Mord bleibt in der Familie - Rhys Bowen - E-Book
SONDERANGEBOT

Mord bleibt in der Familie E-Book

Rhys Bowen

0,0
5,99 €
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 5,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Molly findet ein lang vermisstes Mädchen, doch ist sie wirklich die Tochter der reichen Familie?
Ein weihnachtlicher Cosy Crime in der Erfolgs-Reihe von NYT Bestseller-Autorin Rhys Bowen

Molly Murphy ist nach den jüngsten Ereignissen froh, einem idyllischen Weihnachtsfest entgegenzublicken. Eine Einladung zu einer wohlhabenden Familie am Hudson River soll die Feiertage perfekt machen. Doch in dem ehrwürdigen Herrenhaus ist die Stimmung wenig feierlich, denn eine Tragödie lastet seit Langem auf der Familie: Charlotte, die kleine Tochter der Gastgeber, verschwand vor zehn Jahren und wird seither vermisst. Molly kann den Schmerz der Mutter gut nachvollziehen und versucht, mehr über Charlottes Verschwinden zu erfahren. Doch mit ihren Fragen reißt sie alte Wunden auf und macht jemanden auf sich aufmerksam, der schon damals über Leichen ging …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Entführung am Hudson River.

Alle Bände der Molly Murphy ermittelt-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Erste Leser:innenstimmen
„Diesmal wartet ein besonders mysteriöser Fall auf Molly – mein bisher liebster Teil!“
„ein Cosy Crime zum Versinken und Mitermitteln“
„Die Krimi-Reihe fühlt sich vertraut und gemütlich und dennoch spannend und fesselnd an!“
Rhys Bowen erzählt humorvoll, charmant und mitreißend.“

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 411

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses E-Book

Molly Murphy ist nach den jüngsten Ereignissen froh, einem idyllischen Weihnachtsfest entgegenzublicken. Eine Einladung zu einer wohlhabenden Familie am Hudson River soll die Feiertage perfekt machen. Doch in dem ehrwürdigen Herrenhaus ist die Stimmung wenig feierlich, denn eine Tragödie lastet seit Langem auf der Familie: Charlotte, die kleine Tochter der Gastgeber, verschwand vor zehn Jahren und wird seither vermisst. Molly kann den Schmerz der Mutter gut nachvollziehen und versucht, mehr über Charlottes Verschwinden zu erfahren. Doch mit ihren Fragen reißt sie alte Wunden auf und macht jemanden auf sich aufmerksam, der schon damals über Leichen ging …

Dies ist eine überarbeitete Neuauflage des bereits erschienenen Titels Entführung am Hudson River.

Alle Bände der Molly Murphy ermittelt-Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

Impressum

Erstausgabe 2017 Überarbeitete Neuausgabe Oktober 2022

Copyright © 2023 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten

E-Book-ISBN: 978-3-98637-820-2

Copyright © 2017 by Rhys Bowen. Alle Rechte vorbehalten. Titel des englischen Originals: The Ghost of Christmas Past

Published by Arrangement with Janet Quin-Harkin. c/o JANE ROTROSEN AGENCY LLC, 318 East 51st Street, NEW YORK, NY 10022 USA.

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.

Copyright © 2021, dp Verlag Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des bereits 2021 bei dp Verlag erschienenen Titels Entführung am Hudson River (ISBN: 978-3-96087-921-3).

Übersetzt von: Martin Spieß Covergestaltung: Buchgewand unter Verwendung von Motiven von stock.adobe.com: © Pixel-Shot, © Masson shutterstock.com: © Songquan Deng depositphotos.com: © Denniro, © zatvor Korrektorat: Lennart Janson

E-Book-Version 26.07.2023, 15:57:26.

Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.

Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

Unser gesamtes Verlagsprogramm findest du hier

Website

Folge uns, um immer als Erste:r informiert zu sein

Newsletter

Facebook

Instagram

TikTok

YouTube

Mord bleibt in der Familie

Dieses Buch ist meiner Autorenkollegin Barbara Hinske und ihrer Urgroßtante Florence Lind gewidmet, die als Figur in diesem Buch unsterblich geworden ist. Wie Barbara mir schrieb: „Meine Urgroßtante Florence war eine jungfräuliche Lateinlehrerin. Sie lebte mit meiner Großmutter zusammen und starb im Alter von 103 Jahren. Sie war gewissenhaft, fordernd, wortgewandt und stark und so bis zum Ende Herrin der Lage. Am Tag ihres Todes aß sie ihr übliches Frühstück, schrieb ihre morgendliche Korrespondenz, lief eine halbe Meile zum Briefkasten, um ihre Briefe einzuwerfen, hatte dann einen Herzinfarkt und starb. Als sie sich in meiner Kindheit um meine Cousinen, Cousins und mich kümmerte, ermahnte sie uns, gerade zu sitzen und spielte mit uns Scrabble – mit dem Wörterbuch griffbereit (nicht dass sie es gebraucht hätte) und OHNE zu schummeln.“

Wie immer gilt mein Dank meinem Team bei Minotaur, meinem Team bei der Jane Rotrosen Agency und meiner Familie.

Eins

New York City, Dezember 1906

Es war ein Jahr voller Verluste gewesen. Voller Verluste und Unsicherheit. Voller Dunkelheit, die ich nicht abschütteln konnte. Daniels Stelle bei der New Yorker Polizei hing immer noch in der Schwebe, obwohl im Januar ein neuer Commissioner sein Amt antreten würde – ein Commissioner, den Tammany Hall hoffentlich weniger in der Tasche hatte. Daniel hatte die Unannehmlichkeiten eines korrupten Departments, das einen Grund zum Rauswurf zu finden versuchte, gemieden, indem er Aufträge von Mr. John Wilkie annahm, dem Kopf des US Secret Service. Der erste Auftrag hatte ihn nach San Francisco geführt und uns beinahe alles gekostet, was uns teuer war. Er war anschließend zu mehreren Anlässen nach Washington zitiert worden, hatte sich aber immer noch nicht entschieden, ob er eine dauerhafte Stellung dort annehmen sollte. Das lag vermutlich an mir. Denn er wusste, dass ich mir schreckliche Sorgen machte, wenn er fort war, und dass ich auf die Unterstützung meiner lieben Freundinnen in New York angewiesen war. Und offen gesagt brauchte ich diese Unterstützung im Augenblick dringend.

Sie müssen wissen, dass ich nicht ganz ich selbst war, nachdem wir aus San Francisco zurückkehrten. Ich hatte mir gesagt, dass alles gut war und ich wieder mit meinem alten Leben weitermachen könnte, aber es war nicht alles gut. Ich war sowohl körperlich als auch psychisch verletzt worden. Hatte am Rand des Wahnsinnes gestanden, um genau zu sein. Und das Ergebnis war, dass ich das Kind verloren hatte, von dem ich nicht gewusst hatte, dass ich es in mir trug. Eine Fehlgeburt nach drei Monaten, gerade, als ich mir gesagt hatte, dass alles gut werden würde. Der Arzt hatte es heruntergespielt: Ein großer Anteil Schwangerschaften enden in einer Fehlgeburt, hatte er zu mir gesagt. So stelle die Natur lediglich sicher, dass unvollkommene Kinder nicht das Licht der Welt erblickten. Aber ich sei im Grunde eine gesunde, junge Frau. Nichts halte mich davon ab, augenblicklich ein weiteres Kind zu bekommen. Er sprach davon, als ginge es nur darum, ein Kleid wegzuwerfen und sich ein neues auszusuchen. Aber ich betrauerte dieses Kind und ich war überwältigt von Schuldgefühlen. Ich war mir sicher, dass das Kind in Ordnung gewesen wäre, wenn ich nicht so impulsiv gewesen und meinem Ehemann nach San Francisco gefolgt wäre. Ich hätte es etwa zu dieser Zeit auf die Welt gebracht. Ein Weihnachtskind. Ich versuchte, mich daran zu gemahnen, dass ich vielleicht meinen Ehemann verloren hätte, wenn ich nicht nach San Francisco gegangen wäre, aber nichts, was ich sagen oder denken konnte, holte mich aus der Dunkelheit heraus, die mich zu verschlingen drohte.

Ich ging meiner Hausarbeit nach, kümmerte mich um meinen Sohn und meinen Ehemann und tat so, als genösse ich die Versuche meiner Freundinnen, mich aufzuheitern und zum Lachen zu bringen, aber in Wirklichkeit fühlte es sich an, als betrachtete ich die Welt durch einen schwarzen Schleier. Und gerade als ich spürte, keine weitere schlechte Nachricht vertragen zu können, kam sie dennoch. Im Oktober erhielten wir ein Telegramm, in dem stand, dass Daniels Mutter ins Krankenhaus gebracht worden war, mit einer Lungenentzündung. Sie war so krank, dass wir glaubten, wir würden sie verlieren. Ich muss gestehen, dass ich Mrs. Sullivan, wie ich sie immer noch nannte, nie sonderlich gemocht habe. Ich hatte immer das Gefühl gehabt, dass sie mich als Enttäuschung sah, weil sie gewollt hatte, dass ihr Sohn eine bessere Partie macht und in der Gesellschaft aufsteigt. Aber es tat mir weh zu sehen, wie verzweifelt Daniel bei dem Gedanken daran war, seine Mutter zu verlieren. Ich schätze, das Band zwischen Mutter und Sohn ist ein starkes.

Erstaunlicherweise stand sie das Schlimmste durch und ich nahm meinen Sohn Liam mit nach Westchester County hinauf und half der betagten Haushälterin Martha dabei, nach Daniels Mutter zu sehen, während sie sich erholte. Mein junges Mündel Bridie ließ ich bei meinen Nachbarinnen Sid und Gus, sodass sie weiter zur Schule gehen konnte. Sie erblühte zu einer selbstbewussten und gebildeten jungen Frau und ich wollte ihre Ausbildung nicht unterbrechen. Mich einer solchen Herausforderung zu stellen, war vermutlich eine gute Sache. Es lenkte meine Gedanken von meinem gegenwärtigen Zustand ab. Tatsächlich ertappte ich mich, als Weihnachten näher rückte, dabei, dass ich mich auf das Fest freute. Daniel würde aus Washington nach Hause zurückkehren, dann würde er Bridie nach Westchester heraufbringen, und sich uns anschließen. Ich stellte mir vor, wie wir in den nahegelegenen Wäldern einen großen Baum schlagen würden. Mrs. Sullivan wäre nicht in der Lage zu backen, aber sie könnte mir ihre Lieblingsrezepte beibringen. Und Liam war jetzt zwei Jahre alt und groß genug, um beim Schmücken des Hauses zu helfen. Tatsächlich waren wir bereits im Wald gewesen und hatten Pinienzapfen und Stechpalme gesammelt.

Dann, zwei Wochen vor den Feiertagen, erhielt Mrs. Sullivan einen Brief. Ihr Gesicht erhellte sich, als sie sah, von wem er war.

„Ach nein, es ist Florence Lind“, sagte sie und blickte zu mir herauf. „Wir waren in der Kindheit Busenfreundinnen. Wir sind seitdem in Kontakt geblieben, obwohl unsere Leben so unterschiedliche Wege genommen haben. Sie war ein eigensinniges junges Mädchen und wurde zu einer starken Frau. Sie hat nie geheiratet, aber sie wurde eine führende Stimme in der Suffragetten-Bewegung. Nicht dass ich das gutheißen würde, wohlgemerkt. Ich habe immer geglaubt, dass der Platz einer Frau zu Hause ist, und dass es an den Männern ist, das Land zu führen. Aber Florence brannte dafür. Bis ihre Lieblingsschwester tragisch ums Leben kam und zwei junge Töchter hinterließ. Florence hat sich augenblicklich von ihrer Sache abgewandt, um die Kinder ihrer Schwester großzuziehen.“

Sie hielt inne und ich konnte sehen, wie sie den Brief las. „Oh, wie nett“, rief sie. „Das ist aufmerksam von ihr.“

Sie hob wieder den Blick. „Es scheint, als sei es ihr in jüngerer Vergangenheit ebenfalls nicht gut ergangen, und sie hat eine ihrer Nichten aufgesucht, um bei ihr zu leben. Nicht weit von hier, wie es sich ergibt. Scarborough. Kennen Sie das? Es liegt am Hudson. Es gibt einige hübsche Anwesen in der Gegend.“ Sie nickte zufrieden. „Das Haus heißt anscheinend Greenbriars. Florence sagt, es sei überaus gemütlich. Ich erinnere mich, dass sie mir erzählte, dass ihre Nichte eine gute Partie gemacht hat. Cedric van Aiken, aus einer der alten holländischen Familien, wissen Sie? Wie auch immer, Florence ist jetzt bei ihnen eingezogen und schreibt Folgendes:

Ich habe von gemeinsamen Freunden erfahren, dass du ziemlich krank gewesen bist, liebe Mary. Meine süße Nichte Winnie hat mir gesagt, ich solle mich in ihrem Haus wie zu Hause fühlen und alle Freundinnen einladen, die ich möchte, also dachte ich mir, dich zu Weihnachten nach Greenbriars einzuladen. Es würde dir richtig guttun. Große, prasselnde Feuer, gutes Essen und wir zwei alte Damen können nach Herzenslust plaudern. Es wird sein wie in alten Zeiten, oder nicht? Bitte sag, dass du kommst. Und wenn ich es so offen sagen muss: Es wäre auch für mich eine Wohltat. Ich fühle mich immer noch ein wenig wie ein Fisch auf dem Trockenen, weit weg von meinem alten Leben, und würde eine alte Freundin herzlich willkommen heißen. Ich lasse dir eine Kutsche schicken, wann immer du zu kommen wünschst.

Deine liebe Freundin Florence.

Sie hatte ein aufgeregtes Lächeln im Gesicht, als sie den Brief zusammenfaltete. „Ist das nicht eine Überraschung? In meinem Alter zu einer eleganten Hausparty eingeladen zu werden. Ich frage mich, ob ich etwas Passendes anzuziehen habe. Und Sie werden in der Lage sein, in Ihr kleines Haus in der Stadt zurückzukehren. Ich weiß, dass Sie nur planten, Weihnachten hier zu verbringen, um eine alte Dame bei Laune zu halten, und jetzt können Sie mit Ihren Freundinnen zusammen sein und ein weiteres Mal fröhliche Feiertage verleben.“

„Wird es Ihnen gut genug gehen, um zu fahren?“, fragte ich. „Sie sind immer noch recht schwach, müssen Sie wissen.“

„Ich werde Ivy mitnehmen, um mir zu helfen“, sagte sie. „Du wirst dich gut um mich kümmern, nicht wahr, meine Liebe?“ Sie streckte eine Hand aus und tätschelte die Hand des jungen Mädchens, das gerade mit einer Tasse Kamillentee für ihre Herrin ins Zimmer gekommen war. Sie war ein dünnes, kleines Ding mit großen, dunklen Augen. Sie sah jünger aus, als sie war; sie musste um die dreizehn Jahre alt sein. Irgendwie verkörperte sie das Wort Straßenkind.

„Ja, Ma’am. Natürlich.“ Die Stimme des Mädchens war kaum mehr als ein Flüstern, und sie lächelte schüchtern.

„Sie macht sich gut, finden Sie nicht?“, fragte Daniels Mutter, als Ivy wieder das Zimmer verließ. Sie hatte Ivy kürzlich aus einem Waisenhaus in New York City zu sich geholt und das Mädchen wurde von Martha in allen Haushaltsdingen unterrichtet. Nach dem zu urteilen, was ich gesehen hatte, erwies sie sich als schnelle und begierige Lernerin. Aber da meine Schwiegermutter zuvor schon Bridie aufgenommen hatte, um sie für eine ähnliche häusliche Position auszubilden, nur um sie dann so liebzugewinnen, dass Bridie nie zu einem Dienstmädchen wurde, fragte ich mich, ob Ivy eine ähnliche Zukunft bevorstand.

„Und was werde ich in Greenbriars schon tun müssen, außer herumzusitzen und mich bedienen zu lassen?“, fuhr Daniels Mutter fort und lächelte immer noch. „Und es wird sehr erfrischend sein, die liebe Florence zu sehen.“

Ich konnte schwerlich sagen, dass ich mich ziemlich darauf gefreut hatte, Weihnachten bei ihr auf dem Land zu verbringen. Jetzt wäre ich wieder in meinem Haus im Patchin Place in Greenwich Village, meine Nachbarinnen würden lebhafte Partys feiern und uns mit Geschenken überhäufen, und ich würde mir Mühe geben, um so auszusehen, als amüsierte ich mich.

Ich half meiner Schwiegermutter bei der Auswahl der Kleider, die für eine große Hausparty angemessen waren. Wir diskutierten, welche Art Geschenke sie für ihre Freundin und deren Nichte kaufen sollte.

„Ich glaube nicht, dass man von mir erwarten kann, Geschenke für den Ehemann und seine Familie mitzubringen, oder?“, fragte sie. „Immerhin bin ich ihm nie begegnet und ich kenne seinen Geschmack nicht.“

„Eine Schachtel Pralinen für die Familie oder kandierte Früchte sind immer akzeptabel“, schlug ich vor.

Sie nickte. „Gute Idee. Das zeigt guten Willen, oder nicht? Aber ich muss sorgfältig darüber nachdenken, was ich der lieben Florence schenke. Sie ist nicht die Sorte Frau, die sich über einen Froufrou freut. Ein Buch oder ein Tagebuch, vielleicht.“

Am Ende schickte sie mich nach White Plains, wo ich mich für ein in Leder gebundenes Tagebuch für ihre Freundin Florence Lind entschied, sowie für französische Seife für die Nichte. „Wer mag französische Seife nicht?“, wie Mrs. Sullivan es ausgedrückt hatte.

Am verabredeten Tag erschien die Kutsche – ein gewaltig aussehendes Ding mit perfekt zueinander passenden Grauschimmeln und einem Kutscher in schwarzgoldener Livree. Der Kutscher half der alten Dame auf ihren Platz, dann half Ivy mit dem Gepäck, ehe sie hineinkletterte und sich neben Mrs. Sullivan setzte. „Habt ein wundervolles Weihnachtsfest, meine Lieben“, rief uns Daniels Mutter zu. Sie warf Liam eine Kusshand zu, der daran gehindert werden musste, sich ihnen anzuschließen. Er liebte alles, was auf Rädern fuhr, genau wie sein Daddy. Wir winkten ihnen zu, als sie abfuhren, dann packten wir unsere Sachen und fuhren in einem viel weniger glanzvollen Wagen, der von Josh gelenkt wurde, dem Mann für alles, zum Bahnhof. In der Nacht zuvor hatte es ein wenig geschneit, das erste Mal in diesem Winter. Der Schnee ließ die Bäume und Zäune recht festlich wirken, wie sie so in der Sonne glitzerten. Als der Zug sich der Stadt näherte, schwor ich mir, dafür zu sorgen, dass meine Familie schöne Feiertage haben würde, und dass ich mich zwingen würde, mich aus meiner düsteren Stimmung zu befreien. Ich freute mich darauf, meine Freundinnen wiederzusehen und meine liebe Bridie, ganz zu schweigen von meinem Ehemann, den ich zuletzt bei einem kurzen Besuch vor über einem Monat gesehen hatte. Wir wären wieder vereint, für schöne Weihnachten. Alles würde gut werden.

Zwei

Ich gestehe, dass mein Herz recht schnell schlug, als mir am Eingang zum Patchin Place aus dem Hansom-Taxi geholfen wurde. Meine kleine Seitenstraße war im Vergleich zur Hektik und dem Tumult der Greenwich Avenue und des Jefferson Market auf der anderen Seite ein verschlafenes Nest der Ruhe. Sie war kaum breiter als eine Gasse, aber recht charmant mit einer Reihe warmer Backsteinhäuser auf jeder Seite, Lorbeerbäumen, die in Töpfen vor den Eingangstüren wuchsen, und Kopfsteinen unter den Füßen. Droschken versuchten nie, den ganzen Weg zu meiner Haustür zu fahren, da die Straße zu schmal war, um ein Fahrzeug zu wenden, und Pferde ungern rückwärtsliefen.

„Sie kommen den Rest des Wegs zurecht?“, fragte der Kutscher, als er meine Tasche herunterhob.

„Oh ja, machen Sie sich keine Sorgen. Meine Freundinnen werden mir helfen, das Gepäck hineinzubringen“, sagte ich. In Wahrheit hatte ich nur einen großen Handkoffer und meine Reisetasche, da ich erstens nicht viele Kleider besaß und zweitens nur das Allernotwendigste zu meiner Schwiegermutter mitgenommen hatte.

Liam stand da, blickte sich um und versuchte zu bestimmen, wo er war. Ein Monat ist eine lange Zeit im Leben eines Zweijährigen. Dann machte sich ein Lächeln auf seinem Gesicht breit. „Bwidie!“, rief er und blickte zu mir herauf. „Zu Bwidie.“

„Ja, Liebling. Wir gehen Bridie besuchen“, sagte ich. „Aber sie wird erst in einer Weile aus der Schule kommen. Sollen wir stattdessen Tante Gus und Tante Sid besuchen gehen?“

„A-Gus. A-Sid“, stimmte er zu und begann, über das Kopfsteinpflaster zum hinteren Ende des Patchin Place zu wanken. Mein Haus stand gegenüber dem meiner lieben Freundinnen Augusta Walcott und Elena Goldfarb, besser bekannt als Gus und Sid – Namen, die den Gepflogenheiten ihrer Erziehung vollumfänglich die Stirn boten, um sich einer Lebensweise zu widmen, die ebenfalls den Gepflogenheiten die Stirn bot. Sie spielten nach ihren eigenen Regeln, und wie sie das taten; sie machten sich nach Paris auf, um Kunst zu studieren, oder verwandelten ihr Wohnzimmer in eine mongolische Jurte. Man wusste nie, was man vorfinden würde, wenn sich ihre Eingangstür öffnete. Daraus bestand die Hälfte der Freude. Die andere Hälfte war, dass sie die gütigsten und großzügigsten Frauen waren, die ich kannte. Ich liebte sie wie die Schwestern, die ich nie gehabt hatte.

Ich ließ den großen Koffer stehen und eilte Liam hinterher, für den Fall, dass er auf den unebenen und rutschigen Kopfsteinen stolperte. Ich nahm seine Hand und wir gingen zu Sids und Gus’ Tür hinauf. Liam blickte mich aufgeregt und vorfreudig an. Ich nickte und betätigte ihren Türklopfer. Wir hörten innen Schritte auf der Treppe, dann wurde die Tür von Gus geöffnet. Sie hatte die Arme voller Kleider.

„Molly?“, rief sie. Sie klang erfreut, aber überrascht. „Was tust du hier? Stimmt etwas nicht?“

„Ganz und gar nicht. Die Pläne für Weihnachten haben sich geändert. Daniels Mutter wurde zu einer protzigen Hausparty eingeladen, also sind wir nach Hause gekommen. Hier, lass mich dir das abnehmen“, fügte ich hinzu, als die Spitze des Kleiderhaufens zu wanken begann. „Habt ihr Wäsche gewaschen oder sortiert ihr eure Sachen aus, um sie den Armen zu spenden?“

„Weder noch“, sagte sie. „Wir sind gerade dabei zu packen. Komm rein. Komm rein. Pass aber auf, wo du hintrittst. Der Flur ist ziemlich vollgestellt, fürchte ich.“

Dann fiel mir auf, dass im Eingangsbereich etliche Truhen und Koffer aufgestapelt waren. „Ihr verreist?“, fragte ich Gus, während sie den Haufen auf einem halb gepackten Schiffskoffer ablegte, Liam in die Arme hob und ihn ins vordere Wohnzimmer trug.

Sie nickte und wandte sich zu mir um. „Wir haben von einer alten Vassar-Freundin eine Einladung erhalten. Eine Gruppe ehemaliger Kommilitoninnen trifft sich in einem Haus am Hudson, nicht allzu weit von unserer lieben Alma Mater entfernt. Und wir dachten, du seist über Weihnachten fort, also gab es nichts, was uns hier hielt.“

„Oh, ich verstehe“, sagte ich ausdruckslos. Ich blickte die Gasse hinunter, wo mein Gepäck unbeaufsichtigt herumstand. „Ich gehe lieber und hole meinen Koffer, ehe irgendein Straßenkind glaubt, Weihnachten sei dieses Jahr früher gekommen.“

„Ich werde dir helfen.“ Sie setzte Liam ab. „Bleib hier wie ein braver Junge, während Tante Gus deiner Mami hilft, das Gepäck zu holen, und dann suchen wir dir etwas zu essen, in Ordnung?“

Liam nickte. Wir liefen den Patchin Place entlang, dann trugen wir den schweren Koffer gemeinsam, ohne ein Wort zu sagen. In Wahrheit fiel mir nichts ein, was ich hätte sagen können, ohne meine Enttäuschung darüber zu verraten, dass sie nicht hier sein würden, während ich ihre Unterstützung brauchte. Und ich vermutete, dass sich auch Gus deswegen unwohl fühlte.

Liam wartete an ihrer Eingangstür und beobachtete uns mit ängstlichem Blick. Gus hob ihn hoch und trug ihn ins vordere Wohnzimmer, wo im Kamin ein großes Feuer brannte. Sie bedeutete mir, mich zu setzen, und ließ sich mir gegenüber auf einem Stuhl mit hoher Rückenlehne nieder, während Liam sich auf ihrem Schoß wand. „Ich schätze, du willst runter, junger Mann“, sagte sie. „Meine Güte, wie groß du geworden bist. Dann ab mit dir. Geh und erkunde.“ Liam brauchte keine weitere Ermutigung. Er ging bereits auf den ausgestopften Vogel unter Glas zu, seinen Liebling.

„Also, wann brecht ihr auf?“, fragte ich und gab mir Mühe, meine Stimme unbeschwert klingen zu lassen.

Gus spielte mit dem Stoff ihres Rocks. „Wir hatten geplant, aufzubrechen, sobald Bridies Schulhalbjahr vorüber und Captain Sullivan wieder zu Hause ist, um sie ins Haus seiner Mutter zu bringen.“ Ich konnte in ihrem Gesicht sehen, wie verlegen sie war, während sie die Worte sagte. „Es tut mir so leid, Molly. Wenn wir nur Bescheid gewusst hätten, hätten wir die Einladung nie angenommen.“

„Sei nicht albern.“ Ich bekam ein breites Lächeln zustande. „Es ist ausgeschlossen, dass ihr eine solche Einladung ausgeschlagen hättet, selbst wenn ihr gewusst hättet, dass wir zu Hause sein würden. Geht und habt eine wundervolle Zeit. Es wird gut sein, Daniel eine Weile um mich zu haben, und ich brenne darauf, zu erfahren, was Bridie gelernt hat.“

Ich sah, wie Gus’ Gesicht besorgt zuckte.

„Es geht ihr gut, oder nicht?“

„Bridie? Oh, ja. So gut wie nie.“ Jetzt war sie an der Reihe, ein falsches, breites Lächeln aufzusetzen. „Sie macht sich in der Schule sehr gut. Der Lehrer sagt, sie sei Klassenbeste und wir haben bereits versprochen, mit unseren ehemaligen Professorinnen am Vassar zu sprechen, wenn die Zeit kommt …“ Sie verstummte mitten im Satz.

„Wer war das, Gus?“, erklang Sids klare Stimme von der Treppe, Sid persönlich erschien und sah ausnahmsweise einmal erstaunlich konventionell und dezent gekleidet aus. Sids gewöhnlicher Aufzug reichte von Hausjacken für Männer bis zu chinesischen Brokathosen. Heute trug sie einen dunklen Rock und eine weiße Hemdbluse – der normale Aufzug der meisten New Yorkerinnen. Sie erblickte uns und sprang die letzten paar Stufen hinunter. „Nein, sowas. Es sind Molly und Liam, die zu uns nach Hause gekommen sind. Wir haben nicht erwartet, euch vor Weihnachten noch zu sehen! Wir haben unsere Geschenke alle in einem dieser Koffer, bereits schön verpackt. Wir wollten dich im Haus von Mrs. Sullivan überraschen. Wir werden nicht weit davon entfernt wohnen.“ Sie hielt mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht inne. „Du meine Güte. Es sind doch keine schlechten Neuigkeiten, oder? Geht es Daniels Mutter gut?“

„Sie erholt sich gut, danke. So gut, dass sie über die Feiertage eine Einladung zu einer Hausparty angenommen hat. Offenbar eine Freundin aus ihrer Kindheit. Sie ist mit einer sehr schicken Kutsche weggefahren, während Liam und ich zusammen mit dem Kohl auf dem Ackerwagen fuhren.“ Ich versuchte mich an einem sorglosen Lachen, aber meine Freundinnen durchschauten mich.

„Und jetzt wirst du zu Weihnachten allein zu Hause sein?“, fragte Sid.

„Nicht alleine. Umgeben von meiner Familie.“

„Wir könnten unsere Verabredung immer noch absagen.“ Sid warf Gus einen Blick zu.

„Sei nicht albern“, sagte ich. „Natürlich müsst ihr fahren. Es ist doch klar, dass ihr eure alten Kommilitoninnen wiedersehen wollt. Wir werden zurechtkommen. Vielleicht laden wir Gäste ein. Zum Beispiel Miss van Woekem. Sie liebt es, Liam zu sehen. Und die arme Miss Endicott. Und zu Silvester sind wir alle wieder zusammen in New York.“

„Ja. Zu Silvester wieder zusammen in New York“, sagte Sid und wieder tauschen sie und Gus einen Blick.

„Bridie sollte bald aus der Schule kommen“, sagte Sid. „Sie hat sich sehr gut gemacht. Du wirst stolz auf sie sein. Und sie ist gewachsen. Wir haben sie so gern, tatsächlich wird es traurig sein, sie zu verlieren …“

„Warum solltet ihr sie verlieren?“, fragte ich. „Sie ist gleich auf der anderen Straßenseite. Sie kann euch besuchen, wann immer sie will.“

„Ich habe eine unpassende Bemerkung gemacht“, sagte Sid eilig.

Ich blickte von einem Gesicht ins andere. „Was ist los?“, fragte ich. „Stimmt mit Bridie etwas nicht? Sie ist doch nicht krank, oder?“

„Nein, es geht ihr hervorragend“, sagte Gus, ohne ihren Blick von Sids Gesicht abzuwenden. „Es ist nur so, dass … Sie hat Neuigkeiten. Wir sollten es ihr nicht verderben. Sie will es dir persönlich erzählen.“

„Gute Neuigkeiten?“

Es erstand eine Pause. „Ja, ich schätze, man könnte sagen, dass es gute Neuigkeiten sind“, sagte Gus. „Nur für uns nicht.“

„Dann sagt es mir, um Gottes willen“, platze ich heraus. „Spannt mich nicht auf die Folter. Wenn es schlechte Nachrichten sind, würde ich sie lieber gleich erfahren. Tatsächlich würde ich sie gerne im Vorhinein hören, anstatt sie aus Bridies Mund zu erfahren.“

„Es ist ihr Vater“, sagte Gus langsam.

„Ist er tot?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ganz im Gegenteil. Offenbar hat er unten in New Orleans gutes Geld verdient und ist jetzt auf dem Weg zurück nach New York. Er ist gekommen, um Bridie zurückzufordern und sie nach Hause zu bringen, zurück nach Irland.“

Drei

Von allen Nachrichten, die mich hätten erreichen können, hatte ich diese am wenigsten erwartet. Sie traf mich wie ein Schlag in die Magengrube und erwischte mich so, dass ich lange nichts sagen konnte. Gedanken und Bilder blitzten in meinem Kopf auf: Die kleine Bridie, die sich an mich kuschelte, während ich sie im Laderaum eines Schiffs nach Amerika brachte; die Zeit, in der sie beinahe an Typhus gestorben war; und dann mitanzusehen, wie sie die große Schwester wurde, zu stricken lernte, mit Liam spielte, zwei Waisenkinder rettete … Sie war so lange Teil meines Lebens gewesen, dass ich sie wirklich für meine Tochter hielt. Ich konnte mir ein Leben ohne sie nicht einmal vorstellen.

„Wieso geht er zurück nach Irland?“, fragte ich. „Ich dachte, er hasst es dort. Die Ungerechtigkeit. Die Unterdrückung.“

„Das kann ich dir nicht sagen“, sagte Sid. „Du weißt, er war nie der beste Briefeschreiber …“

„Das kannst du laut sagen“, sagte ich wütend. „Wie viele Jahre sind vergangen, in denen das arme Kind nicht wusste, ob ihr Vater lebt oder tot ist, dort unten in Panama?“

„Es scheint, als sei er für eine lange Weile sehr krank gewesen“, sagte Gus und blickte auf der Suche nach Bestätigung erneut zu Sid hinüber. „Er hatte Gelbfieber und war monatelang im Krankenhaus. Dann zog sich sein Sohn irgendeine Tropenkrankheit zu. Aber sie haben beide überlebt, und mehr noch, sie hatten Erfolg.“ Sie wandte sich an mich. „Wir sollten uns für sie freuen, Molly. Sie wird zu ihrer eigenen Familie zurückkehren.“

„Aber ich bin ihre Familie.“ Ich hörte, wie meine Stimme stockte. „Wir sind ihre Familie. Er kann ihr nicht geben, was wir können.“

„Das weiß du nicht“, sagte Gus sanft. „Er heiratet vielleicht wieder, eine gütige und freundliche Frau. Er hat vielleicht das Geld, sie an eine gute Schule und eine Universität zu schicken. Ihr steht womöglich ein wunderbares Leben bevor. Das können wir ihr nicht neiden.“

Ich stand auf. „Ich sollte meinen Koffer in mein Haus bringen“, sagte ich. „Er steht euch beim Packen im Weg.“

„Wir kommen mit und helfen dir“, sagte Sid. Als wir zur Eingangstür gingen, legte sie mir einen Arm um die Schulter. „Ich weiß, es ist ein großer Schock, Molly. Es war auch für uns ein schrecklicher Schlag. Tatsächlich haben wir sogar darüber diskutiert, sie zu adoptieren. Du weißt, dass wir sie liebgewonnen haben, und wir könnten uns die beste Ausbildung für sie leisten. Aber wir müssen daran glauben, dass es so besser ist.“

„Wie kann das besser sein?“, platze ich heraus, erstaunt über meine eigene Empörung. „Seamus ist ein ungebildeter Rüpel. Als er nach Panama aufbrach, um diesen Kanal zu bauen, war er bereit, Bridie in Dienst stellen zu lassen, obwohl sie noch ein kleines Kind war. Wie soll er je einsehen, dass sie eine Ausbildung verdient?“

Wir hoben zusammen den schweren Koffer an und hielten inne, um zu lächeln, während Liam sich damit abmühte, die Reisetasche zu tragen. Ich habe Liam, sagte ich mir, ich habe immer noch Liam. Ich werde weitere Kinder bekommen. Der Arzt hat das gesagt. Aber eine leise Stimme in meinem Hinterkopf flüsterte, dass Daniel ein Einzelkind gewesen war. Mrs. Sullivan hatte mir einmal erzählt, dass sie solche Schwierigkeiten mit Daniel gehabt hatte, dass Ärzte sie davor gewarnt hatten, weitere Kinder zu bekommen. Würde Liam auch ein Einzelkind bleiben?

Wir trugen die Koffer zu meiner Haustür. Ich fand den Schlüssel, schloss auf und betrat einen kalten Eingangsbereich. Ich hatte nicht daran gedacht, dass Daniel weg sein und Bridie auf der anderen Straßenseite leben würde, sodass das Haus einige Zeit unbewohnt gewesen war. Also war natürlich kein Ofen oder Kamin befeuert worden, um das Haus warmzuhalten. Ich kämpfte damit, meine Gefühle zu beherrschen, aber die feuchte Kälte des Eingangsbereichs fühlte sich an wie ein Spiegel der Kälte, die mein Herz umgab. „Schau, Liam, wir sind wieder zu Hause“, sagte ich. „Mami muss den Ofen anheizen und die Küche aufwärmen, dann suchen wir all dein Spielzeug.“

Liam schien es nicht kümmern, dass es im Haus kaum wärmer war als draußen auf der Straße. Er rannte bereits vor mir in die Küche und suchte nach seinen Bauklötzen. Sid blickte mich besorgt an. „Wieso kommt ihr nicht für die Nacht mit zu uns?“, fragte sie. „Es wird ewig dauern, bis das Haus warm ist. Und du hast kein Essen da.“

„Wenn du dir sicher bist, dass ich euch beim Packen nicht im Weg bin“, sagte ich. „Hier fühlt es sich an wie in einem Kühlschrank. Ich werde sofort den Küchenofen vorbereiten und dann sollte ich ein paar Lebensmittel einkaufen gehen. Wenn Daniel eine Weile nicht hier war, wird nichts in der Speisekammer sein. Ich mache besser eine Liste …“

Ich hörte, wie ich weiterplapperte. Sid legte mir eine Hand auf die Schulter. „Dafür wirst du morgen noch genug Zeit haben“, sagte sie. „Du und ich werden deinen Ofen anheizen und Gus kann zu Hause Wasser aufsetzen. Ich weiß, du bist immer noch irisch genug, um deine Tasse Tee zu brauchen!“

Ich bekam ihrer Nettigkeit wegen einen Kloß im Hals. Ich presste meine Lippen aufeinander und nickte dankbar. Im Nu hatten wir den Ofen gut angeheizt und Sid bestand ebenfalls darauf, Feuer in den Kaminen im hinteren Wohnzimmer und in meinem Schlafzimmer zu entzünden. „Wir häufen die Glut heute Abend auf und morgen früh wird es hier wohlig warm sein“, sagte sie.

Ich hatte mich gerade mit einer Tasse Tee und einem Stück Lebkuchen an Sids und Gus’ Küchentisch gesetzt, als sich die Eingangstür öffnete und Bridies Stimme den Flur hinunterhallte. „Sie werden es nicht glauben, aber es schneit“, rief sie. „Glauben Sie, das heißt, dass wir doch weiße Weihnachten haben werden? Glauben Sie, ich bin zu alt, um Mrs. Sullivans Toboggan zu benutzen? Denn hinten an ihrem Garten ist ein guter Hügel und …“ Sie kam in die Küche, ihre Wangen rot vor Kälte, ihr blondes Haar vom Wind zerzaust. Sie erstarrte, als sie mich sah.

„Molly!“, rief sie. „Was ist los? Was tun Sie hier? Ich dachte, Captain Sullivan würde mich zu Mrs. Sullivan bringen, um mich Ihnen anzuschließen.“

„Es gab eine Planänderung“, sagte ich und ließ meine Stimme ausgeglichen klingen. „Mrs. Sullivan ist zu einer alten Freundin gefahren, um mit ihr Weihnachten zu feiern, und wir werden hier eine großartige Zeit haben. Nur unsere Familie.“

„Oh.“ Ich konnte die Enttäuschung in ihren Augen sehen.

„Komm und lass mich dich umarmen“, sagte ich. „Ich könnte schwören, dass du in dem einen Monat einen Zoll gewachsen bist.“

„Bin ich“, sagte sie. „Ich bin die Zweitgrößte in meiner Klasse. Ich bin größer als die meisten Jungs.“

„Und Miss Walcott sagt, dass du dich in der Schule sehr gut anstellst. Ich bin wirklich stolz auf dich.“

Ihr Lächeln erstarb und sie nickte. „Es wird mir schwerfallen, zu gehen“, sagte sie. Sie wandte sich ab und starrte aus dem Fenster, vor dem nun Schneeflocken umherwirbelten. „Molly, ich habe Neuigkeiten von meinem Vater. Er lebt und ist wohlauf, nach all dieser Zeit. Wir dachten, er müsse tot sein, nicht wahr?“

Ich war entschieden, meine Rolle zu spielen. „Er lebt und ist wohlauf? Sind das nicht großartige Neuigkeiten?“ Ich lächelte sie breit an. „Und dein Bruder? Geht es ihm auch gut?“

„Ja. Und sie sind auf einem Schiff auf dem Weg nach New York. Ich werde sie im neuen Jahr sehen.“

„Ich freue mich so für dich, mein Liebling.“ Ich schaffte es immer noch, zu lächeln und begeistert zu klingen. „Du musst sehr zufrieden sein.“

„Nein!“ Das platzte aus ihr heraus. „Ich bin ganz und gar nicht zufrieden. Ich meine, ich bin froh, dass mein Vater und mein Bruder leben, aber er kommt, um mich fortzubringen, Molly. Er sagt, er hat gutes Geld verdient und er will uns zurück nach Irland bringen. Und ich will nicht gehen.“

Jetzt war ich sprachlos. Natürlich wollte auch ich nicht, dass sie ging. „Er ist dein Vater, Bridie“, sagte ich. „Er muss dich schrecklich vermisst haben.“

„Nein, hat er nicht. Er hat mir seit Ewigkeiten nicht geschrieben. Er ging einfach und ließ mich hier, und wenn Sie und Mrs. Sullivan mich nicht aufgenommen hätten, wäre ich jetzt Bedienstete.“ Ihr Gesicht war rot vor Wut.

„Er war ein Mann, der zwei Kinder großzuziehen hatte“, sagte ich. „Er hat sein Bestes getan, indem er zum Arbeiten an den Kanal ging, und er wusste, dass er dich nicht würde mitnehmen können. Aber jetzt sagst du, dass er Geld verdient habe. Er wird euch ein schönes Haus kaufen und dich auf eine gute Schule schicken.“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wird er nicht. Und ein schönes Haus oder eine gute Schule kümmern mich nicht. Ich werde nicht bei Ihnen sein, und nicht bei Miss Walcott und Miss Goldfarb. Sie sind jetzt meine Familie. Ich will Sie nicht verlassen.“

„Ich will dich auch nicht verlieren, mein Liebling.“ Ich schloss sie in die Arme, während sie an meiner Schulter schluchzte. Ich weinte jetzt auch. Sid und Gus, die am Tisch saßen, weinten ebenfalls. Alle, bis auf Liam, der seinen Kuscheltierhund aufgehoben hatte und ihn Bridie hinhielt. „Hier, Bwidie. Hund“, sagte er.

Sid und Gus versuchten, dafür zu sorgen, dass es ein vergnügliches Abendessen wurde. Sid hatte mit einigen der Rezepte aus dem indischen Kochbuch experimentiert, das ich ihnen letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Sie hatte das Curry etwas zu scharf gemacht und wir alle mussten uns an unsere Wassergläser halten, während unsere Augen tränten.

„Ich schätze, es ist einfacher, das in einem heißen Klima zu essen“, sagte Sid, als sie einen großen Schluck Wasser trank. „Falls wir wirklich nächstes Jahr nach Indien gehen, Gus, müssen wir üben, scharfes Essen zu essen, damit wir nicht wie ausgewiesene Anfängerinnen wirken.“

„Ihr habt wirklich vor, nach Indien zu gehen?“, fragte ich.

„Du weißt doch, wie lange wir schon darüber sprechen“, sagte Gus. „Es ist seit Ewigkeiten unser Traum. Und wenn Bridie fort ist, können wir reisen.“

Es fühlte sich an, als wäre ich auf dem Weg in den Abgrund und würde immer schneller hinabstürzen. Keine Bridie und jetzt auch keine Sid und keine Gus mehr. Falls sie nach Indien gingen, wären sie monatelang fort.

Die Unterhaltung war weitergegangen. Sid erzählte Bridie, wie sehr ihr Dublin gefallen würde. Und es sei nur eine kurze Reise über See nach England, sie wäre in der Lage, London zu besuchen und Oxford, Bath und Stonehenge …

Bridie nickte, als würde Sid ihr ein Märchen erzählen. Natürlich wusste sie so gut wie ich, dass Seamus kein Mann war, der Kultur zu schätzen wusste. Er war ein liebenswürdiger Mann, ermahnte ich mich. Er würde sie nicht schlagen, wie es einige Väter taten. Aber seine Vorstellung von einer guten Zeit waren ein paar Pints in seinem örtlichen Pub – genau wie bei meinem eigenen Vater, dachte ich. Und es war in Irland eindeutig nicht allgemein akzeptiert, dass Mädchen eine Ausbildung erhielten. Kaum waren sie verheiratet, begannen sie, Kinder zu bekommen – eins nach dem anderen. Alle außer ich.

Gus stand auf, um unsere Teller wegzuräumen. „Ich habe Milchpudding zum Nachtisch gemacht. Ich hatte den Verdacht, dass wir das Curry ein bisschen zu scharf finden würden.“ Sie grinste Sid an, als sie nach draußen zum Kühlschrank ging.

Sie kam mit einem Teller zurück, auf dem der gestürzte Pudding lag. Er hatte die Form eines Kaninchens, was Bridie zum Lächeln brachte. „Es ist ein Jammer, dass Liam nicht mehr wach ist“, sagte sie. „Das war immer eins seiner Lieblingsessen.“

Sie hatte gerade begonnen, sich aufzutun, als es laut an der Tür hämmerte.

„Was in Gottes Namen …“, sagte Sid, ging und öffnete die Tür.

Wir hörten sie sagen: „Captain Sullivan. Welche eine Überraschung.“

„Was geht in meinem Haus vor?“, hallte Daniels Stimme laut und deutlich durch den Flur zu uns. „Ich komme nach Hause und stelle fest, dass in sämtlichen Kaminen Feuer brennt und niemand dort ist. Hat jemand in unserem Haus gelebt, wissen Sie das?“

„Willkommen zu Hause“, sagte Sid monoton. „Und wenn Sie hereinkommen wollen, glaube ich, werden Sie feststellen, dass die Erklärung an unserem Küchentisch sitzt. Aber achten Sie darauf, wo Sie hintreten. Es tut mir leid, doch Sie erwischen uns beim Packen.“

Ich hielt den Atem an, während ich hörte, wie Daniel den Flur herunterkam und dann in der Türöffnung der Küche erschien.

„Molly!“, rief er, und ich sah wie er erblasste. „Was tust du hier? Stimmt etwas nicht? Ist es meine Mutter? Hat sich ihr Zustand verschlechtert? Sie ist doch nicht wieder im Krankenhaus, oder?“

„Deiner Mutter geht es rundherum gut, Daniel“, sagte ich. „Tatsächlich geht es ihr so gut, dass sie eine Einladung zu einer Hausparty in einem Anwesen am Hudson angenommen hat. Eine sehr große Kutsche hat sie heute abgeholt. Also sind wir am Ende doch für Weihnachten in der Stadt.“

Er ließ den Blick immer noch besorgt durch die Küche schweifen. „Und Liam? Wo ist Liam? Wo ist mein Junge?“

„Beruhige dich, Daniel.“ Ich ging zu ihm und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Liam geht es gut, aber er war recht müde von der Reise und von dem Wiedersehen mit seinen Tanten und Bridie, also haben wir ihm ein hartgekochtes Ei gegeben und ihn ins Bett gebracht. Ich hatte vor, heute Abend hier zu schlafen, weil ich glaubte, in unserem Haus wäre es zu kalt.“

„Es ist eindeutig nicht länger kalt“, sagte Daniel. „Jetzt gleicht es einem türkischen Dampfbad.“

„Nichtsdestoweniger glaube ich, dass Sie heute hier schlafen sollten“, sagte Gus. „Ihr Bettzeug wird ausgelüftet werden müssen.“

Daniel hob an, etwas zu sagen, aber ich kam ihm zuvor. „Du hast absolut recht. Wir wollen nicht, dass sich jemand von uns eine Erkältung zuzieht, weil wir in feuchtem, kaltem Bettzeug schlafen, nicht wahr?“ Ich wandte mich um und lächelte Daniel ermutigend an.

„Haben Sie etwas gegessen, Captain Sullivan?“, fragte Gus. „Sid hat ein gutes Curry gemacht und wir haben viel übrig.“

„Danke. Ich habe im Zug gegessen“, sagte Daniel.

„Wo sind Sie hergekommen?“, fragte Sid. „Oder ist das vertraulich?“

„Ganz und gar nicht“, sagte Daniel mit dem spröden und höflichen Tonfall, den er gebrauchte, wenn er meine Freundinnen ansprach. Ich glaube, er wollte stets vermitteln, dass er die Wahl ihrer Lebensweise missbilligte. „Ich war lediglich in unserer Hauptstadt und habe einige Sicherheitsangelegenheiten mit dem Präsidenten besprochen.“

„Mit dem Präsidenten der Vereinigten Staaten?“ Bridies Augen weiteten sich. „Sie kennen den Präsidenten?“

„Ich hatte die Ehre, gelegentlich mit ihm zu sprechen“, sagte Daniel. „Ich würde nicht sagen, dass wir Busenfreunde sind. Aber da er ein Roosevelt ist, kennen wir die gleichen Leute. Schließlich sind wir im gleichen Teil der Welt aufgewachsen.“

„Deine Mutter spricht von ihm als ‚der liebe Teddy‘“, sagte ich mit einem Grinsen, „obwohl sie ihn vermutlich nur als Freund von Freunden kannte.“

„Gut möglich.“ Jetzt lächelte Daniel.

„Etwas Milchpudding, Captain Sullivan?“, fragte Gus. „Ich war gerade im Begriff, ihn zu servieren, und ich weiß, dass Bridie darauf brennt, welchen zu essen.“

„Oh, nicht für mich, danke“, sagte Daniel. „Aber bitte lassen Sie sich von mir nicht beim Essen unterbrechen. Ich glaube, ich gehe rüber in unser Haus und lüfte etwas Bettzeug vor dem Feuer aus, sodass wir heute Nacht in unseren eigenen Betten schlafen können.“

Er machte eine ruckartige, kleine Verbeugung vor meinen Freundinnen. „Miss Walcott. Miss Goldfarb. Ich sehe dich in einer kleinen Weile, Molly. Ich komme und hole Liam, wenn sein Bett warm genug ist.“ Dann ging er.

Ich setzte mich wieder, fühlte mich ziemlich beschämt und war mehr als nur ein wenig verärgert. Ich hatte meinen Wunsch zum Ausdruck gebracht, heute Abend bei Sid und Gus zu bleiben und er hatte sich darüber hinweggesetzt. Schwerlich die glückliche Wiedervereinigung, auf die ich gehofft hatte.

Wir beendeten unser Essen, tranken Kaffee und saßen bei einer Unterhaltung zusammen, bis Daniel zurückkehrte, um Liam nach drüben in unser Haus zu tragen. Wir wechselten kaum ein Wort, während wir den halb schlafenden Liam in sein eigenes Bett brachten. Als wir in unser Schlafzimmer gingen, konnte ich mich nicht länger beherrschen. „Du weißt schon, dass es recht unhöflich von dir war, mich zu überstimmen und zu entscheiden, dass wir heute Nacht hier schlafen würden“, sagte ich.

„Es war nicht unhöflich gemeint“, sagte er. „Aber das hier ist schließlich unser Haus. Dir sollte bewusst sein, dass ich, so irgend möglich, in meinem eigenen Bett schlafen will, nachdem ich unebene Hotelmatratzen ertragen musste. Und dass ich nach einer gefühlten Ewigkeit mit meiner Frau schlafen will. Das könnte ich sicher nicht in einem fremden Haus.“

Er kam zu mir herüber und ließ seine Arme um meine Taille gleiten. „Ich habe dich jeden Moment, den ich weg war, vermisst“, sagte er. „Es ist ein seltsames Jahr gewesen, oder nicht? So viele Sorgen. So viele Ängste. Und am Ende sind wir zusammen in unserem eigenen Haus. In unserem eigenen Schlafzimmer.“ Er ließ seinen Blick sanft an mir herunterwandern. „Ich weiß, dass es sehr schwer für dich war, aber ich werde mein Bestes geben, um es wiedergutzumachen. Ich werde dafür sorgen, dass wir zusammen das beste Weihnachtsfest feiern, und wir werden nicht darüber nachdenken, was dieses Jahr schiefgelaufen ist, oder uns Gedanken darüber machen, was in Zukunft kommen mag.“

Sein Versuch, mich zu küssen, wurde dadurch vereitelt, dass ich in Tränen ausbrach. Er wich zurück, sah fassungslos und verwirrt aus. „Was habe ich jetzt gesagt?“, fragte er.

„Es liegt nicht an dir“, antwortete ich zwischen Schluchzern. „Was du gerade gesagt hast, war großartig. Perfekt. Es ist nur so, dass alles schief zu laufen scheint. Ich dachte, wir würden zusammen mit deiner Mutter auf dem Land Weihnachten feiern, und jetzt ist sie fort. Und dann dachte ich, dass Weihnachten hier mit Sid und Gus genauso schön sein würde. Aber sie fahren weg. Und dann fand ich heraus, dass wir Bridie verlieren werden.“

„Bridie? Was meinst du damit?“

„Sie hat gerade von ihrem Vater gehört, Daniel.“ Ich kämpfte immer noch damit, Schluchzer zu unterdrücken. „Er lebt, es geht ihm gut und mehr noch, er ist zu Geld gekommen. Er kommt im neuen Jahr, um sie zurückzufordern und sie mit sich zurück nach Irland zu nehmen.“

„Aber das sind doch sicher gute Neuigkeiten.“ Daniel sah noch immer verdutzt aus.

„Nicht für mich. Ich werde ein geliebtes Kind verlieren.“

„Aber sie ist nicht dein Kind, Molly. Du hast wundervolle Arbeit geleistet, indem du sie unter deine Fittiche nahmst. Gott weiß, was ihr zugestoßen wäre, wenn du und meine Mutter nicht eingegriffen hättet. Aber ihr Platz ist bei ihrer Familie. Wenn du deine Tochter hättest abgeben müssen, um genug Geld zu verdienen, um ihre Zukunft zu sichern, würdest du dich nicht auch danach sehnen, sie zu sehen? Würdest du sie nicht zurückwollen?“

„Aber er hat ihr seit Ewigkeiten nicht geschrieben“, sagte ich. „Der arme Winzling wusste nicht, ob er am Leben oder tot war.“

„Wir Männer sind nicht immer die besten Briefeschreiber“, sagte Daniel. „Ich habe mich etliche Male schuldig gefühlt, als ich in Washington war und dachte, dass ich dir öfter schreiben sollte. Aber offen gesagt weiß ich nie, was ich sagen soll, abgesehen davon, dass ich dich vermisse. Und das weißt du bereits.“

„Oh, Daniel“, sagte ich, vergrub mein Gesicht an seiner Brust und atmete den vertrauten Duft seiner Jacke ein. „Ich bin froh, dass du zurück bist. Ich habe dich so vermisst.“

„Jetzt bin ich zu Hause“, sagte er. „Und so oder so, lass uns hoffen, dass ich nicht wieder wegmuss.“

„Du wirst Mr. Wilkies Stellenangebot nicht annehmen? Wir werden nicht nach Washington ziehen müssen?“ „Lass uns einfach schauen, wie die Dinge unter dem neuen Commissioner sind, wenn er im Januar sein Amt antritt, ja?“, fragte er. „Und wenn das nicht möglich sein sollte, habe ich gehört, dass es eine freie Stelle für einen Police Chief in White Plains gibt. Wir wären in der Lage, in der Nähe meiner Mutter zu leben und sie im Auge zu behalten.“

Ich konnte wohl kaum sagen, dass dies das Letzte auf der Welt war, was ich wollte. White Plains, wo ich niemanden kannte und wo die Leute sich nur dafür interessierten, aus welcher Familie man stammte und welche gesellschaftlichen Verbindungen man hatte. Aber ich zwang mich, zu sagen: „Du hast recht, Daniel. Wir werden einfach schauen, was als Nächstes passiert.“

„Ich glaube, ich kann dir sagen, was als Nächstes passiert“, sagte Daniel. „Komm her.“ Und dann küsste er mich.

Vier

Am nächsten Tag meldete sich Daniel beim Polizeihauptquartier. Ich war dagegen. „Aber was ist, wenn sie dir jetzt einen Fall zuteilen und du über Weihnachten arbeiten musst?“, verlangte ich zu wissen. „Sicher musst du dich erst nach den Feiertagen zurückmelden. Sie haben dich auf unbestimmte Zeit an Mr. Wilkie ausgeliehen, oder nicht? Also erwarten sie dich nicht zurück.“

„Ganz gleich, ich sollte sie wissen lassen, dass mein gegenwärtiger Auftrag zu Ende ist und ich wieder als Police Captain arbeite. Auf diese Weise stehe ich auf der Liste und bin in der Hierarchie an meinem Platz, wenn der neue Commissioner sein Amt antritt. Und der alte Commissioner hat sich bereits abgesetzt, wie ich hörte.“ Er warf einen Blick zur Tür und sah dann mich an. „Ich glaube, es wäre weise zu schauen, woher der Wind weht, du nicht? Schauen wir, wer mich willkommen heißt und wer nicht.“

Ich sah ihm hinterher, als er ging, und teilte seinen Schmerz. Er war der beste Beamte gewesen, den sie sich hätten wünschen können: Gewissenhaft, mutig, klug und absolut erhaben über Korruption – was etwas war, das man nicht über viele bei der New Yorker Polizei sagen konnte. Jedoch war es diese Weigerung, sich zu beugen, über Dinge hinwegzusehen und Geschäfte zu machen, die ihn überhaupt erst gegen die Mächte von Tammany Hall positioniert hatte. Und der letzte Commissioner war eine Tammany-Marionette gewesen, entschlossen, einen Weg zu finden, Daniel loszuwerden. Wer wusste schon, was die Zukunft bringen würde?

Die Ungewissheit lag mir schwer im Magen. Ich begann, wie wild das Haus zu putzen, als könnte körperliche Arbeit alles ausblenden, was in meinem Kopf vorging. Liam saß auf dem Teppich, spielte mit seinen Bauklötzen und seinem Spielzeughund, war glücklich zu Hause zu sein, und völlig sorglos. Ich beobachtete ihn voller Neid. Wie einfach das Leben war, wenn man jung war. Jemand kümmerte sich um einen, man wurde gefüttert und alle Erwachsenen vergötterten einen. Ein sorgloses Leben. Wie lange das her zu sein schien. Ich war im Alter von vierzehn Jahren gezwungen worden, für meine jüngeren Brüder die Mutterrolle zu übernehmen, als meine Mutter starb. Es schien, als hätte ich mich seitdem immer um andere Menschen gekümmert. Ich seufzte und fegte weiter den Teppich des Wohnzimmers, meine heftigen Hiebe wirbelten eine Staubwolke auf.

Der Himmel verdunkelte sich und mir wurde bewusst, dass ich Lebensmittel einkaufen sollte, ehe es wieder zu schneien begänne. Ich hatte Liam gerade in Wintermantel und Mütze eingepackt, als es an meiner Haustür klopfte und Sid und Gus dort standen. „Oh, du wolltest gerade rausgehen. Was für ein Glück, dass wir dich erwischt haben“, sagte Sid.

„Nur, um Vorräte zu kaufen. Die Regale sind nackt, sozusagen.“

„Wir sind gekommen, um auf Wiedersehen und frohe Weihnachten zu sagen“, sagte Gus. „Und um eure Geschenke zu bringen. Es würde viel mehr Spaß machen, euch dabei zuzusehen, wie ihr sie auspackt, aber du weißt, wir schenken sie mit Liebe.“ Sie reichte mir einen Sack, wie ihn der Weihnachtsmann auch benutzt hätte.

„Danke“, sagte ich. „Ich fühle mich schrecklich. Ich habe noch nicht einmal Geschenke für euch beide. Ich hatte geplant, meine Weihnachtseinkäufe in White Plains zu machen und euch dann ein Paket zu schicken.“

„Mach dir keine Sorgen deswegen“, sagte Sid. „Wir werden eine zweite Feier veranstalten, wenn wir zurück sind. Und heute ist Bridies letzter Schultag, denk dran. Sie weiß, dass sie heute Nachmittag nach der Schule zu dir nach Hause kommen soll.“ Sie beugte sich zu Liam hinunter. „Du sei ein guter Junge, Liam. Schauen wir mal, was der Weihnachtsmann dir bringt.“

„Wir müssen los. Die Droschke ist hier.“ Gus zog an ihrem Ärmel.

Ich half ihnen, ihre Koffer zum Hansom-Taxi zu tragen, winkte, als sie abfuhren, und brachte mein strahlendstes Lächeln zustande. Dann setzte ich Liam in seinen Kinderwagen und schob ihn über den verschneiten Gehweg zu den Geschäften in der Greenwich Avenue.

Backen. Ich sollte mit dem Backen für die Feiertage anfangen, sagte ich zu mir selbst, als ich eine gedankliche Liste machte. Aber ich konnte keinen Enthusiasmus aufbringen. War es wirklich den Aufwand wert, für vier Personen Hackfleisch für Pasteten-Füllungen zu machen? Und ich hatte nicht mal einen Weihnachtspudding gemacht. Ich wusste, dass der nicht Teil von Daniels Tradition war, aber er war ganz sicher Teil von meiner. Weihnachtspudding war ein Luxus, eine der wenigen besonderen Freuden, die wir auch zu Hause gehabt hatten. Das und einmal im Jahr Hühnchen oder Gans.

Ich machte mechanisch meine Einkäufe und stellte sicher, dass es an diesem Abend ein gutes Essen für Daniel geben würde. Ich würde Irish Stew machen, sein Leibgericht. Ich beschloss, für Trockenfrüchte, Gewürze und Mehl wiederzukommen, sobald ich mich zu Hause eingerichtet hatte. Es gab keinen Grund zur Eile. Es war noch fast eine Woche bis Weihnachten. Ich werde warten, bis Bridie hier ist, sagte ich zu mir. Es wird ihr Spaß machen, gemeinsam zu backen. Ich will, dass es ein Weihnachten wird, an das sie sich immer erinnert.