Mutig, aber realistisch gegen die Klimakatastrophe - Marc H. Hall - E-Book

Mutig, aber realistisch gegen die Klimakatastrophe E-Book

Marc H. Hall

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Beschreibung

Klima retten – so schaffen wir es In den Nachrichten wird der Klimawandel häufig herangezogen, um schlechtes Wetter zu erklären. In diesem Fall konnte man ihm mit bunten Regenschirmen und kalten Getränken leicht begegnen. Der Klimawandel ist jedoch gewaltiger und eine noch nie da gewesene, globale Herausforderung. Im Zentrum steht die Dekarbonisierung der weltweiten Energieversorgung. Beispiele von der Sahara bis zum Polarkreis zeigen, wie Unternehmen bisher geforscht, experimentiert und investiert haben. Genug, um das Protokoll von Kyoto zu erfüllen, zu wenig, um den weltweiten CO2-Ausstoß zu reduzieren. Bislang nur bemühtes Training und leichte Gymnastik. Der Marathon, der weltweite Umbau, liegt noch vor uns. Und wie soll sich jeder und jede Einzelne individuell verhalten, was kann er und sie konkret zum Klimaschutz beitragen? Dafür gibt es Empfehlungen, wie: global denken und global handeln. Wir müssen auf dem langen Marsch aus der Klimakatastrophe noch lange streiten, bis der Erfolg eintritt.

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leykam:seit 1585

MARC H. HALL

MUTIG, ABERREALISTISCH GEGENDIE KLIMAKATASTROPHE

Copyright ©

Leykam Buchverlagsgesellschaft m.b.H. Nfg. & Co. KG,

Graz – Wien 2021

Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Covergestaltung: Peter Eberl, www.hai.cc

Satz: Gerhard Gauster

Druck: Finidr, s.r.o.

Gesamtherstellung: Leykam Buchverlag

ISBN 978-3-7011-8194-0

eISBN 978-3-7011-8219-0

www.leykamverlag.at

Die Drucklegung des vorliegenden

Bandes wurde unterstützt durch:

INHALT

Vorwort

1. Reden wir über den Klimawandel und nicht über schlechtes Wetter

2. Das wissenschaftliche Modell des Klimawandels erklärt die Ursachen, nicht die Lösungen

3. Über Kohlenstoffsenken, die sprudeln sollten, und Kohlenstoffquellen, die nicht versiegen wollen

4. Der Kampf zur Rettung des Klimas wird im Energiesektor gewonnen – oder verloren

5. Wir schließen die technologischen Lücken in der Energiegewinnung oder wir greifen ganz tief in die Naturlandschaften ein

6. Wie viel Zeit bleibt uns noch – und wie gehen wir das jetzt an?

VORWORT

Eine Streitschrift erhebt nicht den Anspruch, die einzige, unverrückbare Wahrheit zu vertreten. Dann gäbe es keinen Streit mehr.

Mein Wissen, meine Erfahrungen und Erkenntnisse rund um den Klimawandel stammen aus der Industrie und aus der Versorgungswirtschaft mit Kernkraft, Kohle, viel Erdöl, noch mehr Erdgas, Fernwärme, Wasserkraft, Windenergie, Photovoltaik, Geothermie, Biomasse und CO2-Abscheidung.

In Führungsaufgaben habe ich in Unternehmen an Technologieentwicklungen, an der Transformation und an der Dekarbonisierung der Energieträger gearbeitet.

Unternehmensstrategien und Klimapolitik sind nicht immer stringent und fehlerfrei. Ohne so manchen Fehler wären wir mit dem Klimaschutz schon weiter, aber noch lange nicht am Ziel.

Energieunternehmen haben mich über Jahrzehnte für meine Arbeit bezahlt. Nicht für diese Arbeit.

Ich hoffe, Sie finden darin Anregungen zur Debatte.

Marc H. Hall

1. REDEN WIR ÜBER DEN KLIMAWANDEL UND NICHT ÜBER SCHLECHTES WETTER

Über die Tatsache des globalen Klimawandels gibt es nichts mehr zu streiten. Die Lufttemperatur ist einfach zu messen, und seit Jahrzehnten zeigen die Thermometer steigende Werte. Es wird wärmer auf unserem Planeten.

Der Temperaturanstieg wird durch Treibhausgase in der Atmosphäre verursacht. Die Messung des Kohlenstoffdioxidanteils (CO2) in der Luft ist ebenfalls keine große wissenschaftliche Herausforderung. Zusätzlich kennen wir das weltweite Volumen der verbrauchten Brennstoffe relativ genau, und die Anzahl der Verbrenner (Kraftwerke, Autos, Heizungen) nimmt ständig zu. Damit steigt der CO2-Anteil in der Atmosphäre. Und das ist nicht gut.

Worüber sich jedoch trefflich streiten lässt, ist die Frage, wie genau und in welchem Ausmaß der Mensch mit seinen Emissionen in bestimmten Zeiträumen zur Klimaerwärmung beiträgt. Über den Treibhauseffekt von CO2 und anderen Gasen wird intensiv geforscht. Die Wissenschaft leistet gute Arbeit, indem sie umfangreiche Forschungsarbeiten vorlegt, sie zusammenzuträgt, sie bewertet und für die politischen Entscheidungen aufbereitet. Je besser wir den Klimawandel verstehen, je mehr wir über – und für – unser Klima streiten, umso besser werden wir den Wandel kontrollieren und steuern.

Der heftigste Streit entbrennt rund um die Frage, wie die CO2-Emisssionen reduziert und wie der CO2-Anteil in der Atmosphäre rückgängig gemacht werden sollen. Nicht das Ob! Das ist unstrittig. Sondern das Wie. Darüber muss ganz dringend gestritten werden.

Trotzdem reden alle vom Wetter.

Mein hochverehrter Professor für Hydrologie hat es mir als Student an der Universität immer wieder eingetrichtert: »Bitte verwechseln Sie nicht das Klima mit dem Wetter. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe.«

Ich versuche es mit einem gastronomischen Vergleich. Das Wetter wäre dabei nur eine einzelne Mahlzeit: das Menü 1 in der Kantine, ein vegetarischer Eintopf oder Austern schlürfen mit Champagner. Das kann sehr variabel sein. Klima steht dem gegenüber für die gesamte Ernährung, beginnend mit der Muttermilch bis zum Kartoffelbrei am Lebensende. Dazwischen viele Schnitzel oder viel Gemüse. Es steht für die Herkunft und Aufbereitung der Nahrung, den Stoffwechsel durch Verdauung und Atmung und die Ausscheidung und Einbringung der Stoffe in einen neuen Kreislauf. Das alles wäre – im gastronomischen Vergleich – das Klima.

Ich beginne trotzdem mit dem Wetter.

Doch anstatt nur über das Wetter zu reden, muss ich auch dringend über das Reden reden. Denn wie immer wir uns der Klimafrage nähern, die Kommunikation darüber ist entscheidend für unsere Meinungen und unser Handeln; unabhängig von allen Messwerten, physikalischen Zusammenhängen und wissenschaftlichen Erklärungen.

Meine Großmutter brauchte zum Erkennen und Verstehen etwas länger, und ich bezweifle, ob sie es jemals richtig verstanden hat. Nicht den Klimawandel, den kannte sie noch nicht, sondern das mit der Veränderung des Wetters. Oder vielmehr den Wandel in der Kommunikation über das Wetter.

»Das Wetter wird immer verrückter!«, sagte Oma immer wieder, und sie wurde fortdauernd in ihrer Meinung bestärkt, je mehr sie davon erfuhr und je mehr sie darüber nachdachte.

Das Wetter zu beobachten und vorausschauend einzuschätzen, war für sie ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Als junges Mädchen arbeitete sie als landwirtschaftliche Helferin. Sie kannte die Mühen der Getreideernte im Sommer unter der glühenden Sonne, wenn sie den ganzen Tag auf dem Feld geschnittene Ähren und Stroh zusammentrug. Das verstand sie, und sie konnte sich darauf einstellen. Mit entsprechender Kleidung, mit kalten Getränken, und wenn immer möglich, den Schatten suchen.

Das Wetter wurde trotzdem immer verrückter. Anfang der 1950er-Jahre war ihr Dorf von einem Jahrhunderthochwasser überschwemmt worden. Weil daraufhin ein Hochwasserdamm zur Donau gebaut wurde, blieb ihr Haus danach verschont. Aber die Hochwässer kamen immer häufiger, die Überflutungen wurden heftiger. Gleichzeitig Dürren und Waldbrände, die sie noch nie erlebt hatte. Und Schneelawinen, die ganze Siedlungen wegrissen und viele Menschen das Leben kosteten. Mitte der 1960er-Jahre erlebte Oma zum ersten Mal, mitten im August, Schnee in riesigen Mengen, und im Dezember gingen die Menschen bei brütender Hitze schwimmen.

Das Wetter wurde immer verrückter. Und was war die Ursache? Oma hatte sich von ihrem mühsam gesparten Geld einen Fernseher gekauft. Natürlich nur schwarzweiß, was anderes gab es damals nicht. Ein Fixpunkt in ihrem täglichen Leben war für sie die Nachrichtensendung am Abend. Mit größtem Interesse verfolgte sie die Wetterberichte. Von Kriegen, irgendwo in der Welt, wollte sie nichts wissen. Sie hatte selbst einen miterlebt. Berichte über starke Regenfälle, Hochwasser und Überflutungen, Hitzeperioden, Dürren oder Missernten verfolgte sie aufmerksam. Diese verstand sie. Diese bewegten sie, und ihre Wetterfühligkeit hatte sich inzwischen globalisiert. Verrückt: Während des europäischen Winters feierten die Australier Weihnachten am Strand, und während bei ihr Sommer war, fiel in den südamerikanischen Anden Schnee. Auch die Vorhersagen des TV-Wetterexperten für den nächsten Tag waren für Oma »immer falsch!«.

Also nicht immer. Manchmal stimmte die Prognose mit dem angekündigten sonnigen Tagesverlauf oder den fallweisen Regenschauern überein. Aber eben nicht auf die Stunde genau, wenn sie ihre Wäsche zum Trocknen ins Freie hing. Auch nicht genau an dem Ort, an dem sie sich gerade befand.

Die Treffsicherheit der Wettervorhersage hat sich seither nicht wesentlich verbessert, denn die Anforderungen an eine exakte Wetterprognose sind heute herausfordernder. An einem strahlenden Sonnentag kann es für einen Stromnetzbetreiber spannend werden, wenn gerade zur Mittagszeit der städtische Stromverbrauch seine Spitze erreicht und eine dunkle Wolke sämtliche Solarmodule der Stadt beschattet. Dafür muss ein Kraftwerk in Bereitschaft gehalten werden. Die Ausfälle aus der Stromeinspeisung der Solarmodule müssen in Minutenschnelle durch Verbrennung von Kohle oder Gas ausgeglichen werden, um das sonst zusammenbrechende Stromnetz zu stabilisieren.

Besser geht es den Berichterstattern. Weil schlechte Nachrichten für Medienmacher gute Nachrichten sind, findet sich immer ein heftiger Regenfall, eine Überschwemmung, ein Erdrutsch, eine Schneeverwehung, ein Hurrikan, eine Dürre oder ein Waldbrand; täglich irgendwo ein gemessenes Maximum oder Minimum. Mit der Verbreitung von Videokameras auf Mobiltelefonen werden Unwetter heute vielfältiger und beeindruckender unter die Leute gebracht. Eine amateurhaft ruckelnde Aufnahme verleiht dem Bericht von einem Hochwasser ein Spannungselement, das jeden Regisseur verzückt. Mit der Zunahme von Drohnenaufnahmen spielender Kinder oder Erwachsener werden in der Zukunft die Unwetter auf der Welt noch einmal an Dramatik zunehmen – zumindest in der Berichterstattung. Und die Erklärung für die Malaise ist rasch zur Hand: Das ist der Klimawandel.

Tatsache ist: Die globale Mitteltemperatur hat sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts um ein Grad Celsius erhöht. In kontinentalen Gebieten beträgt die Temperaturerhöhung etwas mehr, im Nordatlantik sind die Temperaturen gesunken.

Bei einer globalen Temperaturerhöhung um ein Grad innerhalb eines halben Jahrhunderts könnte man annehmen, dass das gesamte Wetter darauf reagiert. Tatsächlich und wissenschaftlich seriös verfolgt ist das nicht eindeutig.

Eine klare Veränderung gibt es bei den Sommertemperaturen in fast allen Regionen der Welt. Sie sind angestiegen, und die Hitzetage häuften sich in den letzten Jahren. Unsere Sommer sind wärmer geworden, vor allem in den Städten, wo viel Beton, Stahl und Glasfassaden die Hitze speichern.

Die Bandbreite, in der wir die Temperatur als angenehm empfinden, ist unterschiedlich. Meine Frau besteht darauf, dass Briten definitiv ein anderes Kälteempfinden haben. Nicht nur die Briten. Männer und Frauen in Edinburgh und Liverpool empfinden angenehme Temperaturen anders als jene in Berlin und Wien, Rom und Athen. Und das ist nur die europäische Dimension. Zwischen Alaska und Libyen liegen noch ganz andere – temperaturspezifische – Empfindlichkeiten.

Die höheren Sommertemperaturen haben eine ernste Seite. Hitzetage im Sommer führen bei älteren und kranken Menschen zur Erschöpfung und mitunter zum Tod.

Gegen die Sommerhitze kann und soll man etwas unternehmen: Kühlung suchen, mehr Wasser trinken und die entsprechende Kleidung wählen. Wir müssen unsere Städte kleinklimatisch besser ausstatten, um Temperaturspitzen erträglicher zu gestalten. Mit Wasserflächen, Bäumen, Parks. Das schafften maurische Architekten in Andalusien für die Paläste der Oberschicht schon vor mehr als 1000 Jahren.

Die Häufigkeit von Dürren hat in den letzten 100 Jahren global gesehen nicht dramatisch zugenommen. Die Wissenschaftler stellen regionale Dürrezyklen fest, die von den ozeanischen Zyklen bestimmt werden. In den USA stammen die Temperaturrekorde und die außergewöhnlichen Dürren aus den 1930er-Jahren. In den letzten Jahrzehnten sind sie seltener geworden, und die Auswirkungen können durch Bewässerung begrenzt werden. Die dürrebedingten Hungersnöte in der Sahelzone in den 1970er- und 1980er-Jahren haben sich nicht kontinuierlich verstärkt. Der Sahelregen nahm in den 1990er-Jahren wieder zu. Die Dürren werden in Zukunft wieder auftreten. Dafür müssen entsprechende lokale Vorkehrungen, unabhängig von der Bekämpfung des Klimawandels, ergriffen werden.

Durch die Temperaturerhöhung und die damit höhere Wassersättigung in der Atmosphäre sollten Regen und Starkregen zunehmen. Eine kontinuierliche Steigerung an Regentagen, Regenmengen, Heftigkeit oder umgekehrt das Ausbleiben von Regenfällen lässt sich mit der globalen Temperaturerhöhung bisher nicht vollständig synchronisieren. Dazu ist der Beobachtungszeitraum noch zu gering.