Mörder machen Fehler - S. Pomej - E-Book

Mörder machen Fehler E-Book

S. Pomej

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Beschreibung

Mörder sind auch nur Menschen und Menschen machen Fehler! Das gibt den Ermittlern die Chance, Mörder zu erwischen! Diese wichtige Aufgabe können die Leser mit dem Kommissar teilen und sich aufgrund von Fakten und Aussagen der Tatverdächtigen ein Bild vom Täter machen. Und zwar ohne Druck, der sonst immer auf dem polizeilichen Spürhund lastet und ihn oft in Depression oder Burnout treibt. Nebenbei erfahren Leser die morbide Stimmung in Wien und die Eigenart seiner Bewohner.

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Gewidmet meiner fleißigen Oma, die meinte: Je mehr sterben, desto besser der Film!

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Fall 1: Tödliche Trümpfe

Fall 2: Der tote Läufer

Fall 3: Der Tote aus Frankreich

Fall 4: Verleihnix!

Fall 5: Rau ist ratlos

Fall 6: Ein typisches Opfer

Fall 7: Kommissar Rau vs. die 3 Muskeltiere

Fall 8: Dreifach geschieden und tot

Fall 9: Tödlicher Flirt

Fall 10: Erfinder-Tod

Fall 11: Lieber tot als verheiratet

Fall 12: 4 Hochzeiter + 1 Mordfall

Fall 13: Auf Handtaschenjagd

Fall 14: Wer stirbt, verliert

Fall 15: Die Stimme des Todes

Fall 16: Wer früher stirbt

Fall 17: Der Enkel mit der Posaune

Fall 18: Blutiger Valentinstag

Fall 19: Mords-Zeugnis

Fall 20: Happy Mordsday!

Fall 21: Schön, aber blöd und tot

Fall 22: Katastrophales Karma

Fall 23: Mord am Ball

Fall 24: Date mit dem Tod

Fall 25: Tod im AKH

Fall 26: Menschen im Hotel

Fall 27: Freitag der 13

Fall 28: Der Irre

Fall 29: Mordsgenie

Fall 30: Unter die Autoren gekommen

Fall 31: Tod eines Geizhalses

Fall 32: Totalabsturz

Fall 33: Leichenfledderer

Fall 34: Ein SF-Fan klagt an

Fall 35: Mordscomic

Fall 36: Tödliche Tierversuche

Fall 37: Gefallener Detektiv

Fall 38: Der Sex-Trick

Fall 39: Ein Sprayer weniger

Fall 40: Todesschrei

Fall 41: SM-Mord

Fall 42: Mordsmieter

Fall 43: Tod im AMS

Fall 44: Schöne Leiche

Fall 45: Horrorurlaub

Fall 46: Massaker

Fall 47: Der Profikiller

Fall 48: Die tote Erbtante

Fall 49: Wer wirbt, stirbt

Fall 50: Wiener Brut

Fall 51: Ein Frauenkrimi

Fall 52: Mord nach Drehbuch

Fall 53: Spiel mal tot!

Fall 54: 2 Kugeln für Santa

Fall 55: Wer killte Paco?

Lösungen

Vorwort

Wer hat noch nicht in schwachen Stunden der Wut, Gier, Eifersucht oder Verzweiflung an Mord gedacht? „Homo homini lupus!“ pflegten schon die alten Lateiner zu sagen, was bedeutete: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Die Menschen werden oft leider erst erfinderisch, wenn es darum geht, einem anderen Schaden zuzufügen oder ihn gleich ins Jenseits zu befördern. Dabei trifft Heimtücke auf hohe Kreativität und perfide Sorgfalt auf Fleiß. Im morbiden Wien werden ebenso Mordpläne geschmiedet und ausgeführt wie überall auf der Welt. Nur Übereifer der Täter und Hartnäckigkeit der Ermittler führen oft zu einer beeindruckenden Kriminalstatistik inklusive einer Vielzahl gelöster Fälle. Kommissar Rau, ein lebenserfahrener gewiefter Fuchs mit Berufsethos und Ausdauer, lässt sich keine(n) Übeltäter(in) durch die Lappen gehen. Geschickt fragt er Verdächtige aus, ohne, dass sich diese verhört vorkommen und daher verplappert sich der eine oder die andere, ohne es selber zu merken. Der kluge Leser darf sich jedoch dabei ins Fäustchen lachen, wenn sich die Mörder(innen) verraten. Es gilt Details zusammenzufügen oder Zusammenhänge zu erkennen, um sich nachher auf die Schulter klopfen zu dürfen. Ja, manch ein(e) Leser(in) wird sich dann darüber klar werden, eigentlich den falschen Beruf ergriffen zu haben.

Fall 1: Tödliche Trümpfe

Wien, die Versuchsstation des Weltuntergangs – wie Karl Kraus einst scherzte – hat sich als Erfolgsmodell behaupten können. Es wiegt unglaubliche 42.000 Milliarden Tonnen, wie Forscher der Technischen Universität Wien errechnet haben, und bietet 23 wohlfeile Bezirke, in denen sich immer wieder Verbrechen abspielen, wie anderswo auch. Zum Beispiel im grünen Umland, welches sich zurzeit allerdings weiß präsentierte.

Der Polizist am Tatort war so hochgewachsen, dass Kommissar Rau sofort an die NBA dachte, obwohl er nur Spiele der NFL via Satellit verfolgte. Der Wienerwald bot den Anblick eines Wintermärchens: Bäume, Sträucher und Wege schienen mit weißem Zuckerguss überzogen worden zu sein, nur die Anwesenheit des Toten störte die Idylle. „Wer hat ihn gefunden?“

„Der Hund eines Anrainers beim Gassi-Gehen um 6Uhr33.“ antwortete der Hüne in Uniform. „Ich hab die Spurensicherung bereits verständigt, aber hier werden sie kaum verwertbare Spuren finden. Sehen Sie, womit er erschossen wurde.“ Aus der notdürftig vom Schnee befreiten Leiche ragte ein kahler Zweig. „Direkt von hinten durch den Schal in den Hals eingedrungen.“

Rau nickte. „Der Täter hat womöglich alles, was er brauchte, im Wald gefunden, außer dem Messer, mit dem er den Zweig anspitzte und die Schnur, mit dem er einen Ast zum Bogen spannte. Wissen wir, wie das Mordopfer hieß?“

„Ja, Karl Kork! Er trug seine Brieftasche noch bei sich mit 8.900 € darin.

Der Hundebesitzer vermutet, dass er an der wöchentlichen Poker-Runde seines Nachbarn teilgenommen hat. Ein gewisser Pek, Am Fuchsbüchel 7, zu Fuß keine 10 Minuten von hier.“

„Na, dann seh‘ ich mir diesen Pek mal an.“ verkündete Rau, schlug den Mantelkragen hoch und stapfte durch 20 cm frischgefallenes Winterweiß, welches alle brauchbaren Spuren verdeckte, zur friedlichen Wohn-Siedlung.

Er fühlte sich wie ein finnischer Landbriefträger, der eine Hiobsbotschaft im Gepäck trug. Vor Peks Gartenzaun standen ein Porsche, ein BMW und ein Mercedes. Im Garten befanden sich einige Stellen mit gelbem Schnee, jedoch ertönte auf Raus Klingeln an der Haustür der stattlichen Villa kein Hundegebell. Ein Herr im schwarzen Satin-Morgenmantel öffnete mit fragendem Blick.

„Guten Morgen, Herr Pek, kennen Sie einen Herrn Kork?“ fragte Rau mit ruhiger Stimme ohne den amtlichen Unterton.

„Sicher, der hat uns gestern eine Menge Geld abgeknöpft. Was ist mit ihm?“

„Er ist tot.“ erklärte Rau und zeigte automatisch seine Dienstmarke her.

„Oh-äh, kommen Sie rein, Herr Kommissar…äh?“

„Rau! Aber das ist nur mein Name, nicht meine Ermittlungsstil.“ scherzte er, eingedenk er Tatsache, dass Humor auch in solchen Fällen nie schaden konnte.

„Na, da bin ich ja beruhigt.“ meinte Pek, in dessen Vorzimmer ein verglaster, gut bestückter Gewehrschrank stand.

„Beachtlichen Fuhrpark haben Sie.“ bemerkte Rau im Vorbeigehen.

„Nicht doch, mein Skoda steht in der Garage, die Luxuswagen gehören meinen Poker-Kumpels.“

„Ach, die sind noch hier?“ wunderte sich Rau, der wusste, dass sich ein Mörder nach der Tat eigentlich so weit wie möglich vom Tatort verdünnisierte.

„Haben keine Eile, meiner Gastfreundschaft zu entfliehen. Ich stell' sie Ihnen vor.“ Triumphierend führte ihn Pek in seinen Salon, wo drei versiffte Gestalten mittleren Alters um einen runden Tisch mit Spielkarten herum lungerten. Die Zeitschrift Schöner Wohnen hätte für die Einrichtung wohl keinen Preis vergeben.

„Jungs, das ist Kommissar Rau mit einer Hiobsbotschaft. Unser neuer Kumpel Kork ist äh…?“ Ein fragender Blick zu Rau folgte.

„Erschossen worden.“ führte dieser den Satz zu Ende.

„Hähähä!“ lachte einer der drei laut auf.

„Was ist denn so komisch, Herrr….???“

„Mop! Ironie des Schicksals. Dort, wo er nun ist, nützt ihm unser Geld nix mehr!“

„Hat einer von Ihnen kurz nach Kork das Haus verlassen?“

„Wir mussten leider alle mal raus.“ klärte ihn Pek auf. „Da gestern die Wasserleitung einfror und die WC-Spülung versagte.“

„Hm. Sie haben sich im Garten erleichtert.“ wusste Rau.

„Exakt! Danach haben wir noch in meiner Küche einen kleinen Snack eingenommen und erst so um ein Uhr weiter gepokert.“

„Ich möchte mit jedem von Ihnen unter vier Augen reden. Kommen Sie, Herr Mop!“ forderte ihn Rau auf.

„Ich führe Sie in mein Büro im ersten Stock.“ kündigte Pek an und ging voraus. Mop setzte sich gleich an den Schreibtisch aus massiver Eiche, legte die Beine hoch und wisperte sofort nach Peks Abgang: „Ich war’s nicht!“

Rau umkreiste ihn, wobei er schon sein Notizbuch aus dem Mantel holte.

„Was sind Sie von Beruf?“

„Schriftsteller!“

„Das ist kein Beruf, sondern eine Behauptung. Oder leben Sie davon?“

„Nein, vom Geld meiner Frau. Sie hat drei Boutiquen in der City.“ gab Mop missmutig zu und ließ dabei seinen Unterkiefer sinken, was ihn älter aussehen ließ als einen Angehörigen der Generation Y.

„Was schreiben Sie? Krimis?“

„Wieder falsch! Science Fiction. Aber ich benutze ein Pseudonym: S.Pomej.

Mein letzter Roman heißt Zivilflug zum Zeitriss. Hab schon 39 Stück verkauft.“ ließ er nicht ohne Stolz verlauten.

„Oh, das ist aber nicht viel! Was könnte die niedrige Verkaufszahl verursachen?“ legte Rau den verbalen Finger in Mops offene Wunde, um ihn aus der Reserve zu locken. Er schaffte er meist, den Menschen etwas tiefer in die Seele zu blicken. Und meist handelte es sich um schwarze Seelen! „Der Umstand ein außergewöhnlicher Mensch zu sein! Die meisten Erfolgsautoren sind totaler 08/15-Durchschnitt. Daher können sie auch die Masse für sich begeistern. Bei mir spielt sich im Inneren viel Außergewöhnliches ab.“

„Apropos Spiel... Ihre Frau hat nix gegen Ihre Spielleidenschaft?“

„Das ist der Preis für die Liebe eines Künstlers! Hat mir auch einen Porsche geschenkt.“ grinste er du kratzte sich im Schritt.

„Kannten Sie das Opfer schon lange?“ fuhr Rau unbeeindruckt fort.

„Seit gestern. War ein gelinde gesagt undiplomatischer Mensch! Der ging schon sehr früh, so gegen 23 Uhr!“

„Deshalb hielten Sie ihn für undiplomatisch??“ wunderte sich Rau.

„Nein, aber weil er auf meine Frage, warum er so früh geht, antwortete: ich kann eure Visagen nicht länger ertragen!“ erklärte Mop mit verkniffenem Mund.

„In der Tat sehr undiplomatisch.“ pflichtete ihm Rau bei.

„Yeah, aber kein Grund, ihn umzubringen.“ fügte Mop hinzu. „Wenn ich schon wen kille, dann den Auswurf, der mir auf Amazon nur eine 2-Stern-Kritik verpasst hat! Der kurbelt meine Gewaltphantasien an!“

„Haben Sie die öfters?“ erkundigte sich Rau interessiert.

„Nur im Einvernehmen mit meiner Frau. Ich müsste jetzt mal wieder austreten!“

Der nächste Verdächtige stellte sich nach Mops Abgang vor: „Mein Name ist Lipp, ich bin Tierhändler. Meine Spezialität sind Exoten.“ Sein buntes Hemd hatte etwas von einem Papageien-Federkleid.

„Ach, führen Sie auch Pfeilgiftfrösche, deren Rückensekret Curare enthält?“

forschte Rau, der immer auf ein großes Allgemeinwissen zurückgreifen konnte.

„Klar! Wollen Sie welche? Lieferbar in-“

„Nein, kein Bedarf. Was hielten Sie von Herrn Kork?“

„Najaa, ein Meckerer. Unser Gastgeber ist ja passionierter Jäger…“

„Soo? Aber um den geht’s ja nun nicht!“

„Sie sagten, Kork wär erschossen worden und unser lieber Pek hat einen Schrank voll Gewehre unten stehen! Nicht, dass ich ihn verpetzen will, aber Kork mokierte sich über zwei Pumpguns darin, die ja verboten sind.“

„Danke für den Tipp. Welche Waffen bevorzugen Sie?“

„Ich? Meine kleinen grauen Zellen! Eigentlich wollte ich mir eine Pistole zulegen, bin aber leider durch den Psycho-Test gefallen. Weil dieser Psycho-Onkel null Humor hatte, ist wahrscheinlich von seinen bekloppten andern Patienten angesteckt worden und zuckte immer so komisch. Der fragte gleich zu Beginn: wofür brauchen’s denn eine Pistole? Und ich scherzte: ich will den Präsidenten umlegen! Das hat der Volltrottel wörtlich genommen! Aber für manche reicht die Zeit zwischen Pubertät und Demenz nicht aus, sich genügend Knowhow anzueignen -Entschuldigen’s, aber ich hab so einen trockenen Hals. Darf ich in die Küche gehen, mir ein Glas Wasser holen?“

Der Dritte aus der illustren Runde machte schon einen sehr verschlafenen Eindruck und nuschelte: „Ich bin Zink, Architekt, obwohl mich mein Papa lieber als Arzt gesehen hätte.“

„Weil man da mehr verdient?“ forschte Rau und setzte sich auf die Tischkante.

„Nee, er meinte: macht ein Architekt einen Fehler, steht der in der Landschaft für alle sichtbar herum. Macht ein Arzt einen Fehler, wird der begraben.“

„Ein gutes Argument. Was war Herr Kork?“

„Blöd! Blöd geboren, nur dazugelernt, wie man andre nervt und noch stolz auf seinen miesen Charakter. Der hat Unverschämtheit mit Ehrlichkeit verwechselt. Aber der Blöde hat’s Glück! Hat dauernd gewonnen. Entweder mit Bluff oder mit einem tollen Blatt!“

„Ich wollte seinen Beruf wissen.“ stellte Rau klar, notierte aber Zinks Worte.

„Ach sooo… Steuerberater. Ja genau, die haben doch viele Feinde.

Vielleicht sogar hier in der Siedlung. Die Nachbarn sehen doch, wer von hier weggeht. Da hat ihn einer umgelegt und das Geld kassiert!“ Ein breites Lächeln huschte über sein Pferdegesicht.

„Die Nachbarn konnten aber nicht sehen, dass er so viel Geld gewonnen hat.“

„Nein, aber Hass ist doch Motiv genug. Ich kannte ihn nur drei Stunden und hasste ihn schon. Erst hat er mir verboten zu rauchen, dann äußerte er sich negativ über mein After-Shave. Er sagte, das würde er echt nur für den After nehmen.“ Auf Raus kritischen Blick fügte er hinzu: „Aber ich bin ja ein friedlicher Mann! Sicher hat ihm ein unzufriedener Kunde aufgelauert.“

Rau tippte sich auf die Nase. „Nein-nein. Meine Intuition sagt mir: der Mörder ist hier im Haus.“

Pek machte auch schon einen müden Eindruck und gähnte: „Uaaah! Also ich lernte ihn im Zuge einiger Zahnarztbesuche kennen. Wir hatten zweimal denselben Termin und so kamen wir auf unsre gemeinsame Poker-Leidenschaft. Ich lud ihn dummerweise ein, denn ich konnte doch nicht wissen, was er für ein unangenehmer Mensch ist. Jemand, der sich anfangs von der Schokoladenseite zeigte, aber so gar nicht zu uns passt. Tut mir trotzdem leid, dass sein Besuch so fatal endete. Vielleicht war’s ja ein Unfall durch einen Wilderer.“

„Nein sicher nicht.“ beharrte Rau, der viel Erfahrung besaß.

„Aber welches Motiv sollten wir haben? Geld hat jeder von uns genug.“

„Es sind schon viele Leute wegen einer Lappalie ermordet worden.“

„Glauben Sie gar, einer von uns fühlte sich wegen Korks Glück in seiner Spielerehre gekränkt?“ Pek schüttelte den Kopf. „Die paar Tausender…“

„Wo stand eigentlich der Wagen von Kork?“

„In der Werkstätte. Er ist mit der Eisenbahn gekommen und wollte gestern schnell zum Bahnhof, um den Mitternachtszug noch zu erreichen.“

„Wussten das die andern auch?“

„Natürlich. Er hat doch noch von den Vorzügen der neuen Westbahn geschwärmt. Das einzige Lob aus seinem Mund. Sonst nur Kritik. Zu Mop sagte er beispielsweise, er sei ein Schundliterat.“

„Finden Sie das auch?“

„Ach, wissen Sie, es gibt Nicht-Trinker, Nicht-Raucher, Nicht-Tänzer, ich bin Nicht-Leser.“ bekannte Pek lächelnd. „Obwohl ich nicht zu den 860 Millionen Analphabeten gehöre und auch nicht zu den 850.000 bei uns, die keine 4Worte sinnerfassend lesen können!“

„Wie äußerte er sich über die andern?“ erkundigte sich Rau und ahnte nichts Gutes.

„Lipp bezeichnete er als Tierquäler, der Exoten qualvollen Reisestrapazen aussetzte, Zink als elenden Luftverpester, der Krebsgeschwüre verursacht-“

„Und Ihnen warf er vor, verbotene Pumpguns zu horten.“ klagte ihn Rau an.

„Ja, aber er hat mich nicht damit erpresst. Er motzte halt nur gern herum. Ich hab den Fehler gemacht, ihn nicht des Hauses zu verweisen, als er meine Gäste beleidigt hat. Je mehr man sich gefallen lässt, umso mehr nimmt sich der andere heraus!“ dozierte Pek. „Im Leben kriegt man alles zurückgezahlt, außer den guten Taten.“ Der letzte Satz klang verbittert und hallte etwas nach.

Schließlich sichtete Rau seine Notizen und ging dann zu den Verdächtigen in den Salon hinunter.

Mop hatte aus den Karten ein Häuschen gebaut. „Wann dürfen wir endlich gehen? Meine Frau macht sich sicher schon Sorgen.“

„Ich bin, Gott-sei-Dank, nicht verheiratet.“ erklärte Zink und verdrehte die Augen. „Will aber auch schon in mein Bett daheim.“

„Sie sind auf’m falschen Dampfer.“ lächelte Lipp. „Wir kennen uns alle ewig, keiner ist so eiskalt, einen andern zu erschießen.“

„Genau!“ empörte sich Zink. „Wir sind alle reich genug. Vielleicht haben nur ein paar Kinder Indianer gespielt.“

Mop zerstörte mit einer Handbewegung sein Kartenhaus. „Prüfen Sie doch unsre Kontoauszüge. Da sehen Sie, dass wir die paar Piepen nicht vermissen.“

„Yap, ich hab sogar noch einen großen Schein übrig, wollen Sie ihn sehen?“

erkundigte sich Lipp großspurig.

„Ist er denn überhaupt beraubt worden?“ wollte Pek wissen.

„Nein, er hat seinen Gewinn noch in der Börse und ich habe den Mörder in der Tasche!“

WER WAR ES???

Fall 2: Der tote Läufer

Der Albtraum aller Spurensicherer fiel in Form weißer Flocken vom Himmel auf den Tatort im Prater nahe einer Gartensiedlung. Eigentlich ein Ort der Ruhe, außer den üblichen Nachbarschaftsstreitigkeiten bezüglich Schneeräumung vorm Gartentor oder im Sommer des Rasenmäher-Terrors.

Kommissar Rau traf noch etwas verschlafen um halb acht Uhr ein und begrüßte den amtierenden Gerichtsmediziner mit „Hallo Pille!“ in Anspielung auf dessen Star-Trek-Fanatismus. Mürrisch wie immer kam der gleich zur Sache: „Männliche Leiche, circa 25-35, scheinbar ein Läufer, denn er hat nur einen Trainingsanzug und Turnschuhe an, keine Personaldokumente oder Schlüssel. Todeszeit mindestens vor einer Stunde, denn die Leichenstarre beginnt bereits. Todesursache ein Schlag auf die linke Schläfe, der zum Bruch der Augenhöhle führte. Durch die frische Schneedecke leider keine verwertbaren Spuren. Gefunden hat ihn ein Zettelverteiler vor circa 10 Minuten.“

„Interessant.“ meinte Rau und machte vom Gesicht des Toten ein Foto mit dem Handy. „So einen Todesfall hatte ich vor einigen Jahren am Golfplatz.“

„Kein Golfball in Sicht.“ sagte Pille und zeigte auf ein Zwetschken-großes Eisbällchen. „Aber ein einzelnes Graupelkorn.“

Rau guckte nach rechts auf eine kleine Anhöhe und kombinierte: „Wenn jemand nun einen Eisball in Golfballgröße von dort oben abgeschlagen hätte…“

„…dann wäre das genial, weil die Mordwaffe bzw. ein Teil davon dahinschmilzt ohne, dass er oder sie es vom Tatort beseitigen muss.“ fuhr Pille fort.

„Und außerdem ist so ein Ball im Tiefkühlfach leicht herzustellen. Alles, was der Mörder noch braucht, ist genügend Treffsicherheit! Ich nehme mir mal die Hausbesitzer der Gartensiedlung vor. Überall, wo Rauch aus den Kaminen aufsteigt, könnte der Täter wohnen.“ erkannte Rau und stapfte los.

Je näher er kam, umso mehr fühlte er sich von Blicken hinter den Gardinen verfolgt.

Bei Nummer 12 kläffte ein Schäfer und es öffnete ein Herr in den besten Jahren.

„Guten Morgen, Kripo!“ Rau zeigte seine Marke und trat automatisch ein.

„In der Nähe gab es einen Mordfall, Herr…?“

„Oh, wie bedauerlich! Mein Name ist Musil und mein Hund heißt Hasso! Wer ist es denn?“ fragte Musil in einem weißblauen Hausanzug und schloss hinter Rau die Haustür. „Doch nicht einer meiner Nachbarn? Obwohl, im Winter wohnen außer mir nur 3 Leute in winterfesten Häusern.“

Rau zeigte das Foto der Leiche und wartete auf eine Reaktion. „Neee, den kenn ich nicht. Bin grad beim Frühstücken, darf ich Ihnen auch schwarzen Kaffee anbieten? Milch ist leider sauer geworden, da mein Kühlschrank kaputt ist.“

„Nein danke. Spielen Sie Golf?“ fragte Rau und zeigte auf einige verstaubte Pokale im Wohnzimmerschrank.

„Neee, die Pokale bekam ich für den schönsten Blumengarten. Nur Minigolf spiel ich manchmal, weil meine Schwester eine Anlage in Donaustadt hat.

Da kann ich gratis spielen.“ Bedächtig setzte er sich an einen gedeckten Tisch und überlegte kurz, ehe er weitersprach. „So eine Mitgliedschaft im Golfclub ist ja sauteuer. Bitte, die 50.000 €, die man dort als Entree ablegen muss, hat zwar jeder von uns im rechten Hosensack, aber der Bentley, mit dem man dort standesgemäß vorfahren muss, übersteigt meine Barschaft.

Wissen Sie, was ich glaube? Armut ist gewollt, weil sie dazu führt, dass es immer jemanden gibt, der dann die Drecksarbeit billiger macht!“ meinte er sarkastisch, während er sich eine Zigarette anzündete.

„Müssen Sie noch arbeiten?“ erkundigte sich Rau.

„Äh…neee, aber ich hab bis 65 geschuftet wie ein Esel, dem man mal die Karotte und mal den Prügel vor die Nase hält!“ stellte er bitter fest und hustete.

„Spreche Anerkennung aus.“

„Danke, davon bekam ich leider nie viel. Früher hat man die Leute mit Religion kontrolliert, heute mit Facebook. Da lassen sich die Leute freiwillig kontrollieren und geben Intimstes preis und hoffen nur darauf, dass jemand Notiz von ihnen nimmt und ihnen Anerkennung zollt. Arme Hunde!“

gestand er mit Blick auf Hasso und blies Rauchringe in die Luft.

„Dann will ich nicht länger stören.“ sagte Rau, der eingefleischter Nichtraucher war, bei sich denkend: an dem ist ein Philosoph verloren gegangen.

Der Mann auf Nummer 16 stellte sich als Benno Bush vor, neben ihm bellte ein Dackel so lange, bis er „AUS!“ brüllte. Rau sah sich im gediegen möblierten Wohnzimmer um, während sich Bush, der einen schwarzen Frotteemantel trug, kurz entschuldigte- scheinbar suchte er das Bad auf.

Auf dem Tisch lagen ein Kugelschreiber und eine Beileidskarte. Rau las den Text: Wieder markiert der Erdumlauf den Zeitpunkt, wo du tauchtest auf, in der öden Weltgeschichte und machtest mein Leben zunichte!

„Geburtstagsgruß an meine Exfrau!“ erklärte Bush, der nun ein weißes Hemd und eine braune Hose anhatte, allerdings trotzdem nur das Charisma einer langen Unterhose verströmte. Sein grauer Bürstenhaarschnitt ließ ihn wie einen Igel wirken. Er griff sich ein Buch aus einem Karton und warf es schwungvoll in den brennenden Kamin.

„Ach, Sie verheizen schon Ihre Bibliothek?“ fragte Rau erstaunt.

„Nein. Das hat mir meine Ex übrig gelassen. Die gelesenen Liebesromane und Hugo!“ erklärte er, wobei er auf den Dackel zeigte. „Ich hab mal in einer Villa im Nobelbezirk gewohnt und nun muss ich in einer elenden Gartenlaube hausen!“ beschwerte er sich und setzte sich müde.

„Spielen Sie Golf?“ forschte Rau.

„Machen Sie Witze? Ja, früher mal, aber heute…selbst die Schläger hat meine gierige Alte versteigern lassen.“

Rau zeigte neben den Kamin. „Aber der Schürhaken da sieht aus wie ein Golfschläger!“

„Ja, aber es ist keiner! Damit könnte ich keinen Blumentopf gewinnen.“

„Was war denn Ihr Handicap?“

„Hab ich vergessen! Was wollen Sie eigentlich von mir?“ bellte Bush.

„In der Nähe der Siedlung fand man diese Leiche!“ bellte Rau zurück und zeigte Bush das Foto. „Kennen Sie den Mann?“

„Hmmm, ja das ist der Irre, der morgens immer durch unsre Laube läuft und die Hunde aufweckt. Seit einem halben Jahr, obwohl ich ihn gebeten habe, seine Route zu ändern oder später zu laufen, läuft dieser Freak immer um 6 Uhr früh und weckt uns durch das Gekläff unserer besten Freunde auf! Mein Nachbar, der auf Nummer 12, hat sich auch schon bei mir drüber beschwert.“

„So? War er so wütend, dass er den lästigen Läufer hätte töten können?“

fragte Rau.

„Jawoll! Obwohl er gebrechlich aussieht, kann der noch selber Holz hacken.

Ich glaub, den hat Reemtsma nachgebaut, um den Rauchern zu zeigen, dass man auch nach 45 Jahren Nikotinmissbrauch noch Leistung bringen kann!“

zischte er. „Und der Nachbar auf Nummer 18, der sonst immer hier überwintert, ist gestern wieder in seine Wohnung gezogen, damit er heut nicht schon wieder wachgebellt wird. Aber wer weiß, vielleicht ist er auch hiergeblieben und hat den miesen Penner erledigt! Oder er ist nach der Tat gleich getürmt, hähä!“

Auf Nummer 18 öffnete keiner und auch aus dem Kamin stieg kein Rauch auf.

Die Dame auf Nummer 19 begrüßte Rau sehr freundlich und bat ihn in ihr gemütlich ausgestattetes Häuschen. Sie stellte sich als Frau Cos vor und hatte keinen Hund, dafür 2 Angorakatzen namens Mizzi und Luna. Den toten Läufer, dessen Foto ihr Rau präsentierte, hatte sie nach eigenen Angaben noch nie zuvor gesehen. An der Wand ihres Wohnzimmers sah sich Rau unzählige Zeitungsausschnitte an, die alle vom Krieg berichteten.

„Ich sammle alles, was der Mensch so anrichtet.“ erklärte sie und setzte sich auf ihre Couch. Sie hatte ein bauschiges Gesicht und trug ein buntes Strickensemble. „Eine einzige Kriegsgeschichte. Ich war nämlich mal Soziologin. Krieg ist immer, wenn Leute die sich nicht kennen, aufeinander schießen, auf Befehl von Leuten, die sich sehr gut kennen!“

„Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, dass der Frieden nicht viel weniger tödlich ist, als der Krieg.“ meinte Rau und überflog die Ausschnitte.

„Das ist es ja, egal ob Frieden oder Krieg, es wird bei jeder Gelegenheit getötet. Der Mensch ist eine Bestie!“

Rau nickte und wandte sich ihr wieder zu. „Aber müssen die Guten im Kampf gegen die Bösen nicht auch mal böse sein?“

„Na, Sie sind mir ja ein schräger Vogel!“ ätzte sie. „So wie Steinwerfer bei einer Friedensdemo!“

„Sind Sie auch schon frühmorgens so gegen 6 wachgebellt worden, von den Hunden Ihrer Nachbarn?“

„Nein. Ich trage ja Kopfhörer gegen nachbarschaftlichen Lärmterror.“

erklärte sie munter und zeigte ihm ein Paar altmodische blaue Kopfhörer.

„Und damit können Sie schlafen? Wenn Sie auf der Seite liegen, dann…“

„Ich schlafe nur mehr auf dem Rücken, weil auf der Seite verknautscht man sich ja das Gesicht!“

„Das heißt SIE hat der Jogger um 6 Uhr früh nicht gestört?“

„Nein, den kenn ich nur von den Beschwerden meiner Nachbarn Musil und Bush. - Ach, war das der bedauernswerte Junge auf Ihrem Foto?“

Wieder nickte Rau und fragte: „Hm, wohnt sonst noch jemand hier im Winter in der Gartensiedlung, außer den Herren auf Nummer 12, 16 und 18?“

„Nein, die andern haben ja alle nur Sommerhäuser. Jetzt wollen Sie sicher meine Meinung hören, wer es gewesen sein könnte?“ mutmaßte sie.

„Vielen Dank, aber ich hab schon einen ganz heißen Kandidaten!“

WEN?

Fall 3: Der Tote aus Frankreich

Kaum, dass Rau sein Büro betreten hatte, klingelte auch schon sein Telefon und am andern Ende meldete sich sein Vorgesetzter, Oberst Braunsteidl: „Guten Morgen, mein Lieber! Pünktlich wie die Uhr! Kommen Sie doch einen Sprung in mein Büro!“

Dort angekommen, drückte ihm der Oberst die Hand, als würde er ihm gleich einen Orden verleihen. „Gute Arbeit! Ich wollte, ich hätte mehr von Ihrer Sorte in meiner Abteilung.“

Oje, dachte Rau, Lob aus diesem Mund bedeutet oft Mehrarbeit! „Jetzt habe ich ein Attentat auf Sie! Nun schauen Sie doch nicht gleich so erschlagen drein. Es handelt sich um Arbeitserleichterung! Sie bekommen einen tüchtigen Assistenten beigestellt. Eine große Hilfe. Ist übrigens der Neffe eines Ministers, aber das soll nicht heißen, dass Sie Jumbi schonen müssen. Ich sage es Ihnen nur der Vollständigkeit halber. Und falls Sie, wie ich Sie kenne, einen Blick in seine Personalakte werfen. Jedenfalls betrachten Sie ihn nicht als Protektionskind. Er hat sich seine Familie so wenig ausgesucht, wie Sie und ich. Das wär’s! Viel Glück noch!“

Der frischgebackene Kriminalassistent Jurek Bimski schlummerte noch selig in seiner Garconnière den Schlaf des Gerechten, als er von wildem Geigengefiedel aufgeweckt wurde. Erbost sprang er aus seinem Schweden-Bett und zog sich den Morgenmantel an, um dem lauten Nachbarn Bescheid zu stoßen. Wie er wusste, spielte sich dieser ab und an einige Knoten aus der Seele. Grade, als er die Wohnung verlassen wollte, läutete sein Handy und erwartungsgemäß war Kommissar Rau, sein neuer Chef, an der Strippe: „Aufwachen Jumbi, es gibt Arbeit für uns!“

Der Tatort, ein Billard-Café, das 24 Stunden offen hatte, bildete ein ödes Bild von Zerstörung. Zwischen zerschlagenen Bierkrügeln und zerbrochenen Queues lag ein männlicher Leichnam und ein 1,90-Meter-Mann säuselte: „Wirklich, Herr Kommissar, ich sage Ihnen, der brach ganz ohne unsere Teilnahme zusammen. Schauen Sie sich doch sein unversehrtes Gesichtchen an!“

„Das haben Sie mir schon dreimal erklärt, doch mir fehlt der Glaube.“

meinte Rau und begrüßte Jumbi wenig herzlich: „Unser Klient heißt Jürgen Byussy und stammt laut seinem Pass aus Frankreich.“

„Und er ist so dick wie der Depardieu!“ fügte der Hüne hinzu. „Der hat ganz klar einen Herzkasperl erlitten. Leider mitten in unserer kleinen Auseinandersetzung.“

„Darum kommt mir der so bekannt vor.“ sagte Jumbi und besah ihn sich genauer. „In der Zeitung stand, dass 20 Morde pro Jahr übersehen werden.

Vor allem Giftmorde.“

Inzwischen war auch der Gerichtsmediziner Meinrad Matz vulgo ‚Pille‘ samt Spurensicherungs-Team aufgetaucht und nahm die amtliche Ermittlung auf. Rau und Jumbi blätterten in den Ausweisen des Toten, der davon gleich 3 Stück hatte, alle mit demselben Foto, aber unterschiedlichen Namen.

„Immerhin ist er stets Franzose geblieben.“ stellte Rau fest. „Einmal hieß er Byussy, dann De Busic und dann wieder Demarmel. Aber unter dem Namen Byussy hatte er auch einen Führerschein.“

„Hier auf dieser kleinen Karte steht sogar die Adresse.“ meinte Jumbi. „Toll, der wohnt praktisch gleich bei mir um die Ecke. Kommen Sie, Herr Kommissar, ich fahr Sie in meinem Wagen hin.“

„Sicher ein Geschenk Ihres Herrn Onkel!“ konnte sich Rau einen Seitenhieb auf Jumbis hochwohlgeborene Herkunft nicht verkneifen.

„Sie können ruhig du zu mir sagen, Herr Kommissar!“ ermunterte ihn dieser.

In der kleinen Wohnung des Franzosen im 5. Bezirk, in einem Wohnhaus, dessen Fassade bereits bröckelte, herrschte spartanische Strenge. Außer einem Schrank, einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl gab es de facto keine Möbel und die Tapeten an dürften auch länger nicht erneuert worden sein. Darauf klebte ein Poster von Rory Gallagher, welcher schon 20 Jahre tot war. Im Bad befanden sich eine Dusche, ein Waschbecken und ein Bidet.

„Das kenn ich aus dem Urlaub!“ fiel Jumbi ein. „In Frankreich gibt’s in den miesesten Hotels im Bad ein Bidet und aufs Klo muss man dann auf den Gang gehen.“

„Das Klo ist sicher hinter dieser Tür.“ vermutete Rau und öffnete eine kleine Tür neben der Eingangspforte. „Aha, ziemlich sauber war er, riecht nach Limonen.“

Jumbi hebelte gleich den Wassertank des Klosetts auf und fand eine Faustfeuerwaffe auf den Deckel geklebt. „Da schau her! Das sieht mir ganz nach Berufskiller aus und in der Klomuschel sind noch Brandrückstände. Da hat er sicher das Bild seines Opfers verbrannt.“

„Ach, wir sind doch hier nicht in einem billigen Ami-Krimi. Der wollte hier nur ins Nachtleben groß einsteigen und ist bei der Übernahme gescheitert.“

überlegte Rau. „Vielleicht war dieses Billard-Café nur eine Tarnung für ein Bordell. Und unser Franzmann –„ „Das bezweifle ich, denn in dem Café war ich auch schon einige Male spielen. Keine Frau wagt sich dorthin. Da sind die Machos ganz unter sich.“

erklärte Jumbi und untersuchte die Waffe mit behandschuhten Händen näher. „Frisch geputzt, mit allen Patronen schussbereit. Wer weiß, vielleicht hatte er die nur zum Schutz vor Einbrechern.“

„Aber was gibt’s hier zu stehlen?“ fragte Rau und sah sich genau um. Unter dem Bett wurde er fündig. Ein Laptop der neuesten Generation lag dort zusammen mit einem Bündel 500-Euro Scheinen. „Der hatte doch etwas vor.“

Wie auf’s Stichwort läutete ein Handy mit der Melodie der Marseillaise und nach kurzem Suchen fanden sie es im Schrank unter den weißen Hemden versteckt. „Oui?“ meldete sich Jumbi und lauschte, wobei er auch Rau mithören ließ.

„Mann, wo stecken Sie denn, meine Alte ist gerade weggefahren! Wenn Sie sich nicht beeilen, erwischen Sie sie nie rechtzeitig!“ keuchte eine Männerstimme aufgeregt ins Telefon. Jumbi schaltete schnell und mit französischem Akzent forschte er: „Nur zur Schicherheit, wie lautet dasch Kennzeichen?“

„Mausi 69!“ schrie der Mann und pöbelte weiter: „Was soll das? Wollen Sie mich prüfen? Ich bin sicher nicht von den Flics! Also los jetzt, oder ich hol mir die Anzahlung wieder zurück!“ Damit endete das aufschlussreiche Gespräch.

Mit einem Anruf war die Besitzerin des Kennzeichens schnell ausgeforscht und konnte als Marita Benzu, Besitzerin eines gut besuchten Fitness-Centers nur für Damen im ersten Bezirk, identifiziert werden. Rau und sein eifriger Assistent besuchten sie dort und fanden eine attraktive Dame mittleren Alters vor, die auf die Anschuldigungen gegen ihren Gatten nur lachen konnte. „Also meine Herren, ich bin glücklich verheiratet und werde täglich von meinem Mann mit einem Bussi verabschiedet.“

„Das ist schön, aber dass Ihr Mann einen Franzosen namens Bussi-äh Byussy auf Sie angesetzt hat, weniger!“ sagte Jumbi.

„Ach, ein Franzose? Dann könnte es sich um meinen Ex-Mann handeln, denn der machte mir bei der Scheidung erhebliche Schwierigkeiten.“

flüsterte sie und wurde plötzlich ganz weiß im auf Sonnenbräune geschminkten Gesicht. „Er ist voller Heimtücke und rief mir immer wieder ins Gedächtnis, dass ich vor Gott immer noch mit ihm verheiratet sei. Ein richtiger Wirrkopf!“

„Gut, das schränkt unsern Aktionsradius zumindest auf 2 Personen ein.“

stellte Rau fest. „Denn es ist oft so wie in Filmen: manchmal ist der Schuldige jener, welcher nicht verdächtigt wird.“

Zuerst nahmen sich Rau und Jumbi den aktuellen Mann der Dame vor, einen Herrn Zoran Benzu, wohnhaft in der ehelichen Wohnung eine Straße weiter, der sich die Anschuldigung ruhig anhörte, während er breitbeinig in einem Ledersessel saß. „Ich verstehe, dass unter solchen Umständen ich in Verdacht gerate, aber, wenn ich Sie recht verstanden habe, dann haben Sie ja mit dem Auftraggeber telefoniert, also müssten Sie meine Stimme wieder erkennen.“ verkündete er und strich sich über den gezwirbelten Oberlippenbart. Er machte den Eindruck eines eingebildeten Gecks.

Jumbi überlegt und sagte dann: „Naja, der Mann am Telefon keuchte so komisch.“ Rau nickte zustimmend.

„Wahrscheinlich hat er Asthma!“ lächelte Zoran und lehnte sich entspannt zurück. „Wenn ich Ihnen raten darf, dann suchen Sie den Ex meiner Gattin auf. Er heißt Georg Mantilly und wohnt nahe Schönbrunn. Hier ist seine Karte, er ist Vertreter für Kosmetika und reist zwar oft nach Frankreich, aber ich bin mir fast sicher, dass er zur Zeit in Wien ist.“

Mantilly, der in einer schönen Mansardenwohnung mit Ausblick auf Schloss Schönbrunn logierte, hörte sich ebenfalls alles ruhig an und meinte dann aufgeregt: „Das ist ein Komplott, der neue Mann meiner Frau macht mir das Leben schwer, er hat mir schon einige Schläger geschickt, die ich nur mit Müh und Not abwehren konnte. Zum Glück kann ich Karate! Sogar er selber hat mich schon angegriffen! Er joggt nämlich täglich, ist gern hier unterwegs und hat mich dabei einmal bei meinem Morgen-Spaziergang erwischt. Mon Dieu, was für ein Filou!“ Beim letzten Wort gestikulierte er eindeutig.

Rau sah Jumbi kopfschüttelnd an und dieser erwiderte: „Tja, eigentlich kommt mir seine Stimme auch nicht bekannt vor. Aber ich glaube, ich weiß jetzt, warum die Stimme am Telefon so gekeucht hat.“

WARUM?

Fall 4: Verleihnix!

Nacht über Wien. Kommissar Rau stand am Fenster seiner Mietwohnung in Oberlaa im 3. Stock und guckte sich die dunkle Luft an. Nach Dienstschluss endlich Ruhe. Doch plötzlich klopfte es zaghaft an seiner Tür. Mürrisch öffnete er und vor ihm zitterte Frau Pink, die älteste Nachbarin im Haus, auf einen Gehstock gestützt.

„Entschuldigen Sie die späte Störung“, krächzte sie, „aber Herr Fink ist tot!“

„Ach? Haben Sie die Polizei schon gerufen?“ fragte Rau.

„Ja, ich rufe Sie hiermit zur Klärung des Falles!“ meinte sie und humpelte ihm schon voran Richtung Tür des Finks im selben Stockwerk. Sie trug die gleiche Frisur wie die Queen und war in einen braunen Wollmantel gehüllt.

„Ich wollte bei ihm läuten, aber die Tür war nur angelehnt, da bin ich rein und erblickte ihn blutüberströmt am Boden im Vorzimmer liegend. Ich hab ihn nur ganz kurz mit meinem Stock angestupst, aber er war mausetot und rührte sich nimmer.“

Tatsächlich konnte sich Rau davon überzeugen, dass sein Nachbar nicht mehr unter den Lebenden weilte. Er lag auf dem Bauch, eine große Wunde auf dem Hinterkopf und neben ihm lag ein Nussknacker. So ein großer in Form eines englischen Wachsoldaten. Ganz offensichtlich war er damit erschlagen worden. Rau fühlte seinen Puls. „Er ist noch warm, es kann noch nicht lang her sein, dass man ihm den Schädel eingeschlagen hat. Was wollten Sie denn von ihm?“

„Nur meine Heizdecke. Die hab ich ihm vorigen Monat geliehen, als bei ihm die Heizung ausgefallen war. Nun ist es bei mir eiskalt und ich bräuchte sie wieder.“

„Aber Frau Pink, wie konnten Sie dem etwas leihen? Hat es sich nicht bis zu Ihnen rumgesprochen, dass Herr Fink sich immer etwas ausleiht und nie zurückgibt? Ich lieh ihm vor einem Jahr bei seinem Einzug meine Leiter und sah sie seither nicht mehr!“ erklärte ihr Rau und sah sich dabei in der Wohnung um.

„Jaja, aber er hat mir so leidgetan. Und ich bin sicher, wenn er noch gelebt hätte, hätte er mir meine Decke wiedergegeb- oh da ist sie ja!“ rief sie aus.

Sie war Rau in die Küche gefolgt und wollte ihr Eigentum, welches auf dem klapprigen Küchenstuhl lag, wieder an sich nehmen.“

„Halt! Das muss erst die Spurensicherung untersuchen!“ mahnte er.

„Och, mir ist aber so kalt, er ist ja nicht damit erwürgt worden. Bitte!“

„Also gut!“ ließ er sich überreden und gab ihr die Decke, nachdem er den Stecker abgezogen hatte. „Haben Sie jemanden im Stiegenhaus gesehen oder gehört, als sie zu ihm gingen?“

„Nein, aber meine Augen und Ohren sind leider nicht mehr die besten.“

gestand sie und machte sich mit der Decke davon. „Sie lösen den Fall schon!“

Na toll, dachte Rau, aber es ist möglich, dass sich der Mörder verplappert, wie schon so oft, wenn ich ihm auf den Zahn fühle. Der erste Nachbar, der infrage kam, lebte einen Stock tiefer und hieß Rimmel. Er öffnete im Jogginganzug: „Ja?- Oh, die liebe Polizei in Zivil.“

„Guten Abend, Herr Rimmel! Schlechte Nachricht, unser Nachbar Fink ist tot!“

„Und das nennen Sie eine schlechte Nachricht? Da hab ich ja gute Chancen, endlich meinen Dampfreiniger zurückzubekommen.“ stellte er erfreut fest.

„Der Vogel hieß zwar Fink, war aber eine diebische Elster! Wie ist er denn umgekommen?“

„Gewissermaßen Amtsgeheimnis!“ sagte Rau. „Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?“

„Heute vor 2 Stunden. Da hab ich ihn erwischt, wie er im Parterre bei den Postkästen rumhantiert hat. Es sah so aus, als wollte er was rausfischen.

Wahrscheinlich die Weihnachtskarten, in denen er Geld vermutet hat, das gierige Schwein!“

„Bitte etwas mehr Pietät, der Mann ist schließlich noch nicht lange tot!“

mahnte Rau. „Außerdem hat er vielleicht in seinem eigenen Fach die Post entnehmen wollen, weil er den Postkasten-Schlüssel vergessen hatte.“

„Falsch, Herr Kommissar! Er wohnt ja über mir, also hat er sein Fach unten.

Verstehen Sie? Und er war mit seinen Giftfingern in einem der oberen Fächer. Zum Glück nicht in meinem, sonst hätte ich ihn-“ hier stockte er.

„Jaaa? Was hätten Sie ihn?“

„Zur Rede gestellt. Aber als er mich sah, lief er gleich wieder die Treppe rauf, als sei der Teufel hinter ihm her. Und mehr weiß ich nicht!“

Gleich neben Rimmel wohnte Frau Klug und wunderte sich über Raus Besuch: „Nanu, der ehrenwerte Herr Nachbar. Was wollen Sie denn?“ Sie trug Lockenwickler und einen bunten Schlafrock, der nach Patschuli roch.

„Ihnen traurige Nachricht geben. Herr Fink ist tot.“

„Aha, das heißt, ich muss meine geliehenen Sachen dann bei der Verlassenschaft anmelden. Ach, wo ich eh so in Not bin. Als Arbeitslose hat man es nicht leicht und dieser Trottel hat einmal mir gegenüber erwähnt, dass sich Arbeitslose in der sozialen Hängematte suhlen. So ein Idiot! Hängematte, pah, es fühlt sich eher an wie ein Strick um den Hals, den das Scheiß-AMS immer enger zieht! Dort sitzen menschliche Schnecken auf ihrem fetten Arsch, reden nur Scheiße und sollten ihr Gehalt in einer Geschenkbox kriegen!“

„Jaja, das tut mir sehr leid für Sie, aber-“

„Die Amis haben 12 Männer auf den Mond geschossen, warum nicht alle?“

„Frau Klug, bitte, bleiben Sie sachlich und sagen Sie mir, wann Sie den Toten zuletzt lebend gesehen haben.“ unterbrach sie Rau, während er die Augen rollte.

„Was weiß ich…äh- heute vormittags, glaub ich, ja, weil ich da einkaufen ging und da sah ich ihn, wie er in den Keller ging. Wann krieg ich jetzt meine Sachen zurück? Ein Ladegerät fürs Handy und etliche Werkzeuge wie Hammer, Schraubenzieher und ja, eine Küchenmaschine hat mir der Nassauer auch abgeschwatzt, mit dem Versprechen, dass ich’s in einer Stunde wieder hab‘!“

„Ich werde bald den Mörder haben!“ verabschiedete sich Rau und klopfte an die Tür des Frührentners Weller, um ihn über den Todesfall zu informieren.

„Tot? Hat ihn der Schlag getroffen?“ fragte der lachend.

„Wie kommen Sie denn darauf?“ forschte Rau mit verengten Augen.

„Na, weil er heut Vormittag wie ein Wilder die Stiegen raufgerannt ist. Und ich frag ihn im Vorbeilaufen noch: Na, du Vogel, wann gibst du mir endlich meine Kaffeemaschine zurück? Aber unser Verleihnix hat kein Ohrwaschel gerührt. Dort, wo er jetzt ist, braucht er ja keinen Kaffee. Wahrscheinlich hat er sich sogar schon einen Sarg ausgeliehen, hähä!“ Als Rau nicht mitlachte, fügte er noch hinzu: „Naja, man kann über alles lachen, nur nicht mit jedem! Haben Sie schon die Frühpension beantragt?“

„Nein. Ich fühle mich noch topfit!“ rief Rau aus und streckte die Brust raus.

„Das wird sich bald ändern. Ging mir auch so. Heut noch fit und morgen kaputt! Wer weiß kriegen Sie noch eine Rente, wenn Sie bis 65, 67 rackern müssen oder gleich bis zum Umfallen, was? Aber Pension muss man religiös sehen: dran glauben, mehr ist da nicht, hähä!“ Höhnisches Lachen begleitete Raus Abgang.

Der nächste auf Raus persönlicher Verdächtigen-Liste war Herr Peka im Erdgeschoß, der sich bei jedem Gespräch mit Rau über Fink beschwert hatte, weil ihm der seinen Staubsauger noch nicht rückerstattet hatte. Er öffnete in einem gelben Frottee-Bademantel. „Ah, Sie sind es.“

„Abend! Ich mach‘s kurz: Herr Fink ist tot.“

„Wundert mich nicht. Heut laufen Jupiter und Uranus retour. Das bedeutet unangenehme Überraschungen.“ erklärte Peka, der Astrologe war, aber nicht sonderlich gut damit verdiente. „Wissen Sie schon, wer ihn auf dem Gewissen hat?“

„Ich hab gar nicht gesagt, dass er ermordet wurde.“ stellte Rau fest.

„Warum sonst sollten Sie zu mir kommen? Um mich nach meinen Wünschen ans Christkind zu fragen? Klar hat denn einer kaltgemacht, weil er nie etwas zurückgegeben hat. Meinen Staubsauger-“

„Jaja, aber ich will wissen, wann Sie zuletzt mit ihm gestritten hatten?“

versuchte ihn Rau aus der Reserve zu locken.

„Wer sagt, dass ich mit ihm gestritten habe? Vielleicht die blöde Klug, das faule Luder?“ erkundigte sich Peka. „Natürlich. Die stand oben, als Fink zu mir in den Keller runterkam. Also nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich sein Abteil durchsucht habe, weil ich nur meinen Staubsauger zurückwollte. Da kam er und brüllte mich an, dass ich ihn bestehlen will, der blöde Hund!“

„Aha, und was taten Sie dann?“

„Dann bin ich wieder zurück in meine Wohnung. Im Keller hat der nur einen kaputten Dampfreiniger gehabt. Das heißt, mein Staubsauger ist noch in seiner Wohnung!“

„Hm, der Dampfreiniger ist vom Rimmel, den werde ich nochmal besuchen.“ kündigte Rau an.

„Ja, und ich komm mit!“ meinte Peka und eilte hinter Rau die Stufen empor.

An Rimmels Tür stand schon Frau Klug im Gespräch mit ihm. Mit ihrer schrillen Stimme keifte sie: „Der eingebildete Rau glaubt, er kann den Mörder entlarven. Pah, aber Optimismus ist ja das Ergebnis intellektueller Defizite.“

Beide verstummten, als Rau mit Peka auftauchte und Rimmel höhnte sofort: „Na, haben Sie sich einen neuen Assi angelacht?“

„Pah, besser einen Azubi, würd ich sagen!“ fügte Frau Klug hinzu.

Rau rief alle zur Ordnung. „Ich komme langsam dem Grund des Mordes nahe. Es scheint so zu sein, dass jemand Herrn Fink den Tipp gab, sich im Keller umzusehen, weil da jemand sein Abteil aufbrach!“

„Ja genau, so war es!“ erkannte Peka. „Das muss mit dem Mord in Zusammenhang stehen.“

„Wieso?“ fragte Rimmel. „Ist er im Keller hingerichtet worden?“

„Nein! Er wurde in seiner Wohnung erschlagen.“ verplapperte sich Rau und hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen.

„Sicher mit meinem Hammer!“ vermutete Frau Klug. „Von Ihnen, Sie lahmer Sterngucker! Sie haben mir versprochen, dass 2014 mein Jahr wird.

Aber ich hab immer noch keinen Job!“

„Und das vor Weihnachten!" erinnerte Rimmel.

„Sie Niete!" brüllte Frau Klug und trat Peka gegen sein Schienbein. „Sie waren's!" Peka schubste sie kurz wütend und schrie: „Nein, ich hab ihn nicht erschlagen!“

„Doch und zwar feig von hinten!“ plärrte Frau Klug.

„Hört doch auf, das bringt doch nix. Der Verleihnix ist tot und wir müssen uns jetzt beim Anwalt auf einer Liste eintragen lassen!“ sagte Rimmel.

„Das dauert ja so lang!" seufzte Frau Klug.

„Ich will meinen Staubsauger aber gleich haben!“ forderte Peka lautstark.

„Ruhe bitte!“ rief Frau Pink von oben runter. „Sie schreien ja so, dass sogar ich halbtaube Person nicht in Ruhe schlafen kann!“

„Gleich kehrt Ruhe ein, Frau Pink!“ beruhigte sie Rau. „Denn ich habe soeben den Fall gelöst!“

WER WAR ES?

Fall 5: Rau ist ratlos

Kommissar Rau versuchte grade mit 2 Fingern ungelenk am Computer den Bericht über den letzten Mordfall fertigzustellen und ärgerte sich, dass weder seine Sekretärin noch sein Assistent gesund bei ihm weilten. Er sah sich mehr als Spürhund denn als Schreibtischhengst, außerdem fingen die schwarzen Buchstaben auf der weißen Word-Fläche wie Ameisen zu tanzen an. Genervt schloss er die Augen und lehnte sich zurück, als plötzlich eine Stimme hinter ihm vorwurfsvoll fragte: „Stör ich beim Büroschlaf?“

Erschrocken fuhr er herum und erblickte eine ältere Dame, die ihn an Miss Ellie aus der TV-Serie Dallas erinnerte. „Nein, äh-ich hab Sie gar nicht klopfen hören!“

„Ich hab auch nicht angeklopft, weil ich unverzüglich einen tüchtigen Kommissar brauche, der meinen Nachbarn aufspürt.“ sprudelte sie Worte wie Kohlensäureblasen in Sodawasser hervor. „Herr Grippig war seit 3 Tagen nicht mehr in seiner Wohnung, die genau an meine im Gemeindebau grenzt - sonst hör ich jede Bewegung von ihm, aber seit vorvorgestern ist Totenstille. Sicher hat ihn einer umgebracht, denn er ist ein Erfinder und erzählte mir mal, dass ein ehemaliger Nachbar sogar eine seiner Erfindungen gestohlen hat!“

„Soso, da müssen Sie ihn als vermisst melden, gnä‘ Frau!“ riet ihr Rau.

„Schlafen Sie immer noch? Ich sagte grade, dass ihn einer umgebracht haben muss!“ stellte sie pikiert fest und setzte sich unaufgefordert Rau gegenüber.

„Sie können mir schon glauben, ich verfüge über außergewöhnliche Intuition! Also schlage ich vor, dass Sie sich in Bewegung setzen und mal die 2 Haupt-Verdächtigen besuchen. Als da wären: Herr Frenzl, der ehemalige diebische Nachbar, wohnt nun in einer Eigentumswohnung. Frau Dusko, seine Ex, die ihn jahrelang ausgenutzt hat, lebt nun in einem Gartenhäuschen, wo man prima wen vergraben kann.“ Bei den letzten Worten holte sie einen Zettel aus ihrer Handtasche und reichte ihn Rau.

„Und wenn Sie die Leiche vom Grippig gefunden haben, lassen Sie’s mich bitte wissen, weil ich hab schon vor Jahren einen Antrag bei Wiener Wohnen gestellt, dass ich seine Wohnung dazu nehmen darf, falls er das Zeitlich segnet. Allerdings dachte ich, er stirbt bald auf natürlich Weise mit seinen 79 Jahren. Aber seit er vorvorgestern aus dem Haus ging, hab ich ihn nie zurückkommen hören. Genug Geld gespart hab ich auch schon, um die eine Wand durchbrechen zu lassen, aber das interessiert Sie ja bestimmt nicht.“

Bevor der staunende Rau noch ‚Piep‘ sagen konnte, war die Dame auch schon aus dem Büro geeilt.

Hm, dachte er, wahrscheinlich bestellt sie gleich den Tischler, damit er ihr die Nachbarswohnung für die Einrichtung vermessen kann. Also nahm er ihre Aufforderung als willkommene Abwechslung zur faden Büroarbeit, obwohl er sich vor den Verdächtigen immer wie eine Art Vertreter vorkam, wenn er sie zu Hause aufsuchte. Nur, dass er ihnen nix verkaufte, sondern sie ihm meist dreiste Lügen.

Frenzl wohnte im 19. Bezirk, öffnete die Tür in einem schönen blauen Nikki-Hausanzug und reagierte unwirsch auf Raus Diebstahls-Verdacht.

„Pah, der ein Erfinder??? Freitag sah ich ihn beim Kopierer am Postamt.

Den konnte der nicht bedienen, holte eine Schalterbeamtin herbei. Es ist nur so, dass er mir mal ein System für‘s Casino verraten hat. Da hab ich dann ein paar Mal gewonnen, ehe ich wegen Systemspielens Hausverbot bekam.

Daher wohne ich jetzt ein wenig feudaler als vorher. Aber das System hätte er nie zum Patent anmelden können. Verstehen Sie? Und ich hab doch mein Geld gesetzt, also gehört mir der Gewinn, basta!“ bestand er uneinsichtig.

„Jaja, das versteh ich.“ meinte Rau. „Nur ist er seit 3 Tagen fort, spurlos verschwunden!“

„Ach was! 95 % aller spurlos Verschwundenen kommen innerhalb eines Jahres wieder zurück. Der alte Krauter wird auch wieder auftauchen, glauben Sie mir.“ sagte er und begann dann hemmungslos zu lachen.

„Darf ich mitlachen?“ fragte Rau.

„Ja-äh, ich lache weil, ... er mal etwas gebastelt hat, das explodiert ist, weiß auch nicht mehr, was es werden sollte. Hat mich damals geholt, damit ich ihm beim Aufräumen helfe, nachdem seine Nachbarin, die schon auf seine Wohnung lauert wie der Fuchs auf die Henne, das abgelehnt hat. Nie hat jemals eine seiner spinnerten Basteleien Erfolg gebracht. Ein österreichisches Schicksal! Hähähä!“

„Bis auf das Zahlen-System.“ erinnerte ihn Rau und wandte sich zum Gehen.