giftigen Wogen, er erhob sich und ging in die Küche. Er zitterte am ganzen Körper, seine Zähne schlugen aufeinander wie im Schüttelfrost, Schwindelgefühl erfasste ihn, und seine Beine wollten ihn kaum noch tragen. Alexander ließ sich auf den Stuhl an dem kleinen Tisch fallen, nahm sein Gesicht in beide Hände, stellte die Ellenbogen auf die Tischplatte und begann hemmungslos zu weinen. Plötzlich wurde es ihm schwarz vor den Augen, und ihm schwanden die Sinne. Dass er seitlich vom Stuhl kippte und schwer am Boden aufschlug, spürte er schon nicht mehr. Es geschah, als Alexander Paulin am Morgen zur Arbeit fuhr. An einer Kreuzung achtete er nicht auf einen von rechts heranfahrenden Wagen, es gab einen lauten Knall, Glas splitterte, etwas fiel scheppernd auf den Asphalt, und dann hüllte Wasserdampf alles ein, weil der Kühler eines der Fahrzeuge geplatzt war. Alexander Paulin benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, was geschehen und dass er unversehrt war, er sammelte sich, in seine Gestalt kam Leben, er öffnete den Sicherheitsgurt und stieg aus seinem VW Passat. Ein kleiner Fiat war ihm in die Seite geknallt. Kühlwasser lief aus und sammelte sich unter dem kleinen Fahrzeug. Hinter dem Lenkrad saß eine Gestalt, sie war aber noch vorne gesunken und rührte sich nicht.

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Moonlight Romance – 10 –

Wenn der Hass unsterblich ist

Seit 400 Jahren lodert die tödliche Fackel

Peter Haberl

Hatte er einen Blick in die Vergangenheit geworfen? Hatte er wirklich schon einmal gelebt? Wenn ja, war damals seine Frau auf dem Scheiterhaufen gestorben? Wer war damals seine Frau? Agnes Böttcher etwa? War sie in Diana reinkarniert? Oder in Simone Reichinger? In Alexander Paulins Kopf wirbelten die Fragen durcheinander. Antworten fand er nicht, er hatte das Gefühl, verrückt werden zu müssen, und das machte ihn aggressiv. Der Zorn kam in rasenden, giftigen Wogen, er erhob sich und ging in die Küche. Er zitterte am ganzen Körper, seine Zähne schlugen aufeinander wie im Schüttelfrost, Schwindelgefühl erfasste ihn, und seine Beine wollten ihn kaum noch tragen. Alexander ließ sich auf den Stuhl an dem kleinen Tisch fallen, nahm sein Gesicht in beide Hände, stellte die Ellenbogen auf die Tischplatte und begann hemmungslos zu weinen. Plötzlich wurde es ihm schwarz vor den Augen, und ihm schwanden die Sinne. Dass er seitlich vom Stuhl kippte und schwer am Boden aufschlug, spürte er schon nicht mehr.

Es geschah, als Alexander Paulin am Morgen zur Arbeit fuhr. An einer Kreuzung achtete er nicht auf einen von rechts heranfahrenden Wagen, es gab einen lauten Knall, Glas splitterte, etwas fiel scheppernd auf den Asphalt, und dann hüllte Wasserdampf alles ein, weil der Kühler eines der Fahrzeuge geplatzt war.

Alexander Paulin benötigte einige Sekunden, um zu begreifen, was geschehen und dass er unversehrt war, er sammelte sich, in seine Gestalt kam Leben, er öffnete den Sicherheitsgurt und stieg aus seinem VW Passat.

Ein kleiner Fiat war ihm in die Seite geknallt. Kühlwasser lief aus und sammelte sich unter dem kleinen Fahrzeug. Hinter dem Lenkrad saß eine Gestalt, sie war aber noch vorne gesunken und rührte sich nicht. Durch die Frontscheibe sah Alexander Paulin nur lange, blonde Haare und schmale Schultern in einer weißen Strickweste. Es war eine Frau, der er die Vorfahrt genommen hatte, die scheinbar nicht so viel Glück gehabt hatte wie er und deren Kleinwagen wahrscheinlich nur noch Schrott war.

Stimmen waren zu hören, Paulin schaute wie ein Erwachender um sich, sah Menschen mit ernsten Gesichtern heraneilen und das Wissen, den Unfall verschuldet zu haben, legte sich mit immer schwereren Gewichten auf ihn und drohte ihn zu erdrücken.

Die Fahrertür des Fiats ließ sich öffnen, und wie aus weiter Ferne hörte Paulin eine männliche Stimme rufen: »Ich hab die Polizei verständigt.« Vorsichtig griff Alexander Paulin an den Arm der Frau und rüttelte leicht daran, doch sie gab kein Lebenszeichen von sich. Jemand schob Alexander Paulin energisch zur Seite und gebot: »Machen Sie Platz – ich bin Arzt.«

Paulin befand sich wie im Trance. Jemand rief: »Der Passatfahrer hat die Vorfahrt des Fiats missachtet. Wahrscheinlich war er viel zu schnell dran. Hier rasen sie fast alle durch wie die Irren.«

In Alexander Paulins Kopf fing es an zu dröhnen; dieses verworrene Durcheinander vieler Stimmen brachte ihn an den Rand des Wahnsinns und der Schädel drohte ihm zu platzen. Er nahm ihn in beide Hände und presste die Fingerkuppen fest gegen seine Schläfen, eine Besserung trat jedoch nicht ein. Und er spürte noch mehr, nämlich wie Unmengen von Adrenalin in sein Blut gespült wurden und seinen gesamten Organismus in nahezu schmerzlichen Stress versetzte. Alexander Paulins Hände zitterten, sein Herz raste, in seinem Gesicht zuckten die Muskeln.

Er ließ die Hände wieder sinken und beobachtete, wie sich einige Männer um die bewusstlose Frau aus dem Fiat kümmerten. Sie hatten sie auf dem Gehsteig in die stabile Seitenlage gelegt und ihr eine zusammengerollte Jacke unter den Kopf geschoben. Jetzt sah Paulin auch ihr bleiches und wie versteinert wirkendes Gesicht und er registrierte, dass sie wohl Ende zwanzig sein mochte und ausgesprochen hübsch war.

Irgendwann waren Sirenen zu vernehmen, dann kamen nacheinander ein Sanitätswagen, der Notarztwagen und ein Streifenfahrzeug der Polizei. Während sich der Notarzt sofort um die Verletzte kümmerte, schauten sich die Polizisten die ineinander verkeilten Autos an, einer fragte einen der Umstehenden, die erste Hilfe geleistet hatten, wer der Fahrer des Passats sei, und gleich darauf sprach einer der Uniformierten Alexander Paulin an. »Sie sind der Lenker des VW Passat?«

Paulin nickte. »Ja.« Seine Stimme klang belegt und war ihm selbst fremd.

»Sieht ganz so aus, als hätten Sie der jungen Frau die Vorfahrt genommen«, gab der Polizist zu verstehen.

»Es tut mir leid«, murmelte Paulin zerknirscht und schaute versonnen hinter dem anderen Polizisten her, der sich entfernte, weil sich auf der Straße der Verkehr staute. »Ich habe irgendwelchen Gedanken nachgehangen und nicht darauf geachtet, dass ich eine vorfahrtsberechtigte Straße kreuzte.«

»Kommen Sie mit zum Streifenwagen. Ich muss Ihre Personalien aufnehmen.«

»Natürlich« murmelte Paulin, der den Aufruhr in seinem Innersten nur langsam wieder unter Kontrolle bekam.

Und während er dem Polizisten seinen Namen und seine Adresse nannte sowie eine ganze Reihe von Fragen beantwortete, wurde die Verunglückte mit dem Sanitätswagen abtransportiert; die Sirene heulte, das Blaulicht rotierte. Alexander Paulin hatte sämtliche Fragen beantwortet, er erhielt seinen Führerschein und den Fahrzeugschein zurück, die Neugierigen verliefen sich, zwei Abschleppwagen kamen, um seinen Passat und den Fiat abzuholen.

Schließlich stand Alexander Paulin alleine da und wirkte kurze Zeit ziemlich unschlüssig, schließlich holte er sein Handy aus der Jackentasche und rief seine Ehefrau an. Als er sie an der Strippe hatte, erzählte er ihr, was geschehen war und gab zu verstehen, dass er den Rest des Weges zum Landgericht, bei dem er als Staatsanwalt beschäftigt war, zu Fuß zurücklegen werde.

»Ist die junge Frau schwer verletzt?«, fragte ihn seine Gattin.

»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Sie war bewusstlos. Mehr kann ich dir nicht sagen. Aber ich werde mich bezüglich ihres Gesundheitszustandes kundig machen.«

»Hoffen wir, dass sie nicht allzu schwer verletzt wurde«, sagte Diana, die Ehegattin Alexander Paulins. »Sag mir bitte Bescheid, wenn du mehr weißt.«

»Mach ich.« Niedergeschlagen unterbrach Alexander die Verbindung.

*

Der Name der Verunglückten war Simone Reichinger, sie war neunundzwanzig Jahre alt, lebte in München und war angestellte Friseurin bei einem großen Friseursalon am Marienplatz. Alexander Paulin erfuhr, dass ihre Verletzungen nicht lebensgefährlich waren, nähere Auskünfte erhielt er jedoch nicht. Sie war in das Klinikum der Universität München eingeliefert worden und Alexander nahm sich vor, an diesem Tag eine Stunde früher seinen Dienst zu beenden und die junge Frau im Krankenhaus zu besuchen.

Er erstattete seiner Gattin telefonisch Bericht und Diana fand es völlig in Ordnung, dass er sich an das Krankenbett Simone Reichingers begeben wollte, um sich für seine Unachtsamkeit zu entschuldigen.

Alexander Paulin war an diesem Tag nicht so richtig bei der Sache. Er konnte sich kaum auf die Akten konzentrieren, die er bearbeitete, denn die junge, blonde Frau wollte ihm nicht aus dem Sinn gehen, und er musste sich eingestehen, dass er von ihr – obwohl er ihr Gesicht nur ganz kurz gesehen hatte –, auf besondere Art fasziniert war. Er sah das bleiche, starre Gesicht immer wieder vor seinem geistigen Auge – und es war, als würde es ihm immer vertrauter.

»Simone«, flüsterte er wie im Selbstgespräch, gab sich aber sogleich einen Ruck und versuchte, sich auf ein Protokoll zu konzentrieren, das die Grundlage für die Eröffnung eines Strafverfahrens war.

Es gelang ihm nicht, und er war froh, als es endlich 15 Uhr wurde. Er verließ das Gerichtsgebäude, besorgte einen großen Strauß Blumen und ließ sich mit dem Taxi zum Klinikum chauffieren. An der Rezeption erfragte er, auf welcher Station und in welchem Zimmer er Simone Reichinger finden konnte, und schon Minuten später stand er vor der Zimmertür. Das Papier, in das die Blumen eingeschlagen gewesen waren, hatte er entfernt und in einen Abfallbehälter gesteckt, und nun, als er knapp davor stand, ihr gegenüberzutreten, verspürte er etwas Unbehagen. Er überwand sich aber, klopfte und öffnete sofort die Tür, betrat das Zimmer und sein Blick erfasste sofort die Patientin, deretwegen er hier war.

Im anderen Bett lag eine ältere Dame, die die Augen geschlossen hatte und wahrscheinlich schlief.

Fragend und irgendwie erwartungsvoll musterte Simone Reichinger den hochgewachsenen, schlanken und dunkelhaarigen Mann, der – ein verlegenes Lächeln um die Lippen –, langsam zu ihrem Bett kam. »Guten Tag, Frau Reichinger«, grüßte er, und seine Stimme klang etwas belegt. »Mein Name ist Paulin – Alexander Paulin. Ich bin …«

»Sie sind der Mann, dem ich den Aufenthalt im Krankenhaus zu verdanken habe«, unterbrach sie ihn. »Man hat mir Ihren Namen genannt. Ich freue mich, dass Sie den Weg zu mir gefunden haben.«

»Das ist ja doch wohl selbstverständlich«, murmelte Alexander. »Wie geht es Ihnen? Ich hoffe, die Verletzungen waren nicht allzu schlimm. Ach ja – ich habe ein paar Blumen für Sie.«

»Sie sind sehr schön«, sagte sie lächelnd und er registrierte, wie sehr ihn ihre strahlend blauen Augen faszinierten. Er hatte das Gefühl, von ihnen regelrecht in den Bann der jungen, schönen Frau gezogen zu werden, als würde ihr Blick in sein Hirn eindringen und seine geheimsten Gedanken ergründen und analysieren. Und er zuckte regelrecht zusammen, als ihre weiche, samtene Stimme aufs Neue erklang: »Draußen, im Stationsbüro, gibt man Ihnen sicherlich eine Vase. Fragen Sie ruhig. Es kostet nichts.«

Sie war so unkompliziert, so offen, und sie schien auf ihn nicht böse zu sein. Es war ein seltsames Gefühl der Erleichterung, das er fühlte. »Ich frag mal«, sagte er, noch immer etwas verlegen und machte kehrt …

Er erhielt tatsächlich eine Vase, stellte die Blumen hinein, füllte sie in der Toilette mit Wasser, brachte sie ins Krankenzimmer und platzierte sie auf der Fensterbank. Dann wandte er sich der jungen Frau zu, ihre Blicke trafen sich und er sagte: »Ich möchte mich bei Ihnen für meine Unachtsamkeit entschuldigen, Frau Reichinger. Und ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie sehr es mich erleichtert, dass sie scheinbar Glück im Unglück hatten und den Unfall ohne allzu große Blessuren überstanden haben.«

»Eine leichte Gehirnerschütterung und ein paar geprellte Rippen«, erklärte Simone Reichinger. »Wenn ich Glück habe, werde ich übermorgen schon wieder entlassen.« Sie seufzte. »Machen Sie sich keine allzu großen Vorwürfe. Unfälle geschehen eben. Solange sie aber verhältnismäßig glimpflich ausgehen …«

»Wenn ich irgendetwas für Sie tun kann, Frau Reichinger – dann sagen Sie es mir. Was den Schaden an Ihrem Auto anbetrifft, so habe ich meiner Versicherung den Unfall gemeldet. Sie bekommen alles ersetzt und natürlich auch Schmerzensgeld.«

»Darüber wollen wir jetzt nicht sprechen«, sagte Simone. »Ziehen Sie sich einen Stuhl ans Bett. Ich möchte, dass Sie mir etwas Gesellschaft leisten und mir von sich erzählen. Wissen Sie, was heute Morgen in meinem Horoskop stand?«

»Nein.«

»Dass ich jemandem begegnen werde, durch den sich mein Leben grundlegend verändern wird. Vielleicht sind Sie derjenige.«

Die Unbehaglichkeit, mit der er das Zimmer betreten hatte, war jetzt wie weggewischt. Alexander Paulin lachte amüsiert auf, holte sich einen Stuhl und setzte sich an ihr Bett. »Ich glaube zwar nicht an das, was die Sterne sagen«, schmunzelte er, »aber warum sollen sie ausnahmsweise nicht auch mal recht haben?«

Der Blick, mit dem sie ihn ansah, verursachte ein sonderbares Prickeln zwischen seinen Schulterblättern. »Was arbeiten Sie?«, fragte Simone und fügte sogleich hinzu: »Sie tragen einen Ehering. Haben Sie auch Kinder? Erzählen Sie mir von sich, Ihrer Frau und wenn Sie Kinder haben, auch von ihnen.«

Er konnte sich ihrer Faszination nicht entziehen, dachte kurz nach und begann dann zu sprechen.

*

An diesem Abend ging Alexander Paulin zeitig zu Bett. Die Ereignisse des Tages hatten zu einer gewissen psychischen Erschöpfung geführt und er fühlte sich nicht wohl. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass es Simone Reichinger den Umständen entsprechend gut ging und dass keine außergewöhnlichen Komplikationen zu erwarten waren.

Diana, der er von Simone Reichinger erzählt hatte, machte keine Einwände geltend, als er ihr schon kurz nach 21 Uhr eine gute Nacht wünschte und das Wohnzimmer, in dem sie sich aufgehalten hatten, verließ.

Es war November und die Nacht war schon lange hereingebrochen. Alexander Paulin lag auf dem Rücken und starrte in die Dunkelheit hinein. Obwohl er ein Glas Wein getrunken hatte, wollte sich der Schlaf nicht einstellen. Gedanken kamen und gingen. Von der Straße drang Motorengeräusch an sein Gehör, manchmal huschte ein Lichtreflex über die Decke des Schlafzimmers, erzeugt vom Scheinwerfer eines vorbeifahrenden Autos. Alexander hatte die Jalousie vor dem Fenster nicht heruntergelassen – ihn störte dieses Licht- und Schattenspiel nicht.

Immer wieder schob sich ein Name in den Vordergrund seines Denkens – der Name der Frau, die er am Nachmittag im Krankenhaus besucht hatte: Simone Reichinger. Der Gedanke an sie ließ ihn nicht mehr los. Er hatte von ihr erfahren, dass sie vor drei Jahren nach München gezogen war und dass sie vorher in einem kleinen Ort an der österreichischen Grenze gelebt hatte. Sie war nicht verheiratet, war bis vor kurzem mit einem Mann namens Eberhard Lorenz liiert, seit einem halben Jahr aber war sie Single.

Er sah ihr Gesicht; jedes noch so kleine Detail hatte er sich eingeprägt. Es war ein Gesicht, das durch Schönheit und Fraulichkeit bestach. Sie lächelte, ihre Augen strahlten, die sinnlichen Lippen gaben zwei Reihen ebenmäßiger, weißer Zähne frei.

Sein Herz schlug schneller.

Plötzlich aber schob sich etwas vor das Gesicht, er sah es nur noch verschwommen, wie durch Nebel oder Rauch. Flammen schlugen in die Höhe, und hinter dieser Wand aus Feuer verschwand das Gesicht endgültig. Schreckliche Schreie erklangen, sie kamen aus den Flammen, waren qualvoll und gingen durch Mark und Bein, sanken herab und endeten in einem kläglichen Wimmern, das mit dem Fauchen des Feuers verschmolz und schließlich nicht mehr zu hören war.

Alexander verspürte Entsetzen. Simone Reichinger war in den Flammen verschwunden. Er musste helfen, sie retten. Aber da war diese Wand aus Feuer, da war die sengende Hitze – er konnte nichts tun.

Großer Gott!

Alexander Paulin erschrak, seine Lider zuckten in die Höhe, über die Decke des Zimmers huschte Lichtschein und verschwand, draußen verklang ein Motor.

Er war vom Schlaf übermannt worden und hatte geträumt. Sein Puls jagte das Blut durch seine Adern, hämmerte wie verrückt in seiner Brust und ließ ihn schneller atmen. Was war das für ein Traum? Hatte er etwas zu bedeuten? Warum träumte er im Zusammenhang mit Simone Reichinger etwas derart Quälendes?

Alexander Paulin war jetzt hellwach und hatte das Empfinden, dass die fürchterlichen Schmerzensschreie aus dem Inferno aus Feuer und Rauch in ihm nachklangen. Er erhielt keine Antworten auf seine Fragen. Unruhig drehte er sich hin und her, Schlaf fand er keinen, denn jedes Mal wenn er einnickte, erschrak er und war sofort wieder wach.

Schließlich stand er auf, ging ins Wohnzimmer, wo noch der Fernseher lief und Diana es sich auf der Couch bequem gemacht hatte, ließ sich in den Sessel fallen und stieß hervor: »Ich glaube, der Unfall von heute Früh beschäftigt mich mehr, als ich den Tag über gedacht hätte. Ich kann nicht schlafen. Es ist zum Kotzen.«

»Trink noch ein Glas Wein«, sagte Diana lächelnd, »dann kriegst du die nötige Bettschwere und du wirst schlafen wie ein Murmeltier.«

Sein Glas stand noch auf dem Tisch, daneben die angebrochene Flasche Rotwein. Er schenkte sich ein, trank einen Schluck, wartete einige Sekunden und leerte dann das Glas auf einen Zug.

Diana fixierte ihn befremdet.

»Entschuldige«, murmelte er und vermied es, sie anzusehen. »Es sollte … Ich … Nun ja, ich hoffe, dass ich jetzt den ersehnten Schlaf bekomme.«

Mit einem Ruck erhob er sich, nickte seiner Frau zu und kehrte zurück ins Schlafzimmer.

Der Traum beschäftigte ihn. Nie vorher in seinem Leben hatte ihn ein Traum so sehr beunruhigt. Und als Diana ins Schlafzimmer kam und sich niederlegte, schlief er noch immer nicht. Seine nagenden Gedanken und die Vielzahl der unbeantworteten Fragen, die entstanden, wühlten ihn innerlich auf.

*

Drei Tagen waren verstrichen. Bei Alexander Paulin war wieder der Alltag eingekehrt, obwohl er immer wieder an Simone Reichinger denken musste. Aber die Arbeit ging wieder locker von der Hand, die Schriftsätze, die er diktierte, waren flüssig, durchdacht und rechtlich fundiert, er hatte noch einmal mit der Polizei Rücksprache gehalten und ihm, dem Staatsanwalt, musste der Mann vom Revier nicht erklären, dass er mit einem Strafbefehl vor allem wegen fahrlässiger Körperverletzung rechnen musste.

An diesem Nachmittag rief er im Krankenhaus an und erfuhr, dass Simone Reichinger entlassen worden war. Als er ihre Adresse erfahren wollte, wurde ihm die Auskunft unter Berufung auf den Datenschutz verweigert. Er akzeptierte es – blieb ihm ja nichts anderes übrig.

Alexander Paulin nahm sich vor, die entsprechenden Auskünfte beim Einwohnermeldeamt einzuholen. Aber das erübrigte sich, denn um 15.30 Uhr, kurz bevor der Feierabend machen wollte, klingelte sein Telefon, er hob ab, und sein Herz drohte einen Schlag zu überspringen, weil am anderen Ende der Leitung niemand anderes als Simone Reichinger war.

»Wie sind Sie drauf, Alexander?«, fragte sie aufgekratzt, nachdem sie sich mit ihrem Namen gemeldet hatte.

»Gut«, antwortete er und dachte: Sogar sehr gut, jetzt, da du mich anrufst. »Wie geht es Ihnen, Simone?«

Er begab sich ebenfalls auf die vertrauliche Schiene und nannte sie beim Vornamen.