Mutige Liebe - Richard C. Schwartz - E-Book

Mutige Liebe E-Book

Richard C. Schwartz

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Beschreibung

Verbindung, Vertrauen und Verständnis zu uns selbst und mit den Menschen, die wir lieben, fördern

Richard C. Schwartz, Begründer des Systems der Inneren Familie (IFS) und der IFS-Therapie, zeigt in diesem Buch wie seine Methode paartherapeutisch eingesetzt werden kann. Er beschreibt einen neuen Ansatz zur Lösung von Beziehungsproblemen, auf die unsere innere Familie auch Einfluss nimmt, wenn wir unserer Partner*in unwissentlich die Aufgabe aufbürden, sich um unsere verstoßenen und ungeliebten Persönlichkeitsanteile zu kümmern. In seinem Leitfaden für Therapeut*innen und Laien vermittelt er Erkenntnisse und Werkzeuge, um gesunde Dialoge zu fördern und über das Prinzip der Selbstführung sich selbst und die Partner*in besser kennenzulernen. Anhand zahlreicher Fallgeschichten und Übungen erklärt Schwartz, wie die Beziehungspflege mit dem eigenen Selbst das Fundament für erfüllende, mutige Liebe und stabile Nähe legt.

»Dieses Buch ist meine Beziehungsbibel!« Gabrielle Bernstein, Autorin

»Dieses Buch setzt Fähigkeiten frei, um sich in Beziehungen wirklich lebendig zu fühlen.« Bessel van der Kolk, Spiegel-Bestsellerautor

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 304

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Über das Buch

Richard C. Schwartz, Begründer des Systems der Inneren Familie (IFS), zeigt, wie seine Methode bei Paarkonflikten eingesetzt werden kann und beschreibt neue, paartherapeutische Lösungswege. Denn unsere innere Familie nimmt Einfluss auf unsere Beziehungen: Wir bürden unseren Partner*innen unbewusst die Aufgabe auf, sich um unsere verstoßenen und ungeliebten Persönlichkeitsanteile zu kümmern.

Dieser praktische Leitfaden für Therapeut*innen und Laien vermittelt hilfreiche Erkenntnisse und Werkzeuge, um gesunde Dialoge zu fördern, uns und unsere Partner*innen über das Prinzip der Selbstführung besser kennenzulernen, Verbindung zu, Vertrauen in und Verständnis für uns selbst und andere zu fördern.

Anhand zahlreicher Fallgeschichten und Übungen wird erklärt, wie die Beziehungspflege mit dem eigenen Selbst das Fundament für erfüllende, mutige Liebe und stabile Nähe legt.

Über den Autor

Richard C. Schwartz, PhD, ist der Begründer des Systems der Inneren Familie (IFS). IFS ist ein hoch wirksames und effidenzbasiertes therapeutisches Model, das unsere mehrteilige Persönlichkeit de-pathologisiert. Aktuell ist Richard Schwartz an der Harvard Medical School tätig. Zudem ist er Autor mehrerer international erfolgreicher Bücher.

Weltweite IFS-Institute bieten Trainings und Workshops in der Methode und Therapie sowohl für Fachpersonal als auch die breite Öffentlichkeit an.

www.ifs-institute.com

www.ifs-europe.net/

RICHARD C. SCHWARTZ

Mutige Liebe

Beziehungen verstehen und gestalten mit dem IFS-Modell

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei der Nennung von Personen und Berufsbezeichnungen meist auf eine Differenzierung der Geschlechter verzichtet, selbstverständlich sind jedoch immer alle Geschlechter gleichermaßen gemeint.

Wir haben uns bemüht, alle Rechteinhaber an den aufgeführten Zitaten ausfindig zu machen, verlagsüblich zu nennen und zu honorieren. Sollte uns dies im Einzelfall nicht möglich gewesen sein, bitten wir um Nachricht durch den Rechteinhaber.

Dies ist eine überarbeitete Neuausgabe des Titels Mutige Liebe – Warte nicht darauf, dass dein Partner sich ändert. Umdenken bei Konflikten in Ehe und Partnerschaft, erstmals erschienen 2019 bei Books on Demand GmbH, Norderstedt.

Übersetzung aus dem Amerikanischen von IFS-Europe e. V. (Astrid-Maria Kern)

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel You Are the One You’ve Been Waiting For bei Sounds True, Boulder, CO.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2025 Kösel-Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

[email protected]

(Vorstehende Angaben sind zugleich Pflichtinformationen nach GPSR)

Copyright © 2023 Center for Self Leadership PC.

This Translation published by exclusive license from Sounds True Inc. and by the agency of Agence Schweiger.

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Favoritbuero, München, nach einer Idee von Sounds True

Redaktion: Jennifer Wagner

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-32611-1V001

www.koesel.de

In Liebe meinen Eltern gewidmet, Gen und Ted Schwartz,

meinen größten Mentoren und Tor-Mentoren

Die Systemische Therapie mit der Inneren Familie

Internal Family Systems TherapySM – kurz IFS-Therapie – ist eine sich schnell verbreitende Methode im Feld der Psychotherapie. Innerhalb der letzten vierzig Jahre hat sie sich zu einem hilfreichen Ansatz bei menschlichen Problemen entwickelt, der verständnisvoll, stärkend, ermutigend, wirksam und nicht pathologisierend ist.

Das System der Inneren Familie (IFS) bietet Menschen Hilfe, indem sie lernen, nach innen zu gehen und ihren unterschiedlichen »Teilen« – Gefühlen oder Gedanken – zuzuhören. Während dieses Prozesses befreien sie sich von Lasten, die ihr Leben einschränken, etwa von extremen Glaubenssätzen, Emotionen, Empfindungen oder Bedürfnissen. Entlastete Personen haben mehr Zugang zu ihrem Selbst, der wertvollsten menschlichen Ressource. Sie können ihr Leben von diesem zentrierten, selbstsicheren, zuversichtlichen und mitfühlenden Ort aus gestalten.

Inhalt

Danksagung

Einführung

Die drei Projekte

Romantische Rettung: Debbies Geschichte

Sich selbst um die eigenen Teile kümmern

Das Selbst

Interaktion von Selbst zu Selbst

Für die Teile sprechen

1. Kulturelle Hemmnisse für Nähe in Beziehungen

Isolation

Kultureller Druck: Rettung durch Romantik

Sich von gefährlichen Gewässern fernhalten

Das leere Selbst

Eine andere Art von Glück

Ein grausamer Scherz

Gender-Sozialisation

Multiplizität versus Mythos der einheitlichen Persönlichkeit

2. Wie sich Verbannte entwickeln und welchen Einfluss sie auf unser Leben haben

Die Metapher der Magischen Küche

Gut genährte Teile

Wie Verbannte sich entwickeln

Drei Arten, wie Teile verbannt werden können

Wir vergraben unsere Freude

Die Macht der Verbannten

Verbannte finden und heilen

Extreme Glaubenssätze über Beziehungen

Bindungstheorie und Verbannte

Ausgangspunkte und Tor-Mentoren

Zusammenfassung

Lösung

3. Mutige Liebe und dem Untergang geweihte Beziehungen

Neo-Verbannte: Teile, die von der Beziehung verbannt wurden

Die Macht der Verlustangst schafft Neo-Verbannte

Mutige Liebe

Dem Untergang geweihte Beziehungen

Die Befürworter, die Gegner und die Neutralen

Beschützer bemerken

Zusammenfassung

4. Ein Beispiel für Wachstum in Richtung Selbstführung

Kevin Bradys Geschichte

Traumafolgen

Kevins Beschützer

Festung mit Rissen

Die Ängste der Beschützer

Nach innen gehen

Der suizidale Teil

Verbannten bei der Heilung helfen

Helens Arbeit

Die Paartherapie-Sitzungen

Das Zentrum des Sturms sein

Für die Teile sprechen statt aus ihnen heraus

Selbstführung als Möglichkeit der Interaktion

Wiedergutmachung

Das Zentrum des Sturms bleiben

Wenn Sie selbst die Hauptverantwortung für Ihre Teile übernehmen

Probleme vorhersehen

Der Partner als Tor-Mentor

Aufwärtsspirale

5. Werden wir praktisch: Wie man in Beziehungen mutig lieben kann

Dem Beziehungs-Ausgangspunkt folgen

Wenn sich ein Teil von der Beziehung verbannt fühlt

Wenn ein Teil Schmerz oder verbannte Teile beschützt

Polarisierung von Teilen

Die Teile zum Vorschein bringen

Gespräche von Selbst zu Selbst

6. Das Gesamtbild

Konflikt

Nähe

Viel Glück

Literaturverzeichnis

Über den Autor

Übungsübersicht

Anmerkungen

Danksagung

Der Inhalt dieses Buchs ist hart erarbeitet. Ich hatte viele Beziehungen, die man als vertraut bezeichnen könnte, und in jeder einzelnen lernte ich etwas. Zu meinen besten Lehrern gehörten meine Klienten, die meine Teile herausforderten. Sie erlaubten mir, mit ihren inneren und äußeren Familien zu experimentieren. Ich bin all diesen Menschen sehr dankbar.

Meine erste Ehefrau Nancy hat mich eine Menge über intime Beziehungen gelehrt und während meines Lernprozesses selbst gelitten. Meine zweite Frau Jeanne profitiert zwar von meiner Lernentwicklung, hilft mir aber auch dabei, viele weitere meiner Teile ausfindig zu machen und sie zu heilen. Auf meinem Weg habe ich erkannt, dass diese Sache mit der Nähe ein lebenslanger Prozess ist, und ich bin Jeanne dankbar, dass sie es mit mir aushält.

Viele Ideen dieses Buchs sind aus Diskussionen mit bekannten IFS-Ausbilderinnen und -Ausbildern hervorgegangen. In diesen Diskussionen gingen wir der Frage nach, wie IFS in der Paartherapie angewandt werden kann. An diesen Diskussionen waren viele Trainer und Trainerinnen beteiligt. Besonders hervorheben möchte ich allerdings Toni Herbine-Blank, die eine erstaunliche Intuition auf diesem Gebiet hat, und Susan McConnell, deren Weisheit sich auf so viele Gebiete erstreckt.

Die überwiegende Zeit meiner beruflichen Tätigkeit habe ich mit heterosexuellen Cisgender-Paaren gearbeitet. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Dennoch basieren die Beispiele im Buch auf diesem Großteil meiner klinisch-therapeutischen Arbeit. Meines Erachtens sind viele der Einsichten und Praktiken allgemeingültig, unabhängig von der Geschlechtsidentität oder der sexuellen Orientierung. Dennoch erkenne ich an, dass nicht heterosexuell- oder cisgender-identifizierte Leserinnen und Leser die Dynamiken und oft sehr herausfordernden gesellschaftlichen Einschränkungen, denen ihre Liebesbeziehungen ausgesetzt sind, als in diesem Buch nicht ausreichend repräsentiert sehen könnten.

Einführung

Es ist meine erste Therapiestunde mit Kurt und Marissa. Marissa durchbricht die anfängliche Spannung, indem sie erklärt, dass ich womöglich die letzte Hoffnung für sie sei. Seit vier Jahren seien sie unglücklich und bereits bei drei anderen Paartherapeuten sowie einigen Wochenendseminaren für Paare gewesen. Dort hätten sie Kommunikationsstrategien kennengelernt. Die anschließenden Versuche, sie genau umzusetzen, seien manchmal kurzfristig hilfreich gewesen. Sobald sie aber einen wunden Punkt des anderen berührten, funktionierten diese Methoden nicht mehr. In der Therapie erarbeiteten sie sogar praktikable Kompromisse für immer wiederkehrende Beziehungsthemen, trotzdem blieb die generelle Unzufriedenheit mit dem jeweils anderen bestehen.

Kurt stimmt den Aussagen seiner Partnerin zu und ergänzt, dass er sich völlig hilflos und verzweifelt fühlt. Er habe bereits viele Beziehungen gehabt, hätte aber mit dem Heiraten gewartet. Er sei sich nie wirklich sicher gewesen, die Richtige gefunden zu haben. Kurt sagt über seine Beziehung zu Marissa: »Wir waren so verliebt, haben so viel gemeinsam und sind beide intelligent. Warum schaffen wir es nicht, eine funktionierende Beziehung zu führen? Ich hatte in meinem Leben immer Erfolg. Wenn ich etwas will, arbeite ich hart daran, es zu bekommen. Normalerweise gelingt mir das auch. Wenn ich mich mit einem Problem wirklich auseinandersetze, kann ich es lösen. Die Sache mit der Ehe ist mein einziges großes Versagen.«

Es gibt viele Paare wie Kurt und Marissa. Sie arbeiten ernsthaft an den von unserer Kultur und ihren Beziehungsexperten implizierten Grundproblemen – u. a. Kommunikationsprobleme und mangelndes Einfühlungsvermögen. Dann stellen sie erschüttert fest, dass sich ihre Partnerschaft trotzdem nicht verbessert. Kurt und Marissa beschuldigen mal sich selbst, mal den anderen dafür, dass es ihnen nicht gelingt, ein harmonisches Leben miteinander zu führen und die wichtigste Beziehung in ihrem Leben zufriedenstellend zu gestalten. Was wäre, wenn eine falsche Vorannahme schuld daran wäre?

Was wäre, wenn es Kurt und Marissa unmöglich gelingen könnte, glücklich miteinander zu sein – unabhängig davon, wie gut sie kommunizieren oder wie groß ihre Bereitschaft ist, nachzugeben und sich in den anderen einzufühlen? Paaren wird gesagt, sie würden glücklich miteinander, wenn sie nur genug aufeinander eingingen. Jeder Partner wird gefragt, was er vom anderen braucht. In vielen Therapien geht es darum, dass sich jeder dahingehend verändert, die Bedürfnisse des anderen zu befriedigen. Was wäre, wenn der Lösungsansatz, aufeinander einzugehen, die Schwachstelle ist, durch die Paare scheitern? Ich bin der festen Überzeugung, dass es so ist. Es gibt in jedem Partner und im Kontext seines Lebens Bedingungen, die es unmöglich machen, die ersehnte vertraute, respektvolle Verbindung und Unterstützung zu finden – es sei denn, die Bedingungen werden verändert. Dieses Buch beschreibt diese Bedingungen und zeigt klar auf, wie man sie verändern kann. Ein kontrollierender, abhängiger, besitzergreifender oder distanzierter Bezug zueinander wird oft zur destruktiven Gewohnheit. Dieses Buch soll Paaren dabei helfen, ihn durch etwas zu ersetzen, das ich »mutige Liebe« nenne.

Wenn jeder Partner den anderen mutig liebt, lösen sich viele Streitereien in Luft auf, mit denen die meisten Paare sonst zu kämpfen haben. Das wird möglich, weil keiner der Partner mehr die Hauptverantwortung für das Wohlbefinden des anderen tragen muss. Stattdessen weiß jeder, wie er sich seiner eigenen empfindlichen Stellen annehmen kann. So muss keiner den anderen in eine Form pressen oder dessen Tagesablauf kontrollieren.

Mutige Liebe umfasst eine Akzeptanz aller Anteile des anderen, denn es besteht kein Drang mehr, den anderen in die Rolle als Eltern, Erlöser, Selbstverstärker oder Beschützer einzusperren. Der andere spürt eine wunderbare und ungewohnte Freiheit. Ihr Partner oder Ihre Partnerin hat nicht mehr den Eindruck, dass er oder sie sich vor Ihnen schützen muss, und kann sein beziehungsweise ihr Herz offenhalten.

Die Fähigkeit, emotional gut für sich zu sorgen, ermöglicht folglich die Nähe, die Sie suchen. Sie sind mutig genug, Ihrem Partner zu erlauben, Ihnen nahezukommen. Er oder sie kann auch auf Distanz gehen, ohne dass Sie überreagieren müssen. Mit weniger Angst vor Verlust oder Verletzung können Sie den anderen annehmen, wie er ist, und sich an seiner Liebe zu Ihnen freuen.

Ist die obige Beschreibung weit von der aktuellen Realität Ihrer Beziehung entfernt? Denken Sie: »Das klingt gut, aber wo werde ich jemanden finden, der weit genug entwickelt ist, um mich so zu behandeln?« Vielleicht brauchen Sie nicht so weit in der Ferne zu suchen, wie Sie denken. Es bedarf eines Umdenkens, eines U-Turns (you-turn) – bei Ihnen und bei Ihrem Partner sowie einer anderen Art der inneren Beziehungsgestaltung. Dann entsteht mutige Liebe ganz von selbst. Gleichzeitig werden Sie feststellen, dass Ihr Partner nicht für Sie sorgen muss, da Sie sich selbst eine Menge Unterstützung geben können.

In unserer zweiten Therapiestunde schlug ich Kurt und Marissa einen solchen U-Turn, also eine Kehrtwende, vor. Sie reagierten so, wie die meisten Paare es anfänglich tun. Marissa sagte: »Ich bin bereit, mir meinen Anteil anzusehen, aber Kurt ist derjenige, der ständig mein Selbstwertgefühl untergräbt. Es gibt kaum einen Tag, an dem er nicht etwas an mir auszusetzen hat.« Kurt seinerseits ging ebenfalls in den Widerstand: »Soll ich einfach an mir arbeiten und akzeptieren, dass Marissa kein Interesse an Sex hat? Erwarten Sie, dass ich mit einer platonischen Ehe zufrieden bin?«

Was ich in diesem Buch vorschlage, ist in unseren westlichen Kulturen schwer zu vermitteln. Wir sind in erster Linie darauf aus, von unseren Partnern das zu bekommen, was wir für unser Wohlbefinden brauchen. Wir glauben nicht, dass wir viel von uns selbst bekommen können. Wir möchten eher die Quelle des Schmerzes in der Außenwelt als unsere Innenwelt verändern. Dieser nach außen gerichtete Fokus – und die Therapien, die diese Herangehensweise teilen – sind im besten Falle in der Lage, die inneren und äußeren Stürme vorübergehend zu beruhigen, die nach und nach die fruchtbare Erde unserer Beziehungen erodieren. Es gibt einen anderen Weg und wir werden ihn in diesem Buch erforschen. Davor möchte ich allerdings noch einen kritischen Blick auf den Lösungsansatz werfen, auf die Bedürfnisse des Partners eingehen zu müssen.

Die drei Projekte

Aus Gründen, die auf den folgenden Seiten ausführlich erläutert werden, kann es Ihrem Partner nicht gelingen, Ihr Wohlbefinden langfristig zu gewährleisten. Wenn Sie zum Beispiel in Ihrem Leben viel Einsamkeit und Ablehnung erfahren haben, kann seine Liebe die Wolke der Wertlosigkeit und Selbstablehnung nur vorübergehend vertreiben. Sie wird immer wieder zurückkommen, sobald er oder sie abwesend oder schlecht gelaunt ist. Wenn Sie die Beziehung in der Erwartung eingehen, Ihr Partner sei ein solcher Erlöser, werden Sie unvermeidlich irgendwann enttäuscht werden.

Unsere westliche Kultur und ihre Paartherapeuten haben uns falsche Landkarten und ungeeignete Arbeitsmittel an die Hand gegeben. Uns wurde gesagt, dass die Liebe, die wir brauchen, ein vergrabener Schatz ist, der im Herzen eines besonderen Liebespartners versteckt sei. Sobald wir diesen Partner gefunden haben, sollte die Liebe, nach der wir uns sehnen, wie ein Elixier fließen. Sie soll unsere leeren Räume füllen und unseren Schmerz heilen.

Wenn diese Liebe zu fließen aufhört, auch wenn es nur für einen Moment ist, bekommen wir Angst. Wir beginnen, an einem von drei Projekten zu arbeiten. Die ersten beiden zielen darauf ab, den Partner wieder zurück in die liebende Erlöser-Rolle zu drängen. Beim dritten Projekt geht es darum, diesen Erlöser aufzugeben und nach Alternativen zu suchen.

Die Aufgabe des ersten Projekts ist es, unseren Partner dazu zu zwingen, sich zurückzuverwandeln. Wir packen stumpfe Sägen, Skalpelle oder das Dynamit aus, um die Verkrustungen rund um sein Herz aufzubrechen. Wir flehen, kritisieren, fordern, verhandeln, verführen, entziehen uns und beschämen ihn – nur um ihn dazu zu bringen, sich zu verändern. Die meisten Partner widerstehen unseren groben Versuchen, eine solche Operation am offenen Herzen an ihnen vorzunehmen. Sie spüren die implizite Kritik oder Manipulation hinter diesen Veränderungsversuchen und beginnen, sich zu verteidigen.

Beim zweiten Projekt wenden wir diese groben Werkzeuge bei uns selbst an. Als Erstes versuchen wir, herauszubekommen, was unser Partner an uns nicht mag. Dann versuchen wir, uns so zu verwandeln, wie er uns vermeintlich haben möchte – selbst wenn wir uns damit sehr weit von unserer wahren Natur entfernen. Wir verwenden Selbstkritik und Scham, um Teile unserer Persönlichkeit oder unserer überflüssigen Pfunde von unserem Körper abzutrennen. Wir hoffen, dass er uns lieben wird, wenn wir ihn nur zufriedenstellen. Weil dieses Projekt der Selbsttransformation nicht authentisch ist, schlägt es üblicherweise fehl.

Das dritte Projekt wählen wir, sobald wir es aufgegeben haben, die Liebe, nach der wir uns sehnen, von unserem Partner zu bekommen. Dann beginnen wir, unser Herz für ihn zu verschließen. Wir suchen einen anderen Partner, machen uns gegenüber dem Schmerz und der Leere empfindungslos, lenken uns so ab, dass wir beim ursprünglichen Partner bleiben können, oder wir machen uns ausreichend empfindungslos oder lenken uns genug ab, um allein leben zu können.

Bei allen drei Projekten ist Verbannung das zentrale Thema: Beim ersten versuchen wir, den Partner dazu zu bringen, die Teile von sich zu verbannen, die uns bedrohen. Beim zweiten arbeiten wir daran, die Teile von uns zu verbannen, von denen wir denken, dass er sie nicht mag. Beim dritten verbannen wir die Teile von uns, die an ihm hängen. Wie ich später noch ausführen werde, zahlt die Beziehung einen Preis, wenn sie Verbannte schafft.

Paare, die in Therapie kommen, beklagen sich über alles Mögliche. Trotzdem ist es für gewöhnlich nicht schwer, einige Kombinationen dieser drei Projekte hinter ihren dysfunktionalen Interaktionsmustern zu erkennen. Das liegt daran, dass so gut wie jeder und jede von uns Tresorräume voller Schmerz, Scham und Leere in sich trägt. Allerdings kennt keiner eine andere Möglichkeit, mit diesen Emotionen umzugehen, als sich empfindungslos zu machen oder sich abzulenken. Das tun wir so lange, bis wir schließlich die Liebe des Lebensgefährten oder der Lebensgefährtin bekommen.

Romantische Rettung: Debbies Geschichte

Die Bestseller-Autorin Debbie Ford beschreibt ihren eigenen Kampf mit den Gefühlen der Wertlosigkeit folgendermaßen:

»Als ich fünf Jahre alt war, war mir die Stimme in meinem Kopf bereits sehr vertraut, die mir sagte, dass ich nicht gut genug bin, dass mich keiner will und dass ich nirgendwo hingehöre … Tief in mir glaubte ich, dass mit mir etwas nicht stimmt, und ich unternahm sehr viel, um meine Mängel zu verbergen.«1 Diese Aussage könnte jeder meiner Klienten oder ich selbst treffen. Jeder von uns muss also so lange Strategien entwickeln, um all diese innere Angst zu kontrollieren, bis wir endlich die Person finden, deren Liebe sie zum Verschwinden bringt. Zumindest wurde es uns so beigebracht.

Als Kind war Debbies Angstbewältigungsstrategie, sich mittels Charme und guter Noten einen ständigen Zustrom an Bestätigung zu verschaffen. Das übertönte zumeist die negativen Stimmen in ihr, allerdings nicht immer: »Wenn ich niemanden fand, der mich bestätigte oder mir sagte, dass ich in Ordnung bin, schlich ich mich zum durchgängig geöffneten Supermarkt, um mir eine Packung Brownies und eine Flasche Cola zu kaufen. Mit dieser Zuckerdosis fühlte ich mich gut.« Als Debbie zwölf Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Der Schmerz und die Scham dieses plötzlichen Ereignisses entzündeten all die brennenden Emotionen, die sie zurückgehalten hatte. Sie befeuerten außerdem ihre tief sitzende Angst, dass sie unzulänglich und beschädigt sei und ihr das Leben übel mitgespielt habe.2

»Kann nicht dieser besondere Jemand kommen und mich lieben?« Eine Version dieser wehmütigen Frage ist in jedem von uns vorhanden. Sie treibt unsere äußere Schatzsuche und unsere groben Versuche mit Operationen am offenen Herzen voran. In diesen dunklen Momenten fühlen wir uns so belastet, so verzweifelt, so allein, dass eine Art romantische Rettung die einzig wahre Lösung zu sein scheint. Viele Botschaften, die wir diesbezüglich von Freunden, Familie und den Medien bekommen, verstärken unseren Hang zu dieser trügerischen Lösung.

Debbie setzte weiterhin ihre Leistung und ihr perfektes Erscheinungsbild dazu ein, ihren Kopf über dem Sumpf der Selbstablehnung zu halten. Allerdings stellte sie fest, dass das nicht ausreichte: »Ich versuchte, den ständigen inneren Lärm zum Verstummen zu bringen, indem ich mich mit Drogen betäubte. Ich war wie hypnotisiert von diesem inneren Dialog, der immer und immer wieder in mir ablief, von der Geschichte meines ewigen Scheiterns, darüber, dass ich nie die Liebe, Sicherheit und den inneren Frieden erlangen würde, die ich so verzweifelt ersehnte.«3

Ihre fieberhafte Suche nach Erleichterung führte sie – wie vorauszusehen war – zu äußeren Schatzsuchen unterschiedlichster Art. »In meinen Zwanzigern gehörten auch Männer zu meinem Schmerzlinderungsrezept. Unglücklicherweise schienen diese Beziehungen immer zu scheitern. Sie begannen mit einem Hoch, das dem Heilsversprechen gerecht wurde. Sie endeten mit einem Tief, das mich in ein noch tieferes Loch stürzte als je zuvor.«4

Dieser letzte Satz fasst die Erfahrungen zusammen, die fast jeder von uns kennt. Wir fühlen eine starke freudige Erregung, wenn wir den auserkorenen Erlöser finden, der uns liebt. Er wird beweisen, dass wir überhaupt nicht wertlos sind, und uns endlich die langersehnte Erlösung bescheren.

In diesem Buch widmen wir uns dem Problem, dass unser Partner unser Gefühl von Wertlosigkeit genauso wenig wegwischen kann wie Essen, Drogen, ein hoher Leistungsanspruch oder ein perfektes Erscheinungsbild. Folglich wird unser Partner diese verzweifelten Teile von uns enttäuschen. Das wird uns in ein noch tieferes Loch der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung stürzen. Das wiederum wird uns dazu veranlassen, uns in eines der drei zuvor besprochenen Projekte zu stürzen.

Sich selbst um die eigenen Teile kümmern

Glücklicherweise gibt es eine Möglichkeit, den Schmerz und die Scham abzulegen, die diese Verhaltensmuster antreiben. Der erste Schritt dazu ist die Verschiebung des Fokus. Wie Debbie mühen wir uns ab, unserem Innenleben auszuweichen. Wir lenken unsere Aufmerksamkeit auf äußere Lösungen, wie auf das Finden oder Wechseln des auserkorenen Erlösers. Ich rege daher in der Therapie eine komplette Kehrtwende an: Ich versuche, die Aufmerksamkeit der Paare eher auf ihre inneren Welten zu lenken, die sie zu betreten fürchten, als auf etwas Äußeres. 

Wenn Menschen nach innen horchen, begegnen sie einer Menge unterschiedlicher Gefühle, Fantasien, Gedanken, Impulse und Empfindungen. Sie machen den Hintergrundlärm unseres alltäglichen »In-der-Welt-Seins« aus. Menschen können ihren Fokus darauf gerichtet halten und einem dieser inneren Erfahrungszustände Fragen stellen. Dann bemerken sie, dass es sich um mehr als einen vorübergehenden Gedanken oder ein vorübergehendes Gefühl handelt. In jedem von uns gibt es eine komplexe Familie von Unterpersönlichkeiten, die ich »Teile« nenne.5 Aufgrund dieser Teile können wir zur gleichen Zeit viele gegensätzliche und verwirrende Bedürfnisse haben. Der amerikanische Poet Walt Whitman verweist in seinem Lied »Song of myself« darauf: »Widerspreche ich mir? Sehr gut, dann widerspreche ich mir. (Ich bin groß, ich beinhalte Vielheit).«6 Also beinhalten wir alle Vielheit. Die Belehrung des Orakels von Delphi, »Erkenne dich selbst«, müsste eigentlich heißen: »Erkenne deine vielen Selbst.«

Ich bezeichne diese oft zerstrittenen Unterpersönlichkeiten als »Teile«, da meine Klienten sie so nannten, als ich mit dieser Art von Arbeit begann. »Ein Teil von mir möchte verheiratet und treu bleiben, aber ein anderer möchte frei sein und jeden Morgen im Bett einer anderen Frau aufwachen«, könnte ein Klient zum Beispiel sagen. Ein anderer könnte bemerken: »Ich weiß, dass ich in meinem Beruf erfolgreich bin. Ein Teil von mir sagt mir jedoch, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis meine Frau herausfindet, wie dumm und inkompetent ich wirklich bin.« Die kritische Stimme, die Debbie Ford mit so viel Selbstablehnung volldröhnt, ist ein Beispiel für einen typischen Teil: den Beschützer. Er versucht, sie davon abzuhalten, Risiken einzugehen, indem er ihre Selbstsicherheit untergräbt. Ein verletzlicher und kindlicher Teil glaubt ihrer Kritik und fühlt sich infolgedessen wertlos und leer. Er ist ein Beispiel für die Teile-Art, die ich »Verbannte« nenne.

Als ich mit der Teile-Arbeit begann, staunte ich: Klienten konnten mit ihren Teilen innere Gespräche führen, wenn es mir in unseren Stunden gelang, eine sichere und akzeptierende Atmosphäre herzustellen. In einem kraftvollen Zustand innerer Fokussierung konnten sie mit ihren Teilen in einen Dialog treten. Sie konnten sie fragen, was sie dazu bringt, auf eine so irrationale oder sich selbst ablehnende Art zu reagieren. Beim Hören der Antworten begann das zuvor irrational erscheinende Verhalten plötzlich Sinn zu machen. Viele Teile erklärten, dass sie in einer Zeit in der Vergangenheit stecken geblieben waren, als diese Verhaltensweisen oder Glaubenssätze verständlich und sogar notwendig waren.

Sie können Ihr eigener Heiler werden: der liebende Mensch, auf den Ihre verletzlichen Teile gewartet haben. Wenn das passiert, muss Ihr Partner oder Ihre Partnerin nicht mehr der Erlöser sein und Sie müssen keines der drei Projekte in Angriff nehmen. Wahre Nähe wird möglich.

In der Vergangenheit bedeutete das nicht notwendigerweise etwas Gutes. Es bedeutete vielmehr, stundenlang in einem Therapiezimmer zu hocken und zu zweit über Ihre Kindheitsverletzungen zu sinnieren. Sie erhofften sich, aufgrund der Einsichten weniger verletzbar zu sein. Dabei machten Sie allerdings oft keine großen Fortschritte. Glücklicherweise sind diese Zeiten nun vorbei, denn jetzt können Sie schnell zur Quelle Ihres Schmerzes und Ihrer Scham vorstoßen. Sie können die Lasten Ihrer Teile abfließen lassen. Während dieses Prozesses beginnen diese Teile, Sie als ihren Heiler wahrzunehmen und Ihnen zu vertrauen. Von diesem Moment an können Sie es genießen, mit Ihrem Partner zusammen zu sein.

Das Selbst

Klienten können lernen, sich auf diese Weise von ihren extremen Gefühlen und Gedanken – ihren Teilen – zu distanzieren. Dann fallen sie spontan in einen ruhigen und zentrierten Zustand, den ich ihr »Selbst« nenne. Ich spüre sofort, wenn das in einer Therapiestunde passiert. Es fühlt sich an, als hätten sich die Moleküle in der Atmosphäre radikal verschoben. Die Gesichter und die Stimmen meiner Klienten verändern sich, werden weicher und ruhiger. Sie werden sich selbst gegenüber offener und weicher. Sie sind bereit, ihre Teile ohne Wut, Abwehr oder Verachtung zu erkunden. Durch den Zugang zu diesem Zustand des Selbst haben Klienten Zugriff auf etwas viel Tieferes und Fundamentaleres als auf der Ebene der zerstrittenen inneren Kämpfer. Sie haben Zugang zu etwas, das spirituelle Traditionen oft als Seele oder Essenz bezeichnen. Ein Aspekt dieses Zustands wird in vielen Therapien als Achtsamkeit bezeichnet. In diesem Selbst-Zustand wird Klienten bewusst, dass sie bereits wissen, wie sie für ihre inneren Verbannten selbstständig sorgen können. Sie realisieren, dass diese Teile keine Rettung brauchen, weil sie sowieso nie schlecht waren. Ich bezeichne diesen Selbst-Zustand als »Selbstführung«.

Interaktion von Selbst zu Selbst

Ich fand heraus, dass Paare radikal anders über ihre Beziehungsprobleme sprachen, wenn ich jeden Partner dabei unterstützte, einen Zugang zu diesem Selbst-Zustand zu erreichen. Ihre Dialoge wichen vollkommen von ihren üblichen abwehrenden und teiledominierten Gesprächen ab. Selbst bei emotionsgeladenen Inhalten konnten die Partner einen respektvollen und mitfühlenden Ton aufrechterhalten. Sie waren in der Lage, zuzuhören, ohne sich zu verteidigen. Kreative Lösungen, die zuvor schwer zugänglich waren, tauchten spontan und ohne irgendeine Intervention meinerseits auf.

Für die Teile sprechen

Die Gefühle der Teile der Klienten waren während dieser Gespräche nicht abwesend. Ganz im Gegenteil: Die Klienten sprachen oft über sehr starke Emotionen. Allerdings hatten sie ein wenig Abstand von ihren Teilen gewonnen und wurden nicht mehr von ihnen überflutet. So konnten sie für diese kraftvollen Gefühle sprechen, statt aus ihnen heraus. In der Vergangenheit hätte Michael zum Beispiel zu Marcia in einem anklagenden und wertenden Ton gesagt: »Ich hasse es, wenn du mich unterbrichst, wenn ich ein Argument vorbringen will.« Nachdem ich ihm half, seine Selbstführung aufrechtzuerhalten, sagte er: »Als du mich unterbrochen hast, hat das einen verärgerten Teil von mir getriggert, der glaubt, dass dir meine Gefühle egal sind.« Michaels Ton blieb voller Mitgefühl. Er konnte neugierig darauf bleiben, warum Marcia ihn unterbrach.

Dieses Buch soll Sie dabei unterstützen, zwei Dinge zu tun, die in all Ihren Beziehungen, vor allem in Ihren Liebesbeziehungen, einen bemerkenswerten Unterschied machen. Das Erste ist, dass Sie – Ihr Selbst – sich vorrangig Ihrer eigenen Verbannten annehmen. So kann Ihr Partner nur die Rolle des Zweitbetreuers übernehmen. Wenn das der Fall ist, können Ihre Beschützer alle ihre Projekte aufgeben. Sie können Ihren Partner so genießen, wie er ist, und nicht nur so, wie Sie ihn vermeintlich brauchen. Ironischerweise wird Ihr Partner im Gegenzug viel eher in der Lage sein, seine Schutzmauer so weit fallen zu lassen, dass er sich auch verletzlich zeigen und Ihnen die offenherzige Liebe geben kann, die Sie suchen.

Der zweite Gewinn dieses Buchs ist, mehr und mehr in der Lage zu sein, mit Ihrem Partner von Ihrem Selbst aus zu kommunizieren. Dadurch können Ihre chronischen Paarkonflikte eher entschärft oder gelöst werden und es kann Sie beide zusätzlich stärken, da es Ihre Nähe und Verbundenheit vertieft.

Ich behaupte nicht, dass es leicht sein wird, diese Ziele zu erreichen. Viele Glaubenssätze und Kräfte in unserer westlichen Kultur streben dem entgegen. Wir tragen alle einen Rucksack mit uns, der diese Aufgabe zusätzlich erschwert. Es erfordert viel Arbeit, manchmal ist vielleicht sogar eine Therapie dazu nötig. Dieses Buch wurde geschrieben, um dieser Arbeit eine Neuorientierung zu geben – um Sie dabei zu unterstützen, klüger statt härter zu arbeiten.

Wenden wir uns nun einigen kulturellen Faktoren zu, die Paarbeziehungen so herausfordernd machen.

1

Kulturelle Hemmnisse für Nähe in Beziehungen

Nähe und Vertrautheit wären kein so großes Problem, wenn Sie von Ihrer Familie oder Kultur dazu ermutigt worden wären, Ihre Verbannten mitfühlend zu beachten. Unglücklicherweise kennen jedoch nur wenige Menschen dieses Geheimnis für erfolgreiche Beziehungen. Wahrscheinlich haben Sie in Ihrer Familie genau das Gegenteil davon gelernt: nämlich Ihre Teile wegzusperren, wenn Sie sich verletzt, bedürftig oder beschämt etc. fühlten. Dann wurden Sie in unserer westlichen Gesellschaft auch noch mit Botschaften bombardiert, wie wunderbar es sein würde, wenn Sie endlich Ihren »Seelenpartner« fänden.

Isolation

Die Verknüpfung intimer Beziehungen mit Romantik, Befreiung und Erlösung mag nötig sein, um uns die moderne Ehe und Familie schmackhaft zu machen. Wie die Kulturanthropologin Margaret Mead sagte: »Die amerikanische Ehe (…) ist eine der schwierigsten Eheformen in der Geschichte der Menschheit.«7 Paare waren einst eingebettet in ein Netz von Verwandten und Freunden, von Menschen, mit denen sie gemeinsame Werte teilten und die ihnen unter die Arme griffen. Heutzutage sind Paare isolierte, mobile Einheiten. Von ihnen wird erwartet, dass sie alleine zurechtkommen. Das Paar ist nicht nur von der Allgemeinheit isoliert, sondern die Partner sind oft voneinander abgeschnitten – aufgrund der horrenden Arbeitsanforderungen oder der Kindererziehung fernab eines unterstützenden Netzwerks. Kinder sind in der Tat eines der größten Hemmnisse für Nähe, mit denen Paare zu kämpfen haben. Praktisch jede Studie über Ehezufriedenheit belegt, dass diese mit der Geburt des ersten Kindes jäh sinkt und nicht wiederhergestellt werden kann, bevor das letzte Kind das Haus verlässt.

Letztendlich werden Paare von ihrem Selbst abgeschnitten. Sie sind in einer Gesellschaft aufgewachsen, die sich so mit dem äußeren Schein beschäftigt, dass authentische innere Sehnsüchte ignoriert und gefürchtet werden. Zu diesen beinahe unmöglichen Rahmenbedingungen kommt die Erwartung, dass Ihr Partner Sie glücklich machen soll und dass etwas sehr falsch läuft, wenn er das nicht tut.

Kultureller Druck: Rettung durch Romantik

Diese Annahmen über Ihren Partner bewirken, dass Ihre Verbannten die Erfüllung Ihrer Sehnsüchte eher von einer äußeren Beziehung als von Ihnen selbst erwarten. Dadurch schafft die westlich geprägte Sichtweise auf romantische Liebe als ultimative Erlösung schwierige Rahmenbedingungen. Viele Schriftsteller haben bereits darauf hingewiesen: Die unrealistischen Erwartungen unserer Kultur in Bezug auf Ehen stellen einen wesentlichen Grund für die hohe Scheidungsrate dar. Ich stimme damit insofern überein, als diese Erwartungen das Partner-als-Erlöser-Syndrom fortbestehen lassen.

In dieser Gesellschaft verlassen wir unsere Eltern und unsere Kinder verlassen uns. Der einzige Mensch, der für immer bei uns bleiben soll, ist unser Partner. Solange wir eine hochmobile, vom Äußeren besessene, arbeits- und konsumabhängige Kultur bleiben, müssen unsere isolierten Paare ihre Zufriedenheit zum Großteil wirklich aus der Beziehung schöpfen. Das trifft im Besonderen zu, wenn sie Kinder haben und ihnen den Schmerz einer Scheidung oder das Gefühl ersparen möchten, für das elterliche Wohlbefinden verantwortlich zu sein. Wenn uns gezeigt worden wäre, wie wir unsere Teile selbst heilen können, wären wir in der Lage, viele unserer Bedürfnisse in einer Liebesbeziehung abzudecken. Dann wären wir weniger bedürftig. Viele Erwartungen an Liebesbeziehungen sind nicht per se unrealistisch. Sie können sehr viel von Ihrem Partner bekommen, wenn Sie bereit sind, die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Wenn Sie selbst Ihren Teilen beistehen, anstatt ihm die Bürde allein aufzuhalsen. Ihr Partner kann vom extremen Druck befreit werden, sich einerseits um Ihre Teile zu kümmern und andererseits mit Ihrer Wut oder Ihrem Schmollen zurechtzukommen. Dann kann er der Liebhaber, Gefährte und Mitabenteurer sein, den Sie sich wünschen. Sobald Sie selbst Ihre eigenen Verbannten heilen, können Sie die Zugbrücke Ihres Schlosses herunter- und Ihren Partner nahe genug an sich heranlassen, um eine erfüllende Partnerschaft zu gestalten.

Georg beklagt sich darüber, dass er seiner Frau Anna scheinbar nichts mehr recht machen kann. Dabei arbeitet er den ganzen Tag hart und verbringt die Abende an den Wochenenden damit, ihrem Sohn beim Fußballspielen oder ihrer Tochter beim Hockey zuzusehen. Anna, eine Buchhalterin, beteuert, dass sie ebenfalls beruflich voll gefordert ist und dass daheim noch eine zusätzliche Schicht Hausarbeit auf sie wartet. Sie hasst Georgs lange Arbeitszeiten und dass sich das Leben der beiden ihrem Gefühl nach nur um Karriere und Kinder dreht. An den Wochenenden treffen sie sich gelegentlich mit einem anderen Paar. Zu zweit gehen sie allerdings nicht mehr aus. Beide fürchten die bedrückende Stille, die immer dann aufkommt, wenn sie keine häuslichen Angelegenheiten mehr zu besprechen haben.

Georgs und Annas Therapeut versucht, ihnen dabei zu helfen, anders zu kommunizieren. Er unterstützt sie dabei, sich nicht mehr mit Vorwürfen zu bombardieren und stattdessen über ihre verwundbaren Gefühle zu sprechen: über Georgs Gefühl, als Ehemann versagt zu haben, und über Annas Einsamkeit und dass sie annimmt, Georg sei die Arbeit wichtiger als sie. Der Therapeut bringt sie dazu, sich gegenseitig genau zuzuhören. Das sollen sie tun, ohne sich zu unterbrechen und einander zu zeigen, dass sie das Gesagte verstanden haben, indem sie es wiederholen. Sie werden auch dazu angeleitet, Zeit füreinander einzuplanen, die Arbeiten im Haushalt gerechter zu verteilen und das auszudrücken, was sie aneinander wertschätzen. Diese Interventionen scheinen zu helfen. Beide berichten, dass es einen großen Unterschied macht, wenn ihr Partner wirklich zuhört und sich in ihre missliche Lage einfühlt. Zusätzlich tut es Georg gut, wenn Anna ihm gegenüber wertschätzender ist. Auch sie meint, dass sie ihre chronische Gereiztheit losgeworden ist, seit Georg im Haushalt mehr Aufgaben erledigt.

Sich von gefährlichen Gewässern fernhalten

Georg und Anna sind ein typisches Beispiel für viele amerikanische Paare aus der Mittelschicht. Auch die Therapie, die sie erhielten, ist gängig. Ich habe jahrelang auf diese Weise mit Paaren gearbeitet, bis mir klar wurde, dass sie die Fortschritte meistens nicht aufrechterhalten konnten.

Ohne die Bestätigung vonseiten des Partners fühlt sich fast jeder mehr oder weniger wertlos, leer, wie ein Versager, einsam, abgelehnt, verzweifelt, hässlich, lästig, unsicher und ängstlich. Da diese Gefühle so unerträglich sind, setzen wir alles daran, sie zu vermeiden. Was wir »glücklich sein« nennen, ist oft nur die Abwesenheit dieser Gefühlszustände. Unser Partner kommt nur allzu oft in die Rolle des Lebensretters: Er oder sie hält unseren Kopf über Wasser, wenn wir im dunklen See aus Schmerz, Scham und Angst herumtreiben. Kein Wunder, dass wir uns so bedroht fühlen und eifersüchtig sind, wenn es so aussieht, als würde unser Partner uns verlassen. Er oder sie hält aus dem einen oder anderen Grund unseren Kopf nicht mehr über Wasser oder drückt uns sogar runter. Dann liegt es auf der Hand, dass wir davon träumen, einen besseren Partner zu finden, und uns wieder auf die Suche machen.

Dieses Kopf-über-Wasser-Glück ist instabil und leicht zu trüben. Unser Partner wird unter der Belastung zusammenbrechen, uns über Wasser zu halten. Große Wellen (wie Misserfolg bei der Arbeit oder Kritik vonseiten unserer Eltern) werden uns überschwemmen, egal wie angestrengt unser Partner sich bemüht, uns zu retten.

Unsere Kultur bietet andere vermeintliche Lebensretter: Fernsehen, Internet, Einkaufen, Arbeit, Rauchen, legale und illegale Drogen, Alkohol, Pornographie, Prostitution, Schönheitsoperationen, Diäten und Sport, fettes und süßes Essen – einfach alle weitverbreiteten Süchte. Der amerikanische Schriftsteller John Updike drückte es folgendermaßen aus: »Ganz Amerika ist ein riesiges Komplott, das darauf abzielt, dich glücklich zu machen.«8 Diese Lebensretter sind allerdings zu schwach, um echten zwischenmenschlichen Kontakt zu ersetzen. Obwohl sie uns nicht lange über Wasser halten, können diese Ablenkungen und Süchte uns dennoch davon abhalten, die Partnerschaft über Bord zu werfen. Sie betäuben unsere Enttäuschung darüber, dass unsere Beziehungen nicht mehr als Schwimmweste fungieren können. Oder sie betäuben den Schmerz, wenn wir gerade nicht in einer Beziehung sind. Wir gelangen zur Überzeugung, dass das Glück nur so weit entfernt ist wie das nächste Urlaubswochenende, ein neues Paar Schuhe oder ein neuer Job.

Diese Ablenkungen werden selbst Teil eines Teufelskreises, der uns auf der Suche nach dem Kopf-über-Wasser-Glück gefangen hält. Sie stehen einem nachhaltigeren Glück im Wege. Je mehr wir den Ablenkungen nachjagen, desto mehr isolieren wir uns von uns selbst und von unseren Mitmenschen. Je ängstlicher uns die Wellen um uns machen, umso verzweifelter stürzen wir uns allerdings in diese Süchte. Es ist, als würden wir in einem Loch stecken und das Einzige, das uns unsere Kultur anzubieten hat, ist eine Auswahl von Schaufeln. Leonard Cohen drückt diesen Teufelskreis in einem seiner Lieder folgendermaßen aus: »You are locked into your suffering, and your pleasures are the seal.«9

Übung

Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, um sich mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen. Ich empfehle Ihnen, ein Tagebuch zu führen, während Sie dieses Buch lesen. Schreiben Sie Ihre Antworten darin auf.Sind Sie sich Ihrer Gefühle von Leere oder von Ungeliebtsein bewusst, vor denen Sie sich fürchten?Inwieweit erwarten Sie von Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin, dass er oder sie diese Gefühle zum Verschwinden bringt?Wann greifen Sie auf Ablenkungen zurück, die unsere Gesellschaft anzubieten hat? Welche davon konsumieren Sie?Sind Sie zuversichtlich, dass Sie Ihren Teilen, die diese Gefühle verursachen, selbst helfen können?

Das leere Selbst

Es gibt viele Gründe, warum die meisten Menschen ein verstecktes dunkles Loch aus einsamer Leere und stiller Verzweiflung in sich tragen. Die psychischen Ursachen dieses Zustands werden später in diesem Buch erörtert. Wenden wir uns nun den soziologischen Ursachen zu. Der Historiker Phillip Cushman (1995) prägte in den USA