Morgen ist es zu spät - Erika Sommer - E-Book

Morgen ist es zu spät E-Book

Erika Sommer

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Fürstenkrone Classic In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. Der Sturm rüttelte die alten Bäume, die um Schloss Langen standen, dass sie stöhnten und ächzten. Laut prasselten schwere Regentropfen gegen die breiten Fenster. Mit ernster Miene stand die junge Komtess Gwendolin von Osterburg in ihrem Zimmer und sah hinaus in das tobende Unwetter. Ihr sonst so heiteres Gesicht war bleich. Die großen braunen Augen, die sonst in kindlicher Unbekümmertheit lustig in die für sie noch so herrliche Welt lachten, trugen einen ungewohnt strengen Ausdruck. Schon seit Tagen herrschte eine bedrückte Stimmung auf Schloss Langen. Heute wurde der Bruder ganz plötzlich zum Vater gerufen. Bleich, aber mit einem unbeugsamen Zug um den Mund, war er der Aufforderung seines Vaters nachgekommen. Gwendolin fühlte ihr kleines Herz bis zum Hals klopfen. Sie ahnte, dass der Bruder nun hart um sein Glück kämpfen musste. Graf Holger von Osterburg war der einzige Sohn des Hauses und zukünftiger Herr von Langen. Seit Jahren war seine Heirat mit einer jungen Dame aus den ersten Kreisen beschlossen. Aber bis heute hatte der junge Graf seine Werbung noch nicht vorgebracht und war trotz der ernsten Mahnung seines Vaters nicht dazu zu bewegen. Nur eine im Schloss kannte den Grund, warum er nicht daran dachte, das Wort seines Vaters einzulösen, aber sie schwieg und verriet den Bruder nicht. Sie fand es empörend, was der Vater von dem Bruder verlangte. Heiraten ohne zu lieben, nur weil diese Ehe standesgemäß war – das war ja einfach entsetzlich. Du lieber Gott, als ob ein einfaches Mädchen nicht genausogut eine vorzügliche Gräfin von Osterburg abgeben konnte wie eine Komtess von Dahmen, die eine sehr nahe Verwandte des Fürstenhauses war. Es musste eine sehr erregte Auseinandersetzung sein, die sich zwischen Vater und Sohn abspielte. Zwei Trotzköpfe schienen hier aufeinanderzuprallen, und keiner wollte nachgeben. Ihre lauten erregten Stimmen schallten auf den Gang hinaus, und die Dienerschaft sah sich bedeutungsvoll an.

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Fürstenkrone Classic – 86 –

Morgen ist es zu spät

Die Geschichte einer großen Liebe

Erika Sommer

Der Sturm rüttelte die alten Bäume, die um Schloss Langen standen, dass sie stöhnten und ächzten. Laut prasselten schwere Regentropfen gegen die breiten Fenster.

Mit ernster Miene stand die junge Komtess Gwendolin von Osterburg in ihrem Zimmer und sah hinaus in das tobende Unwetter.

Ihr sonst so heiteres Gesicht war bleich. Die großen braunen Augen, die sonst in kindlicher Unbekümmertheit lustig in die für sie noch so herrliche Welt lachten, trugen einen ungewohnt strengen Ausdruck.

Schon seit Tagen herrschte eine bedrückte Stimmung auf Schloss Langen. Heute wurde der Bruder ganz plötzlich zum Vater gerufen. Bleich, aber mit einem unbeugsamen Zug um den Mund, war er der Aufforderung seines Vaters nachgekommen.

Gwendolin fühlte ihr kleines Herz bis zum Hals klopfen. Sie ahnte, dass der Bruder nun hart um sein Glück kämpfen musste.

Graf Holger von Osterburg war der einzige Sohn des Hauses und zukünftiger Herr von Langen. Seit Jahren war seine Heirat mit einer jungen Dame aus den ersten Kreisen beschlossen. Aber bis heute hatte der junge Graf seine Werbung noch nicht vorgebracht und war trotz der ernsten Mahnung seines Vaters nicht dazu zu bewegen.

Nur eine im Schloss kannte den Grund, warum er nicht daran dachte, das Wort seines Vaters einzulösen, aber sie schwieg und verriet den Bruder nicht. Sie fand es empörend, was der Vater von dem Bruder verlangte. Heiraten ohne zu lieben, nur weil diese Ehe standesgemäß war – das war ja einfach entsetzlich. Du lieber Gott, als ob ein einfaches Mädchen nicht genausogut eine vorzügliche Gräfin von Osterburg abgeben konnte wie eine Komtess von Dahmen, die eine sehr nahe Verwandte des Fürstenhauses war.

Es musste eine sehr erregte Auseinandersetzung sein, die sich zwischen Vater und Sohn abspielte. Zwei Trotzköpfe schienen hier aufeinanderzuprallen, und keiner wollte nachgeben.

Ihre lauten erregten Stimmen schallten auf den Gang hinaus, und die Dienerschaft sah sich bedeutungsvoll an.

Der arme junge Graf! All sein Kämpfen würde ihm nicht viel nützen. Am Ende würde doch der alte Graf seinen Dickschädel durchsetzen, oder aber der junge Graf musste dieses bürgerliche Mädchen so lieben, dass er bereit war, sein Erbe aufzugeben, um ihretwillen.

Plötzlich wurde es still, beängstigend still.

Die junge Komtess wandte sich ruckartig vom Fenster ab. Dann stand sie unbeweglich und lauschte angestrengt zum Nebenzimmer hin. Aber sosehr sie sich auch anstrengte, sie konnte nicht den geringsten Laut vernehmen. Ein sonderbares Angstgefühl kroch in ihr hoch und machte ihr das Atmen schwer.

Plötzlich schlug eine Tür, hart wie ein kurzer scharfer Peitschenhieb nach der fürchterlichen Stille.

Ein fast keuchender Atemzug hob die junge Brust des lauschenden Mädchens, das noch immer unbeweglich stand. Es hörte den festen Schritt des Bruders auf dem Gang, der dicht an ihrem Zimmer vorbeischritt.

Sie eilte auf die Tür zu. Alles in ihr drängte sie, dem Bruder nun ein liebes, zärtliches Wort zu sagen, das etwas von der bitteren Härte des Vaters mildern sollte.

Aber der junge Graf sah seine Schwester nicht, hörte nicht das Flehen in ihrer Stimme, als sie seinen Namen rief. Er stürmte wie von Furien verfolgt an ihr vorbei die Treppe hinunter.

Wirr hing ihm das Haar in die Stirn. Sein Gesicht war aufgewühlt und von einer beängstigenden Blässe.

Das Mädchen eilte hinter ihm her. Plötzlich hatte es das Gefühl, als müsste es den Bruder zurückhalten, als dürfte er in dieser Verfassung nicht aus dem Hause gehen.

Aber Graf Holger von Osterburg hatte das Schloss schon verlassen.

Kurz darauf klang Hufschlag auf.

Angstvoll presste das Mädchen ihre Hände auf die Brust.

Mein Gott – Holger ritt in diesem furchtbaren Wetter noch aus. Hoffentlich hatte er nicht Mimose, sein Lieblingspferd, genommen. Es scheute so schnell und würde in diesem Unwetter besonders nervös und erregt sein.

Heiß schluchzte das Mädchen auf. Nun, wo die entsetzliche Spannung etwas nachließ, musste sie plötzlich weinen, und ihre Nerven versagten.

Als sie eines der Mädchen auftauchen sah, floh sie überhastet in ihr Zimmer. Man brauchte ihre Tränen nicht zu sehen. Es ging keinen etwas an, dass sie sich Sorgen um den Bruder machte.

*

Während die Komtess um das Leben des Bruders bangte, trieb der Graf sein Pferd zu schneller Gangart an. Er ignorierte das tobende Unwetter, den Regen, der ihm ins Gesicht peitschte. In seinem Inneren tobte ein Aufruhr, der so wild und orkanartig war, dass alles andere dagegen unwesentlich wurde.

Im gestreckten Galopp stob sein Tier durch die einsamen Straßen des Dorfes, das still und verlassen lag. Die Bewohner hatten sich alle hinter schützenden Mauern ihrer Häuser zurückgezogen. Selbst die kläffenden Straßenköter schienen sich in einen schützenden Winkel verkrochen zu haben, um das Unwetter abzuwarten.

Naß und wirr hingen dem Grafen die Haare ins Gesicht, aus seinen Kleidern triefte das Wasser.

Endlich schien er sein Ziel erreicht zu haben.

Hart zog er die Zügel an, sodass sein Tier schnaubend den edlen Kopf zurückwarf und aufwiehernd steilte.

Er sprang aus dem Sattel, band sein Pferd fest und ging schnell auf das kleine Haus zu, das einen freundlichen, gepflegten Eindruck machte.

Gerade als er im Begriff stand, anzuklopfen, wurde die Tür von innen geöffnet. Ein alter Mann stand auf der Schwelle, ein freundliches Lächeln in den gütigen alten Augen.

»Kommen Sie herein, Herr Graf«, sagte er herzlich.

Mit einem Blick auf Holgers durchnässte Kleidung sagte er erschrocken: »Du lieber Gott, Sie sind ja völlig durchnässt. Sie können sich den Tod holen.«

Bitter auflachend winkte der junge Mann ab.

»Das wäre das Schlimmste nicht, Vater Uhlig«, stieß er ungeheuer bitter hervor, während er ins Haus trat. »Ist Phyllis da?«

Der alte Mann nickte nur. Er stellte keine Fragen.

Nur seine Augen hatten sich verschattet, während er mit einem langen nachdenklichen Blick hinter dem Mann hersah, der nun schnell durch den Flur ging und in einem der Zimmer verschwand.

Phyllis war das Kind seiner einzigen Tochter, die im Kinderbett gestorben war. Das Leid um den Mann, den sie geliebt und dem sie vertraut hatte, und der sie bitter enttäuschte, hatte ihre Kräfte aufgerieben.

Uhligs behielten das Kind bei sich und zogen es auf. Es wurde ihnen so lieb und teuer, als wäre es ihr eigenes. Seine Frau klammerte sich an das Kind, weil es das einzige war, was ihr von der geliebten Tochter geblieben war.

Phyllis wurde ein sehr schönes Mädchen. Wundervolles Haar, das weich und seidig schimmerte, war ein Erbe ihres Vaters. Die leuchtend blauen Augen aber hatte sie von der Mutter, und sie schienen die ganze Bläue eines strahlenden Sommerhimmels in sich aufgesogen zu haben.

Sie wurde das Glück ihrer Großeltern. Da sie ein sehr feines Gefühl für Musik hatte, ließ Uhlig seine Enkelin ausbilden, und sie war inzwischen eine sehr gute Pianistin. Sie erhielt ihr erstes Angebot und trat auf einer kleinen Bühne auf. Es wurde ein großer Erfolg. Mit einem Schlag war ihr Name ein Begriff. Aber es war seltsam. Phyllis schien auf einmal keinen großen Wert mehr auf ihre künstlerische Laufbahn zu legen.

Sie lehnte alles ab, was sie aus der Heimat führen würde. Uhlig drängte nicht. Er war viel zu glücklich, dass sie ihn nicht verlassen wollte, nun, wo er nach dem Tod seiner Frau ganz allein war. Erst viel später erkannte er den wahren Grund, warum sie nicht fortwollte.

Als sie ihm zum ersten Mal von ihrer Liebe zu dem Grafen sprach, da war er entsetzt gewesen. Mit zitternder Stimme hatte er sie beschworen, sich diese Liebe aus dem Herzen zu reißen, wenn sie nicht das Schicksal der Mutter erleben wollte. Aber er predigte tauben Ohren. Phyllis’ junges Herz war so mit ihrer heißen Liebe zu dem Mann ausgefüllt, dass nichts sie erschrecken konnte.

»Großvater, alles, was du sagst, habe ich mir hundertmal gesagt.«

Da hatte Uhlig es aufgegeben, bitter erkennend, dass es kein Ausweichen gab, dass man seinem Geschick nicht entfliehen konnte. Er hatte eine sehr ernste Unterredung mit dem jungen Grafen gehabt, den er schon als kleinen Jungen gekannt hatte. Eindringlich hatte er ihn darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verbindung mit seiner Enkelin nie die Billigung seines Vaters finden würde.

Graf Holger hatte ihm zugestimmt. Aber dann hatte er ihn gebeten, Vertrauen zu ihm zu haben.

»Ich liebe Phyllis, Vater Uhlig. Sie wird meine Frau. Mein Vater wird sich damit abfinden müssen, oder aber er wird seinen Sohn verlieren.«

Es hatte so entschlossen geklungen, dass der alte Mann davon überzeugt war, dass es Holger bitterernst damit war.

Nun aber war schon über ein Jahr vergangen. Heimlich trug Phyllis seinen Ring. Noch hatte der junge Graf dem Vater nichts von seiner Liebe zu dem bürgerlichen Mädchen erzählt.

Der alte Graf litt seit Monaten an einem schweren Herzleiden und musste geschont werden.

Phyllis drängte den Geliebten nicht, sie wartete geduldig darauf, dass er eines Tages sein Wort einlösen und sie zu seiner Frau machen würde.

Der alte Mann ging mit einem Seufzer hinaus und führte das schweißnasse Pferd in den schützenden Schuppen. Fast zärtlich strich er über das dampfende Fell und schüttelte dann beunruhigt den Kopf.

»Ihr beide schaut ja aus, als ob euch der Leibhaftige begegnet sei«, murmelte er, während er das Tier abrieb. Das Herz lag ihm plötzlich wie ein Stein in der Brust, ohne dass er sich hätte erklären können, was ihn auf einmal bedrückte.

*

In diesem Augenblick saßen sich in der kleinen gemütlichen Wohnstube zwei junge Menschenkinder gegenüber und hielten sich bei der Hand. Krampfhaft waren ihre Finger ineinander verschlungen, als wollten sie sich gegenseitig Kraft geben.

Wie gebannt sah der Graf in das schöne Gesicht seiner jungen Braut, und sein Herz stöhnte auf in heißer Qual.

Ihr kleiner, sonst immer so leuchtend roter Mund war bleich und zuckte vor verhaltenem Weinen. Der Glanz in den wundervollen Augen war erloschen, und sie schimmerten feucht und voller Not.

Mit einem unterdrückten Stöhnen riss der Mann das geliebte Mädchen jäh an sich und bedeckte das bleiche Gesicht mit leidenschaftlichen Küssen.

»Phyllis, meine kleine geliebte Phyllis – ich kann nicht, ich kann es nicht.«

Wie betäubt lag das Mädchen in seinen Armen.

Das Herz schlug ihr dumpf und bang, sodass sie fürchtete, es würde zerspringen.

»Ich habe es gewusst«, stöhnte sie erstickt, und es klang zerrissen vor innerer Qual. »Es war zu viel des Glücks, es musste ja so kommen.«

»Nein, Phyllis, nein«, wehrte der Mann ab. Seine dunklen Augen glühten. »Du gehörst zu mir, wir haben es uns geschworen, und wir werden unseren Schwur niemals brechen. Ich liebe dich so sehr, dass mein Leben keinen Sinn mehr hat, wenn ich dich verliere.«

Er war vor dem Stuhl des Mädchens in die Knie gesunken und barg aufstöhnend seinen Kopf in ihrem Schoß.

Wie gelähmt saß das Mädchen und sah auf ihn herab.

Dann hob sich ihre Hand, und unendlich weich glitten ihre Finger über das wirre Haar.

Lange saßen sie so und fanden keine Worte, um der Not Ausdruck zu geben, die ihre Herzen bis zum Bersten anfüllte.

»Wir müssen tapfer sein, Holger«, tropfte es nach einer Weile mühsam über die blutleeren Lippen. Jedes Wort schien wie ein Dolch ihr Herz zu durchbohren.

Sein Kopf ruckte hoch. Seine geweiteten Augen, die wie Kohlen glimmten, starrten sie an. Dann schrie er jäh auf, und sein ganzer Trotz lag in seiner Stimme:

»Nein, Phyllis, nein, ich gebe dich nicht her! Ich gehöre zu dir, und keine Macht der Welt wird uns trennen können.«

Es lag eine solch große Liebe in seinen Augen, dass das Mädchen erschauernd die Lider schloss und ein Beben die zarte Gestalt überflog.

»Dein Vater, Holger«, murmelte sie erstickt, während sie sich gegen ihn drängte.

Er zuckte wie unter einem Schlag zurück. Irre Verzweiflung breitete sich über das eben noch so trotzige junge Gesicht.

»Mein Vater – mein Gott, ich weiß nicht, wie es enden soll«, brach es dumpf aus ihm heraus. »Dich habe ich lieb, mehr als mein Leben. Aber all mein guter Wille zerrinnt in Nichts vor der entsetzlichen Gewissheit, dass mein Vater seine furchtbare Drohung wahr macht und sich umbringt, wenn er die Heimat aufgeben muss.«

Mit einem seltsamen Laut war er aufgesprungen und riss Phyllis nun so leidenschaftlich an sich, dass sie leise aufstöhnte.

»Hilf mir, Liebling, hilf mir, ich sehe keinen Ausweg mehr.«

Wie betäubt lag sie an seiner Brust, und ihr war es, als wiche langsam jedes Leben aus ihrem Körper, als stürzte sie in einen dunklen Schacht, aus dem es kein Entkommen mehr gab.

Langsam schlug sie die Augen auf, die wie erloschen waren, ohne Leben und Glanz.

Die sonst so weiche Stimme klang wie zersprungenes Glas, als sie spröde sagte:

»Du darfst nicht lange zaudern und wägen, Holger. Unser Glück war zu wundervoll, als dass es von Dauer hätte sein dürfen.«

Ihre Stimme gehorchte ihr kaum noch. Sie musste erst ein paarmal ganz tief Luft holen, ehe sie weitersprechen konnte.

»Es muss vorbei sein, Holger. Du bist Graf von Osterburg, der einzige Sohn und Erbe. Du gehörst zu deinem Vater. Du darfst Langen, das Schloss deiner Ahnen, nicht für die Liebe eines armen bürgerlichen Mädchens aufs Spiel setzen, darfst nicht das Leben deines Vaters unserer Liebe opfern.«

Jedes Wort, das sie mit zuckenden Lippen sagte, riss eine tiefe blutende Wunde in ihrem Herzen.

»Ich kann nicht, Phyllis, ich kann ohne dich nicht leben.«

Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände und küsste seine glühenden Augen. Ihre ganze Liebe lag in diesem Kuss.

»Holger, es gibt keinen anderen Weg für uns, wir müssen tapfer sein.« Ein Schauer durchlief ihre Gestalt. Grauen stand in ihren weit geöffneten Augen.

»Immer wird der Schatten deines Vaters zwischen uns stehen und uns anklagen. Holger, willst du der Mörder deines Vaters sein?«

Mit einem Aufschrei riss er sich von ihr los. Seine kräftige Gestalt wankte, als würde er unter der ihm aufgebürdeten Last zusammenbrechen.

»Hör auf, das ist mehr, als ein Mensch ertragen kann«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. Mit einem wilden Blick umfasste er die schlanke zierliche Mädchengestalt, als müsste er sich ihren Anblick für alle Zeit einprägen.

»Phyllis, was soll nun werden? Wie soll ich es ertragen ohne dich?«

Mit einem leidenschaftlichen Aufschrei warf sie sich an seine Brust und schlang die Arme um seinen Hals. Ihr Körper wurde von einem herzzerreißenden Weinen geschüttelt.

»Ich liebe dich, Holger, ich liebe dich.«

Der Mann stand wie versteinert und hielt das über alles geliebte Mädchen fest an sich gepresst.

Eine tiefe Hoffnungslosigkeit lag nun in seinen Augen. Dumpf ahnte er, dass dies der Abschied von einem namenlosen Glück war, dass nun alles vorbei sein musste.

Obwohl alles in seinem ungestümen Herzen sich aufbäumte und dagegen zur Wehr setzte, befürchtete er doch, dass er sich dem Willen des Vaters beugen musste. Nie würde er glücklich sein können mit dem Wissen, schuld zu sein an seines Vaters Tod.

Keine einzige Sekunde zweifelte Holger daran, dass der Vater seine Drohung, sich zu erschießen, wahr machen würde.

Stumm hielten die beiden Liebenden sich umschlungen. Ihre Lippen fanden keine Worte mehr.

Gewaltsam riss der Graf sich schließlich los. Weit schob er das Mädchen von sich, während seine Finger sich in die schmalen Schultern drückten.

»Phyllis, meine kleine Phyllis, mein Herz bleibt bei dir«, murmelte er. Jäh ließ er sie los und stürmte aus dem Zimmer.

Das Mädchen stand reglos mitten im Raum und starrte auf die Tür, die sich hinter dem Geliebten geschlossen hatte.

Aus – aus, war das einzige, was sie denken und fühlen konnte. Vorbei, was jede Regung ihres Herzens bis in den kleinsten Winkel ausgefüllt hatte. Vorbei ihr unbegreiflich schönes Glück, ihre Hoffnung, ihr Sehnen, endlich für immer mit dem geliebten Mann vereint zu sein.

Draußen klangen Hufschläge auf. Sie rissen das Mädchen jäh aus seiner Erstarrung. Wie irr brach es über ihre Lippen:

»Holger, bleib, geh’ nicht fort, lass mich nicht allein! Bitte, bitte, lass mich nicht allein!«

Phyllis brach in die Knie. Hart schlug ihr Kopf gegen das Stuhlbein. Aber sie spürte den Schmerz nicht, der klein und nichtig gegen die Not war, die ihr Herz zerriss.

*

Von der Schlosskirche läuteten die Glocken und verkündeten allen, dass Graf Holger von Osterburg zu Langen seine junge Braut, die Komtess Juliane von Dahmen, zum Altar führte, um mit ihr den Bund der Ehe einzugehen.

Die plötzliche Verlobung hatte allgemeines Verwundern hervorgerufen. Denn es war schon lange ein offenes Geheimnis im Dorf, dass der junge Graf sein Herz in stürmischer Liebe an die bildschöne Phyllis Uhlig verloren hatte.