Morgen kommt der Weihnachtsmann-Azubi - Allie Well - E-Book
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Morgen kommt der Weihnachtsmann-Azubi E-Book

Allie Well

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Beschreibung

Weihnachtsmuffel am Nordpol – Chaos garantiert! Ein witziger, turbulenter Weihnachtsroman  »Der Mann in rot grinste mich an. ›Es ist Weihnachten und ich wollte durch den Schornstein ins Haus. Wer bin ich?‹  ›Als ich das letzte Mal in der Mall war, war der Weihnachtsmann alt und übergewichtig.‹«  Cleya ist Weihnachtshasserin durch und durch, und das mit Stolz. Lars ist der zukünftige Weihnachtsmann – zumindest ist das sein Ziel, weshalb er Cleya davon überzeugen muss, dass er kein Krimineller und Weihnachten schützenswert ist. Blöderweise hat er sie zuvor entführt und zum Nordpol verschleppt ... »Eine süße Geschichte, die wenig mit Liebe zu tun aber, dafür aber mit Missverständnissen, Unverständnis, Freundschaft, Eisbären, bissigen Rentieren und auch Babysitten und ganz viel Weihnachten.« ((Leserstimme auf Netgalley)) »Ich musste so lachen. Es ist eine leichte Geschichte, die humorvoll Weihnachten einläutet.« ((Leserstimme auf Netgalley)) 

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© Piper Verlag GmbH, München 2021

Redaktion: Birgit Förster

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Giessel Design

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

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Inhalt

Cover & Impressum

Widmung

29. November

30. November

1. Dezember

Immer noch 1. Dezember

2. Dezember

3. Dezember

4. Dezember

5. Dezember

Immer noch 5. Dezember

6. Dezember

7. Dezember

8. Dezember

9. Dezember

10. Dezember

11. Dezember

12. Dezember

Immer noch 12. Dezember

Immer noch 12. Dezember 2.0

13. Dezember

14. Dezember

15. Dezember

16. Dezember

17. Dezember

18. Dezember

19. Dezember

20. Dezember

21. Dezember

22. Dezember

23. Dezember

24. Dezember

Immer noch 24. Dezember

Ein Jahr später. Dezember

Danksagung:

Für Tamara

29. November

Wenn ich mir den Baum jetzt ansah, fand sogar ich ihn abartig.

»Weihnachtsbäume müssen den Boden berühren, Cleya«, hatte meine Cousine gesagt, bevor ein Blick meiner Tante sie zum Schweigen gebracht hatte. Noch genoss ich eine Art Welpenschutz, was paradox war, denn meine Cousine war zehn Jahre jünger als ich. Aber wenn es bedeutete, dass ich mich nicht für Weihnachtsdekorationen, die ich aufhängte, rechtfertigen musste, nahm ich auch das in Kauf. War ja nicht so, als wäre der Rest der Gartenausstattung weniger kitschig. Trotzdem, die Kleine hatte recht. Weihnachtsbäume mussten den Boden berühren – etwas, was das Konstrukt vor mir nicht tat. Ich nahm die Hände vor den Mund und atmete verstärkt aus. Finger auftauen.

Hinter mir knackste etwas, und ich wirbelte herum. Die Augen zusammengekniffen, sah ich mich im Garten meiner Tante um. Alles wie immer. Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich wieder auf die Baumproblematik vor mir. Im November die Weihnachtsdeko im Garten aufzubauen, war übertrieben. Vollkommen übertrieben, genau wie der Kram selbst. Aber nein, hier in Winterville war man Ende November spät dran. Leider wahr.

Wieder knirschte es hinter mir, und diesmal machte ich ein paar Schritte durch den Schnee, um die Ursache ausfindig zu machen. Nicht viel zu erkennen. Abgesehen von den weißen, blauen, roten, grünen und gelben Lichtern der Nachbargärten. Ich hielt den Atem an und bewegte mich nicht. Stille. Wahrscheinlich wurde ich langsam, aber sicher verrückt. In diesem Kaff kein Wunder. Winterville. Dämlicher Name, dämliche Leute und dämliche Jahreszeit. Ich machte einen Schritt auf den hängenden Baum zu und sank einige Zentimeter tiefer ein als erwartet. Scheißkalt! Wer hatte sich den Winter überhaupt ausgedacht? Und Weihnachten! Und überhaupt! Ich hüpfte auf einem Bein weiter und versuchte, den Schnee aus meinem anderen Schuh zu schütteln. Mit mäßigem Erfolg. Nach diesem Versuch lachte jemand hinter mir.

»Mick, geh wieder ins Bett«, fuhr ich meinen Cousin an.

Wieder ein Lachen.

»Es ist fast elf, du gehörst ins Bett!«

»Du gehörst ins Bett«, echote es hinter mir, und einmal mehr wechselte ich die Richtung. Ich erwartete, meinen dreizehnjährigen Cousin zu sehen, der sich amüsierte, wann immer ich mit diversen Dekoelementen hantierte. Was ich nicht erwartete, war ein rot gekleideter Fremder, der gerade versuchte, in unseren Schornstein zu krabbeln. Was zur Hölle? Die obere Körperhälfte war beinahe im Kamin verschwunden, die untere zappelte etwas haltlos in der Luft herum. Trotz dieser misslichen und wenig einschüchternden Lage ahmte mich der Einbrecher nach. Haha. Wahnsinnig witzig.

Ich straffte die Schultern. »Hey!«, rief ich. Trotz allem war er immer noch ein Fremder, der sich Zutritt zum Haus verschaffen wollte. »Was soll das?«

Sofort zog er seine obere Körperhälfte aus dem Schornstein.

»Man kriecht nicht in fremde Schornsteine!« Keine Ahnung, woher ich den Mut nahm, so mit ihm zu sprechen. Vielleicht aufgrund der Tatsache, dass er einige Meter über mir stand, vielleicht aber auch aus dem Fakt, dass ich nur kreischen musste, um Leute zu alarmieren. Der einzige Vorteil Wintervilles: Handys waren völlig überflüssig. Wenn man ein Gespräch führen musste, öffnete man nur das Fenster und rief laut. Der oder die Angesprochene würde es schon mitbekommen und zurückplärren. Nicht, dass meine Tante diese Vorgehensweise gut gefunden hatte. Wahr war es trotzdem. Wirkliche Verbrechen konnte es bei dieser Nachbarschaftsclique nicht geben, ohne dass es jemand mitbekam.

»Nicht?«, fragte der Einbrecher, eindeutig männlich.

Nicht. Definitiv nicht. »Dreh dich langsam zu mir um«, befahl ich. »Ich bin bewaffnet.« Schnell bückte ich mich und nahm mir eine Handvoll Schnee. Zu kalt.

»Okay, okay, ich bin ganz harml…«, setzte der Fremde an, ohne sich zu bewegen. Zumindest ohne sich für mich sichtbar zu bewegen.

Vielleicht war das hier doch keine so clevere Idee. Irgendjemandem Bescheid zu geben wäre doch nicht so überflüssig, schätzte ich. Jedenfalls nicht, wenn man bemerkte, dass ich ziemlich allein und nur alibimäßig bewaffnet hier draußen stand. Zu spät. Da musste ich jetzt trotzdem durch. »Dreh dich um«, wiederholte ich mit festerer Stimme. Meine Finger schlossen sich um den Schnee in meiner Hand.

Der Einbrecher reagierte nicht.

»Ich zähle jetzt bis drei. Eins …« Das war der Tonfall, den ich bei meiner Cousine nutzte, wenn sie gegen Notwendigkeiten wie Zähneputzen protestierte. Irgendwann war es genug, sogar meine Geduld war endlich. Besonders abends, wenn ich eigentlich fernsehen wollte, statt Grundschüler zu betreuen. Egal, was für einen Pimpf funktionierte, funktionierte auch mit einem Einbrecher. Hoffte ich. Jeder war mal Kind gewesen, und Kinder wussten, dass die Sache ernst wurde, sobald man zählte.

»Du versuchst es jetzt nicht ernsthaft mit dem Countdown, oder?« Langsam drehte er sich in meine Richtung. Zu seinem Glück beleuchteten ihn die bunten Lichterketten genug dazu. »Wie alt bist du? Zwölf?« Siebzehn, Idiot. So danebenliegen konnte man nicht mal mit begrenzter Beleuchtung. Sah ich etwa wie ein Kind aus? Ich war doch kein Dreikäsehoch mehr!

»Zwei.«

Das helle Haar fiel ihm ins Gesicht, und ich war mir sicher, dass sich irgendwo in seinem Gesicht belustigt funkelnde Augen befanden. Nur jemand mit eindeutig zu viel Selbstbewusstsein reagierte so darauf, ertappt zu werden. Jetzt besaß er die Frechheit, einmal mehr zu lachen, und das nervtötend angenehm. Warum hatte er kein peinliches oder hässliches Lachen?

»Letzte Warnung.« Ich ballte die Hand, so gut es mit zu Eiszapfen mutierten Fingern ging, zur Faust.

»Hör zu …«

»Drei«, unterbrach ich ihn und sah, wie er sich mir nun ganz zuwandte. Exakt in dem Moment, in dem er das tat, warf ich den Schneeball. Er traf seine Brust mit einem zufriedenstellenden Klatschen, bevor der Mann in Rot weit weniger zufriedenstellend das Gleichgewicht verlor. Mit seinem Hinterteil kam er hart auf dem Dach auf, dann sah ich ihn in Richtung Boden rutschen. Ich erstarrte. So hatte ich mir das nicht gedacht. Ich konnte nicht hinsehen, aber auch nicht wegsehen, als er einen Moment lang ohne Halt fiel und dann mit einem dumpfen Geräusch landete und sich nicht rührte.

Ohgottohgottohgott! Ich hatte gerade einen Menschen umgebracht. Mit einem verdammten Schneeball noch dazu. Schritt für Schritt wagte ich mich an den Körper heran. Roter Klecks auf weißem Grund. Na, wenn das mal kein furchtbares Omen war. Meine Schuhe füllten sich zunehmend mit Schnee, aber meine erfrierenden Zehen hatten gerade keine Priorität. Was, wenn er tot war? Oder schlimmer noch: lebendig? Ich war beim Erste-Hilfe-Kurs krank gewesen, Mund-zu-Mund kannte ich nur vom Küssen. Wo blies man da überhaupt hinein? Nase oder Mund? Hoffentlich Mund. Ich wollte keine fremden Nasen in den Mund nehmen. Igitt! Ich schüttelte mich. Na ja, es hieß bestimmt nicht ohne Grund Mund-zu-Mund. Kurz vor dem Körper blieb ich stehen. Da rührte sich nichts. Wie war das, wenn man in einer Situation wie dieser war? Sollte man die potenzielle Leiche schütteln, um zu sehen, ob sie wach wurde, oder sollte man das lieber nicht tun und das Rückgrat schonen. Ich sah auf. Drei oder vier Meter war er schon gefallen. Ugh. So hatte ich mir den Abend nicht vorgestellt. Falls er noch lebte, wollte ich nicht noch mehr kaputt machen, als ich es ohnehin schon getan hatte, also stieß ich das Knie des jungen Mannes leicht mit dem Fuß an.

Nichts.

Vorsichtshalber – am Ende war er noch nicht tot, sondern nur ohnmächtig, und ich ließ ihn erfrieren – trat ich etwas fester nach ihm, und diesmal reagierte er, als hätte ich ihm einen Eimer Wasser ins Gesicht geschüttet. Dem Himmel und allen Göttern, die es dort geben mochte, sei Dank! Ich war keine Mörderin. Er richtete sich auf, verlor das Gleichgewicht und fiel mir entgegen. Wie zur Hölle sollte ich ihn auffangen? Reflexartig machte ich einen Schritt zurück, um nicht auch zu Boden gerissen zu werden. Der Einbrecher versank wieder etwas im Schnee, und diesmal verzichtete ich darauf, mich zu vergewissern, ob er noch atmete. Wer fluchen konnte, war offensichtlich noch nicht tot. Langsam rappelte er sich auf und blieb aufrecht stehen.

»Sag mal«, brachte er heraus und spuckte halb geschmolzenen Schnee aus. Er pflückte sich etwas davon von der Zunge und stockte. »Hast du Kunstschnee im Schnee?« So, wie er es sagte, klang es, als sei das ein Verbrechen.

Defensiv verschränkte ich die Arme. »Und wenn?«

»Kunstschnee!«, betonte er. Das sagte natürlich alles. Was hatte er überhaupt für ein Problem? Wir hatten Kunstschnee gestreut, dann hatte es geschneit. Sollte vorkommen. Besonders in Winterville war das nicht ungewöhnlich. Er schüttelte den Kopf. »Sag mal, spinnst du? Du hättest mich umbringen können!« Der Fremde deutete zuerst auf mich, anschließend auf das Dach und zu der menschenförmigen Delle in der Schneedecke.

»Habe ich aber nicht.«

»Wie kommt man auf die Idee, jemanden mit einem Schneeball vom Dach zu schießen?«

Ich baute mich mit meinen eins zweiundsechzig vor ihm auf und stieß ihm den Zeigefinger in die Brust. Der Samtstoff seines Oberteils war komplett durchnässt. Pech. »Wie kommt man auf die Idee, in fremde Schornsteine zu klettern?«

»Warum kein Schornstein?«, konterte er.

»Der Ofen ist angeheizt, Idiot.« Ich nickte in Richtung Qualm. »Wie siehst du überhaupt aus!« Wie ein Teenager, der sein Taschengeld verbraten hatte und jetzt Weihnachtsmann im Kindergarten spielen musste, weil Kinder in diesem Alter noch nicht einschätzen konnten, ob man achtzehn oder achtzig war. Alles ab Schulkind war alt.

»Gut, würde ich behaupten.«

Die Erleichterung, nicht für sein Ableben verantwortlich zu sein, sank signifikant. Noch mehr, als der Kerl die Frechheit besaß, sich jetzt im halb dekorierten Garten umzusehen und die ein oder andere Lichtattraktion mit einem Lachen zu kommentieren. Wie ein treudoofer Hund stapfte ich ihm hinterher. Wer wusste schon, wo er noch hineinkriechen wollte.

»Was ist das?« Der Pseudo-Santa deutete auf den aufgehängten Baum.

»Sag du es mir«, meckerte ich. Das Ding war mit Lichterketten umwickelt und eindeutig baumförmig. Vermutlich handelte es sich dabei also um ein Auto. Wozu hatte der Typ Augen, wenn sie nicht mit dem Gehirn verbunden waren?

»Aber … Plastik!« Er drehte sich zu mir und riss die Augen auf. Blau. Warum hatten alle komischen Kerle immer blaue Augen? Ich mochte blaue Augen, verdammt! Er war der Böse, er brauchte keine schönen Augen. »Das ist ein Plastikbaum?«

»Offensichtlich.«

»Aber … Plastik!«

»Das haben wir ausgiebig festgestellt, ja.« Hatte er doch etwas abbekommen? Andererseits trug er ein Weihnachtsmannkostüm. Die Chancen standen gut, dass er schon vorher so gewesen war. »Bevor du fragst, ja, er hängt in der Luft.« Gefesselt und bestraft. Ich hatte keinen Baumständer gefunden und auch keine Motivation gehabt, einen zu kaufen, also hatte ich die einzige Dekoration, die mir tatsächlich gehörte, kurzerhand an den Rosenbogen meiner Tante gehängt.

»Das sehe ich.«

Wunderbar. Die Verbindung Auge-Hirn funktionierte wohl doch noch.

»Er ist pink.«

»Auch das.«

»Findest du das wirklich schön?«

Ehrlich? Nein. Aber ich fand wenig an Weihnachten schön, von Punsch und Süßkram mal abgesehen. Ob der Baum pink oder glitzernd oder rot war, war mir schlichtweg egal. Meine Tante hatte um eine angemessene Gestaltung des Gartens gebeten, und ich hatte ihr den Wunsch erfüllt. Urteile standen nicht in der Stellenbeschreibung. »Was geht dich das an?« Ich verschränkte die Arme vor der Brust. »Was machst du überhaupt hier?«

Der Kerl hakte seine Daumen in den Hosenbund ein – schrecklich hipster – und zuckte mit den Schultern. »Ich kam hier zufällig vorbei und …«, er sah zum Baum, »… der hier ist schwer zu übersehen. Ich wollte ihn entsorgen. Ich wollte nichts stehlen oder so.«

»Außer dem Baum, natürlich. Für den du in den Schornstein gekrabbelt bist.«

»Natürlich«, echote er. »Nicht, dass du mir das vorwerfen kannst. Das Teil ist abartig. Außerdem wollte ich dich vorher fragen.«

Vielleicht sollte ich den Verrückten einfach machen lassen. Er konnte den Baum abhängen und mitnehmen, und morgen, wenn sein Fehlen bemerkt werden würde, könnte ich völlig überrascht tun. Ich konnte sogar etwas bedrückt aussehen, schließlich hatte ich den Baum mitgebracht. Nein. Ich konnte den Baum nicht gebaumnappt werden lassen. Er war auch in seiner Abartigkeit noch immer Moms Versuch, mir etwas Familie mitzugeben, wenn ich schon bei ihrer Schwester untergebracht war.

»Man sollte es vergraben.«

Ich sollte nach drinnen gehen und die Polizei rufen. Die konnte dann dafür sorgen, dass der Fremde ging. Was für ein Einbrecher wollte er überhaupt sein? Erzählte mir etwas von wegen Weihnachtsbaum, den er mitnehmen wollte, kletterte aber auf dem Dach herum. Sehr logisch. Sollte mal das Einmaleins der Kleinkriminellen lernen. Der Typ war vieles, aber mit Sicherheit nicht vertrauenswürdig, und trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich die Idee, dem Baum ein Begräbnis zu schenken und seine pinkfarbene Glitzerära zu beenden, gar nicht so furchtbar fand. »Eigentlich hast du recht«, sagte ich.

»Hm?«

»Mit dem Baum. Man sollte ihn wirklich vergraben.«

Der Einbrecher blinzelte, dann runzelte er die Stirn, und letztlich unterzog er mich einer genauen Musterung. Wahrscheinlich fragte er sich, ob ich noch ganz klar im Kopf war. Vermutlich nicht, aber das ging ihn nichts an. Ich ging zum gehängten Baum und zog fest an den unteren Ästen, sodass er mir entgegenfiel.

»Du meinst das ernst.« Er sah noch eine Spur verwunderter aus, als ich ihm das Plastikgestrüpp in die Arme drückte und nickte.

»Ja.« Dachte ich zumindest. Morgen würde ich die Aktion hoffentlich dämlich finden und mich fragen, wie um alles in der Welt ich sämtliche Regeln, die jungen Mädchen eingebläut wurden, hatte ignorieren können. Falls ich nicht mit dem pinkfarbenen Baum vergraben wurde.

»Okay.« Er schulterte den Baum und stach sich dabei beinahe ein Auge aus. »Und mit wem habe ich das Vergnügen, Baumbestatter zu spielen?«

»Cleya.«

»Clay-ah?«

»Klej-ja. Und du bist?«

Der Mann in Rot grinste mich an. »Es ist Weihnachten, und ich wollte durch den Schornstein ins Haus. Wer bin ich?«

»Es ist November.«

»Weihnachten.«

»Als ich das letzte Mal in der Mall war, war der Weihnachtsmann alt und übergewichtig.«

»Jeder fängt mal klein an.«

Ja, mit Minijobs in der Nachbarschaft. Oder im nächsten Kaff. Aus Winterville konnte der Typ nicht sein, sonst hätte Miss Daisy ihn mir sicher vorgestellt. Die Frau war alles, was man sich unter einer Kleinstadtnachbarin im fortgeschrittenen Alter und mit zu hohem Agatha-Christie-Konsum vorstellte. Wenn sie jemanden nicht kannte, kannte ihn niemand.

»Wo genau gedenkst du, den Baum zu vergraben?«, fragte der namenlose Typ.

Oh. Ja. Darüber hatte ich nicht nachgedacht. »Gute Frage«, sagte ich und nahm ihm den Baum wieder ab. Wenn ich es mir recht überlegte, sollte ich den Baum einfach in den Schnee stecken und hoffen, dass er eingeschneit und so versteckt wurde. Und wenn es zwischen Schneebatzen pink glitzerte, waren es einfach besondere Special Effects. Ich stellte ihn ab und wedelte vor dem Fremden in der Luft herum, um ihn zu verscheuchen. »Du darfst jetzt gehen.«

»Ich darf jetzt gehen?«

»Dürfen im Sinne von müssen, ja. Du musst jetzt gehen.«

Die Mundwinkel des Einbrechers zuckten. »Muss ich das? Warum?«

Weil meine Schuhe nass wurden und ich ins Bett wollte, verdammt. Morgen hatte ich Schule. Theoretisch jedenfalls. Wenn ich ihn mir so ansah, konnte er eigentlich auch Schule oder College oder irgendwas für den Morgen geplant haben. »Musst du. Weil halt.«

»Wenn du das sagst.« Der verkleidete junge Mann zuckte mit den Schultern und stapfte in Richtung Zaun davon.

»Der Ausgang ist da vorn«, erinnerte ich ihn und deutete in die entgegengesetzte Richtung.

»Ich weiß«, rief er mir über die Schulter hinweg zu. »Aber hast du Fußspuren oder so aus der Richtung gesehen?«

Ich ließ den Blick über die größtenteils intakte Schneedecke gleiten. Wenn er nicht gerade einen auf Minerva McGonagall machte und sich in Katzen verwandelte, war er nicht von der Straße gekommen. Als ich mich wieder zu ihm drehte, war er nicht mehr da.

Was für ein seltsamer Abend.

30. November

»Geh für sie einkaufen«, hatte sie gesagt. »Das wird schön«, hatte sie gesagt. »Du findest Freunde«, hatte sie gesagt.

Wie unschwer zu erkennen war, war meine Tante eine professionelle Lügnerin. Ich ging nicht einkaufen, vielmehr schlitterte ich von gefrorener Pfütze zu gefrorener Pfütze und versuchte dabei, die Eier heil zu Miss Daisy zu transportieren. Schön war etwas anderes. Wir hatten Winter, schön war gar nichts. Es war zu dunkel, zu kalt und eindeutig zu weihnachtlich hier. Aber immerhin diese Aufgabe konnte ich jetzt abhaken. Ich hatte eingekauft, Schnee geschippt und ein Stück des ekelhaften Kuchens, den nur antike Nachbarn zusammenmischen konnten, heruntergewürgt, meine Pflicht als nette Nachbarin war getan.

Miss Daisy sah das offenbar anders. Mit einem Teller Kuchen in den Händen kam sie angewackelt. »Noch ein Stück, meine Liebe?«

Auf keinen Fall. Keine Ahnung, welches Rezept sie verwendete, es gehörte aber schnellstens entsorgt. Und wenn selbst ich so dachte, wo ich die letzten Jahre von Fertigprodukten gelebt hatte, deren Geschmack nach Pappe nur in Bezug auf Geschmacksstoffe variierte, dann musste es wahr sein. »Danke, nein«, sagte ich und legte mir eine Hand auf den Bauch. »Ich bin satt.« Wie zum Beweis legte ich meine Serviette zu der Gabel auf den Teller und schob diesen von mir. Eine Portion Kuchen mit Obst aus einer der Konserven, die ich letztens eingekauft hatte, reichte vollkommen. Da war mir ja Weihnachtsgebäck lieber. Bei Butterplätzchen, wie meine Cousine sie inhalierte, konnte man zumindest wenig falsch machen.

»Schon? Dann packe ich dir einen Teller ein.«

Von mir aus. Entsorgen war einfacher als essen. »Vielen Dank, das ist sehr nett von Ihnen.« Wie brav ich klang. Mom wäre überrascht.

»Du bist ein liebes Mädchen«, meinte Miss Daisy. Ihr Name war in dieser Kleinstadt seltsam deplatziert. Nach Winterville würden Leute wie eine Miss Mistletoe oder ein Mr Stocking passen, nur Miss Daisy trug die falsche Jahreszeit im Namen. »Außer dir habe ich wenige Besucher.«

Das konnte an ihrem ekelhaften Kuchen liegen.

»Miss Daisy, jetzt übertreiben Sie«, mischte sich eine neue Person, dem Klang der Stimme nach feminin, ein. Eine junge Frau kam zu uns ins Wohnzimmer und lächelte die alte Nachbarin an. »Ich komme einmal die Woche, Ihre Schwester telefoniert jeden Tag mit Ihnen, und ich habe Mr Miller erst am Dienstag von Ihrem Brunch am Wochenende schwärmen gehört. Außerdem haben Sie gerade Besuch.« Sie drehte sich in meine Richtung, um mir zuzunicken. Erst dabei hatte ich Gelegenheit, sie genauer zu mustern. Braune Haare, schulterlang und glatt, gute eins vierundsechzig, Sommersprossen auf der Nase: Wäre sie nicht geschätzt ein oder zwei Jahre älter, hätte man uns verwechseln können. Lehrer hätten uns mit Sicherheit mit dem Namen der anderen angesprochen. In jedem Fall konnten wir als Cousinen, vielleicht sogar Schwestern durchgehen. Wie es aussah, hatte ich einen dieser nicht verwandten Doppelgänger gefunden. Gruselig.

»Anna!« Miss Daisy strahlte ihren Gast an. »Was für eine Überraschung! Ich dachte, du kommst erst unter der Woche wieder.«

Anna zuckte mit den Schultern und richtete ihre Aufmerksamkeit ganz auf Miss Daisy. Und so schnell war ich abgeschrieben. Nicht, dass das neu war. Wenn zwei Menschen miteinander beschäftigt waren, rückte ich in den Hintergrund. Mom hatte genauso gedacht, als ich in ihrem und Dads Scheidungskrieg untergegangen war – und mich kurzerhand zu ihrer Schwester in die winterliche Kitschlandschaft verpflanzt.

»Meine Wohnung fühlt sich leer an«, sagte Anna leise, die Schultern gesenkt.

Miss Daisy nickte wissend. »Möchtest du ein Stück Kuchen?«

Annas Augen wurden riesig, und sie beeilte sich, abzulehnen. »Danke, nein.« Ihre Schultern sackten herunter. »Sie ist erst drei Stunden weg, und ich vermisse sie jetzt schon.«

»Das ist normal«, sagte Miss Daisy und tätschelte ihr den Arm. »Wann bringt er sie denn wieder?«

»Mittwoch, über Nacht dann. Normalerweise bringt er sie nur am Wochenende, aber du weißt ja, wie es diesen Dezember bei ihm aussieht. Und an die frische Luft muss die Kleine auch.«

Ich sah zwischen den beiden hin und her. Klang für mich nach typischem Drama an Highschools und Colleges: Paar trennte sich und der gemeinsame Hund war plötzlich in derselben Situation, die mir bevorstand. Ein Wochenende bei Elternteil A, eines bei B, das würde ein Organisationsaufwand werden.

»Manchmal denke ich, die ganze Sache mit der Nordpol-Legende bringt mehr Schaden als Nutzen«, fügte Anna hinzu und setzte sich zu mir an den Tisch. Sie lächelte in meine Richtung, sah mich aber nicht an. Wie auch immer. Bevor die beiden diese Legende besprachen, machte ich mich lieber auf den Heimweg.

»Ich habe meiner Tante versprochen, den Kids Abendessen zu machen«, brachte ich mich in Erinnerung. »Danke für den Kuchen und die Gastfreundschaft.«

Miss Daisy nickte und begleitete mich zur Tür. »Ich danke dir, Mädchen. Komm gut nach Hause.« Sie blieb im Eingangsbereich stehen, bis ich aus dem Garten auf die Straße gegangen war. Kaum hatte ich den Flur verlassen, schlug mir der Wind ins Gesicht. Gepaart mit einer ordentlichen Portion Schneeflocken.

Na wunderbar. Der Heimweg dauerte bei gutem Wetter schon etwa zehn Minuten, vielleicht neun, wenn ich mich beeilte. Bei Wind und Schnee zum bestehenden Glatteis wurde die Prognose nicht unbedingt besser. Auf dem Weg griff ich hin und wieder nach meinem Handy, um den neuen Platz eins meiner persönlichen Hitliste von dämlichsten Weihnachtsdekorationen zu fotografieren. In jedem anderen Städtchen hätten es ein paar Lichterketten über den Büschen getan, in Winterville montierte man einen Kunstschornstein mit kletterndem Pummelweihnachtsmann auf Bungalows. LED-Zuckerstangen konnte ja jeder …

»Ho, ho, ho!«, schrie mich jemand an, und ich hüpfte vor Schreck zur Seite, bis ich die aufgestellte Figur im Garten neben mir sah, die wohl einen Bewegungsmelder besaß. Halleluja! Musste das sein? Ich legte mir die Hand auf den Anorak, als könne die Geste meinen Herzschlag drosseln. Himmel! Ich meinte, ein Lachen zu hören, und sah mich schnell um. Nichts.

Was stellte ich mich so an? Es gab für alles eine logische Erklärung. Weihnachtsmänner tauchten nicht einfach auf und schrien Passanten an. Das war die dämliche Deko. Kein Grund zur Sorge. Nur die Nerven. Hier war es ja kein Wunder, wenn man durchdrehte. Trotzdem ging ich den Rest des Weges nur dieses kleine bisschen schneller als sonst.

Meine Tante war fast schon unterwegs, als ich ankam, und rief nur noch einen allgemeinen Abschiedsgruß durch das Haus, bevor sie zu ihrer Nachtschicht fuhr. Alleinerziehende Krankenschwestern hatten einen stressigen Alltag, das hatte ich in den letzten paar Wochen gelernt. Wie sie es geschafft hatte, bevor ich als Dauerbabysitter eingezogen war, war mir schleierhaft. Ich traute mir schon keinen Hamster zu, was die Verpflichtungen anging, geschweige denn zwei Kinder.

»Cleya!«, rief meine Cousine aus, kaum dass ich meine Jacke ausgezogen hatte. »Ich habe Hunger!«

Der Zwerg hatte immer Hunger. Wo eigentlich der Magen sein sollte, war bei Sarah nur ein schwarzes Loch, das mit Lebensmitteln nicht gefüllt werden konnte.

»Okay«, sagte ich und ging zum Kühlschrank. »Was willst du auf dein Sandwich haben?«

»Kein Sandwich!« Die Siebenjährige stemmte die Arme in die Seiten. »Koch mir was!«

»Ich bin nicht deine Sklavin, Sarah. Wenn du was von mir willst, frag mich und häng ein ›bitte‹ an den Satz, damit ich es auch gern mache.«

Sie gab eine Reihe undefinierbarer Laute von sich und schob die Unterlippe vor. Ich verdrehte die Augen. Kinder. Konnte man die nicht umtauschen?

»Kannst du uns bitte etwas kochen, Cleya?«, fragte mein Cousin Mick vom Wohnzimmer aus. »Mom hat uns mittags Sandwiches gemacht.«

Immerhin fragte er nett. Was aber nichts daran änderte, dass meine Kochkünste das Äquivalent zu Miss Daisys Backkünsten waren und ich lieber keine Lebensmittelvergiftungen verursachen wollte. »Ich kann euch einen Kuchen backen«, bot ich an. Backen konnte ich ganz gut, und es würde die beiden verpflegen. Ein weiterer Grund, warum ich keine Kinder haben wollte. Ich würde sie alle ins Zuckerkoma befördern. Was der Mutter mit medizinischem Hintergrundwissen wenig gefallen würde. »Wenn ihr vorher eine Orange oder so esst.«

»Ja, Cleya«, sagte Sarah schnell.

»Geht klar«, kam es auch von Mick, und ehe ich mich versah, hatte ich alles für einen Schokokuchen vorbereitet. Sarah verschwand mit ihrer Orangenschale aus meinem Blickfeld, und als sie wieder neben mir stand, war sie mit einer weißen Schicht Mehl überzogen. Ich hob fragend eine Augenbraue. »Was ist denn mit dir passiert?«

»Die neue Packung war zu voll.«

Und deshalb hatte sie beschlossen, einen Teil auf sich selbst zu verteilen, um den Inhalt zu reduzieren? Welche Freude. »Ist nicht so schlimm«, meinte ich. Putzen musste ich sowieso. Ich schlug die Eier auf und ließ Sarah anschließend in die Schüssel sehen, was eine Kette von Igitts und Bähs nach sich zog. Ja, ja. Alles voll ekelhaft.

»Jetzt brauchen wir noch zweihundertfünfzig Gramm Zucker.«

Sarah brachte mindestens vierhundert, ein riesiges Grinsen im Gesicht und den ein oder anderen Hüpfer in den Schritten. Dieses Kind. In Mathe hatte meine Cousine offenbar noch einiges aufzuholen.

»Was ist denn los?«, fragte ich sie, als sie letztlich Kakao und Kaffee verwechselte.

»So ist sie jedes Jahr«, rief Mick. »Morgen ist der 1. Dezember, und alle sind gespannt, welches Mädchen es wird.«

Das ergab keinen Sinn. »Erzähl mir mehr«, sagte ich und legte das Rührgerät zur Seite. Was hatten Dezember und irgendwelche Wahlen oder so mit Sarah zu tun?

»Über die Nordpol-Legende?« Mick stöhnte. Er war aktuell wohl eindeutig zu cool für solche Märchen. Anders als Miss Daisy, wie es aussah. »Winterville ist die Weihnachtsstadt, heißt es. Und den besonderen Zauber«, er betonte das Wort abfällig, »bekommen wir im Austausch für ein Mädchen.«

Äh. »Wunderbar«, sagte ich, was ungefähr das Gegenteil dessen war, was ich meinte. Was war das bitte für eine Legende? Und warum freute Sarah sich auf irgendwas in der Art?

»Gar nicht wahr!« Sarah ballte die Hände zu Fäusten. »Du erzählst alles falsch!«

»Tu ich nicht!«

»Tust du wohl!«

»Du nervst!« Mick kam zu uns in die Küche. »Also: Der Preis für die gute Weihnachtsstimmung ist eine junge Frau. Alle zwei oder drei Jahrzehnte wird irgendein Mädchen entführt, und ein Mistelzweig liegt in seinem Bett. Angeblich muss das Mädchen dann den Weihnachtsmann heiraten und bei ihm bleiben oder als Sklavin leben oder so. Die Vorstellung ist ja so romantisch.« Er machte eine Show daraus, zu würgen. »Stockholm-Syndrom für Schnulzenleser.«

Mick war erwachsen in seiner Wahrnehmung. Der Weihnachtswahn hier kannte keine Grenzen. Was bisher amüsant gewesen war, war jetzt deutlich ernster. Das ganze Kaff redete einem Mädchen ein, dass es irgendwann von dem Schlitten des – zu alten und etwas zu übergewichtigen – Weihnachtsmanns abgeholt werden würde und dass das der Preis für die Weihnachtsstimmung der Stadt wäre. Das war einfach abartig! Nichtsdestotrotz konnte ich nicht anders, als den Gedanken weiterzuspinnen. Wenn es einen Weihnachtsmann gäbe, rekrutierte er dann so seine Elfen oder seine Ehefrauen?

»Eine schöne Geschichte«, murmelte ich und schüttelte den Kopf. Ich füllte den Kuchenteig in eine Backform und schob sie in den Ofen. »Wenn der Küchentimer klingelt, bevor ich wieder da bin, schreit einfach.« Nicht, dass Sarah so mäßig intelligent war wie ich in ihrem Alter. Wenn man wusste, worauf man achtete, konnte man die Narben, die das Gitterblech auf meiner Hand hinterlassen hatte, heute noch sehen.

Ich ging ins Wohnzimmer und öffnete die Terrassentür, um den Geruch von Kuchenteig aus dem Haus zu lassen. Der einzige Nachteil der offenen Tür war, dass nun der Blick auf die Gartendekorationen wieder freigegeben war. Ein einziges Geleuchte und Geblinke. Blinkte heute mehr als gestern?

»Hat eure Mom den Garten weiterdekoriert?«, fragte ich.

»Nein«, antwortete Mick.

Seltsam. Auf den ersten Blick konnte ich nicht benennen, was genau anders war. Dann fiel mir der nicht mehr gehängte Weihnachtsbaum – oder das, was einmal ein pinkes Glitzerbäumchen gewesen war – auf. Immerhin sorgten die vielen Lichter im Garten dafür, dass ich auch etwas erkennen konnte. Fleckig beschrieb die neue Optik am besten, schätzte ich. Als hätte man ihn eingesprüht und dann bemerkt, dass die Farbe weder ordentlich deckte noch ausreichte. Das Ergebnis war kreativ. Das hüfthohe Ding war jetzt weder grün noch pink und damit nur noch an seiner Form zu erkennen. Dann wiederum war auch dieses Merkmal sabotiert worden, denn irgendjemand hatte meinen armen Baum mit einer Lichterkette eingeschnürt, sodass einzelne Äste in ungesunden Winkeln abstanden. Was zur Hölle? Das war mein Baum, kein Projekt für moderne Kunst! Ich ballte die Hände zu Fäusten und lockerte sie wieder. Wie kam man auf die Idee, das mit fremden Bäumen zu machen?

Ich hatte nicht einmal mehr den Nerv, mir das Verbrechen genauer anzusehen. Das hier war Winterville. Sich hier über irgendwas zu wundern war unnötig. Fing man einmal damit an, konnte man gleich dabeibleiben und niemals wieder aufhören. Kein Bedarf. Ich atmete einmal tief durch. Warum ärgerte mich die optische Veränderung des Baums so? Ich mochte kein Weihnachten. Aber seit letzter Nacht mochte ich den Baum, zumindest irgendwie. Traurig, dass ein Haufen Plastik das war, woran mir hier am meisten lag. Egal. Ich straffte die Schultern. Letztlich war der Haufen Plastik nur ein Haufen Plastik, den ich in gut einem Monat wieder in seinen Karton stecken konnte. Bis dahin konnte er meinetwegen aussehen, wie er wollte.

Es sei denn, ich fand heraus, wer ihn eingefärbt hatte. In diesem Falle musste der Übeltäter den Baum baden und notfalls mit Ersatzglitzer bestäuben. Mochte ja sein, dass der Baum abartig war, aber er war immer noch mein abartiger Baum.

1. Dezember

Orangen.

Orangen, Zimt und irgendein Geruch, den ich nicht ganz zuordnen konnte. Ich stöhnte auf und rollte mich im Bett herum, die Decke über den Kopf gezogen. Apfel vielleicht? Nein, Apfel hatte einen anderen Geruch. Mehr … apfelig und penetrant. Was auch immer es war, es stank. Nicht ganz so sehr wie Miss Daisys Dosenobst, aber auch nicht viel weniger.

Seltsam. Ich gähnte und drehte mich im Bett um. Keine Veränderung. Seit wann roch meine Bettwäsche nach einer Packung Weihnachtsgewürze? Ich setzte mich auf und strich mir die Haare aus dem Gesicht. Bad-Hair-Day war nichts gegen einen Bed-Hair-Morning, und für diese Erkenntnis brauchte ich nicht einmal einen Spiegel. Das war ein Fakt.

Ich tastete nach meinem Handy und schlug mit dem Handgelenk an der Kante des Nachttischs auf. Nicht empfehlenswert. Seit wann hatte das IKEA-Modell harte Kanten? Ich blinzelte. Der Tag ging ja schon gut los. Meine Decke roch, als wäre sie mit diversen Lebkuchen im Ofen gewesen, mein Tisch hatte mich quasi angegriffen, und die Matratze hatte sich über Nacht in einen Ozean verwandelt, in dem man geradezu versank. Konnte ich bitte einfach meine Klappmatratze zurückhaben? Und das Bett erst. Dunkles Holz statt Metallrahmen.

Moment.

Bett.

Holz statt Metall. Ich erstarrte und sah jetzt das erste Mal bewusst. Das hier war definitiv nicht mein Zimmer. Ich hatte keine Einrichtung in Grün, Weiß und Rot, keine Pflanzen und schon gar keine Patchworkdecke auf dem Bett, obwohl ich Letztere auf jeden Fall behalten wollen würde.

In einem morgendlich angemessenen Tempo kam die Erkenntnis auch bei mir an. Nicht nur faktisch, sondern auch emotional. Und sie traf mich mit voller Wucht: Das war nicht mein verdammtes Zimmer. Wenn es nicht meines war, wem gehörte es dann? Wie zur Hölle war ich in ein fremdes Zimmer gelangt? Ich kniff mich probehalber in den Arm, aber außer einem nahenden blauen Fleck brachte mir die Aktion nichts.

Wo war ich hier? Ich sprang aus dem Bett und atmete auf. Ich trug dieselbe Kleidung, mit der ich gestern Abend ins Bett gegangen war. Immerhin etwas. Ich schüttelte die Arme und Beine aus. Schwer fühlten sie sich auch nicht an, also waren wohl keine Drogen oder so im Spiel. Nicht, dass ich es Mick oder Sarah zutrauen würde, mir einen Streich zu spielen und mich zu betäuben. Viele Alternativerklärungen, wie ich hier gelandet sein könnte, hatte ich aber auch nicht. Ein Blick aus dem Fenster brachte mich nicht viel weiter. Draußen war nahezu alles weiß, und das, was nicht weiß war, war weihnachtlich dekoriert. Winterwunderland traf es ganz gut; die Lichterwelt war noch schrecklicher als alle Vorgärten in Winterville zusammen. Nur mein Baum fehlte. Und das Haus unserer Nachbarn. Ich erschauderte und drehte mich weg, konnte die Kälte, die sich in mir ausbreitete, aber nicht abschütteln. Was sollte das? Warum war ich hier? Und warum war ich allein hier? Okay. Immer mit der Ruhe. Was wusste ich?

Ein Krankenhaus war das hier schon mal nicht. Ein Hotel? Was auch immer ich in einem Hotel wollte … egal. Hauptsache, ich konnte auschecken und dann wieder zu meiner Tante gehen. Ich schlüpfte in ein Paar Wollsocken, das am Fußende des Bettes lag, und ging zur Tür. Offenbar hatte ich keine Reisetasche dabei, also mussten eben Leggings und Pullover herhalten. Ich drückte die Türklinke herunter und zog an der Tür. Nichts. Ein weiteres Mal. Wieder nichts. Okay? Seltsam. Einen Schlüssel fand ich nicht, auch nicht, nachdem ich die Nachttische und den Boden nach ihm abgesucht hatte.

»Hallo?«, rief ich und klopfte von innen an die Tür. »Hallo-o? Ist da wer?«

Offenbar war da niemand oder zumindest niemand, der mir antworten wollte. Ich schrie wie am Spieß und hämmerte noch ein paar Minuten gegen die Tür, bis mir Tränen in den Augen brannten, weil ich langsam nicht mehr wusste, was ich noch tun sollte, um auf mich aufmerksam zu machen. Bis zum Boden war es aus dem Fenster zu weit, und, so dringend ich auch hier rauswollte, ich schätzte meine körperliche Unversehrtheit.

Argh! Was auch immer das für ein Streich war, ich fand ihn nicht lustig. Das komplette Zimmer in Weihnachtsgeschenkpapier zu verpacken, das war ein lustiger Scherz. Cleya in ein Weihnachtsgefängnis zu stecken eher weniger. Ich warf mich zurück auf die Matratze und schlug mit der Faust auf meine Kissen, bis sie untypische Formen angenommen hatten. Scheißtag!

Da saß ich nun. Allein irgendwo im Nirgendwo mit nichts zu tun. Nicht mal mein Handy hatte ich am Körper … oder in Reichweite. Seltsam, aber kurzfristig nicht zu ändern. Nachdem ich die verschiedenen Christbaumkugeln auf den Stoffen meiner Decke gezählt hatte – hundertzweiundneunzig, wenn ich mich nicht verzählt hatte –, war mir wieder langweilig. Zumindest, bis mein Blick auf die übergroße Schneekugel auf meinem Nachttisch fiel. Wer hatte das denn verbrochen? Gehörte bestraft. Als hätte man ganz Winterville in eine Kitschkugel gesteckt. Ich verdrehte die Augen, dann stutzte ich. Wenn man genau hinschaute, sah es so aus, als hätte man das Kaff verkleinert und in eine Glaskugel geklebt. Deren Sockel mit dem Schriftzug »Winterville« versehen war. Herzschlag, Atem und Wirklichkeit setzten für einen Moment aus, während ich die Schneekugel in meinen Händen drehte.

»Himmel!« Ich ließ das Ding fallen, als sich etwas darin bewegte. Hatte der Hersteller einen Käfer darin eingeschlossen? Gab es in Winterville überhaupt Käfer? Warum war das Tier nicht längst gestorben?! Was zur Hölle lief hier falsch? Ein Bäumchen wackelte im Wind, und je länger ich hinsah, desto mehr bildete ich mir ein, Menschen in der Kugel zu sehen.

Mit einem Mal schien mir die Drogentheorie wahrscheinlicher. Wie sonst könnte ich eine Stadt mit Menschen und LEDs in einer Schneekugel entdecken? Entweder ich hatte seltsames Zeug genommen, oder ich drehte langsam durch.

»Hallo? Hallo-o!«, versuchte ich es noch mal und trat gegen die Tür.

Nichts.

Ich ging für einen Moment ins Badezimmer, das dieselben Weihnachtsfarben hatte wie das Zimmer, in dem ich aufgewacht war. Kitschig, aber zumindest konsequent kitschig. Während ich im Badezimmer war, hörte ich eine andere Tür. Kälte schoss mir in die Fingerspitzen. Entweder brachte mir gerade jemand etwas zu essen, oder es kam jemand, der mich umbringen sollte oder gar wollte.

Ich entschied mich für Variante zwei. Verdammt, warum gab es hier keine Waffen? Ich wollte nicht sterben! Bloß nicht zu laut werden. Das führte immer dazu, dass man entdeckt wurde. Diesen Fehler würde ich, anders als die todgeweihten jungen Frauen in Filmen, nicht machen. Leider hielt sich meine Auswahl an Waffen sehr in Grenzen, sodass ich die Wahl zwischen ein paar Handtüchern, einer Klobürste und einem Plastikbecher hatte. Ich entschied mich für die Klobürste.

Mit meinem neuen Freund Kunibert – Waffengefährten mussten immer einen Namen haben – in der Hand hechtete ich aus dem Badezimmer, nur um die Tür vor meiner Nase zufallen zu sehen.

Argh! Ich riss an der Klinke und stolperte rückwärts. Das war unerwartet. Ich balancierte mich aus und schmunzelte einen Moment. Da hatte der Zimmerbesucher wohl vergessen, die Tür wieder abzuschließen.

So leise wie möglich tapste ich aus dem Raum in den Flur, der einen dunklen Holzboden hatte. Wer schaffte sich bitte so was an? Helle Böden waren viel schöner. Einige Meter weiter entdeckte ich eine Treppe. Die Anzahl der Stufen bestätigte meine Annahme von vorhin, dass ich mich nicht im ersten Stockwerk des Gebäudes befand. Das hölzerne Treppengeländer war komplett mit Girlanden aus grünen Zweigen, goldenem Lametta und roten Christbaumkugeln umwickelt. Oha. Wenn jemand noch weihnachtssüchtiger war als die Leute in Winterville, dann waren das die Besitzer dieses Hotels, das seine Gäste einsperrte. Langsam kam ich mir vor wie in einem dieser Lebkuchenhäuser, in denen Hexen sofort hinter einem der kleinen Weihnachtsbäume hervorspringen würden, um einen zu rösten. Langsam ging ich die Stufen hinunter, bis ich in einem anderen Stockwerk vor der Entscheidung stand, nach links oder nach rechts zu gehen, und Stimmen hörte. Das waren dann wohl die gefährlichen Hexen. Also links. Ich schlich weiter durch das Haus, als ich immer lauter werdende Schritte hörte, die mir entgegenkamen. Ich sah mich um, konnte aber nicht ausweichen. Na prima, in Büchern gab es immer Vorhänge, hinter denen eine Figur stehen konnte, oder Ecken oder Räume, die offen und leer waren.

Und was bekam ich?

Einen Flur mit Gesprächen hinter und Fußstapfen vor mir. Ohne dass ich irgendwie reagieren konnte, stand ich da und wartete auf meinen persönlichen Untergang. Fest entschlossen, der Gefahr stolz und unbeeindruckt entgegenzutreten, hob ich das Kinn und strich meine Leggings glatt. Ein bisschen zerzaust, aber besser als nichts. Kunibert fest in der Hand und hoch erhoben. Mein Blick wurde von eisblauen Augen aufgefangen, und bevor ich überhaupt Zeit hatte, angemessen loszuschreien, hatte der Fremde schon seinen Arm um meine Taille geschlungen, mir die andere Hand auf den Mund gelegt und mich zur Seite gezerrt.

»Willst du dich – oder schlimmer noch mich – in Schwierigkeiten bringen?«, fuhr er mich an. »Warum bist du nicht einfach oben geblieben?« Während er vor sich hin schimpfte, zog er mich mehr oder weniger mit sich in eines der Zimmer. Na toll. Wäre also doch eins frei gewesen. Der junge Mann schloss die Tür hinter sich ab und entspannte sich etwas. Er lehnte sich gegen die Tür, mich dabei noch in den Armen. Zumindest lockerte sich sein Griff. Gut so, seine Hände waren anormal kalt. Ehe er etwas dagegen tun konnte, hatte ich Kunibert mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk in sein Gesicht geklatscht.

Er zuckte zurück und verhinderte nur knapp, die Borsten ins Auge zu bekommen. »Was hast du eigentlich für ein Problem?«, fluchte er und riss mir meinen treuen Gefährten aus der Hand. »Und damit meine ich nicht deine dämliche Waffenwahl. Erst ein Schneeball, dann eine Klobürste – warum musst du so verdammt gewalttätig sein? Warum ausgerechnet du?«

Das fragte ich mich allerdings auch. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. »Du!«, knurrte ich und löste mich aus seinem Griff. »DU!« Ich pikste ihm mit dem Finger in die Brust.

»Ich … ich«, meckerte er leise.

Haha. Ganz witzig. »Du warst das, auf dem Dach!« Schnell riss ich ihm wiederum meine Klobürste aus der Hand und hielt sie schützend vor mich. Moment mal. Durfte man »sie« zu einer männlichen Klobürste sagen? War doch eigentlich ziemlich diskriminierend, oder? Verkehrte Welt …

»Okay, das könnte jetzt alles etwas viel sein«, sagte der blonde Kerl mit einem amüsierten Funkeln in den Augen. Da hatte aber jemand Stimmungsschwankungen.

»Warum bin ich hier? Wo bin ich? Wann kann ich nach Hause?«, wollte ich wissen.

»Würdest du mir bitte zuhören?«

»ICH HABE KEINE AHNUNG, WER DU BIST; ABER DU HAST MICH GEKIDNAPPED!«, ging ich ihn an.

»Du hast mich mit einem Schneeball abgeschossen«, gab er zurück.

»Du wolltest durch meinen Schornstein rutschen!« Gut, nicht wirklich meinen. Aber das war jetzt egal!

»Ich würde dir das auch erklären, wenn du mich …«, setzte er an.

»Auf keinen Fall!«, unterbrach ich ihn. »Erst willst du bei mir einbrechen, dann entführst du mich, und jetzt willst du Märchentante spielen?« Jedes meiner Worte unterstrich ich mit einem Schlag mit Kunibert. Ich spürte noch einen starken Zug an Kuniberts Haarpracht, bevor der Typ mich entwaffnet und die Zimmertür abgeschlossen hatte.

Ganz toll, Cleya. Ganze drei Minuten durchgehalten und schon wieder eingesperrt. Ich war eine furchtbare Flüchtige.

»Lass mich erklären, bitte.«

Keine Ahnung, ob es der deutlich ruhigere Tonfall war oder die Tatsache, dass er neben den schönen Augen auch noch hübsche Haare hatte, die genau richtig fielen, aber ich widersprach nicht sofort.

»Ich lasse dich jetzt los. Du läufst nicht weg, verstanden?«

Ich nickte langsam. Wie so ein uralter, gebrechlicher Wackeldackel.

Der Fremde ließ von mir ab und setzte sich auf die Bettkante, direkt neben mir.

Ich wich einen Schritt zurück und verschränkte die Arme. Je länger es still blieb, desto deutlicher wurde mir bewusst, dass ich mit einem nicht unsportlich wirkenden jungen Mann, den ich kein Stück kannte und der kriminell auffällig war, in einem Zimmer eingeschlossen war. Warum hatte ich trotzdem nicht das Bedürfnis, mich im Schrank zu verstecken oder noch besser die Tür aufzubrechen und wegzurennen? Obwohl er nicht wirklich vertrauenserweckend aussah und sich auch mehr als verdächtig verhielt, hatte ich nicht wirklich das Gefühl, dass von ihm eine Gefahr ausging. Immerhin hatte ich ihn schon mal vom Dach geschossen. Ich ließ den Blick durch den Raum gleiten, entdeckte aber spontan keine Ersatzwaffe. »Ich höre«, sagte ich bemüht gefasst und selbstbewusst und tappte mit dem Fuß auf den Boden.

»Alles okay?« Der Typ legte den Kopf schief.

Nein. Offensichtlich nicht. Ich war gegen meinen Willen hier, wo auch immer hier war.

»Bitte.« Er drückte mir Kunibert in die Hand.

»Danke.«

Er lächelte schief. »Zu meiner Erklärung. Ähm. Wie fange ich am besten an?« Er sah etwas hilflos aus. Fast bemitleidenswert. Fast. Er war der Bad Guy in der Geschichte. »Also vielleicht einfach mal die Grundlagen. Ich heiße Lars.«

»Wie der kleine Eisbär?«, fragte ich.

»Nur wenn du Greta bist«, entgegnete er.

Ich schüttelte leicht den Kopf. »Nicht ganz. Ich heiße Cleya.«

»Ich weiß. Nachname?«

»Harris. Und selbst?«

Er schluckte. »Claus.«

»Wie in Santa Claus?«, fragte ich sarkastisch. Bei der Hausdeko musste man diesen Kommentar bringen. Lars sah zur Seite, plötzlich wieder unsicher.

»Wie gesagt, ich kann alles erklären. Ich bin der Weihnachtsmann, und wir befinden uns am Nordpol.«

Ich atmete tief ein und aus. Waren wir beide auf Drogen? Möglich. Lars nannte sich Claus und hielt sich für den Weihnachtsmann. Und offensichtlich war er zudem blöd genug, um zu glauben, er würde durch unseren Schornstein passen. »Weihnachtsmann«, echote ich. So mit Schlitten und Bart und so. Auf keinen Fall.

»Der aktuelle. Beziehungsweise der künftige.«

Ganz tolle Antwort. Ich hatte die Weihnachtsgeschichte gelesen und auch mindestens vier verschiedene Filmversionen gesehen. Geist der gegenwärtigen und zukünftigen Weihnacht, alles klar. Nur dass Lars hier die Dinge etwas durcheinanderbrachte. Gegenwärtiger Weihnachtsmann, zukünftiger Weihnachtsmann. Na toll. Ich stellte mich etwas trittsicherer hin. Der Kerl hier hatte einen Schlag. Definitiv.

»Also mein Vater ist der Weihnachtsmann. Ich bin noch in der Ausbildung.«

Als würde diese Erklärung alles plötzlich völlig rational und logisch erscheinen lassen. »Du bist so …«