Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten - Carsten Krystofiak - E-Book

Münster - Jede Woche hat ihre Geschichten E-Book

Carsten Krystofiak

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Beschreibung

Carsten Krystofiak kennt die dunklen Ecken und krummen Wege in Münsters Stadtgeschichte. Aber gerade dort finden sich die komischsten, tragischsten und tragikomischsten Geschichten. Diese hat er für die "Münster-Zeitzeichen" nach dem Kalender sortiert. Seit Anfang 2009 läuft die Serie unter dem Motto "In dieser Woche vor (...) Jahren ..." in der "na dann". Die besten Folgen der ersten drei Jahre sind in diesem Buch zusammengefasst: Zwei historische Jahrestage pro Woche; durch ein ganzes Jahr. Wer wurde Ende Januar 1977 entführt? Was erschütterte Münster Anfang Oktober 1994? Wann hatte Münster seinen großen Hollywood-Auftritt? Die Antworten finden sich auf dieser rasanten Zeitreise ...

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Krystofiak

Münster – Jede Woche hat ihre Geschichten

Carsten Krystofiak

Münster – Jede Woche hat ihre Geschichten

100 Münster-Zeitzeichen aus der »na dann«-Serie

© 2012 Oktober Verlag, Münster

www.oktoberverlag.de

Der Oktober Verlag ist eine Unternehmung des Verlagshauses

Monsenstein und Vannerdat OHG, Münster

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Britta Gerloff

Umschlag: Thorsten Hartmann

unter Verwendung eines Fotos von Tom Heyken

eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund www.readbox.net

ISBN: 978-3-941895-27-0

Vorwort

Die Zeichen der Zeit …

In der Küche höre ich oft Radio. Seit meiner Kindheit bin ich ein Fan der Hörfunksendung »Zeitzeichen«, die an Jahrestage besonderer Ereignisse oder Personen erinnert.

An besonderen Ereignissen und Personen herrscht auch in Münsters Lokalgeschichte kein Mangel. Mal komisch, mal tragisch; oft realsatirisch. Chronologisch sortiert ergab sich daraus eine bunte Fülle von Jahrestagen – die »Münster-Zeitzeichen«.

Seit 2009 läuft diese ganzseitige Kolumne in Münsters Wochenschau »na dann«, also bisher rund 150 Mal. Vielen Münsteranern gefällt die Reihe gut, darum sind die hundert bislang besten (genau sind’s sogar 104) in diesem Buch zusammengefasst; pro Kalenderwoche zwei Stichtage. Das ergibt eine rasante Zeitreise durchs ganze Jahr.

Viel Spaß dabei,

Carsten Krystofiak

Sehr geholfen haben mir Walter Kutsch, Christian Steinhagen und Dr. Axel Schollmeyer. Besten Dank!

In dieser Woche im Jahr 1946 …

… eröffnete das Hotel Kronenburg an der Hammer Straße.

Als erstes Hotel nach dem Krieg eröffnete Anfang Januar 1946 an der Hammer Straße 37 die »Kronenburg«. Zum Hotelrestaurant gehörte auch ein Festraum für Kabarett und Musik. Das Original »Addi Münster« wurde hier mit schrägen Sketchen zum Dauergast – heute würde man dazu »Comedian« sagen. Ab 1969 lockte neben dem Hotelrestaurant die gleichnamige Nackttanz-Bar. Nach der Aufgabe des Hotelbetriebes vermietete die Eigentümerin die vier Hoteletagen plus Kneipe 1974 an vierzig junge Hippies, die sich dort dem Experiment einer sozialistischen Kommune unterzogen. Das Scheitern der Utopien im Alltag hat viele von ihnen für immer davon geheilt … Anfang der 1980er Jahre wurde die Kronenburg-Kneipe zum Treffpunkt der münsterschen Punkszene. Der junge Westbam trat hier mit seiner Punkband »Anormal Null« auf. Das bürgerliche Münster sah in der Kronenburg eine Filiale des Moskauer Kremls und der RAF. Dabei hatten die Bewohner genug mit banalen Nachbarschaftsstreitereien zu tun, wie jeder andere Spießer auch … 1988 wurde aus der Kronenburg-Kneipe das Café Wolters. Weitere zehn Jahre später eröffneten Pitti Duyster & Michael Sulzbacher in der Kronenburg-Bar die Lunabar, die zum Vorbild großstädtischer Clubgastronomie in Münster wurde. Nicht alle alten Stammgäste der Bar bekamen den Wechsel gleich mit: Noch lange kamen einsame Herren in den Szeneclub, die sich darüber wunderten, dass ihnen die jungen Damen gar nicht zuhörten … Am 9.10.2007 wurde das Haus an einen Bieter aus Münster zwangsversteigert.

Hotel, Nacktbar, Kommune, Punktreff, Szeneclub – die legendäre Kronenburg: Hier posiert die Hausband »Sex Or Rip Tides« (ca. 1985).

In dieser Woche im Jahr 1975 …

… wuchs Münster um 400 Prozent.

Am 1. Januar 1975 verloren im Zuge der kommunalen Gebietsreform die neun bis dahin autonomen Umlandgemeinden Münsters ihre Eigenständigkeit und wurden der Stadt Münster zugeordnet. Die Münsteraner fanden das prima, denn über Nacht wuchs ihre Provinzstadt um das Vierfache und sie fühlten sich ab sofort als Großstädter. Die Angelmodder, Amelsbürener, Albachtener, Nienberger, Roxeler, Sprakeler, Handorfer, Hiltruper und Wolbecker fanden das furchtbar und fühlten sich gedemütigt. Ausschlaggebend für die Ausdehnung war der »Plan 2000« – ein Entwicklungsplan, der Münster »enorme Wirtschaftsimpulse« in einem »nie gekannten Umfang« versprach. Kernstück dieser Kaffeesatzleserei war ein »Großflughafen« in Münsters Südosten (der niemals gebaut wurde). Doch es gab auch Kritik: Im Kreistag nannte man die Pläne »maßlos und überdimensioniert«. In Hiltrup kam es sogar zu einer Volksabstimmung, bei der 95 % gegen den Zusammenschluss mit Münster stimmten. Geholfen hat’s allerdings nicht. Als Rechtsnachfolgerin der nun politisch bedeutungslosen Umlandgemeinden übernahm Münster über hundert Bauvorhaben, die in den Vororten gerade anhängig waren. Das hatte ungeahnte Folgen: In Hiltrup, Amelsbüren, Roxel und Handorf waren die Bürgermeister so clever gewesen, schnell noch Schwimmbäder bauen zu lassen, die man alleine nicht hätte finanzieren können und auf deren Betriebskosten nun die Stadt Münster hängenbleiben sollte. Spätfolge nach über dreißig Jahren: Die Schließung dreier Bäder im »Rödl«-Sparstreit – späte »Rache« der Umlandgemeinden für den Verlust ihrer Selbstständigkeit …

Neu: Jetzt 400 % mehr Münster! Hier die alten Wappen der eingemeindeten Vororte Sprakel, Nienberge, Amelsbüren, Hiltrup, Handorf, Wolbeck.

In dieser Woche im Jahr 1953 …

… beschloss die Stadt die Pläne für das neue Theater.

Vor dem Krieg war das Stadttheater im Adelshof der Familie Romberg. Deren berühmtester Spross Gisbert wurde als »toller Bomberg« berüchtigt. Im alten Theater startete Theo Lingen seine Karriere als Komiker, bevor er in Berlin Bertolt Brecht die Frau ausspannte …

Die Bomben ließen vom Theater nur noch die Fassade übrig. Ein neuer Bau musste her. Münsters städtischer Oberbaurat griff selbst zum Lineal und entwarf einen Plan, der aber nicht verwirklicht wurde. 1952 schrieb die Stadt einen Wettbewerb aus, an dem sich sogar der Bühnenbildner des Theaters als Hobbyarchitekt beteiligte. Auch Baurat Scharf reichte seinen alten Plan mit einer Längsachse entlang der Voßgasse wieder ein. Der Rat konnte sich jedoch auf keinen Entwurf einigen. Also wurde die Frist für die Einsendung verlängert. Am 16.1.1953 erteilte die Stadt dem Plan des Architektenteams Deilmann, von Hausen, Rave und Ruhnau den Zuschlag. Die Fachwelt war begeistert – Münster entsetzt! Während der Architekt des New Yorker UN-Gebäudes den futuristischen Bau als »das schönste Theater der Welt« lobte, fanden viele Münsteraner das Objekt »total Picasso!«. Der Name Picasso galt den Westfalen als Synonym für das Abstrakte schlechthin, sodass er gleichzeitig als passendes Adjektiv dienen konnte. Klar, dass die Stahlskulptur an der Seite des neuen Theaters im Volksmund den Namen »Picasso-Blitz« verpasst bekam. Immerhin hat Münster mit dem Bau gezeigt, dass es beides kann: Prinzipalmarkt & Pinkus – und »Picasso« …

Donnerwetter in Münsters Architektur: Der »Picasso-Blitz« hat am Portal des Stadttheaters eingeschlagen.

In dieser Woche im Jahr 1959 …

… wurde Münsters City langsam autofrei.

Mitte Januar 1959 diskutierte der Stadtrat erstmals über eine Sperrung des Prinzipalmarktes für den Autoverkehr. Keineswegs aus Sorge um Umwelt und Gesundheit; CO2 und Feinstaub waren damals noch unbekannte Vokabeln. Es war die nackte Verzweiflung über das Verkehrschaos, das sich täglich in Münsters Innenstadt abspielte. Die Ecke Ludgeristraße/Klemensstraße/Prinzipalmarkt war ein besonders neuralgischer Verkehrsknotenpunkt: Hier ging zu Stoßzeiten nichts mehr. An der Ecke Salzstraße/Erbdrostenhof standen die geparkten Autos zweireihig in der Verbindungsgasse zur Clemenskirche. Wer Pech hatte, musste stundenlang warten, bis er seinen Wagen wieder aus der Blechschlange befreien konnte. Selbst bis vors Schloss durfte man damals fahren. Mittags, wenn hunderte Studis aus der Vorlesung in ihre Autos sprangen, um mal eben zur Mensa zu fahren, bewegte sich auch hier erstmal nichts mehr. In dem münsterschen Roadmovie »Alle Jahre wieder« aus den 1960ern zeigt die Kamera noch eine Autofahrt des Protagonisten durch die Ludgeristraße. Wenn der Bischof zur offiziellen Auto-Segnung vor dem Dom lud, kollabierte auch rund um den Domplatz der Verkehr. Dabei wurde schon 1962 das erste Parkhaus an der Stubengasse eingeweiht. Etwa zur selben Zeit wurde die Ludgeristraße für Autos gesperrt. Ab 1973 durfte man zunächst nur an Samstagen Klemensstraße, Rothenburg und Prinzipalmarkt nicht mehr befahren. Erich von Däniken schrieb damals über Münster: »Ich möchte verweilen, finde aber keinen Parkplatz. Schade. Auf Wiedersehen, Münster.«

Heute unvorstellbar: Damals fuhren die Studis noch mit dem PKW zur Vorlesung und verstopften täglich die Zufahrt zum Schloss.

In dieser Woche im Jahr 1536 …

… wurden die Wiedertäufer hingerichtet.

Nachdem die Truppen des Bischofs durch Kreuztor und Jüdefelder Straße die Stadt einnahmen und von den Wiedertäufern zurückeroberten, ereilte die Täuferprominenz das Strafgericht. Geschnappt wurden Täuferkönig Jan van Leyden und »Schwerthalter« Bernd Knipperdolling (dessen Nachname übrigens »Kleiner Furz« bedeutet). Da Kanzler Heinrich Krechting entkam, hielt man sich an seinen Bruder Bernd. Das Urteil lautete: »Ihnen soll alles Fleisch mit glühenden Zangen von den Knochen abgerissen und dann Gurgel und Herz mit glühenden Eisen durchstoßen werden.« Prost Mahlzeit! Am 22. Januar 1536 wurden sie vor dem Rathaus auf ein Holzpodest geführt und an Pfähle gebunden. Bischof Waldeck sah von gegenüber genüsslich zu. Vier Stunden dauerte die Folter! Während Leyden sich jeden Schmerzensschrei eisern verbiss, versuchte Knipperdolling, sich angesichts der glühenden Zangen an seinem Halseisen zu erdrosseln, wurde aber brutal daran gehindert. Endlich erlöste man die Täufer durch Dolchstöße und zog ihre Körper in den bekannten Käfigen am Lambertikirchturm hoch. Leyden in der Mitte, Knipperdolling links, Krechting rechts. Noch nach 50 Jahren sollen letzte Fetzen zu sehen gewesen sein. Die Folterzangen wurden am Rathaus angebracht (und sind heute im Stadtmuseum). Damit war die Bewegung aber noch nicht ausgelöscht. Noch zwei Jahre später kam es in Greven zu einer Täuferversammlung mit immerhin hundert Teilnehmern. Kanzler Krechting schaffte es nach Ostfriesland, wurde Kirchenvorstand und lebte noch bis 1580 …

Aua, das tut weh! Vier Stunden lang wurden die Wiedertäufer mit extra in Dortmund angefertigten Zangen bearbeitet.

In dieser Woche im Jahr 2007 …

… wurde die MZ-Redaktion entsorgt.

Anfang des Jahres kam der damalige Verlagsgeschäftsführer der Münsterschen Zeitung im Auftrag seines Dortmunder Traditionsverlegers Lambert Lensing-Wolff in die MZ-Lokalredaktion und erklärte den fassungslosen Mitarbeitern, sie seien überflüssig. Laptops und Firmenhandys konnten sie gleich abgeben. Zur Begründung hieß es, sie wären eben faul, träge und unkreativ. Dabei hatten die Redakteure bereits lange zuvor selbst ein Innovationskonzept verfasst und dem Redaktionsleiter als Anregung übergeben. Der hatte die Erneuerungsvorschläge jedoch mit dem Hinweis verworfen, sowas sei völlig unnötig. Die Nachricht vom ungalanten Rauswurf verbreitete sich rasant und schlug hohe Wellen. Die allgemeine Solidarisierung führte zu massiven Abo-Kündigungen. Höhepunkt der Proteste war eine Kundgebung sämtlicher Vertreter von Münsters Medien- und Kunstszene mit über tausend Gästen und einem Spontanauftritt von Götz Alsmann. Die Stimmung war explosiv; Lensing-Wolff tat gut daran, nicht zu erscheinen. Die MZ gibt es trotzdem noch. Die Mitarbeiter arbeiten heute teils zu außertariflichen Bedingungen. Doch was damals noch Massen empörte, wirkte als Dammbruch in der Verlagsbranche: Überall ziehen die Unternehmensberater mit dem Rasenmäher durch die Redaktionen, um teure Stellen einzusparen und das US-amerikanische »newsdesk«-System einzuführen. Die Zeitungen wird das nicht retten: Es wird Qualität gespart, weil immer weniger Zeitung gelesen wird; weil immer mehr Qualität gespart wird, wird immer weniger Zeitung gelesen usw. usf. …

Großer ver.di-Tamtam vor dem MZ-Haus am Roggenmarkt. Gebracht hat‘s nix. Aber langfristig sind die Printmedien sowieso nicht zu retten.

In dieser Woche im Jahr 1865 …

… starb Clemens von Bönninghausen.

Bönninghausen wurde in Holland geboren, ging in Münster zur Schule, studierte wieder in Holland, kam wieder zurück nach Münster und wurde Leiter des Botanischen Gartens. 1827 bekam er Lungentuberkulose und wurde von den Ärzten aufgegeben. Ein Freund heilte ihn mit Homöopathie. Davon begeistert, ging Bönninghausen beim Entdecker der Homöopathie, Samuel Hahnemann, in die Lehre und entwickelte die Heilkunde entscheidend weiter. In Münster behandelte er u. a. Annette von Droste-Hülshoff homöopathisch. Weil er kein Arzt war, bekam er dafür eine Ausnahmegenehmigung. Damit war Bönninghausen sozusagen der erste homöopathische Heilpraktiker. Außerdem war er der einzige Münsteraner mit eigenem Stadttor: Wenn Bönninghausen jeden Dienstag vom Adligen Billardclub nach Hause kam, war das Stadttor oft schon zu. Also kaufte er ein Grundstück an der Promenade (am Servatiiplatz), um dort ein selbst entworfenes Haus mit eigenem Ausgang zur Außenseite der Stadtgrenze zu bauen. Seine Baupläne wurden nicht genehmigt, weil er kein Architekt war. Also studierte er in Berlin auch noch flugs Architektur, kam mit Diplom zurück und durfte sein Haus bauen. 1867 starb er. Ausgerechnet ein Homöopath aus Indien wies 120 Jahre später darauf hin, dass es in Münster kein Denkmal für Bönninghausen gebe. Deshalb stiftete der Verein homöopathischer Ärzte in Nordrhein-Westfalen schließlich eins auf dem Hörsterfriedhof. 2005 wurde es eingeweiht.

Homöopathie wirkt nach Bönninghausen auch bei Schnupfen. Nur leider bei seinem Denkmal auf dem Hörsterfriedhof nicht … (siehe Pfeil)

In dieser Woche im Jahr 1977 …

… wurden Snoeks Entführer gefasst.

Es begann drei Monate zuvor: Olympiareiter und RATIO-Erbe Hendrik Snoek wurde nachts aus seiner Wohnung Dürerstraße/Ecke Nordstraße im Kreuzviertel brutal entführt, in die Tiefgarage gezerrt und in ein Auto gestopft. Die beiden Gangster fuhren Snoek nach Hessen und ketteten ihn in einem Hohlraum in der Ambach-Talbrücke der A45 bei Herborn an. In einem geparkten Auto in der Wilhelmstraße fand die Familie Instruktionen für die Geldübergabe. Die geforderte Diskretion wurde allerdings von einer großen Reportermeute gefährdet, die live dabei sein wollte. Doch Vater Egbert Snoek hatte vorgesorgt und ließ von befreundeten Bauern die Straße durch Trecker blockieren. Die Sensationspresse war mattgesetzt. Inzwischen konnte Snoek in seinem eiskalten Verließ auf sich aufmerksam machen und wurde von der Polizei befreit. Die Geldübergabe war geglückt, Snoek frei, aber von den Entführern fehlte jede Spur. Erst Hinweis Nr. 1.450 führte zur Festnahme: Einer der Täter hatte 15 registrierte Tausender aus der Beute bei einer Sparkasse eingezahlt. Bei ihm zuhause fand man noch mehr: 200.000 DM in ein Kissen eingenäht. Der Rest der fünf Mio. tauchte nie mehr auf. Die Täter waren ein ungleiches Duo: Der brutale Berufsverbrecher und der schmächtige Gelegenheitsdieb. Der Brutalo nahm sich in der U-Haft das Leben. Der Komplize wurde darauf besonders scharf bewacht, was seinen Anwalt veranlasste, über Menschenrechtsverletzungen zu klagen. Der verbliebene Entführer bekam 13 Jahre Haft. Trotz einiger Hinweise fahndete die Polizei nie nach weiteren Hintermännern, was viel Kritik auslöste. Snoek kehrte sofort in die Reitarena zurück und wurde begeistert gefeiert.

Praktisch: In der Tiefgarage fanden die Gangster auch gleich einen Fluchtwagen. Die Entführung wurde später für einen Polizeilehrfilm nachgestellt.

In dieser Woche im Jahr 1910 …

… ging Ferdi Eimermacher in die Luft.

Auf der Loddenheide, wo bis zum Ersten Weltkrieg die Schießstände des Heeres waren, gründete sich Ende 1909 der »Luftschiffahrt-Verein Münster und Münsterland«. Kurz darauf durfte auch der frischgebackene Freiballon-Aspirant Ferdinand Eimermacher aufsteigen. Jeden Sonntag hoben die drei vereinseigenen Ballons ab. Doch das reichte dem ehrgeizigen Gastronomiezulieferer nicht: Eimermacher suchte den Wettbewerb. 1913 flog er in nur sechs Stunden bis ins ostpreußische Königsberg, mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fast 150 km/h. Der fliegende Münsteraner spezialisierte sich auf Langstreckenfahrten; sein Rekord waren 56 Stunden nonstop. Doch dann holte ihn das Pech ein: 1928 startete Eimermacher beim härtesten Ballonrennen der Welt, dem Gordon-Bennet-Rennen. Der Start in Detroit verlief noch glücklich, doch dann blieb der Ballon an einem riesigen Mammutbaum hängen. Die Hülle zerriss und der Korb zerschellte. Eimermacher blieb unverletzt, aber der Titel war futsch. Den Luftfahrer hielt das nicht auf: Eimermacher räumte weiter Preise ab und durfte auch den Besuch des berühmten Luftschiffes Graf Zeppelin in Münster präsentieren. Doch dann war erstmal Feierabend: Im Dritten Reich wurde über Eimermacher ein Startverbot verhängt. Ob man fürchtete, er würde wie Hess nach England fliegen …? Aber schon 1945 durfte er unter Aufsicht der britischen Besatzungsbehörden den Ballonsport in Münster neu organisieren. Eimermacher war nun eine Kultfigur der deutschen Ballonfahrt, wovon Münster direkt profitierte und durch den fliegenden Promi als Wiege der Freiballonfans galt. Die jährliche Montgolfiade erinnert daran.

Münster ist immer noch Metropole des Ballonsports. Im Sommer gehören Ballons zum Abendhimmel.

In dieser Woche im Jahr 1948 …

… wurde die Abschaffung der Straßenbahn beschlossen.

Ende Januar 1948 verkündete der Stadtrat, Münsters Straßenbahn könne die Verkehrsprobleme der Zukunft nicht lösen. Stattdessen setzten die Lokalpolitiker auf moderne »O-Busse«. Darauf brach in Münsters Lokalpresse der »Straßenbahnkrieg« aus. Während die Bewohner des Kuhviertels dagegen protestierten, ohne Straßenbahnlinie »vom Verkehr abgeschnitten« zu sein, schwärmten die anderen davon, wie »lautlos und geschmeidig« die Oberleitungsbusse dahinschweben würden. Ganz im Gegensatz zur Straßenbahn, denn die ratterte ziemlich laut durch die Stadt. In der engen Kurve am Alten Steinweg quietschten die Waggons in den Schienen besonders schrill. Darum hieß die Eckkneipe (heute: Gassi) früher »Heulende Kurve«. Drei Straßenbahnlinien fuhren seit 1901 durch Münsters Altstadt (die rote, die gelbe und die blaue Linie), z. B. vom Hauptbahnhof zum Hindenburgplatz. Doch 1954 war Schluss: Die Entscheidung zugunsten der O-Busse war endgültig. Namhafte Verkehrsexperten kritisierten die Stilllegung, weil man »ohne Not ein leistungsfähiges Verkehrsmittel geopfert« habe. Doch die Ära der O-Busse währte nur kurz: 1968 wurden die sonderbaren Zwitter zwischen Autobus und Lok wieder ausrangiert. Einige alte münstersche Straßenbahnwaggons fuhren noch lange in Osnabrück weiter. Dort entdeckte man 1993 den alten Straßenbahntriebwagen Nr. 65 aus Münster und brachte ihn zurück nach Hause, wo er restauriert wurde. Sämtliche späteren Initiativen zur Wiederbelebung der Straßenbahn sind gescheitert.

Mit Bussen ist‘s vielleicht doch besser: Eine Straßenbahn in Münster wäre der sichere Tod etlicher Radfahrer.

In dieser Woche im Jahr 1342 …

… wurde in Münster schon Karneval gefeiert.