Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur #12 - M. W. Craven - kostenlos E-Book

Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur #12 E-Book

M W Craven

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Beschreibung

Verschwörungen, Nervenkitzel, Psychoterror, knifflige Mordfälle und dunkle Geheimnisse – all das erwartet Sie in dieser Leseproben-Sammlung. Was wäre, wenn Natur & Technik sich gegen uns verbünden? Im wissenschaftlich top recherchierten What if-Thriller »Der Wald« von Tibor Rode erhalten weltweit Tausende Menschen anonym verschickte Päckchen mit Saatgut. Zwar warnen die Behörden davor, die Samen einzupflanzen, doch bald breitet sich eine bislang unbekannte, invasive Pflanze in rasantem Tempo aus – und bringt auf der ganzen Welt Krankheit und Tod. Der Botaniker Markus Holland, der auf dem Gebiet der Pflanzen-Neurobiologie forscht, begibt sich mit der Archäobiologin Waverly Park auf die Suche nach dem Ursprung der Samen – von Kanada über China zurück nach Deutschland – und macht eine schier unglaubliche Entdeckung ...  Mit »NACHT – Die Toten von Jütland« startet der 1. Teil der dänischen Thriller-Reihe von Thomas Bagger um die Sonderermittler der Task Force 14, die in den düster-brutalen Fällen durch ihre ganz persönliche Hölle gehen müssen: Ein grausiger Leichenfund schreckt das beschauliche Jütland im Süden Dänemarks auf. In die Brust des Toten ist der Name der mächtigsten Familie im Dorf – und des örtlichen Polizeichefs – eingeritzt. Daneben das Massengrab eines Serienkillers, der seine jungen Opfer mit kochender Milch verbrühte. Der Sonderermittler David Flugt, eben erst von einem traumatischen Undercover-Einsatz zurückgekehrt, und sein exzentrischer Kollege Lucas Stage werden aus Kopenhagen geschickt, und was sie herausfinden, ist schlimmer als jeder Albtraum … Ein mysteriöser Mord in einem sabotierten Backwettbewerb erwartet Sie in Jessa Maxwells Krimi »Wer den Löffel abgibt«. Betsy Martin, Starköchin und Jurorin, öffnet zum 10. Mal ihre Türen für die »Bake Week«, einen erfolgreichen Backwettbewerb eines bekannten Streamingdienstes. Das Ensemble des Wettbewerbs ist wie stets bunt gemischt: Neben einer großmütterlichen älteren Dame sind unter anderem ein wissenschaftlicher Perfektionist, ein gelangweilter Start-up-Millionär und eine labile Hobbybäckerin vertreten. Doch hinter den Fassaden verbergen sich Rätsel und Geheimnisse. Kleine Sabotageakte eskalieren und es kommt, wie es kommen muss: Bald liegt eine Leiche am Set.  Diese und weitere Geschichten von Autor:innen wie Veit Etzold, finden Sie in den Mörderischen Aussichten von Droemer Knaur. Nervenkitzel und beste Unterhaltung garantiert! Das kostenlose eBook enthält Leseproben zu: - M. W. Craven, »Der Botaniker« - Tibor Rode, »Der Wald« - Thomas Bagger, »NACHT – Die Toten von Jütland« - Jessa Maxwell, »Wer den Löffel abgibt« - Brooke Robinson, »Die Dolmetscherin« - Veit Etzold, »Der Konzern« - Heidi Amsinck, »Goldmädchenmord« - Ashley Elston, »Wer zuerst lügt«

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M W Craven / Tibor Rode / Veit Etzold / Thomas Bagger / Jessa Maxwell / Brooke Robinson / Heidi Amsinck / Ashley Elston

Mörderische Aussichten: Thriller & Krimi bei Droemer Knaur

Ausgewählte Leseproben von Veit Etzold, Heidi Amsinck, Jessa Maxwell, Brooke Robinson u.v.m.

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Verschwörungen, Nervenkitzel, Psychoterror, knifflige Mordfälle und dunkle Geheimnisse – all das erwartet Sie in dieser Leseproben-Sammlung.

 

Was wäre, wenn Natur und Technik sich gegen uns verbündeten? Im wissenschaftlich top recherchierten What-if-Thriller Der Wald von Tibor Rode erhalten weltweit Tausende Menschen anonym verschickte Päckchen mit Saatgut. Zwar warnen die Behörden davor, die Samen einzupflanzen, doch bald breitet sich eine bislang unbekannte, invasive Pflanze in rasantem Tempo aus – und bringt auf der ganzen Welt Krankheit und Tod. Der Botaniker Marcus Holland, der auf dem Gebiet der Pflanzenneurobiologie forscht, begibt sich mit der Archäobiologin Waverly Park auf die Suche nach dem Ursprung der Samen – von Kanada über China zurück nach Deutschland – und macht eine schier unglaubliche Entdeckung … 

 

Mit NACHT – Die Toten von Jütland startet der erste Teil der dänischen Thriller-Reihe von Thomas Bagger um die Sonderermittler der Task Force 14, die in den düster-brutalen Fällen durch ihre ganz persönliche Hölle gehen müssen: Ein grausiger Leichenfund schreckt das beschauliche Jütland im Süden Dänemarks auf. In die Brust des Toten ist der Name der mächtigsten Familie im Dorf – und des örtlichen Polizeichefs – eingeritzt. Daneben das Massengrab eines Serienkillers, der seine jungen Opfer mit kochender Milch verbrühte. Der Sonderermittler David Flugt, eben erst von einem traumatischen Undercover-Einsatz zurückgekehrt, und sein exzentrischer Kollege Lucas Stage werden aus Kopenhagen geschickt, und was sie herausfinden, ist schlimmer als jeder Albtraum …

 

Ein mysteriöser Mord in einem sabotierten Backwettbewerb erwartet Sie in Jessa Maxwells Krimi Wer den Löffel abgibt. Betsy Martin, Starköchin und Jurorin, öffnet zum zehnten Mal ihre Türen für die »Bake Week«, einen erfolgreichen Backwettbewerb eines bekannten Streamingdienstes. Das Ensemble des Wettbewerbs ist wie stets bunt gemischt: Neben einer großmütterlichen älteren Dame sind unter anderem ein wissenschaftlicher Perfektionist, ein gelangweilter Start-up-Millionär und eine labile Hobbybäckerin vertreten. Doch hinter den Fassaden verbergen sich Rätsel und Geheimnisse. Kleine Sabotageakte eskalieren und es kommt, wie es kommen muss: Bald liegt eine Leiche am Set. 

 

Diese und weitere Geschichten von Autor*innen wie Veit Etzold finden Sie in den Vorab-Leseproben zu den Spannungs-Titeln von Droemer Knaur, die im Herbst und Winter 2023/2024 erscheinen. Nervenkitzel und beste Unterhaltung garantiert!

 

Weitere Informationen finden Sie unter: www.droemer-knaur.de

Inhaltsübersicht

Vorwort des Lektorats

M. W. Craven | Der Botaniker

Tibor Rode | Der Wald

Thomas Bagger | NACHT

Jessa Maxwell | Wer den Löffel abgibt

Brooke Robinson | Die Dolmetscherin

Veit Etzold | Der Konzern

Heidi Amsinck | Goldmädchenmord

Ashley Elston | Wer zuerst lügt

Liebe Leser*innen,

sicher, dass alle Ihre Fenster und Türen abgeschlossen sind? Kontrollieren Sie ein letztes Mal, bevor Sie sich im Sessel zurücklehnen und mit unseren neuen Thrillern und Krimis beginnen!

Auch in diesem Frühjahr bieten wir Ihnen wieder eine Auswahl an Leseproben unserer Spannungs-Neuerscheinungen. Lassen Sie sich von uns entführen in die düstere Gedankenwelt von Serienkillern, in die Abgründe von Finanzkriminalität, Verschwörungen und Betrügereien. Leiden Sie mit den unschuldig Verfolgten, denen, die nach Gerechtigkeit streben, und den Polizist*innen, die schon zu viel erlebt haben.

Fiebern Sie mit unseren Held*innen im Kampf um Gerechtigkeit mit – sei es bei der Aufklärung einer Straftat oder bei der Frage, wer am Schluss den Goldenen Löffel mit nach Hause nehmen darf!

 

Viel Spaß beim Lesen und Miträtseln wünscht

Ihr Droemer-Knaur-Team

 

PS: Wir sind gespannt auf Ihre Meinung. Besuchen Sie uns auf Instagram und erzählen Sie uns, auf welchen Roman Sie sich am meisten freuen: Auf @droemerknaur teilen wir alle Neuigkeiten rund um unsere Bücher mit unserer Community.

M. W. Craven

Der Botaniker

Kriminalroman
Aus dem Englischen von Marie-Luise Bezzenberger

Er schickt seinen Opfern Gedichte und getrocknete Blumen, bevor er sie vergiftet – und er kann offenbar durch Wände gehen, denn selbst Polizeischutz rund um die Uhr kann ihn nicht stoppen. »Der Botaniker«, wie ihn die Presse nennt, hat bereits drei Opfer auf dem Gewissen und ein viertes ausgewählt.

 

Für DS Washington Poe von der NCA kommt der scheinbar unmögliche Fall zur Unzeit: Seine Freundin und Kollegin, die geniale Pathologin Estelle Doyle, wird verdächtigt, ihren Vater erschossen zu haben. Dieser Fall wiederum ist eindeutig, glaubt man den Spuren …

 

Zusammen mit seiner durchsetzungsfreudigen Chefin Stephanie Flynn und der brillanten, aber sozial inkompetenten Analystin Tilly Bradshaw versucht Poe, zwei Rätsel zu lösen, die vermeintlich nichts miteinander zu tun haben.

1. Kapitel
Iriomote, Japan

Es gab hier richtig gemeine Bäume und es gab Warte-mal-Bäume und es gab ein Gebäude, das nicht existierte.

Die richtig gemeinen Bäume hatten massenweise fünfzehn Zentimeter lange Dornen, die ihre Stämme schützten. Wenn man einen davon anfasste, bekam man eine schmerzhafte Lektion erteilt. Die Warte-mal-Bäume waren nicht so stachelig, aber genauso lästig. Ihre dünnen, mit Hakenspitzen bewehrten Ranken hingen von den Ästen herab und fingen die Unvorsichtigen ein, fesselten sie und hinderten sie am Weiterkommen.

Doch es war das Gebäude, das jedermanns Aufmerksamkeit fesselte, nicht die Dornen. Es war wuchtig und grau und war von der Natur zurückerobert worden. Dicke Wurzeln hatten das Mauerwerk gesprengt und eine der Wände einstürzen lassen. Guano der Fruchtfledermäuse, die sich im Blätterdach verbargen, hatte das Dach weiß getüncht.

Die Gruppe starrte voller Staunen.

»Was ist das?«, fragte Dora, eine Frau Anfang zwanzig. Sie hatte ihr Brückenjahr zur Hälfte hinter sich. In sechs Monaten würde sie tun, was ihr Vater wollte, und eine Stelle in der City annehmen, dann einen Portfoliomanager heiraten, mit dem sie bereits verlobt war, und eine Horde langweiliger Kinder in die Welt setzen.

»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Andrew Trescothic, ihr Tourguide. Er war bei der British Army in Belize gewesen und in der schwarzen Kunst der Dschungel-Navigation ausgebildet worden. »Wahrscheinlich ein Überbleibsel vom Krieg. Angeblich gibt’s hier auf der Insel noch ein paar Stützpunkte der Operation Ketsu-Go.«

»Ketsu-Go?«

»Eine Selbstmord-Verteidigungsstrategie aus dem Zweiten Weltkrieg, die entwickelt wurde, nachdem der Kaiser begriffen hatte, dass er nicht mehr gewinnen kann. Hat die ganze japanische Nation dazu aufgerufen, unter dem Banner ›Der ruhmreiche Tod von einhundert Millionen‹ Widerstand gegen eine Invasion zu leisten. Er dachte, wenn sich die Amerikaner mit katastrophalen Gefallenenzahlen konfrontiert sähen, würde das ihren Entschluss untergraben, bis zur bedingungslosen Kapitulation zu kämpfen. Damit sie sich auf einen Waffenstillstand einlassen und darauf verzichten würden, das japanische Festland zu besetzen. Ein Teil der Strategie bestand darin, Festungen im Inland zu errichten, um dort Treibstoff und Munition zu lagern. An dieses Gebäude kommt man mit Treibstoff nicht ran, also nehme ich an, dass es als Munitionslager genutzt wurde. Die Alliierten haben nach der Kapitulation alles leer geräumt, aber die Gebäude wurden meistens intakt gelassen.«

»Wow«, sagte Dora. »Dann hat das hier also seit dem Krieg niemand mehr zu Gesicht bekommen?«

»Wäre möglich.«

War es nicht. Trescothic war ein eher nüchterner Tourguide, und er führte jetzt schon seit fünf Jahren Reisegruppen über die Dschungelinsel. Er wusste genau, wo sämtliche Festungen der Operation Ketsu-Go waren, und sorgte bei jedem Trip dafür, dass die jeweilige Gruppe eine »entdeckte«. Nachdem die Leute ihre Fotos gemacht und ein bisschen herumgestöbert hatten, würde er diese hier wieder für ein Jahr oder so außen vor lassen. In einer so rauen Umgebung wie hier dauerte es nicht lange, bis das Gebäude aussah, als wäre es seit Jahrzehnten unberührt. Seiner Ansicht nach war das eine harmlose Täuschung, und ganz sicher sprangen dadurch größere Trinkgelder für ihn heraus, wenn sie wieder im Basislager ankamen.

»Können wir da rein?«, erkundigte sich Dora.

Trescothic zuckte die Achseln. »Wüsste nicht, was dagegenspräche.«

»Cool.«

»Aber schön aufpassen, wegen der Schlangen.«

Alles, was noch von der Holztür übrig war, waren rostige Angeln. Dora und die meisten anderen traten vorsichtig ein.

Der Letzte, ein Mann mit einer inakzeptablen Mütze, drehte sich um und fragte: »Kommen Sie nicht mit, Andrew?«

Er schüttelte den Kopf.

»Vielleicht später.« Andrew Trescothic wusste, was dort drin war. Ein kastenartiger Raum und ein unterirdischer Lagerraum. Japanische Schriftzeichen an den Wänden und Tierkot auf dem Boden. Genau wie in all den anderen. Er schätzte, dass sie etwa eine Viertelstunde da drinbleiben würden. Fünf Minuten oben, fünf unten im Keller, und dann noch mal fünf für fröhliche Erinnerungsfotos. Reichlich Zeit, um sich einen Tee zu machen.

Er hatte noch nicht mal Zeit gehabt, den Teebeutel in den Becher zu schmeißen, als er Dora schreien hörte. Trescothic seufzte. Wahrscheinlich waren sie auf ein totes Tier gestoßen.

So was war vor ein paar Jahren mal in einem anderen Gebäude passiert. Eine Gruppe hatte den verwesten Kadaver einer Iriomote-Katze gefunden, eine Leopardenart, die nur auf der Insel vorkam. Sie war durch ein Loch im Dach gefallen und nicht mehr herausgekommen. Das arme Vieh war verhungert.

Trescothic erhob sich und betrat die alte Festung. Er konnte die Gruppe hören; sie waren in dem unterirdischen Lagerraum. Er trabte die Treppe hinunter, doch Dora kam ihm von unten entgegengerannt.

»Ich glaube, mir wird schlecht«, stieß sie hervor.

Wieder seufzte er. Diese feinen Pinkel aus der Großstadt mussten sich wirklich mal ein dickeres Fell zulegen. Genau dieser Gedanke kam ihm bei jedem Trip mindestens einmal. Die Möchtegern-Erforscher von heute waren nicht so robust wie die Landser, mit denen er vor all den Jahren gedrillt worden war. Bei der kleinsten Kleinigkeit gerieten sie ins Schleudern. Ein totes Tier, ein fieser Kommentar auf Twitter, eine irgendwie anrüchige Statue …

Er setzte die Miene des strengen, nüchternen Soldaten auf, den die Gruppe erwartete, und trat in den Lagerraum.

Dreißig Sekunden später war er schwer keuchend wieder draußen und kramte hektisch in seinem Rucksack nach dem Satellitentelefon.

Dora hatte nicht wegen eines toten Tieres geschrien.

Das hier war etwas ganz anderes.

Etwas Monströses.

 

Zur selben Zeit, als Trescothic an seinem Satellitentelefon hing, stieg ein unscheinbarer Mann in unauffälligen Kleidern auf einem Parkplatz eines Industriegeländes am Rand von Glasgow aus einem weißen Lieferwagen. Er betrat eine Filiale von Banner Chemicals Supplies und ging an den Verkaufstresen.

»Ich hätte gern zweihundert Liter Azeton, bitte«, sagte er zu dem Mann dahinter, der ein Poloshirt mit dem Firmenlogo darauf trug – ein stilisiertes B, von einem Reagenzglas unterstrichen.

»Haben Sie einen Lichtbildausweis?«, fragte der Mann. »Azeton ist eine Vorläufersubstanz der Kategorie C, weil man damit Sprengstoff herstellen kann. Dafür brauchen wir einen Ausweis, ist Vorschrift.«

Der unscheinbare Mann zeigte einen Führerschein mit einem Namen vor, den man sofort wieder vergaß. Der Mann hinter dem Tresen gab die Daten in seinen Computer ein. Nachdem das Azeton bezahlt war, fragte er: »Haben Sie draußen geparkt?«

»Ja.«

»Die Jungs bringen Ihnen das Zeug raus und helfen beim Einladen.«

»Danke.«

»Ach, eins noch. Ich muss hier im Computer irgendwas bei ›Grund für den Erwerb‹ eintragen.«

»Ich habe ein Ungezieferproblem«, sagte der unscheinbare Mann.

2. Kapitel
Achtzehn Monate später
The Morgan Soames Hour-Fernsehstudio, London

Die Scheinwerfer waren so eingestellt, dass sie heiß liefen. Das Interview lief noch heißer.

Zu heiß.

Sehr viel heißer als erwartet.

»Das ist zu kontrovers«, hatte der Produzent der Sendung damals gesagt, vor all den Wochen.

»Ich ziehe ›provokant‹ vor«, hatte die Redaktionsleiterin geantwortet.

»Wir kriegen Hunderte von Beschwerden, vielleicht sogar Tausende.«

»Die Einschaltquote wird der Hammer.«

»Das bezweifle ich.«

»Und ich habe das letzte Wort, wenn es um redaktionelle Inhalte geht. Wir ziehen das durch.«

Natürlich hatte es, schon lange bevor der Produzent und die Redaktionsleiterin ihr Tänzchen veranstalteten, Besprechungen und Komitees gegeben. Wo es um Kane Hunt ging, war das zu erwarten. Kontroversen – allesamt sorgfältig kuratiert – folgten Hunt auf Schritt und Tritt. Liveauftritte im Fernsehen wurden immer seltener.

Doch The Morgan Soames Hour war noch nie vor Kontroversen zurückgescheut.

Letzten Endes ging es um zweierlei: darum, dass sie sich zu einer ausgewogenen Berichterstattung verpflichtet sahen, und darum, ob ihre Moderatorin Morgan Soames mit ihm fertigwerden würde oder nicht.

Das Argument in Sachen Ausgewogenheit lautete folgendermaßen: In der Woche vor dem avisierten Interview mit Hunt war Saffron Phipps eingeplant, und deren Ansichten waren genauso extrem, wenngleich am entgegengesetzten Ende des Spektrums. Phipps fand, Valerie Solanas, die Autorin des SCUM Manifesto von 1967, sei auf dem richtigen Weg gewesen. Dabei schlug Phipps nicht vor, dass Männer eliminiert werden sollten, wie Solanas es getan hatte. Doch sie behauptete, dass Solanas recht hatte, wenn sie schrieb, Männer seien genetisch defizitäre, unvollständige Frauen, weil sie nur ein X-Chromosom hatten. Dieses Defizit erkläre, warum Männer emotional eingeschränkt und egozentrisch wären, warum es ihnen an Empathie mangele und warum sie nicht in der Lage wären, sich mit irgendetwas anderem zu befassen als ihren eigenen körperlichen Empfindungen. Kane Hunt war der Anti-Phipps, der Kontrapunkt zum SCUM Manifesto. Er würde für die Ausgewogenheit sorgen, auf die The Morgan Soames Hour so stolz war.

Die Argumente derer, die dagegen waren, waren sehr viel weniger nuanciert – Kane Hunt war ein Frauenfeind, der seine widerwärtige Philosophie nicht vom Stapel ließ, weil er tatsächlich der Überzeugung war, Männer hätten ein grundsätzliches Anrecht auf Sex, sondern weil er damit Bücher verkaufte. Ihn in der Show zu haben würde dem Marketing für sein neues Buch gewaltigen Schwung verleihen.

Was die zweite Frage betraf – ob Morgan Soames mit ihm fertigwürde –, so hatte es keinerlei Unstimmigkeiten gegeben. Auf wen auch immer sie traf, sie hatte die dickeren Eier.

Es wurde per Abstimmung beschlossen – das erste Mal, dass das Produktionsteam über einen Gast abstimmte. Justine Webb, die Redaktionsleiterin, stimmte mit Nein. Sie war dafür verantwortlich, wie die Show aufgenommen wurde, und würde sich mit dem unvermeidlichen Fallout herumschlagen müssen. Auch der Chefautor stimmte dagegen; er wollte seine Leute nicht den Löwen zum Fraß vorwerfen, falls Morgan am Schluss blöd aussah.

Die Social-Media-Managerin konnte natürlich gar nicht schnell genug Ja sagen. Sie wusste genau, wie ein heraufziehender Twitter-Sturm aussah. Der Sender sagte ebenfalls Ja; die Einschaltquoten würden durch die Decke gehen und sie alle würden richtig absahnen.

Der Rest des Produktionsteams hatte zu gleichen Teilen dafür und dagegen gestimmt. Die Stimme von Allan, dem Produzenten der Show, gab den Ausschlag. Tief im Herzen hatte er Ja sagen wollen. Was auch immer diese kleine Knalltüte Hunt von Frauen halten mochte, Morgan war ein Raubtier vom oberen Ende der Nahrungskette. Sie würde ihn bei lebendigem Leibe verschlingen, und 99,9 Prozent des Landes würden sich darüber freuen. Und das wäre durchaus relevant – Hunt kam schon viel zu lange mit seiner Nummer durch. Seine Behauptung, er würde von den Medien zensiert, war eine sorgfältig kalkulierte Strategie. Wenn er empörend genug war, konnte er nicht im Fernsehen auftreten, und wenn er nicht im Fernsehen auftrat, konnten seine Ansichten nicht öffentlich infrage gestellt werden. Zensur war der Schild, hinter dem er sich versteckte. Er war geil auf Zensur, weil er darauf baute.

Doch Morgan hatte ihn schon seit Monaten aufs Korn genommen. Jeder Eröffnungsmonolog ihrer Show begann mit einem Seitenhieb gegen ihn. Jedes Schlusswort endete mit einem Witz auf seine Kosten.

Sie hatte ihn herausgefordert, in ihrer Show aufzutreten.

Zu jedermanns Verblüffung hatte Hunt zugesagt. Öffentlich. Er würde in ihrer Show auftreten, sofern er der einzige Gast war und die Fragen vorher zu sehen bekam. Doch so lief das bei Morgan nicht. Sie würde ihm Zeit für seine Antworten lassen, aber die Richtung würde er nicht vorgeben. Widerstrebend hatte Hunt eingewilligt. Wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würde Morgan sich noch jahrelang darüber lustig machen, das wusste er.

Also hatte Allan Kane Hunt für diese Show haben wollen.

Und doch stimmte er dagegen. Allan hieß mit Nachnamen Webb, genau wie Justine, sie waren nämlich miteinander verheiratet. Seit zwanzig Jahren arbeiteten sie zusammen, und seit zehn Jahren waren sie ein Ehepaar. Sie waren sowohl im Studio als auch sonst ein Team, und sowohl beruflich als auch persönlich war es sein Job, ihr den Rücken zu decken.

Es war Justine zugefallen, Morgan vom Ausgang der Abstimmung in Kenntnis zu setzen. Sie hatte beschlossen, es ihr erst kurz vor der Show zu sagen, in der Hoffnung, dass dann vielleicht weniger Zeit für Beschimpfungen sein würde. Morgan hatte abgesetzte Präsidenten und in Ungnade gefallene Premierminister interviewt. Sie hatte Angehörige des Königshauses der Lüge überführt und Kriegsverbrecher in Tränen ausbrechen lassen. Sie war eine Frau, mit der man sich nicht anlegte.

Justine hatte an ihre Garderobentür geklopft und war eingetreten. Morgan hatte gerade in der Maske gesessen. Ihre Stylistin, zugleich seit Langem ihr Soundingboard, fuhrwerkte mit einer winzigen Bürste und einer kleinen Spraydose an ihrem Haar herum. Zwischen Kragen und Hals gestopfte Papiertaschentücher schützten ihren zweitausend Pfund teuren marineblauen Oscar-de-la-Renta-Blazer mit den Trompetenärmeln vor dem dicken Make-up, das sie tragen musste. Mit bloßem Auge betrachtet wirkte Morgan wie eine Superschurkin, vor der Kamera würde sie perfekt aussehen.

Morgan hatte sich umgedreht, Justine mit ihren stahlgrauen Augen angesehen und sie mit einem reservierten Nicken bedacht. Ihr Haar, von sattem, leuchtendem Kastanienbraun, bewegte sich dabei nicht.

»Haben Sie eine Sekunde, Morgs?«, hatte Justine gefragt.

»Schießen Sie los«, hatte Morgan geantwortet. »Bin gerade dabei, den Monolog für heute Abend zu proben: Ich will da einen Witz darüber einbauen, dass der Premierminister gestern in Hundekacke getreten ist.«

»Ich weiß gar nicht, warum sie sich die Mühe macht – das ist doch auch so schon echt lustig«, hatte ihre Stylistin eingeworfen.

»Es geht um Kane Hunt«, hatte Justine verkündet. »Wir kriegen’s nicht hin.«

»Ach?« Morgans Ton war scharf wie ein Rasiermesser gewesen.

»Das Produktionsteam ist sich einig; es ist einfach zu riskant. Falls es Sie tröstet, die Abstimmung ist sehr knapp ausgefallen.«

Morgan hatte sich wieder zum Spiegel gedreht und Justine darin scharf angesehen.

»Scheiß auf die Abstimmung«, hatte sie gesagt.

Und damit hatte es sich. Justine war hinausgeschlichen und hatte sich auf die Suche nach dem Produzenten gemacht.

 

»Sieht echt heiß aus«, bemerkte Justine.

»Heiß?«, fragte Allan.

»Nicht ›heiß‹ im Sinne von sexy. Ich meine, er schwitzt.«

»Kein Wunder, er ist sitzt nur anderthalb Meter vor der Quarzlampe.«

»Quarzlampe? Ich wusste gar nicht, dass wir so was noch haben. Warum nehmen wir keine LEDs?«

Quarzlampen waren in der Filmindustrie jahrelang üblich gewesen, doch sie verbrauchten eine Menge Strom und produzierten enorme Hitze. Sie waren durch LED-Scheinwerfer verdrängt worden, die im Großen und Ganzen dasselbe leisteten, allerdings ohne die exzessive Hitze und die horrenden Stromkosten.

»Das ist Absicht«, meinte Allan. »Aber nur bei Hunt. Morgan will, dass er schwitzt.«

Justine dachte einen Augenblick lang darüber nach. »Verdammt, ist die gut«, stellte sie fest.

Sie standen in der Galerie, dem Raum, in dem The Morgan Soames Hour komponiert wurde. Das »Glascockpit« – die Wand aus Bildschirmen, die multiple Informationsquellen zeigten – beherrschte den Raum. Eigentlich zogen Justine und Allan es vor, unten im Studio zu sein und die Aufsicht über die Galerie einem der Assistenten zu überlassen, heute Abend jedoch wollten sie in der Nähe des Bildmischers sein. Er hieß Yosef, saß vor seinem Kontrollpult und entschied, welche Kamera zum Einsatz kam. Normalerweise ließen Justine und Allan ihn unter minimaler Aufsicht arbeiten. Morgan vertraute darauf, dass Yosef die richtige Mischung aus ihr und ihrem Gast fand, dass er wusste, wann sie zu sehen sein wollte, wenn sie eine Frage stellte, oder wann die Reaktion ihres Gastes wichtiger war.

Heute Abend war das anders. Als Einzige, die befugt war, eine Liveshow mittendrin abzubrechen, musste Justine hier sein, um Yosef die entsprechende Anweisung zu geben, und Allan wollte bei ihr sein, falls sie das mit jemandem besprechen musste. Eine Liveshow abzubrechen war die schwerwiegendste Entscheidung, die ein Studioleiter treffen konnte.

Die erste halbe Stunde war vorbei, und so weit war alles okay. Morgan hatte nichts zugelassen, und Kane Hunt war nicht besonders auf Krawall gebürstet gewesen.

Sie sahen, wie Morgan hinter sich griff und die einzige Requisite hervorholte, die für heute vorgesehen war. Es war ein Buch. Im Selbstverlag erschienen, aber sehr hochwertig hergestellt.

»Er sieht nicht gut aus, oder?«, fragte Justine.

Hunt trug zu viel Haargel und war unpassend gekleidet. Er trug eine Bomberjacke und zerrissene Jeans, als wolle er für eine Amateuraufführung von Denn sie wissen nicht, was sie tun vorsprechen und nicht in einer der renommiertesten Fernseh-Talkshows auftreten.

»Nein, wirklich nicht«, pflichtete Allan ihr bei. »Er wirkt blass, trinkt unheimlich viel Wasser und reibt sich andauernd die Augen.«

»Hauptsache, er kratzt uns nicht in den nächsten dreißig Minuten ab«, brummte Justine.

 

»Erzählen Sie mir etwas über Ihr neues Buch, Kane«, sagte Morgan. »Es heißt The Chad Manifesto. Meines Wissens bezieht sich ›Chad‹ auf attraktive, beliebte Männer, die bei Frauen in sexueller Hinsicht erfolgreich sind?«

»Richtig«, antwortete Hunt. »Chads sind die Gewinner in der genetischen Lotterie, und zwar durch pures Glück. Und eine Studie hat vor Kurzem angedeutet, dass sie, obwohl sie gerade mal zwanzig Prozent der männlichen Bevölkerung bilden, achtzig Prozent vom gesamten Sex bekommen. Für den Rest von uns stellt das ein rechnerisches Problem dar – es bleiben einfach nicht genug Frauen übrig. The Chad Manifesto soll diese Ungerechtigkeit beheben.«

»Ich verstehe«, meinte Morgan. »Und diese Theorie ist Teil der Incel-Bewegung?«

»Ja. Involuntary celibate, unfreiwillig zölibatär.«

»Die Vorstellung, dass Frauenkörper Rohstoffe sind?«

»Genau.« Hunt beugte sich vor und wirkte höchst engagiert. »Im Augenblick werden Männer ohne eigenes Verschulden von etwas ausgeschlossen, was mittlerweile ein deregulierter sexueller Markt ist. The Chad Manifesto plädiert für ein faireres Verteilungssystem. Keinem Mann sollte im 21. Jahrhundert der Sex vorenthalten werden.«

»Der Sex vorenthalten?«, wiederholte Morgan mit ausdrucksloser Miene.

»Sie scheinen nicht überzeugt zu sein.«

»Bin ich auch nicht. Ihre Ansicht, dass Frauen nicht viel mehr sind als unglücklicherweise empfindungsfähige Körper, ist für mich schlicht und einfach lächerlich.«

»Tatsächlich?«, konterte Hunt. »Sie dürfen nicht vergessen, während neunundneunzig Prozent der Geschichte der Menschheit durften Frauen ihre Sexualpartner nicht frei wählen. So etwas wie Dating gab es nicht. Frauen wurden in arrangierten Ehen an Männer übergeben oder als Kriegsbeute beschlagnahmt. Diese relativ neue kulturelle Veränderung hat manche Männer entrechtet.«

Morgan nahm das Buch zur Hand und blätterte darin.

»Wie man hört, haben Sie eine Lösung dafür«, sagte sie.

 

In der Galerie sagte Justine: »Sie macht’s ihm leichter, als ich gedacht habe.«

»Stimmt«, antwortete ihr Mann. »Genau das macht mir Sorgen.«

»Mir auch.«

»Und sie wollte dir nicht sagen, was sie vorhat?«

Justine schüttelte den Kopf.

Allan trat näher an den Knopf heran, mit dem die Liveübertragung unterbrochen werden konnte.

 

»Unsere Lösung ist ganz einfach«, erklärte Hunt. »Wir wollen eine vollständige Revision des Sexualstrafrechts. Vor allem der Paragrafen, die sich mit Prostitution befassen.«

»Das ist alles?«, fragte Morgan. »Sie wollen Bordelle legalisieren?«

»Nein, aber diese drakonischen Gesetze zu ändern ist notwendig für das, was danach kommt. Damit unser Vorschlag funktioniert, müssen die Paragrafen, die die Bezahlung für sexuelle Dienstleistungen und die Bewerbung sowie die Kontrolle gewerbsmäßiger Prostitution regeln, vollständig abgeschafft werden.«

»Also wollen Sie doch Bordelle legalisieren.«

»Ganz und gar nicht«, widersprach Hunt. »Aber wir wollen den Sexmarkt revolutionieren.«

»Ich glaube, das sollten Sie lieber erklären.«

»Den sexuellen Markt zu monetisieren ist heutzutage absolut sinnvoll. Es steht doch alles andere zum Verkauf, warum also nicht auch Sex? Und wenn man bedenkt, wie viel Geld dafür ausgegeben wird, Frauen zu umwerben, wäre das auch eine beständige und nicht unerhebliche Einnahmequelle für die Regierung.«

»Sie schlagen staatliche Prostitution vor?«

»Ganz sicher nicht. Die Regierung versemmelt ja schon die allerleichtesten Aufgaben. Was wir brauchen, ist die unsichtbare Hand des Marktes. Die Stärke dieses Landes waren schon immer seine Entrepreneure, und wir wollen, dass die den Sexualmarkt übernehmen.«

»Und wie sollte das funktionieren, Kane?«, erkundigte sich Morgan. »Megabordelle? Legalisierter Straßenstrich?«

»Sexuelle Dienstleistungen als Abo«, antwortete Hunt. »So ähnlich wie Netflix oder Amazon Prime. Männer würden eine monatliche Gebühr bezahlen und die Frauen bekommen ein Gehalt. So, wie man sich heute einen Film oder eine Fernsehshow aussucht, je nachdem, was man abonniert hat, würde man sich einfach die Frau aussuchen, die man will. Die wären bewertet, von eins bis fünf, und für höher bewertete Frauen geht eben mehr vom Guthaben drauf. Zum Beispiel würde ein Abonnent für ein Basispaket drei Stunden Sex im Monat mit einer Zwei-Sterne-Frau kriegen oder fünf Stunden mit einer mit einem Stern. Nicht in einem Bordell, sondern bei sich zu Hause. Für das Premium-Paket würde man natürlich mehr Stunden mit höher bewerteten Frauen bekommen.«

»Und wer würde die Frauen bewerten? Leute wie Sie?«

»Der Markt«, erklärte Hunt. »Und die Abonnenten würden auch bewertet werden. Genauso wie Uber-Kunden und Fahrer einander bewerten. Je schlechter deine Bewertung, desto mehr musst du zahlen. Schlechter bewertete Frauen würden natürlich weniger verdienen als besser bewertete, also wäre es in jedermanns finanziellem Interesse, jede Begegnung so zufriedenstellend wie möglich zu gestalten.« Hunt griff nach seinem Glas und trank es zur Hälfte aus. »Und wenn erst der Privatsektor da einsteigt, mit seiner Marketingexpertise, dann wird das Ganze schnell progressiv und dann Mainstream«, fuhr er fort. »Und auch wenn das Ganze anfangs als Service für Incels betrachtet wird, rechnen wir damit, innerhalb von zwei Jahren Abos für das ganze LGBTQXYZ-Alphabet zu sehen.«

»Wie vorbildlich.«

»Sie sind skeptisch, aber vergessen Sie nicht: Dasselbe haben die Leute übers Internetdating gesagt, und jetzt ist das ein milliardenschwerer Markt. Und nicht nur wird es der Regierung Millionen Pfund an Steuergeldern einbringen, es ist ja auch eine Frage der öffentlichen Gesundheit.«

»Inwiefern?«

»Frauen müssen verstehen, dass brave Hunde, die immer wieder getreten werden, zu bösen Hunden werden. Wir halten den Ausschluss von Männern vom Sexualmarkt für die Hauptursache von Vergewaltigungen im UK, und in den USA ist ein Zusammenhang zu Massenschießereien hergestellt worden. Die politischen Ansätze in diesem Manifest gehen all das an.«

 

»Wollen wir mal eine Pause machen?«, fragte Allan Justine. »Damit Morgan sich neu sortieren kann. Irgendwie hat Hunt da eben gewonnen; Internetdating ist heutzutage völlig normal. Wer sagt, dass das nicht funktionieren würde?«

»Ich sage das«, gab Justine zurück. »Jede Frau sagt das. Jeder, der noch einen letzten Rest Würde hat, sollte das sagen.«

»Vollkommen richtig.« Allan erkannte ein Minenfeld, wenn er in eins hineingestiefelt war. »Es ist eine widerliche Idee.«

Seine Frau lächelte. »Keine Sorge«, sagte sie. »Morgan kriegt das schon gebacken.«

 

»Ich würde mich dann gern mit Ihnen persönlich befassen, wenn ich darf, Kane?«, sagte Morgan.

»Nur zu.«

»Sind Sie laktoseintolerant?«

»Bitte?«

»Das ist doch eine ganz simple Frage. Können Sie Milchprodukte verdauen?«

Hunt furchte die Stirn. »Ich bin mir nicht ganz sicher, worauf Sie hier hinauswollen, Morgan.«

 

»Da bist du nicht der Einzige«, sagte Justine zu ihrem Mann.

Der zuckte die Achseln.

»Was zum Teufel hat sie vor?«, fügte sie hinzu.

 

»Nein, ich bin nicht laktoseintolerant«, sagte Hunt. »Wie kommen Sie darauf?«

»Weil Sie eine Menge Milkshakes über den Kopf gekippt bekommen und ich mich frage, ob Sie wohl deshalb heute Abend einen Leibwächter mitgebracht haben.«

»Ich bin sehr bekannt. Ich bekomme Todesdrohungen.«

»Das wusste ich nicht. Haben Sie deswegen schon mal Anzeige bei der Polizei erstattet?«

»Die Polizei besteht zur Hälfte aus Frauen«, wehrte Hunt höhnisch ab. »Was glauben Sie, wie ernst die eine Drohung gegen mich nehmen würden?«

»Ungefähr so ernst wie der Rest von uns, nehme ich an.«

Hunt griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier heraus. »Hier, sehen Sie mal«, sagte er. »Das ist die letzte – die kam vor ein paar Tagen.«

 

»Ranzoomen«, befahl Justine.

Yosef tat wie geheißen und der Hauptbildschirm wurde von Morgans Hand ausgefüllt.

»Was zum …?«, stieß Allan hervor.

 

Es war eine gepresste Blume. Zartlila. Sternförmig, mit fünf spitzen Blütenblättern. Hübsch. Alles andere als bedrohlich.

»Eine Blume«, stellte Morgan fest. »Na und?«

»Lesen Sie die Nachricht«, erwiderte Hunt.

Morgan war viel zu professionell, um irgendetwas laut vorzulesen, das sie gerade erst in die Hand gedrückt bekommen hatte. Sie überflog den Text, suchte nach etwas Verfänglichem, ohne etwas zu finden. Es war ein Gedicht.

Sie hielt den Zettel so, dass Kamera 3 ihn erfassen konnte, dann las sie vor.

Unter des Gehängten Haupt,

Wo sein Blut tropft in das Laub,

Unter der Frucht, so leuchtend gelb,

Liegt die Wurzel, deren Schrei gellt.

Verschließ die Ohren, reiß sie aus,

Trockne sie und mahl drauflos.

Und schläfst du endlos, ohne zu träumen,

Wird niemand an deinem Sarge weinen.

»Ich verstehe nicht«, sagte Morgan, nachdem sie geendet hatte. »Wieso halten Sie das hier für eine Todesdrohung?«

»Wollen Sie etwa sagen, es ist keine? Da ist von einem Sarg die Rede.«

»Eine hübsche Blume, in ein schlechtes Gedicht verpackt. Ich glaube, damit brauchen wir den SAS der Army noch nicht zu behelligen.«

Hunt schwieg. Der Schweiß lief ihm inzwischen von der Stirn übers Gesicht. Morgan hoffte, dass Yosef das aufs Bild bekam. Eigentlich sollte sie eine Werbepause einlegen, doch sie beschloss, weiter Druck zu machen. »Obwohl es mich ja nicht überrascht, dass Sie glauben, Schutz zu brauchen.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Ihnen folgen kann.«

»Sagt Ihnen der Name Anita Fowles etwas?«

»Ich kann mich nicht …«

»Das war die Jurastudentin, die Sie erfolglos verklagt hat, nachdem ein Nacktfoto von ihr den Weg auf Ihre Website gefunden hatte.«

Hunt zuckte die Schultern. Feixte ein wenig. »Die Gerichte haben in dieser Angelegenheit bereits geurteilt.«

»Ja, das haben sie«, bestätigte Morgan. Sie hielt ganz kurz inne, dann fügte sie hinzu: »Haben Sie Angst vor Frauen, Kane?«

Hunt lachte. Ein Schweißtropfen fiel von seiner Nase und er hustete einmal trocken. »Natürlich nicht. Wovor soll man da Angst haben?«

»Sagen Sie’s mir?«

»Frauen sind nicht furchterregend, Morgan. Nicht einmal Sie. Aber nicht jeder ist in einer so vorteilhaften Position wie ich; manche Männer fühlen sich schon eingeschüchtert. Deswegen habe ich ja The Chad Manifesto geschrieben.«

»Aber so, wie ich es verstehe, schrumpft Ihr kleiner Freund jedes Mal zusammen, wenn Sie an Frauen denken. Es ändert nichts, dass Sie Viagra einwerfen wie M&Ms, Ihr Soldat steht nicht mehr stramm.«

 

»O Mann!«, stieß Justine hervor. »Die Kamera auf Hunts Gesicht. Sofort, Yosef.«

»Ist schon drauf.«

Selbst der grelle Schein der Quarzlampen konnte die Röte nicht verbergen, die Hunt vom Hals aus ins Gesicht schoss. Er presste die Kiefer zusammen. Eine Ader in seiner Stirn begann zu pulsieren.

»Wunderschön«, stellte Justine fest.

 

»Wovon zum Teufel reden Sie eigentlich?«, blaffte Hunt. »Ich habe noch nie Viagra genommen! Jede Frau, mit der ich mich einlasse, und das waren Hunderte, erlebt einen Abend, den sie nie vergisst. Und das ist hundert Prozent Natur.«

»Ich glaube, das ist das erste wahre Statement, das Sie heute Abend abgegeben haben«, entgegnete Morgan mit gefährlich liebenswürdiger Stimme. »Die Frauen, mit denen Sie sich einlassen, erleben wirklich einen Abend, den sie niemals vergessen können. Nicht einmal nach einer professionellen Therapie.«

»Ich weiß wirklich nicht, wo Sie das herhaben, aber an Ihrer Stelle würde ich Ihre Rechercheure feuern. Sonst könnten Sie ernsthafte juristische …«

Seine Stimme erstarb, als Morgan die Requisite präsentierte, die sie allen verschwiegen hatte, sogar Justine. Sie kippte einen Einkaufsbeutel aus Stoff aus, und etwas fiel auf den Glastisch.

Das Ding war penisförmig, bestand aus schwarzem Silikon und war an einem Geschirr befestigt. Es sah gleichermaßen anrüchig wie erbärmlich aus.

 

»Was zur Hölle ist das?« Allans Blick klebte an dem Bildschirm.

»O mein Gott, das ist eine Penismanschette!«, antwortete Justine. »Ein Typ, der impotent ist, steckt da seinen Schwanz rein, und das Ding wird mit den Gurten da festgemacht. So kann der dann penetrativen Sex haben. Jedenfalls so was in der Art. Was hat so was live im Fernsehen verloren?«

»Woher weißt du …?«

»Ich habe doch vor ein paar Jahren mal diese Doku über erektile Dysfunktionen gemacht, erinnerst du dich?«

Allan erinnerte sich. Es war nicht gerade eine Sternstunde des Fernsehens gewesen, aber auch keine schlechte Sendung.

»Sollen wir auf Werbung schalten?« Seine Finger schwebten über dem Knopf.

»Echt jetzt? Du willst Morgan jetzt abwürgen? Die zieht uns die Haut ab und trägt uns als Hut.«

»Auch wieder wahr.«

»Aber halte dich bereit«, sagte Justine. »Hunt sieht aus, als ob er gleich einen Herzinfarkt kriegt.«

 

Justine hatte nicht übertrieben. Hunt sah wirklich nicht gut aus. Morgan schob die Penismanschette über den Tisch. Sie benutzte dazu ein Papiertaschentuch.

»Das hier haben Sie bei Anita Fowles in der Wohnung liegen gelassen«, sagte sie. »Sie hat gefragt, ob ich’s Ihnen zurückgeben könnte.«

»D-d-das gehört mir nicht!«

»Nein?«

»Natürlich nicht!«

»Sieht aber aus wie Ihres.«

»Es sieht aus … Was zum Teufel meinen Sie damit, es sieht aus wie meins?«

»Oh, Entschuldigung, habe ich das nicht gesagt? Anita hat Sie ohne Ihr Wissen dabei gefilmt, wie Sie Ihren schlaffen kleinen Pimmel in dieses Ding gestopft haben. Als sie gefragt hat, warum Sie eine Penisprothese tragen, sind Sie in Tränen ausgebrochen.«

»Sie hat eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben«, entgegnete Hunt. »Selbst wenn’s ein Video gäbe, und natürlich gibt es keins, dürfte sie es niemandem zeigen.«

»Sie haben natürlich recht, Anita hat eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben«, bestätigte Morgan. »So etwas unterschreiben die Frauen alle. Deswegen ist bis jetzt auch noch nichts im Internet aufgetaucht. Nur ist Anita leider Jurastudentin, und auf dem Video, das sie gemacht hat, ist auch drauf, wie Sie Ihren Partytrick vorführen: sich eine Zigarette mit einem Elektroschocker anzünden. Klingelt’s da bei Ihnen, Kane?«

Hunt antwortete nicht. Er begann zu hyperventilieren.

»Also, das wissen Sie vielleicht nicht, aber wie alle Verträge dürfen Verschwiegenheitserklärungen nicht dazu benutzt werden, illegale Aktivitäten zu schützen. Wir haben uns juristisch beraten lassen, und es sieht ganz danach aus, als sei durch Ihren Besitz und die Handhabung einer illegalen Waffe die Verschwiegenheitserklärung nichtig.«

»Mir geht’s nicht gut«, sagte Hunt.

»Nein?«, fragte Morgan. »Tja, ich glaube auch nicht, dass Sie sich gleich besser fühlen werden. Denn da Sie bereits ein Foto von Anita online mit anderen geteilt haben, hat sie es nur für fair gehalten, sich zu revanchieren. Sobald wir auf Sendung gegangen sind, hat Anita ihr Video an einen ganzen Haufen Websites und Zeitungsredaktionen und …«

»Nein, wirklich, mir ist nicht …«

Hunt sackte in seinem Sessel zusammen. Einen Moment blieb er so, dann kippte er bewusstlos auf den blank gebohnerten Studioboden und übergab sich.

 

Entsetzt starrte Justine auf den Bildschirm. Yosef hatte die Liveübertragung auf Morgans entgeisterte Miene umgeschaltet, doch Kamera 3 war immer noch auf Hunts Gesicht gerichtet. Es war dunkelrot angelaufen. Erbrochenes sickerte aus seinem Mundwinkel.

»Werbung!«, schrie Justine.

Allan drückte auf den Knopf, und die Liveübertragung wurde abgebrochen.

Und auf dem Boden des Studios starb derweilen Kane Hunt …

3. Kapitel

»Poe, warum sollte jemand meine Zehennägel kaufen wollen?«

Der größte Teil von Detective Sergeant Washington Poes Tee schoss ihm aus der Nase; den Rest prustete er sich übers Kinn und aufs T-Shirt. Neben ihm kicherte Detective Inspector Stephanie Flynn, die Augen fest gegen das Hightechfernglas gedrückt.

Es war nicht das Merkwürdigste, was Matilda »Tilly« Bradshaw je zu ihm gesagt hatte. Es reichte nicht einmal für die Top Five, aber so ohne Vorwarnung und ohne Kontext drängte es sich wahrscheinlich in seine Top Ten. Vielleicht Nummer neun. Abgedrehter als neulich, als sie gefragt hatte, welches seine Lieblingswolkenformation sei, aber nicht so schlimm wie damals, als sie ihn gebeten hatte, sich doch einmal den Leberfleck an ihrem Hinterteil anzusehen.

»Übernehmen Sie das, Boss?« Poe seufzte und blickte auf sein T-Shirt hinunter. Inzwischen hatte er nur noch ein sauberes übrig.

Flynn schüttelte den Kopf, schaute dabei aber weiter durch das Fernglas. Ihr blondes Haar war zurückgebunden und schwang wie ein Pferdeschweif hin und her.

»Kommt nicht infrage«, sagte sie. »Sie hat Sie gefragt, und ich habe mir gerade eine Stunde lang angehört, warum ich eigentlich noch stillen sollte.«

»Sie sollten auch wirklich noch stillen, DI Flynn«, verkündete Bradshaw. »Die WHO sagt das ganz deutlich: Wenn man Babys achtzehn Monate lang stillt, bekommen sie mehr Nährstoffe und sind besser gegen Krankheiten geschützt. Das hilft das ganze zweite Lebensjahr lang, Krankheiten zu bekämpfen.«

»Ach ja? Na, es sind ja auch nicht Ihre Brustwarzen, auf denen er rumkaut.«

»Sind die wund? Haben Sie’s mal mit Muttermilch als Feuchtigkeitslotion probiert?«

Diesmal war es an Poe, hämisch zu kichern. Noch war Bradshaw keine Situation begegnet, die sie nicht noch peinlicher gestalten konnte.

»Nein danke, Tilly«, antwortete Flynn. »Und ich habe mit meinem Arzt gesprochen; er hat nichts dagegen, dass ich anfange abzustillen.«

Bradshaw runzelte die Stirn. Soweit es sie betraf, standen Ärzte nur eine Stufe über Zahnärzten. Kaum funktionsfähige Volltrottel.

»Und außerdem«, fuhr Flynn fort, »wollten Sie Poe nicht gerade Ihre Zehennägel verkaufen …?«

4. Kapitel

Es war die sonderbarste Observierung, an der Poe jemals teilgenommen hatte.

Drei Tage in der Abstellkammer von Mr und Mrs Emsley, dem hochbetagten Paar, das gegenüber von ihrer Zielperson wohnte.

Drei Tage nichts und wieder nichts.

Keine Sichtungen, keinerlei Hinweise darauf, dass jemand in dem Haus lebte, das sie beobachteten. Drei Tage lang lediglich Regen, Wind und Graupel und hin und wieder Besuche von Colin, dem arthritischen und zu Flatulenzen neigenden Zwergschnauzer der Emsleys.