Royal Promise - Allie Well - E-Book

Royal Promise E-Book

Allie Well

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Beschreibung

Don't kiss the Prince! Romantisch-humorvolle Royal Romance mit Fake-Dating für Fans von Ada Bailey  »›Ich habe dich förmlich umgehauen‹, entgegnete er, ein Grinsen auf dem Gesicht.  Ja. Das hatte er. ›Aber weder mit deinem Charme noch mit deinem guten Aussehen‹, meinte ich. ›Kartons zählen nicht.‹«  Eine gespielte Hochzeit mit ausgelosten Rollen, viel zu viel Alkohol, eine versehentlich versenkte Yacht … Millionenerbin Sienna kann sich weder an den Rest der Party noch an den Kuss mit dem attraktiven Nicolas erinnern. Die Klatschpresse und ihr halber Freundeskreis dagegen schon. Und als sie erfährt, wen sie da geküsst hat, ist das Chaos komplett – denn Nicolas gehört zum britischen Königshaus und sie gilt nun als seine neue Freundin. Notgedrungen vereinbaren die beiden, den Schein zu wahren, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Doch wie Sienna nur zu gut weiß, ist die Aufmerksamkeit der Medien gnadenlos, und sie hat sich nicht ohne Grund in die britische Provinz geflüchtet … 

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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© Piper Verlag GmbH, München 2025

Dieses Werk wurde vermittelt von der Michael Meller Literary Agency GmbH.

Redaktion: Fam Schaper

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: Bilder unter Lizenzierung von Shutterstock.com genutzt

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Wir behalten uns eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Triggerwarnung

Widmung

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Liveticker zur Royal Wedding:

Danksagung

Inhaltswarnung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

In diesem Roman werden Themen aufgegriffen, die für Betroffene potenziell belastend sein können. Eine Auflistung dieser befindet sich am Ende des Romans, enthält vereinzelt jedoch kleinere Spoiler für die Handlung.

Wir wünschen ein bestmögliches Leseerlebnis!

Für Lena

Kapitel 1

VERLIEBT, VERLOBT … VERLASSEN:Beziehungs-Aus im Hause Rutherford-Marlowe

Einmal mehr ist die High Society New Yorks Schauplatz einer schockierenden Beziehungskrise: Millionenerbin Sienna Rutherford und Star-Designer Jenson Marlowe, die noch vor wenigen Wochen mit #couplegoals #oneandonly und #isaidyes überraschten, gehen nun wohl getrennte Wege.

**Die Timeline**

Vor nur sechs Monaten traten die Erbin des Edelsteinmoguls Asher Rutherford und der aufstrebende Modeschöpfer erstmals gemeinsam ins Scheinwerferlicht. Doch schon im Frühsommer dieses Jahres warnte eine Quelle aus dem Umfeld des It-Couples, dass das Paar Probleme habe. Medienberichten zufolge eskalierte ein Streit bereits während eines gemeinsamen Urlaubs – ein Vertrauter Marlowes verriet uns, dass Rutherford sogar dem 26. Geburtstag ihres Partners fernblieb. Doch wenige Wochen später gaben die beiden ihre Verlobung bekannt. Die Hochzeit des Modeprinzen und der Schmuckprinzessin versprach DAS Ereignis des Jahres zu werden; die Verbindung ihrer Unternehmen der lukrativste Merger des Jahrzehnts.

Nun ist die Beziehung der beiden jedoch irreparabel beschädigt, wie Statements von Marlowe sowie die Sichtung von Sienna Rutherford ohne ihren Verlobungsring am vergangenen Sonntag zeigen. Es wird vermutet, dass das Beziehungs-Aus auf den Konflikt nach Marlowes Modenschau – Sicherheitspersonal musste eingeschaltet werden – folgte. Auch Bilder, die Rutherford nur wenige Stunden später stark alkoholisiert zeigen, bestärken diese Theorie.

**Und jetzt?**

Die New Yorker High Society ist schockiert. Nun stellt sich die Frage, wie nicht nur Rutherford und Marlowe, sondern auch ihre Konzerne die Trennung verkraften. Denn eines ist gewiss: Nach diesem Beziehungs-Aus ist eine Rückkehr der Rutherford-Erbin in die Party-Szene und die Welt der Alkohol-Skandale mehr als wahrscheinlich.

Während der Rutherford-Konzern nun um Schadensbegrenzung bemüht ist, scheint Marlowe die aktuellen Entwicklungen zu begrüßen. Exklusiv uns gegenüber gab ein Mitglied seines Teams an, der Modeschöpfer sei froh, Rutherfords »herrischer Manipulation« entflohen zu sein. Selbst äußerte er sich bisher nicht zu dieser Aussage.

**Für alle Updates aus dem Leben der Reichen und Schönen folgen Sie uns hier oder in den sozialen Medien!**

Was auch immer er zu sagen hatte, ich wollte es nicht hören.

Kaum setzte ich einen Fuß in das Arbeitszimmer meines Großvaters – ob der Teppich, die holzvertäfelte Wand oder der Mann vor dieser Kulisse am ältesten war, war eines der Rätsel, die ich in den zwanzig Jahren meines Lebens noch nicht gelöst hatte –, wusste ich, dass ich dieses Gespräch hassen würde. Ganz unabhängig davon, dass ich zu wenig geschlafen, zu wild durcheinander getrunken und zu wenig gefrühstückt hatte, was meine Laune auch nicht gerade hob.

Hätte Grandpa die Arme vor der Brust verschränkt und mich mit einem gleichermaßen wütenden Blick wie Vortrag empfangen, hätte es mich nicht überrascht … oder gekümmert. Mit Ärger über die neuesten Schlagzeilen konnte ich umgehen. Ich hätte mir die Tiraden angehört, genickt, innerlich die Augen verdreht und meinen Großvater anschließend mit einer Zusage für irgendein Event, dessen Altersdurchschnitt ich um mindestens fünfzehn Jahre senkte, versöhnt. Business as usual.

Statt mir aber voller Frust entgegenzutreten, stand Grandpa nur da, die Arme wie zum Gebet vor dem Körper gefaltet. Für mein Seelenheil war es zu spät. Ich wurde maximal noch etwas scheinheiliger. Und in den Augen der Presse würde ich sowieso zur Hölle fahren.

»Sienna«, sagte er und wenn die Resignation ihm nicht schon ins Gesicht geschrieben gestanden hätte, hätte ich sie spätestens jetzt gehört. »Unser Name steht für Klasse« – er ließ es wie ein Mantra klingen, das man wiederholte, um jemandem etwas einzureden. Nicht, dass Grandpa bei mir noch Hoffnung zu haben schien. Unser Name Stand für Klasse. Und ebenjenen Namen zog ich regelmäßig durch den Dreck, wie weder die Medien noch Grandpas Assistentin zu erwähnen müde wurden. Darüber konnte er gern wütend sein, oder darüber, dass die Klatschzeitschrift, die hinter ihm auf dem dunklen Holzschreibtisch lag, ausnahmsweise nicht nur Unsinn geschrieben hatte. Aber wo ich Wut erwartete – wo ich Wut wollte –, war nur Mitgefühl.

»Das ist mein Name«, entgegnete ich, aber mein Großvater reagierte nicht einmal. Well, fuck. Er würde mich durch eines dieser emotionalen Pseudotherapiesitzungen voller Lebensweisheiten und geheucheltem Verständnis zwingen. Und danach, wenn ich verletzlich geworden war, würden die indirekten Vorhaltungen kommen. Der Restalkohol in meinem Blut verpuffte rasant. Ich war eindeutig zu nüchtern für das Gespräch, das mir blühte.

»Setz dich«, sagte Grandpa nur und machte eine Geste in Richtung der Sitzecke, die sonst für irgendwelche hochrangigen Angestellten aus dem Marketing oder der Produktion reserviert war, wenn er ihnen vorab neue Kollektionsstücke zeigte.

Ich machte die paar Schritte zu den dunkelgrünen Ledersesseln und ließ mich in die Polster sinken. In den letzten Jahren waren sie auch nicht bequemer geworden. Mein Großvater setzte sich mir gegenüber, lehnte sich leicht nach vorne und stützte die Ellenbogen auf die Knie. Er atmete geräuschvoll aus und mit der verbrauchten Luft verließ auch ein Teil der Anspannung seinen Körper. Mit herabgesunkenen Schultern und zusammengepressten Lippen war trotz des Settings nicht mehr viel von dem Mann übrig, den sein halbes Unternehmen und mindestens zwei Drittel der High Society als unnahbaren, kalten Geschäftsmann betrachten würden. Je länger er schwieg, desto unruhiger wurde ich. Ich begann, auf der Innenseite meiner Unterlippe herumzukauen und mit meinen Gelnägeln zu spielen.

»Titelseite. Das dritte Mal diese Woche«, seufzte mein Großvater und nickte in Richtung eines kleinen Stapels an Klatschmagazinen.

»Das muss ein neuer Rekord sein.« Leider waren die Schlagzeilen nicht gerade schmeichelhaft. Eigentlich unverschämt, wenn man bedachte, dass ich quasi im Alleingang dazu beitrug, dass die vorsintflutlichen Printmedien nicht gänzlich vom Aussterben bedroht waren.

Leider war Grandpa nicht im Mindesten von meinen Verdiensten beeindruckt. Auch dass ich auf jedem der Fotos, die abgedruckt waren, Ohrringe, Ringe oder Armreifen seiner neuesten Kollektion trug, besänftigte ihn ganz offensichtlich nicht.

»Was mache ich mit dir?«, fragte er so leise, dass ich nicht wusste, ob die Frage für mich bestimmt war.

Ich zog es vor, nicht zu antworten. Mein Vorschlag von »In Ruhe lassen« würde ohnehin nicht gut ankommen – und für die laufenden vierundzwanzig Stunden war ich genug angeeckt.

»Fremdgänger-Juwelen: Vergeben und doch behängt wie ein Pfau – ging Sienna Rutherford fremd?«, las Grandpa vor und hob die erste Zeitschrift hoch, dann die nächste. »Schmuckprinzessin auf der Erbse lässt Modeprinz Charming im Regen stehen.« Einmal mehr nahm er ein neues Klatschblatt in die Hand. »Rutherford-Erbin trinkt sich Ende der Märchenromanze schön.« Grandpa suchte meinen Blick und fiel wieder in seine zusammengesunkene Haltung zurück. »Was sagst du dazu?«

Diesmal würde ich um eine Antwort nicht herumkommen, schätzte ich. Ich kniff die Augen zusammen und fasste mir an die Nasenwurzel. »Wenn das die besten Schlagzeilen sind, auf die die Reporter kommen, gehören sie alle entlassen oder in ein Literaturstudium gesteckt. So schwer kann es nicht sein, einen Satz mit Inhalt herauszubringen.« Zumal Jenson der Pfau von uns gewesen war.

Würde mein Großvater die Krise bekommen, wenn ich mich über einen zweiten Sessel ausbreitete? Sicherheitshalber widerstand ich dem Impuls, mich hinzulegen, obwohl ich unfassbar müde war. Am Ende schlief ich noch während des Gesprächs ein und gab Grandpa einen weiteren Grund, angesäuert zu sein.

»Das ist alles, was dir dazu einfällt?«

Nicht ganz. Aber meine Ausführungen zum Mangel an Menschenverstand und Menschlichkeit in der Klatschpresse wollte niemand hören. Schon gar nicht jetzt. Nicht, wenn es relevantere Themen gab. »Ich habe Jenson nicht betrogen«, sagte ich stattdessen.

»Davon bin ich auch nicht ausgegangen.«

Ich zog eine Augenbraue nach oben. Dass Grandpa mir glaubte … irgendwie hatte ich nicht damit gerechnet. Er liebte mich, auf seine Weise, aber dass das bedeutete, dass er meine Version der Dinge nicht in Zweifel zog, kam doch überraschend.

»Das Problem ist, Sienna«, fuhr er fort, »dass die Presse davon ausgeht.«

Die Presse ging von Vielem aus. Der Großteil davon war an den Haaren herbeigezogen. An den Haaren und der Art billiger Extensions, die sich noch unterwegs aus ihrer Verankerung lösten und die Story gänzlich in der Luft hängen ließen. Aber mich gegen die Vorwürfe zu wehren, würde auch nichts bringen. Am Ende lief es nur darauf hinaus, dass ich ein Statement abgab, Jenson ein Gegenstatement, und an der Situation änderte sich nichts. Wenn Medien und Menschen die Wahl hatten, würden sie immer lieber dem strahlenden aufstrebenden Designer, der den American Dream inszenierte, glauben als der verwöhnten Erbin, die in kurzen Outfits mit Partyexzessen in den Medien auftauchte. Die Welt war unfair, mindestens so unfair wie die Presse. Ich musste nicht einmal versuchen, mich zu rechtfertigen oder gar verteidigen. Warum Schlachten schlagen, die man nicht gewann, sondern nur mit mehr Wunden verließ?

»Ja«, sagte ich schließlich. Die Presse ging davon aus, dass ich Jenson ausgenutzt oder betrogen hatte, je nachdem, welches Klatschblatt man las. Was wirklich passiert war … das wollte niemand wissen. Abgesehen von Grandpa, der mich mit mehr Fragen bombardierte, als ich beantworten wollte. Er mochte nicht wissen, was genau der Auslöser gewesen war, aber dass ich mich vor laufender Kamera auf die Zierrosen in der Lobby hier übergeben hatte, hatte Grandpa offensichtlich nicht gefallen. Er fragte, warum ich so lange mit Jenson zusammen geblieben war, wenn es schon seit Wochen gekriselt hatte. Und wie viel an den Gerüchten, dass ich in seinen Laufstegen und Fashion Shows nur eine Bühne für unsere Edelsteine gesehen hatte, dran war.

Das Schlimme waren nicht die Fragen selbst, so verletzend sie vielleicht auch waren. Auch nicht, dass ich keine guten Antworten auf sie hatte. Das Schlimmste war, dass sie nur unweigerlich auf die Folgefragen hinführten: Ob ich keinen Gedanken daran verschwendet hatte, dass mein Privatleben als Sienna auch Auswirkungen auf Rutherford Diamonds haben konnte. Ob ich mich nicht hatte zusammenreißen können, wenn schon nicht für meinen Ruf, dann wenigstens für den der Firma. Oder vielleicht war das Schlimmste auch, dass diese Fragen einmal mehr bestätigten, dass Grandpa sich mehr um Rutherford Diamonds sorgte als um mich.

»Ich denke, du brauchst eine kleine Pause«, meinte Grandpa und drehte das Mitgefühl in seiner Stimme hoch.

»Von Jenson?« Diesmal schaffte ich es nicht, mich zusammenzureißen, und ich schnaubte. Mit einer Pause war es nicht getan. Den Fehler, eine Beziehung mit Jenson zu führen, würde ich nicht noch einmal machen, davon war ich gründlich kuriert. Mit dem Mann war ich durch. Und auch er würde mich nicht zurücknehmen, das hatte er mehr als deutlich gemacht, als er mich mit seinen Security-Leuten, über meinen Namen angeheuert, von seinem Event hatte eskortieren lassen. »Glaub mir, das ist aus. Endgültig.«

Grandpa nickte langsam und legte den Kopf schief. Fast, als wüsste er auch nach all den Jahren, in denen ich in seinem Haus gelebt hatte, noch nicht, was die richtigen Worte mir gegenüber waren. Er liebte mich, aber er über Schmuck hinaus war er nicht wirklich in mein Leben involviert. Verstehen tat er mich sowieso nicht. Wie sollte er mich auch verstehen, er kannte mich kaum.

Es war wahrscheinlich besser so. Ich kannte mich; gut genug, um mich nicht wirklich leiden zu können.

»Nicht von Jenson. Das auch, wenn es euch guttut, aber von den Medien.«

Vielleicht sah ich doch bemitleidenswert genug aus, um großväterliche Gefühle in Asher Rutherford zu wecken und zum Vorschein zu bringen. Ich sah auf und meinem Großvater erstmals ins Gesicht. »Ein Urlaub?« Nun war ich es, die den Kopf schieflegte. Ein Urlaub klang genau richtig. Ob am Pool oder in einem Retreat, ich war nicht wählerisch. Aber weg von hier, weg von Jenson und dem ganzen Rest.

»Abstand von den Medien hier und von deinem Namen. Unserem Namen«, sprach er weiter. Wusste er, dass er mir das Herz brach? Ein bisschen mehr mit jedem Wort?

Natürlich. Warum auch die Enkelin auffangen, wenn es einen guten Ruf zu bewahren galt. »Willst du mich auch loswerden?«

Die Frage war heraus, noch ehe ich sie bewusst formuliert hatte, und ich hasste sie mindestens so sehr wie unser gesamtes Gespräch. Ich war Sienna Rutherford, ich zeigte keine Schwäche.

»Nicht loswerden«, beeilte sich Grandpa zu sagen. »Niemals! Aber ich denke, eine Auszeit wird das Richtige sein, bis die Wogen etwas geglättet sind. England soll um diese Jahreszeit wundervoll sein.«

Das Land der Regenschauer. Wundervoll definierte ich anders. Aber wenn mein Großvater diesen Ton an den Tag legte, war Widerspruch zwecklos. Er wollte mich auf einem anderen Kontinent parken, bis irgendwer einen echten Skandal anzettelte, der interessanter als eine beendete Beziehung war und der dem Unternehmen die Möglichkeit gab, sich ungestört von mir zu erholen.

Dass ich mich von etwas zu erholen hatte, interessierte niemanden. Die Presse nicht, New York nicht und meinen Großvater offenbar auch nicht. Manchmal war es, als hätte Grandpa zwei Enkelinnen; Rutherford Diamonds und mich. Und welche von uns er mehr liebte, war nicht zu übersehen.

Kapitel 2

INSTAGRAM:

@therealjensonmarlowe

Helloo ihr Lieben, wie ihr vielleicht mitbekommen habt, sind Sienna und ich nicht länger ein Paar. Ich habe sehr für unsere Liebe gekämpft, den Kampf aber leider verloren. Ab sofort werden wir getrennte Wege gehen. Ich bleibe dankbar für schöne Momente und die gemeinsame Zeit. Byyy the way: Das hier wäre das Kleid gewesen, das ich Sienna für unsere Hochzeit entworfen habe. Auch wenn es das Mannequin nie verlassen wird, wollte ich es euch nicht vorenthalten.

9.871 Kommentare

@byjensonmarlowe.ofc – angepinnt

Dieses Kleid verdient eine neue Aufgabe. Welche, das entscheidet ihr!-> Versteigerung für einen guten Zweck-> Die nächste MetGala kommt bestimmt-> Serienproduktion für eine Brautmodenlinie

@james_is_a_girl_s_name_too_0122

Zum Sterben schön O.o #inlove

@leandramakesmusicc88043

BRAUTMODE BY JENSON MARLOWEAAAAAAAAAAH!!!@spaceracerx1k994, ich warte auf deinen Antrag xD

@weightloss_with_kinsley_and_jen

Dieser Kommentar wurde verborgen, da es sich bei ihm um Spam handeln könnte. Ansehen

@unicorn.girrrl.mermaid.loverrr

#ripjenna sienna rutherford hatte dich sowieso nicht verdient!

@james_is_a_girl_s_name_too_0122

This! Wenn ein Mann SO ein Kleid für dich designt, meint er es ernst! Wetten, sie wollte ihn nur ausnutzen?

@unicorn.girrrl.mermaid.loverrr

100 %! die b*tch @siennarutherford kann von mir aus zur hölle fahren #goodriddance

27 weitere Kommentare anzeigen

@d1am0nds_are_a_g1rls_bf

Schon etwas scheinheilig, wie sie Rutherford den Marketing-Coup vorwerfen und Marlowe jetzt eine neue Linie launcht …

@_s_mile.high.club.88

Schon etwas scheinheilig, wie du Jenson vorwirfst, das Beste aus seiner Situation zu machen. Sienna Rutherford ist toxic und sich zu distanzieren ist aber das Falsche? Typischer Instagram-Feminismus …

8 weitere Kommentare anzeigen

Fucking Englische Literatur.

Ich blinzelte, aber die Immatrikulationsbescheinigung für das Oakfield College, zu dem mich der Fahrdienst chauffierte, änderte ihren Wortlaut nicht. Würden die Reisetabletten, die ich seit meiner Abreise in New York inhaliert hatte, nicht so ausgezeichnet wirken, ich hätte auf die cremefarbenen Polster des Autos gekotzt.

Grandpa hatte mich nicht in einen netten englischen Ort geschickt, um mich dort entspannen und zur Ruhe kommen zu lassen, er ließ mich lieber im Glauben, es wäre so, nur um mir dann eine Immatrikulationsbescheinigung vom Fahrer überreichen zu lassen, sobald London und damit Zivilisation längst Meilen entfernt waren. Der Mann war nicht nur verstimmt, er hasste mich. Das, oder er wollte wirklich genug Abstand zwischen mich und Rutherford Diamonds – und sich – bringen, damit ich nichts tun konnte, was seinem geliebten Imperium schadete. Und um sicher zu gehen, dass ich nicht nur von der Bildfläche verschwand, sondern auch verschwunden blieb, nutzte er seine Kontakte, um mich ans, ich las nach, Oakfield College zu verfrachten. Ausgerechnet in ein Studium, von dem ich nichts hielt. Literatur? Und als Wahlfach belegte ich dann kreatives Schreiben, in der Hoffnung, ich würde zufällig einen Bestseller verfassen und über Nacht den Durchbruch erreichen?

Sollte das ein schlechter Scherz sein? Ja, ich hatte gesagt, die Klatschpresse inklusive Journalisten würden von einem Studium in dieser Richtung profitieren, aber das hieß nicht, dass ich es witzig fand, selbst in eines gesteckt zu werden. Wollte Grandpa sich jetzt auch noch über mich lustig machen?

Ich fuhr mir durch die Haare, aber die Bewegung war zu groß für die neue Haarlänge. Schulterlang, braun, mit dem Glätteisen bearbeitet – wenigstens meine Frisur erinnerte nicht mehr an die blonde Sienna, die ich in New York zurückgelassen hatte.

Meinen Hairstylist, der einzige Mann in New York, den ich vermissen würde, hatte es in Verzückung versetzt, dass ich zusätzlich zum Kontinent und meinem Rufnamen auch noch mein Aussehen ändern wollte – nicht permanent, aber für den Moment. Vielleicht gab mir das den Abstand, den ich innerlich brauchte. Er hatte ganze Arbeit geleistet: Statt Lockenmähne eine gezähmte Haarpracht im Farbton Kaffeesahneschokolade und mit Curtain Bangs, die mich nach drei Minuten schon aufgeregt hatten. Immerhin sah ich mit typisch britischen Haarreifen in Karomuster gut aus, den Wangenknochen meines Vaters sei Dank. Tatsächlich sah ich aber vor allem wie meine Mutter auf alten Fotos aus: Brünett, große braune Augen, brav.

Nicht einmal Grandpa hatte die Ähnlichkeit übersehen können. Es hatte erschreckend lange gedauert, aber schließlich war auch er emotional geworden. »Du siehst aus wie deine Mom«, hatte er noch herausgebracht.

Er hatte nicht unrecht gehabt – und spätestens damit hatte ich dann auch verstanden, dass er nie Sienna Rutherford gewollt hatte, sondern nur eine dämliche Kopie seiner perfekten Tochter mit dem perfekten Auslandsstudium, der perfekten Ehe und dem perfekten Leben. Aber die perfekte Mallory Rutherford war gestorben und hatte ihm nur eine unperfekte Enkelin hinterlassen.

»Miss …« Über den Rückspiegel fing mein Fahrer meinen Blick auf, als sich seine Anrede im Nichts verlor.

Innerlich seufzte ich, ehe ich mir ein halbherziges Lächeln ins Gesicht pflasterte und nickte. »Cammie«, ergänzte ich, ehe er auf die Idee kommen konnte, mich mit meinem eigentlichen Namen direkt in mein bisheriges Leben zurückzukatapultieren. Wenn Grandpa der Meinung war, sein Unternehmen und er hätten eine Pause von Sienna Rutherford nötig, dann bitte. Dieselbe Pause stand mir damit auch zu.

Ich machte mir nichts vor. Ein geänderter Vorname und Haare, die sich von meinem üblichen Look unterschieden, machten noch keinen neuen Menschen. Aber ich hatte nicht damit gerechnet, an einer Universität zu landen, wenn ich ein Retreat erwartet hatte. Land ja, Landeskunde nein. Aber mein zweiter Vorname gepaart mit gefärbten Haaren gab mir doch ein gewisses Maß an Distanz, das ich brauchte, um mich wieder aufzubauen. Um mich in dem Scherbenhaufen, als der ich mich fühlte, wiederzufinden, um wieder ich zu werden, oder zumindest eine Version dessen, die ich nicht so hasste wie die Medien Sienna Rutherford. Die Medien … und offenbar auch mein Großvater.

»Miss Cammie«, wiederholte der Mann und nickte. »Wir sind angekommen.«

Wieder sah ich auf das efeubewachsene Gebäude am Ende einer langen Einfahrt mit perfekt gepflegtem Rasen. So stellte ich mir ein typisches englisches Anwesen vor. Hätte ich den Studienzettel nicht in den Händen, hätte ich nicht gewusst, dass es sich bei dem Gebäude um ein Wohnheim handelte. Ich hätte es wahrscheinlich sogar hübsch gefunden, wäre ich nicht mit falschen Versprechungen hergelockt worden. So war es nur die neueste Masche, auf die ich hereingefallen war.

»Ihre Unterkunft, Miss Cammie«, sagte der Fahrer und bog auf einen Schotterweg ab, der uns näher an das Haus brachte. »Herzlich willkommen in Bollington.«

Herzlich willkommen in Bollington, dass ich nicht lachte. Wie es aussah, hatte mein Großvater seine Ansage, die Presse und mich voneinander zu trennen, ernst gemeint. So ernst, dass er mich im hintersten Winkel Großbritanniens parkte.

Entweder Grandpa hasste mich, kannte mich absolut nicht, oder wollte mir eine Lektion erteilen. Mit was? Einer Ausnüchterungszelle mitten im Nirgendwo? Sicher nicht.

»Miss Cammie? Jetzt sind wir wirklich angekommen.« Er ließ die Aussage wie eine Frage klingen, auch wenn er den Wagen längst angehalten und den Motor abgestellt hatte. Zum ersten Mal erwiderte ich den Blick des jungen Mannes durch den Rückspiegel.

»Ja, danke.« Ich lächelte den jungen Mann an und strich mir die eine Hälfte des Ponys aus dem Gesicht. Höflich bleiben, sagte ich mir. Der Mann konnte auch nichts dafür, dass ich von einem Horrorszenario ins nächste schlitterte. »Sie dürfen mich jetzt nach London fahren.«

Und während er das tat, konnte ich mich um eine angemessene Unterkunft kümmern. In London würde es sich schon für einige Monate aushalten lassen.

Erst, als mein Fahrer nicht auf die Anweisung reagierte, fing ich seinen Blick wieder auf. »London«, wiederholte ich.

Wenn möglich wurde der Mann kleiner und versank beinahe in seinem Sitz. »Mr Rutherfords Anweisungen lauten …«

»Mr Rutherford«, betonte ich, »ist nicht anwesend. Miss Rutherford dagegen schon. Als solche wünsche ich, nach London gebracht zu werden.« London, wo statt verstaubter Bücher und uninteressanter Studienfächer, lästiger Studierender und halber Ruinen eine Flut an Boutiquen, Restaurants und Globalisierung auf mich wartete. Wo ich auch abseits der USA ein Leben vorfinden würde, in dem ich überleben konnte. London, nicht Bollington, oder wie das nordenglische Örtchen hieß.

Was sollte ich hier? Ich war Schmuckdesignerin, theoretisch jedenfalls, kein Mädchen frisch aus der Highschool, das sich erstmal sortieren und sein Leben mit irgendeinem Studiengang füllen musste, bis ein sinnvoller Plan feststand. Studium und ich würden keine Freunde werden, für die Erkenntnis hatte ich damals zwei Tage gebraucht. Daran hatte sich die letzten Jahre nichts geändert und … ich verschwendete meine Zeit, je länger ich hier im Auto saß. Der Chauffeur kassierte einen eindeutigen Blick.

»Es tut mir leid …« Wieder endete sein Satz im Nichts, als er offenbar weder den Mut fand, sich gegen meinen Großvater zu stellen, noch mir gegenüber etwas Rückgrat zu zeigen. Dann eben nicht. Ich brauchte den jungen Mann nicht. Dann fuhr ich eben mit einem Taxi.

»Ich gehe recht in der Annahme, dass Sie mir zumindest mit dem Gepäck behilflich sein werden«, sagte ich. Wenn er auf allen anderen Ebenen schon ein Totalausfall war, konnte er wenigstens meine Koffer ausladen.

»Natürlich, Miss Cammie!« Er beeilte sich, auszusteigen und kümmerte sich um meine Koffer.

Währenddessen suchte ich mir die Kontakte für die örtlichen Fahrdienste heraus. Fehlanzeige. Heute fuhr nichts mehr, nicht um diese Uhrzeit.

Ich presste die Zähne aufeinander, bis meine Kieferknochen zu schmerzen begannen und atmete tief durch.

»Auf Wiedersehen, Miss Cammie.« Ohne, dass ich es bemerkt hatte, hatte der Chauffeur mein Gepäck ausgeladen, zu einem hübschen Haufen angeordnet und sich wieder in seinen Wagen verkrochen; die Scheibe wie eine Schutzwand halb hochgefahren. Ehe ich mich noch mal beschweren konnte, schloss er das Fenster und fuhr davon. Zurück blieben ein vollständiges Set roséfarbener Koffer, ein Mobiltelefon ohne Netz … und ich.

Ich strich mir die kurzen Strähnen aus dem Gesicht, dann noch mal, als sie nicht hinter meinen Ohren hängen bleiben wollten. Als sie ein weiteres Mal zurückrutschten, schloss ich die Augen und hielt die Luft an, bis ich sicher war, nicht doch noch an Ort und Stelle loszuschreien. Das hier hatte ich nicht verdient.

Leider schien auch Großbritannien der Meinung zu sein, mich nicht verdient zu haben. Von einer Sekunde auf die andere begann es zu schütten. Na wunderbar. Mein leichter Mantel tat nichts, um die Tropfen abzuwehren. Innerhalb weniger Sekunden stand ich nass, noch schlechter gelaunt, und nach wie vor ohne Fahrdienst vor der Unterkunft, in der ich wohl oder übel übernachten musste, wenn ich mir hier nicht den Tod holen wollte.

Ich steckte mein Handy in die Jackentasche, schulterte meine Handtasche und ließ mein Gepäck zurück, um im Inneren des Gebäudes jemanden aufzutreiben, der sich der Koffer annehmen konnte. Der Kies knirschte unter meinen Füßen. Auf halber Strecke kam mir eine Frau, geschätzt Mitte vierzig, entgegengeeilt, einen riesigen Regenschirm in der Hand. Mit ihrem Hosenanzug und den flachen Schuhen passte sie sehr gut zu dem Gebäude hinter ihr.

»Oje, jetzt hat Sie das Wetter erwischt«, sagte sie anstelle einer Begrüßung und streckte eine Hand nach mir aus, nur um sie sofort wieder sinken zu lassen. »Sie müssen Miss Rutherford sein, richtig?«

Immerhin eine von uns war informiert. Ich nickte.

»Ich bin Mrs Barnes, Ihr Empfangskomitee. Bringen wir Sie erstmal ins Trockene. Ist das Ihr Gepäck?« Sie sah in Richtung der Hartschalenkoffer, die hoffentlich wasserdicht waren.

Während sie uns unter ihrem Schirm auf das Gebäude zuführte, plapperte Mrs Barnes munter vor sich hin. Ihren Monolog über Anreisetage und Semesterbeginn übermorgen, die Unberechenbarkeit der Witterung und ihr Bedauern, dass ich nass geworden war, hörte ich nur mit halbem Ohr. Erst, als sie versprach, sich um meine Koffer zu kümmern, schenkte ich ihr ein kurzes Lächeln.

»Ihr Apartment liegt ein Gebäude weiter. Ich zeige es Ihnen kurz; Ihre Koffer bringen wir Ihnen und morgen können Sie das Gelände nach Belieben erkunden.«

Ich nickte unverbindlich und ließ mich durch das beinahe antike Gebäude lotsen, nur um am anderen Ende ein weiteres Mal durch den Regen laufen zu müssen, um zu einem wesentlich moderneren Komplex zu gelangen. Auch dieses Wohnhaus sah alt aus, immerhin aber mit großen Fenstern und weniger antiquerten Gemälden ausgestattet. Im Inneren folgte ich Mrs Barnes die Treppen nach oben in einen Flur, der eindeutig zu viele Türen auf zu wenig Raum hatte, bis hin zu einer Tür, die einen »Ms Rutherford«-Schriftzug trug. Apartment. Es klang gut, aber … mir schwante Übles.

»Dann darf ich Sie herzlich willkommen heißen, Miss Rutherford. Das Wohnheim für das Oakfield College mag auf den ersten Blick schlicht wirken, aber ich versichere Ihnen, dass unsere Sicherheitsvorkehrungen nicht das Geringste zu wünschen übriglassen.« Ihre Miene wurde mitfühlender. »Und an den Regen werden Sie sich auch gewöhnen.«

Damit schloss sie die Tür vor mir auf … und wie es aussah, würde der Regen das geringste meiner Probleme sein.

Kapitel 3

Presse-Statement:

Der Launch der modernen Line by Sienna aus dem Juwelier-Haus Rutherford Diamonds ist bis auf Weiteres vertagt. Genauere Daten wie auch Informationen liegen derzeit nicht vor.

Das Apartment war winzig. Winzig genug, um mich an ein Ankleidezimmer zu erinnern, dessen Fenster den Blick auf Regen und Grünzeug freigaben. Als zwei Männer meine Koffer hier abstellten, war damit schon fast kein freier Fleck mehr auf dem Boden.

Möglicherweise hatte ich zu viel eingepackt. Und mit möglicherweise meinte ich definitiv. Ohne meine Skizzenbücher und mindestens eine Grundausstattung an Werkzeug verließ ich nicht einmal New York, geschweige denn den ganzen Kontinent. Strandete man irgendwo im Nichts, war das gepaart mit einem beschädigten Hartschalenkoffer und damit einer Garderobe eine Herausforderung. Vor allem, wenn besagte Garderobe den Holzboden volltropfte und die Räumlichkeiten keine Möglichkeit boten, Abhilfe zu schaffen.

Zwar war das Zimmer vollständig eingerichtet, bot aber mit einem kleinen Schrank, einem Bett, einem Regal und einer Mischung aus Schreib- und Esstisch mit genau zwei Stühlen kaum genug Raum, um meine nasse Kleidung irgendwo aufzuhängen.

Welche Probleme waren am eiligsten zu lösen? Ich war nass und würde krank werden, wenn sich nicht zeitnah etwas daran änderte. Einen Föhn hatte ich eingepackt. Sobald ich mich umgezogen hatte, konnte ich mich um WLAN kümmern und meine Abreise organisieren. Tränen stiegen mir in die Augen und ich blinzelte sie schnell weg. Ich hatte eine Beziehung mit Jenson überlebt. Verglichen damit war das hier nicht einmal eine kleine Katastrophe. Und doch fühlte es sich nicht klein oder unwichtig oder zumindest machbar an.

Ich öffnete meine Koffer, bis ich den Föhn zwischen Glätteisen und Lockenstab fand und zog ihn heraus. Vielleicht war ich nur übermüdet und überreizt gewesen und alles hier war halb so schlimm. Es war nur für eine Nacht. Meine Kleidung würde wieder trocknen. Falls mir London nicht zusagte, konnte ich immer noch in das nächste Flugzeug steigen, zurück nach New York fliegen, und den Trip als eine der dämlicheren Episoden meines Lebens abhaken.

Die nächste Steckdose war schnell gefunden und ich rammte den Stecker meines Föhns in das Outlet … oder versuchte es. Er passte nicht. Der zweite Versuch mit deutlich mehr Gewalt brachte nur dasselbe Ergebnis, der dritte ließ mich am Kabel abrutschen und mit den Knöcheln über die raue Wandfarbe schrammen. Das Brennen der abgeschürften Haut war zu viel und ich brach nun doch in Tränen aus.

Ein Teil von mir wusste, dass meine Reaktion unverhältnismäßig war. Ein Adapter oder ein Ersatzgerät würde sich notfalls auch heute noch auftreiben lassen, das hier war nur ein kleiner Rückschlag, aber … triefend nass in einem Land, in dem ich nicht einmal sein wollte, fühlte es sich nicht klein an.

Auf meinen Großvater konnte ich nicht zählen, grundsätzlich nicht und hier schon gar nicht, meine Beziehung war zerbrochen, die Medien hielten mich für eine intrigante Opportunistin, und statt mich mit höherprozentigen Cocktails und Strand von dem Chaos, in das sich mein Leben innerhalb einer Woche verwandelt hatte, zu erholen, saß ich frierend und allein in einer Abstellkammer.

Wenigstens gab es hier im Nirgendwo niemanden, der meine Schluchzer aufzeichnete und auf Instagram postete. Das nutzlose Kabel rutschte mir aus der Hand und ich kauerte mich direkt daneben auf dem Boden zusammen.

Wie hatte so schnell so viel kaputtgehen können? Und wie hatte ich so schnell kaputtgehen können? Vielleicht hatten Grandpa und Jenson doch recht gehabt und ich war eine wandelnde Enttäuschung. Nicht einmal an Adapter dachte ich, wenn ich mich in ein fremdes Land verfrachten ließ. Ohne nennenswerte Gegenwehr noch dazu.

Gut, getäuscht und mit einer List in ein fremdes Land verschickt, aber … ich war zwanzig, verdammt? Wann hörte ich endlich auf, den falschen Männern zu vertrauen? Vielleicht hatte ich es einfach nicht anders verdient.

***

Am nächsten Morgen hatte ich mich wieder gefangen, zumindest größtenteils. Eine Lösung für die Situation hatte ich nicht gefunden, ein WLAN-Passwort auch nicht, aber immerhin hatte ich mir den ersten Frust von der Seele geweint. Und vielleicht würde ich heute mit frischerem Blick und einem ansatzweise ausgeschlafenenen Jetlag einen Ausweg finden. Einen Versuch war es wert.

Sobald ich mich frisch gemacht hatte. Das Badezimmer war fensterlos und nur mit dem Nötigsten ausgestattet, aber für eine erste schnelle Dusche und den Outfit-Wechsel zu Sportleggings und einem Pullover reichte es auch.

Mit Trockenshampoo und Haarspray bändigte ich meine Haare, wurde mit jedem Bürstenstrich wieder ein Stück mehr zu mir selbst, ehe ich meine Handtasche nahm und mich auf die Suche nach Mrs Barnes machte. Gestern hatte sie angemessen informiert und kompetent gewirkt; sie war ein guter Ausgangspunkt für die weiteren Schritte.

Noch ehe ich die Tür zum Flur öffnete, hörte ich, dass im Gegensatz zu gestern einige Menschen dort unterwegs waren. Kofferrollen polterten über Teppichkanten und andere Unebenheiten, Stimmen vermischten sich zu einer Kakophonie, der ich mich ohne Kaffee und oder Alkohol nicht gewappnet fühlte, und hin und wieder stieß jemand gegen die Tür, die mich von den Menschen draußen abschirmte

Die Flure waren genauso überfüllt, wie sie sich angehört hatten. Studierende wuselten hin und her, rammten einander mit ihren Gepäckstücken, oder kicherten in strategisch ungünstig platzierten Kleingruppen an sämtlichen Engstellen … also dem gesamten Flur. Ich sperrte das Zimmer hinter mir ab und lief den Weg zurück, den ich gestern gekommen war. Für zwei Ecken ging es gut, dann fand ich mich in einem Treppenhaus wieder, das ich mit absoluter Sicherheit noch nie gesehen hatte. Zwischen zwei Gemälden fragwürdig gekleideter Rentner blieb ich stehen und versuchte, meine Orientierung wiederzufinden.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als mich ein riesiger Karton beinahe ummähte und hinter der Pappe nur ein »Aus dem Weg!« ertönte. Keine Rechtfertigung, von einer Entschuldigung ganz zu schweigen. Dafür ein britischer Akzent, der mit der tiefen Stimme durchaus attraktiv geklungen hätte, wären die Worte nicht so unhöflich gewesen.

»Pass doch auf!«, feuerte ich zurück und wich einer zweiten Kollision nur knapp aus. Diesmal hielt der Kartonträger zumindest inne und wirbelte herum. Diesmal war mein Schritt zurück nicht schnell genug und die Kiste stieß frontal gegen mich. Ich stolperte über meine eigenen Füße, taumelte zurück und prallte mit dem Hinterkopf voran an den Rahmen des Rentnerporträts.

Bevor der junge Mann, der seinen Karton etwas senkte und einen Haarschopf nur ein paar Nuancen dunkler als meinen über dem Rand hervorblitzen ließ, mich noch einmal rammen konnte, hatte ich mich wieder aufgerichtet und meine Haare wieder geordnet.

»Du hast mich umgerannt.« Anklagend verschränkte ich die Arme vor der Brust.

»Sorry.« Er klang nur bedingt zerknirscht. »Aber im Ernst, hast du mich nicht gesehen? Das Ding hier ist irgendwie«, er zuckte mit den Schultern, was die Kiste beben ließ, »riesig. Außerdem bin ich links gelaufen.«

»Willst du mir sagen, dass es meine Schuld ist, dass mich freilaufende Möbelpacker rammen? Dir ist klar, dass ich auch eine Treppe hätte herunterfallen können?«

Der Karton sank noch ein Stück und gab den Blick auf braune Augen mit Wimpern, für die ich eine Ewigkeit im Studio saß, frei. Verdammt. Wäre er nicht so rüpelhaft, wäre der Mann vor mir genau mein Typ gewesen. »Du bist aber nicht verletzt«, teilte er mir mit, dann zog er einen Mundwinkel hoch. Er legte den Kopf schief und wirkte fast jungenhaft – auch wenn der Begriff kaum auf den Mann vor mir zu passen schien. Und doch fand ich seine Erwiderung nicht nervtötend-frech, sondern beinahe charmant. Beinahe.

»Glücklicherweise«, schob ich dennoch hinterher und reckte das Kinn etwas vor. Ein Treppensturz hatte mir gerade noch gefehlt.

»Glücklicherweise«, echote der Mann. Er legte den Kopf schief, zog den zweiten Mundwinkel nach oben, und richtete sich und seinen Karton wieder auf. »Ich wollte dich nicht rammen. Tut mir leid.«

Einen Moment war es fast, als wollte er noch etwas hinzufügen, dann schallte ein »Nick! Komm!« durch das Treppenhaus. Er drehte sich nach der Stimme um und manövrierte sich diesmal unfallfrei durch die nächste Menschengruppe und ließ mich stehen. Falls ich ihn doch um Hilfe hatte bitten wollen, war es jetzt zu spät. Ich ließ den Blick über verschiedene Familien und Freundesgruppen gleiten und suchte mir schließlich einen Mann mittleren Alters aus, der Zwillingsmädchen dabei half, Koffer die Treppe hochzuhieven, und anschließend eine Wegbeschreibung an jede der beiden abzugeben schien. Gänzlich ortsunkundig wirkte er schon einmal nicht.

Hilfreich war er dennoch nicht. Statt der Auskunft, die ich mir gewünscht hatte, bekam ich Halbwissen und den Eindruck, es mit einem ausgewachsenen Snob zu tun zu haben. Ich presste die Lippen zusammen.

»Danke«, murmelte ich und lief auf eigene Faust weiter. Ich brauchte nur Mrs Barnes. Sie kannte sich aus, sie konnte mir helfen. Hoffte ich. Ich lief gegen den Strom an ankommenden Studierenden, bis ich im Erdgeschoss zu einem Ausgang gelangte, der mich in den Nieselregen, aber auch zum ersten Gebäude, durch das ich gestern gekommen war, führte.

Der Hosenanzug, den Mrs Barnes gestern getragen hatte, war wohl die Arbeitsuniform aller, die hier tätig waren. Zumindest liefen mehrere Menschen mit Klemmbrettern und denselben Outfits durch das Gebäude. Zwischen den geschäftigen Angestellten machte ich irgendwann auch die einzige Person, die mir hier positiv aufgefallen war, aus, und steuerte sie an.

»Miss Rutherford.« Mrs Barnes nickte mir zu. Eine Anspannung, von der ich nicht gewusst hatte, dass ich sie in den Schultern getragen hatte, fiel von mir ab, als sie mir voller Selbstverständlichkeit ihre Aufmerksamkeit schenkte. »Was kann ich für Sie tun?«

Ich schilderte ihr meine Probleme und sie streckte mir direkt eine kleine Karte mit QR-Code entgegen.

»Die Verbindung ist vermutlich instabil, bis alle Studierenden eingeloggt und die Eltern wieder ausgeloggt sind«, meinte sie und zuckte mit den Schultern. »Für ein verlässliches Netz installieren die Meisten einen eigenen Router, aber für den Anfang sollten Sie jetzt versorgt sein.«

Das würde ich sicher nicht. Lange genug bleiben, um einen Router aufzutreiben? Lieber nicht. »Danke.« Ich lächelte sie an. »Haben Sie zufällig auch einen Adapter dabei?«

Sie lachte. »Am Kiosk gibt es welche zu kaufen, wenn Sie einen benötigen.«

In Ordnung, das ließe sich später organisieren. Wichtige Dinge zuerst. »Eine Frage hätte ich noch.«

»Dafür bin ich da. Haben Sie sich gut einleben können?« Sie erwiderte mein Lächeln.

Einleben. Nichts, was ich zu tun beabsichtigte, nicht hier, nicht an dieser Universität, nirgends. Einleben war für ein Zuhause gedacht, nicht für ein Exil. »Sie können mir nicht zufällig einen zuverlässigen Fahrdienst empfehlen?«

»Fahrdienst? Einen Kiosk gibt es direkt am Campus und Supermärkte …«

»Nach London«, fügte ich hinzu.

»Der Semesterbetrieb beginnt morgen, Miss Rutherford, für einen Trip bis nach London …«

»Sie kennen nicht doch einen Fahrdienst?«, fiel ich ihr ins Wort.

Sie verstummte und schüttelte etwas perplex den Kopf. Na wunderbar. Jetzt musste ich das wohl allein organisieren.

»Dann halte ich Sie nicht länger auf. Vielen Dank für Ihre Hilfe.« Ich lächelte noch mal und ließ zu, dass eine andere junge Frau meinen Platz vor Mrs Barnes einnahm, während ich schon den Code einscannte.

Eine Flut ungelesener Nachrichten und Markierungen in den sozialen Medien fluteten mein Handy, kaum, dass die Verbindung geglückt war. Ich wischte sie ungesehen weg. Kein Interesse. Der Internetbrowser reichte vollkommen aus.

Im nächsten Moment schnitt ich eine Grimasse. Zu früh gefreut. Einen Fahrdienst zu organisieren war eine Sache, aber die Buchung abzuschließen eine ganz andere, wenn die Schritte nicht abgeschlossen werden konnten. Und dafür gab es nur eine mögliche Erklärung:

Grandpa hatte den Zugang zu meinem Konto gesperrt.

Kapitel 4

Der neue Geheimtipp?Oakfield College, der neue Hotspot der Rich Kids?

 

Mit seiner abgeschiedenen Lage in Bollington, Cheshire, und der begrenzten Auswahl an Fakultäten kann diese Universität wahrlich nicht mit den Studierendenmagneten Großbritanniens mithalten. Wer hier studiert, ist nicht auf eine prestigeträchtige Alma Mater wie Oxford oder Cambridge angewiesen, verwirklicht sich nicht in modernen Trendstudiengängen oder nutzt akademische Schwergewichte wie Reading, um sich wissenschaftlich zu etablieren. Und doch schreiben sich in den letzten Jahren zunehmend Sprösslinge der oberen zehn Prozent des Landes am Oakfield College ein. Denn hier, gut zwei Autostunden von der nächsten Großstadt entfernt, verspricht die Universität vor allem eines: Privatsphäre.

So scheint es kaum verwunderlich, dass sich im kommenden Semester einmal mehr junge Erwachsene unter den Erstsemestern befinden, die Rang und Namen haben. Fernab ihrer Familien- oder Firmensitze wollen sie einen beinahe normalen Alltag erleben. Beinahe; denn trotz des überschaubaren Campus und der Lage inmitten bezahlbaren Wohnraums haben es die Studiengebühren dieser Universität in sich – eine Notwendigkeit, so der Dekan, um weiterhin eine Vielzahl an Stipendien vergeben zu können. Und dieses Programm spricht für sich, denn erst letztes Jahr gelang es einem Alumnus der Fakultät für Chemie, den begehrten »Dr. Margaret Faul Women in Chemistry Award« zugesprochen zu bekommen.

Wie ein Sprecher des Königshauses offiziell bekannt gab, zählt auch Lady Elodie, Großnichte und häufig gesehene Begleitung des Königspaares bei karitativen Events, zu den diesjährigen Studienanfängern. Damit ist sie nach Prince Nicolas das bereits zweite Mitglied der Royal Family, das sich gegen die traditionelle Wahl der University of Edinburgh oder das Trinity College in Cambridge entscheidet.

Doch nicht nur blaues Blut wird die über zweihundertsechzig Jahre alten Flure der Universität mit Leben füllen, mit Boyband-Frontman Clarke Davidson kehren auch die Pop-Musik und die Gerüchte legendärer Privatkonzerte auf den Campus zurück. Eines steht jedenfalls fest:

Auf dem Oakfield College ist einiges los, von dem wir gern mehr erfahren würden.