MS - die wunderbare Katastrophe - Barbara Rübesam - E-Book

MS - die wunderbare Katastrophe E-Book

Barbara Rübesam

4,9

Beschreibung

Anpassungsstörung an das Erwachsenenleben, mit dieser Diagnose wurde ich zwei Monate nach Erstellung der Diagnose MS aus einer Kurklinik entlassen. 21 Jahre brauchte ich, bis ich beschloss, dass ich weder die Diagnose MS noch die Diagnose Anpassungsstörung an das Erwachsenenleben brauche, um leben zu dürfen. Ich bin ein hochsensibler Mensch. Es ist bekannt, dass MS-Patienten ganz besondere Menschen sind, was ihre Sensibilität betrifft. Jesus gab uns nicht nur den Frieden, sondern auch ein Schwert um Dinge zu trennen, die nicht zusammen gehören. Das Schwert benutzte ich bisher zu meinem Kampf gegen mich selbst, obwohl es gar nicht dafür gedacht war. Macht nichts, sage ich mir, hätte ich es besser gewusst, hätte ich es besser gemacht.

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»der anfang ist die hälfte vom ganzen«

Aristoteles

Inhalt

vita

prolog

die wunderbare katastrophe

ahnung

gelbe gummistiefel

fragile?

steve – akzeptanz

berühren

contenance oder »sei gut zu dir!«

steve

in die eigene wahrheit blicken

alles hat zwei seiten

steve

erkennen

tragflächen

steve

einfach

ich bin, was ich bin

steve

einladung

unantastbar?

steve

schonbezüge

klein, grün, dreieckig

steve

ausgebremst

besinnliche tage und sehnsucht

steve

reihenfolge

langstreckenläufer

steve

kann es sein?

weil man gefühle nicht mit dem verstand versteht

position und freistil – steve

missverständnis

mit leib und seele zurück zu dir

steve

anders deuten!?

herz-ass

steve

volkskrankheit irrtum

prinzessin oder aschenputtel

steve

in deiner haut?

»mach et jut«

steve

freude

sehet auf!

steve

frei sein

gewahr werden

nachspann

vita

barbara rosemarie rübesam erhielt 1995 die diagnose MS und war davon überzeugt, dass diese diagnose nichts über ihr SEIN aussagt.

sie bemerkte, wie wenig diagnosen, bewertungen und krankheitsbilder mit ihrem wesen zu tun haben.

so brachten ihr beharrlicher geist und ihre fragen an das leben sie zum schreiben dieses buches.

ende der sechziger jahre auf einer ostfriesischen insel aufgewachsen, lernte sie vom ersten lebensmoment an, dass sie anders war. hochsensiblen personen braucht man nicht in worten mitzuteilen, dass sie »nicht gut« sind, so wie sie sind. sie fühlen, dass sie anders sind.

die folgenden jahre widmete sich barbara rübesam ausschließlich dem erlangen von unerreichbaren zielen. daraufhin entwickelte sie eine autoaggression.

dass diese ziele nicht ihre eigenen waren, wurde ihr erst deutlich, als sie über mehrere monate hinweg im bett lag und ihr körper immer unbeweglicher wurde.

die einschränkungen ihres körpers ließen einen klaren bezug zu den abwertenden gedanken erkennen, die sie hegte. dies festzustellen war für sie die erkenntnis eines neuen phänomens.

mit 46 jahren wurde ihr bewusst, dass ihre einzige chance darin liegt, bekannte wege zu verlassen und konditionierungen zu erkennen.

die tür, die mir durch die ms geöffnet wurde, führte direkt in mein herz. die aufgabe dort lautet liebe dich selbst und entscheide dich jeden augenblick für dich und nimm das tempo aus deinem leben heraus.

prolog

barbara rosemarie rübesam war eine tapfere, beharrliche frau, bis sie entschied, dass tapferkeit keinen sinn für sie macht.

heute fühlt sie sich von ihrer bisher unbekannten und nun »erlaubten« authentizität getragen und hat wieder neuen lebensmut.

dieses buch handelt von den vielen fragen, die barbara rübesam während der zeit ihrer erkrankung keine ruhe ließen und sie beschäftigten.

es erzählt die geschichte von barbara und steve, wobei steve für die menschen steht, die barbara rübesam begleiteten und ihren weg zur authentizität prägten.

die wunderbare katastrophe

das wort »katastrophe« kommt aus dem griechischen und setzt sich aus kata (»völlig, ganz«) und strophe (»wandel, wendung«) zusammen. wenn man dies bedenkt, kann eine katastrophe zugleich einen wandel einleiten. sie eröffnet die möglichkeit, sich zu entscheiden, ob man trainer bleibt oder sich auf den weg macht, lehrer zu werden.

der begriff »ostat« kommt aus der afghanischen sprache. er definiert den begriff eines trainers, der ausschließlich ein ergebnis im auge hat (so sagt mein afghanischer freund fahim). als lehrer (maalem) versteht sich ein mensch, der körper, geist und seele als einheit sehen kann und dabei die bedingungslose »liebe« im fokus behält. weniger das ergebnis der leistung.

mein sohn besaß im grundschulalter eine kartei mit zitaten, volksweisheiten und sprichwörtern. eines davon lautete: »zwischen reden und tun liegt das meer.« schon damals erzeugte dieses zitat eine große resonanz in mir und ich ahnte, dass diese resonanz etwas mit meinem tiefsten inneren zu tun hat.

heute ist mein körper von schmerzen geplagt und unbeweglich; so denke ich häufig, ich könnte sie nicht mehr aushalten. es scheint mir ausschließlich den weg zu geben, zu meinen gefühlen zu stehen und ihnen ausdruck zu verleihen. in unserer westlichen welt ist es üblich, weit ab von jeglichen emotionen fakten auszudrücken. das unterscheidet uns signifikant von allen südöstlichen ländern, wo selbst in der öffentlichkeit die trennung von fakt und emotion unmöglich scheint. hier dagegen kommt es mir so vor, als wären alle unsere »persönlichen meere« überschwemmt von piranhas (mit »piranhas« meine ich ungeliebte und ungelebte gefühle), und jeder behauptet steif und fest, es wären überhaupt keine piranhas da. stattdessen gibt es viele chronische und autoaggressive diagnosen.

ahnung

im alter von 25 jahren diagnostizierten die mediziner eine für mich unfassbare krankheit, unheilbar, ungreifbar, deren ursache bis heute nicht erforscht ist: multiple sklerose oder die krankheit der tausend gesichter.

schon damals war mir bewusst, eine besondere aufgabe auf den schultern zu tragen, doch ich habe mich lange gewehrt und die aufgabe ignoriert.

als krankenschwester war ich im bilde über verschiedene stadien der erkrankung, so war der schrecken unendlich und groß, als ich die diagnose erhielt.

es war mir nicht möglich, den tieferen sinn sowie die wurzel der erkrankung zu sehen, da ich sie im außen suchte.

heute bin ich davon überzeugt, dass in jedem von uns die kraft steckt, sich selbst zu heilen – nur die wege dorthin sind unterschiedlich!

jeder ist sein eigener meister und weiß alles, was er wissen muss.

gelbe gummistiefel

er trug gelbe gummistiefel, so wie die meisten menschen auf der ostfriesischen insel langeoog, wo sand, wind und sturm zu hause sind. die insel langeoog ist meine heimat, meine eltern hatten dort eine pension. von jeher war protest mir eigen, so trug ich rote gummistiefel, um meiner lebenssituation, die ich nicht ändern konnte, zu trotzen.

im sommer überschwemmten gäste die insel und das leben bestand für mich aus putzen, freundlich sein und gehorsam. so empfand ich mein dasein als überwiegend fremdbestimmt.

wäre es nach meinem gefühl gegangen, wäre mein leben anders verlaufen. ich erkenne erst heute, mit 46 jahren, wie groß die diskrepanz von leben und gelebtwerden ist. seit letztem sommer ist mir überhaupt erst bewusst, dass es hochsensibilität gibt und was das bedeutet.

so lebte ich unbewusst das leben meiner eltern, meines umfeldes, ohne zu wissen, dass es so ist. meine grenzen vermittelte ich anfangs zart, später lautstark, was beides keine lösung war und keine veränderung brachte. ich wurde nicht gehört.

als mit 25 jahren die diagnose ms für meine person gestellt wurde, hatte ich in der darauffolgenden nacht einen traum, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die ms »nichts schlimmes« sei, ich lediglich die aufgabe hätte, besonders »gut zu mir zu sein«. dieses mir auferlegte rätsel, was »besonders gut sein« bedeuten könnte, beschäftigte mich in den nächsten 20 jahren. kein versuch meinerseits, eine lösung zu finden, was »besonders gut sein« heißen könnte, blieb unüberlegt. eine lösung gab es jedoch nicht. inzwischen habe ich beschlossen, anstatt »besonders gut sein« zu enträtseln, authentisch zu sein. so wendete ich meine blickrichtung von außen nach innen.

steve mit den gelben gummistiefeln war in den vergangenen 20 jahren mein treuer begleiter und berater. an steve fiel mir zuerst die treue zu sich selbst auf, was mich vom ersten moment an faszinierte. er liebte die einsamkeit sowie das schweigen und die stille, und wenn er nicht alte schiffe reparierte, sah man ihn oft in einem ruderboot aufs meer hinausfahren.

in letzter zeit konnte ich mein bild sehen, das ich während meines lebens von mir zeichnete. eine frau, stehend neben einem »scherbenhaufen«, die sich bemüht, die »scherben« wegzufegen und diese »scherben«, die durch ihre biographie zustande kamen, für nichtig zu erklären.

nun stehe ich vor dem leben, sehe mich im »beschmutzten« weißen kleid und bin nach wie vor damit beschäftigt, die »flecken« aus dem kleid herauszureiben oder herauszuschneiden, anstatt zu leben. durch all meine fragen, die ich an das leben stellte, entstand dieses buch.

in dem ersten gespräch mit steve ging es um meine überzeugung von heilung, die ihm neu war. er schwieg, stieg in sein boot und ruderte aufs meer.

fragile?

als die diagnose ms gestellt wurde, kam ich mir wie bei der post gestempelt vor. da gibt es frachtgut, sperrgut, pakete, briefe und päckchen wie auch büchersendungen – alles wird gestempelt. meine freundin d. denkt, »sperrgut« würde gut zu mir passen. die ärzte fanden ms passender, und so war alles geklärt. zack, stempel drauf und – ms. »das ist auch nicht weiter schlimm«, eröffnete mir der damalige stationsarzt. »ihr leben geht einfach weiter wie bisher, nur über die heiße wärmflasche im rücken sollten sie nachdenken und diese eventuell weglassen, wärme ist manchmal so lokal am rücken nicht gut.«

zwölf jahre später entließen mich die gleichen menschen mit der berufsbezeichnung »arzt« aus einem mehrmonatigen aufenthalt in der psychiatrie mit den worten: »es wird ihnen nicht gut gehen – die ms und die schweren depressionen … hier ist jederzeit ein platz für sie, kommen sie gerne wieder.«

ich bin auf der suche nach einem ort, der mich sein lässt, wie ich bin – aber dort will ich nicht wieder hin, denn das ist kein platz, der mut zum leben macht. es reicht meiner meinung nach nicht, den numerus clausus zu erreichen und ein studium in medizin abzuschließen, um ein arzt zu sein, der auch »mensch« ist.

und die menschen brauche ich. ausdrücklich betone ich, dass es mehr menschen als ärzte in meinem bisherigen leben gab. ich kann in meinem körper fühlen, wie sich alle zellen anspannen, wenn mir vermeintliches unrecht geschieht. jeder mensch hat wohl unrecht erlebt in seinem leben. interessant ist der umgang damit. meine seele ist da wie ein detektor, sie lässt sich nicht beschwichtigen und reagiert sofort auf bekannte schwingungen und töne, bringt meinen körper zum erstarren.

meinen weg säumten immer wieder menschen, die sagten: »du hast keine ms – du hast etwas anderes.«

es gab wunderbare, schöne begegnungen mit meinem sohn david und manche mit davids vater. wir leben getrennt, dennoch sind wir bis heute davids eltern mit haut und haar geblieben. das ist anstrengend, finde ich oft, aber anstrengend ist nicht schlimm, es ist eben anstrengend. ich gehe weiter auf meinem weg, die ms im schlepptau. ich suche einen ort, einen platz, an dem ich sein kann, wie ich bin. ich suche mich – mich selbst, meine berufung. das ist mein weg, und ich schreibe gern mit und von meiner seele. wenn ich schreibe, geht es mir gut!

da bin ich mit mir.