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Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam. Doch dieses Zusammentreffen der beiden verlief anders, als Mythor sich ursprünglich vorgestellt hatte. Es geschah im Innern einer Hermexe, eines versiegelten Zaubergefäßes, das nach dem Willen der Zaubermutter mitsamt seinem Inhalt für immer in der Schattenzone bleiben soll. Dass es nicht so kommt, ist der Amazone Burra zu verdanken. Sie handelt ihren Befehlen zuwider, lässt die Hermexe öffnen und befreit die Gefangenen des Zaubergefäßes. Danach beginnt für alle auf dem Luftschiff Luscuma, dem Transporter der Hermexe, eine Reihe gefährlicher Abenteuer und Kämpfe, die schließlich mit der Meuterei auf der Luscuma ihren Höhepunkt erreichen. Mythor und die Mitglieder seiner kleinen Gruppe sind nun auf sich allein gestellt. Auf ihrem weiteren Weg lauert INSCRIBE, DIE LÖWIN ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 104
Inscribe, die Löwin
von Peter Terrid
Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.
Doch dieses Zusammentreffen der beiden verlief anders, als Mythor sich ursprünglich vorgestellt hatte. Es geschah im Innern einer Hermexe, eines versiegelten Zaubergefäßes, das nach dem Willen der Zaubermutter mitsamt seinem Inhalt für immer in der Schattenzone bleiben soll.
Dass es nicht so kommt, ist der Amazone Burra zu verdanken. Sie handelt ihren Befehlen zuwider, lässt die Hermexe öffnen und befreit die Gefangenen des Zaubergefäßes.
Danach beginnt für alle auf dem Luftschiff Luscuma, dem Transporter der Hermexe, eine Reihe gefährlicher Abenteuer und Kämpfe, die schließlich mit der Meuterei auf der Luscuma ihren Höhepunkt erreichen.
Mythor und die Mitglieder seiner kleinen Gruppe sind nun auf sich allein gestellt. Auf ihrem weiteren Weg lauert INSCRIBE, DIE LÖWIN ...
Inscribe – Ein tödliches Mischwesen.
Mythor – Der Sohn des Kometen auf der Suche nach Carlumen, der fliegenden Stadt.
Robbin – Mythors Pfader.
Mescal – Der »Geschaffene« sucht seine Spiegelschwester.
Gaphyr – Ein Wanderer durch die Schattenzone.
Asmilai
Der Rauch der zahlreichen Ampeln sammelte sich unter der hölzernen Decke zu dichten Schwaden, die das Gebälk und die angeblich kostbaren Wandgemälde gleichermaßen schwärzten. Der Rauch war durchsetzt von den Gerüchen der Herberge – es war eine Mischung aus geräuchertem Fleisch, aus Alkohol und dem unverkennbaren Geruch billigen Öls in den Ampeln.
Der Raum war gerammelt voll.
Markttag in Shingan, und der »Hort zum kollernden Magen« war das größte Rasthaus der kleinen Stadt. Entsprechend gut war der Besuch, ganz besonders an den langen Winterabenden. Dann mussten die wenigen Stände der Kälte wegen früh geräumt werden; Händler und Kundschaft sammelten sich dann im Hort, gönnten sich Braten und Speck und sprachen dem würzigen Bier zu, das der Wirt so meisterlich zu brauen verstand.
Die Gäste saßen auf rohbehauenen Bänken vor blankgescheuerten Tischen, wenigstens morgens, wenn die Mägde mit Sand die Essensreste vom Vorabend heruntergeschmirgelt hatten. Die Tatsache, dass der Wirt – ein Hüne von Gestalt – jedes Jahr einen Satz neuer Tische benötigte, legte beredtes Zeugnis ab für die Höhe seiner Kunst.
Hurla streckte die magere Rechte in die Höhe.
»Noch eine Runde für mich und meine Freunde«, rief er.
Der Wirt sah Hurla missbilligend an.
»Dein Kerbholz ist schon recht voll, alter Freund«, sagte der Herbergsvater. Er reichte bis an die Decke, und wenn er sich hingelegt hätte, wäre der Tisch unter ihm zusammengebrochen. Ihm zu widersprechen war nicht ratsam.
Garger, so hieß der Koloss, hielt Hurla die Stäbe unter die weinrote Nase. Jeder Einschnitt der beiden genau aufeinander passenden Dreieckshölzer entsprach einem Kupferstück, die Doppelkerben entsprachen gemünztem Silber. Wenn der Gast ging, konnte er sein Kerbholz mitnehmen – als Beweis für die Richtigkeit seiner Zeche.
»Eine Runde wird es noch vertragen«, sagte Hurla.
»Hast du gute Geschäfte gemacht?«, fragte Garger.
Hurla griff in die Hose und ließ es klimpern.
Anderen mochte er damit den Klang von Gold, Silber und Münzkupfer vorspiegeln können, nicht aber einem alterprobten Wirt wie Garger. Der erkannte in dem Klang sofort das Klirren von Schlüsseln, ein paar Würfeln und einer Messerklinge.
»Wenn du morgen nicht zahlst, landest du im Suppentopf«, verhieß Garger.
Hurla kratzte sich hinter dem Ohr. Man konnte nie ganz sicher sein, ob dieser Riesenwirt mit dem völlig ausdruckslosen Gesicht nicht Ernst machte. Dass der fragliche Kessel groß genug war, auch Hurla aufzunehmen, wusste der Zecher – er konnte den Topf im Hintergrund über dem schwachen Herdfeuer sehen.
»Ich zahle«, versprach Hurla.
»Dann ist es gut«, sagte der Wirt und trat an den Nebentisch. Auf seinen Wink hin näherte sich eine der Schankmägde mit einem biergefüllten Holzeimer.
Gargers Schankmägde waren die hübschesten weit und breit, dazu die fröhlichsten. Der Wirt aß für sechs und kochte für zehn, da blieb auch für die Mägde genug zum Leben übrig. Und keinem Gast wäre es eingefallen, die schmierigen Finger nach den offenherzigen Miedern der Mägde auszustrecken. Garger mochte dergleichen überhaupt nicht, und der Mann, der sich erfolgreich mit diesem Wirt hätte auseinandersetzen wollen, war noch nicht gefunden. Den Männern aus Shingan war das gar nicht einmal unlieb – so wussten ihre Weiber wenigstens, dass sie nur dem Trunk zusprachen und auf keine anderen Gedanken kamen.
Die Männer an Hurlas Tisch schielten zwar eifrig in die Üppigkeiten, die das Mädchen aufzuweisen hatte, aber sie behielten ihre Hände bei sich, weil sie nicht von Garger an die Luft gesetzt werden wollten.
Einer, der genau diesen Gedanken gedacht hatte, sah nach draußen. Fenster besaß die Herberge natürlich nicht, denn Glas war als Kostbarkeit den ganz großen Herren vorbehalten. Aber in Öl getränktes Papier ließ ebenfalls die Konturen draußen ahnen. Vor allem aber verriet der feine Trommelschlag auf dem geölten Papier, dass es draußen regnete.
»Ein Abend, da möchte man ewig beim warmen Bier sitzen bleiben«, sagte Hurla. Er schüttete die Becher der Freunde voll, sich selbst genehmigte er ein Warmbier, der stärkeren Wirkung wegen.
»Auf Hurla, unseren Freund!«, sagte der Zecher neben dem hageren Mann, der die Runde bestellt hatte. Es fiel auf, dass er nur ein Ohr besaß, das linke.
Hurla tat den anderen Bescheid. Es war dies tatsächlich ein Feiertag für ihn. Er hatte einem völlig vertrottelten Fremden einige Ballen feinen Tuches verkauft – in Wirklichkeit war nur die Umhüllung von feinster Herkunft. Innendrin fand der Übertölpelte zu Hause dann schäbiges, zerfressenes Leinen. Immer wieder versuchte Hurla diesen schäbigen Trick, aber nur selten hatte er Erfolg damit – er war für seine Unehrlichkeit im Handeln bekannt.
Dass der Fremde – groß und hager war er gewesen, mit dunkelblauen Augen – sich so leicht hatte einleimen lassen, hatte Hurla besonders gefreut. Es kam jetzt nur noch darauf an, irgendein Spielchen in Gang zu bringen, bei dem er einem anderen die ehrenvolle Aufgabe zuschanzen konnte, seinen Kerbstab zu bezahlen. Gelang ihm dies, dann hatte Hurla für die nächsten Monate wahrhaftig ausgesorgt.
Hurla sah sich gerade nach einem Lamm um, das zu scheren sich lohnen konnte, als die Tür aufgerissen wurde.
»Zumachen!«, schrien die Gäste neben der hölzernen Tür. Regen sprühte in den Gastraum.
Hurla, der gerade den Humpen an die Lippen führen wollte, erstarrte in der Bewegung.
Der Fremde, und er trug den vermaledeiten Tuchballen unter dem Arm. Sein Gesicht war ausdruckslos.
Garger sah den Fremden und stapfte auf ihn zu. Der Wirt war ein förmliches Gebirge von einem Mann, aber der Hagere ließ sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen.
»Ich suche einen Tuchhändler namens Hurla, man sagte mir, er wäre hier zu finden!«
Garger brauchte nur den Kopf zu wenden, um Hurla ansehen zu können. Der Tuchhändler grinste unverschämt. Seine Rechte, die das Bier hielt, zitterte kein bisschen. Gemächlich setzte Hurla den Humpen ab.
»Du suchst mich?«, fragte er beiläufig.
»In der Tat«, sagte der Fremde. Er kam näher, legte den Ballen Tuch vor Hurla auf den Tisch. Die Fraßstellen der Motten waren sehr gut zu sehen.
»Tststs«, machte Hurla. »Du hättest das feine Tuch besser aufheben sollen.«
Die anderen Gäste wichen langsam zurück. Sie ahnten, was jetzt kommen würde.
Hurla würde den Fremden herausfordern, ihn immer wütender machen – bis ein Zweikampf unvermeidlich war.
Dann hatte der Fremde die Wahl – zu kneifen, oder sich auf ein Messergefecht mit Hurla einzulassen, und das wäre der sichere Tod für fast jeden Herausforderer gewesen. Nicht einmal Garger, so hieß es allgemein, hätte da noch eine Chance gehabt.
»Du hast dich getäuscht«, sagte der Fremde.
»Mich?«
»Ich kann unmöglich glauben, dass du versucht haben solltest, mich hereinlegen zu wollen«, sagte der Fremde sanft.
Diese Stimme hätte Hurla warnen sollen. Sie verriet Freundlichkeit, aber auch die feste Sicherheit, den eigenen Willen durchsetzen zu können. Vielleicht lag es daran, dass Hurla noch nie eine solche Stimme gehört hatte; er tappte jedenfalls in eine offene Falle.
»Das habe ich auch nicht«, sagte Hurla. »Du hast bezahlt, dies ist die Ware. Nimm sie und geh deines Weges.«
»Ich habe Tuch gekauft, keine Lumpen«, versetzte der Fremde. Noch immer war er die Freundlichkeit selbst. Garger hatte sich im Hintergrund aufgebaut, aber er griff nicht ein.
»Was habe ich damit zu tun, wenn du dein Tuch nicht sorgfältig verwahrst«, sagte Hurla geringschätzig. Jetzt musste der Satz kommen, den Hurla für sein Spiel brauchte.
Der Händler konnte ein Triumphgefühl kaum unterdrücken, als der Fremde ihm den Gefallen tat.
»Diese Löcher sind nicht durch schlechtes Verwahren des Tuches entstanden. Sie waren bereits darin, als ich es kaufte.«
»Willst du damit sagen, dass ich dich betrogen hätte?«
»Das will ich nicht«, sagte der Fremde. Aha, dachte Hurla, gewonnen. Jetzt wird er kleinlaut.
Hurla blickte in kalte blaue Augen, die ihn fest ansahen, während die freundliche Stimme sagte:
»Du hast mich nicht betrogen, denn du wirst dieses Tuch zurücknehmen. Du wirst mir mein Geld zurückgeben, und du wirst selbstverständlich dafür sorgen, dass ich den weiten Weg nicht umsonst gemacht habe.«
Noch einmal wurde Hurla gewarnt. Die Ruhe, mit der der Fremde ihm einen erträglichen Schleichweg aus der Konfrontation zeigte, hätte den Händler beeindrucken sollen.
Doch Hurla war zu sehr in sein eigenes Spiel verstrickt, als dass er hätte aussteigen können.
»Nichts wirst du bekommen«, fauchte er. »Du hast bezahlt, nun geh – oder kämpfe.«
Der Fremde stand ruhig vor Hurla. In seinem Gesicht zuckte kein Muskel.
»Du willst mir den Preis nicht zurückerstatten?«
»Ich denke nicht daran.«
»Dann bist du allerdings ein Betrüger, Schwindler und Halunke, der schwere Strafe verdient.«
Auch das kam so ruhig, dass Hurla sich diese unerhörte Beschimpfung zunächst ohne Reaktion anhörte. Blut schoss ihm ins Gesicht.
»Was wagst du?«
»Nichts!«
Hurlas Hand fuhr in die Hose, kam mit dem Messer zurück.
Die Klinge klappte auf, funkelte im Licht der Ampeln. Aus der Menge kam ein Ächzen. Garger legte seine schwere Hand auf die Schulter des Fremden.
»Reize ihn nicht weiter«, sagte der Wirt. Er bedachte Hurla mit einem verächtlichen Blick. »Er wird dich sonst töten.«
»Das wird er nicht«, sagte der Fremde.
Hurla kniff die Augen zusammen. Er ließ die Klinge kurz nach vorne schnellen.
Der Fremde reagierte nicht einmal.
»Tritt zurück, Wirt«, sagte der Fremde. »Dieser Betrüger will mit mir kämpfen.«
»Er wird dich abstechen«, sagte einer aus der Menge, der solche Szenen bereits kannte.
Der Fremde lächelte nur.
Mit nichts hätte er Hurla mehr reizen können als mit diesem Lächeln. Besinnungslos vor Wut sprang Hurla vor, die Klinge zuckte im Licht nach vorn.
Es gab einen harten Schlag, dann spürte Hurla, wie es knackte.
Die zersprungene Klinge lag auf dem Boden, Hurlas rechter Arm schwoll an, er war gebrochen.
Hurla riss die Augen auf, griff mit der Linken nach dem gebrochenen rechten Arm.
Der Fremde rührte sich nicht. Er hatte die Augen geöffnet, aber das Lid bewegte sich nicht.
»Bei der Schwärze des Bösen«, stieß Garger hervor. »Was hast du getan, Hurla?«
»Ich? Nichts!«, keifte Hurla, der von immer stärkerem Entsetzen gepackt wurde. »Sieh dir den Kerl an – er bewegt sich gar nicht mehr.«
»Wie versteinert!«, rief einer, Angst in der brüchigen Stimme.
In diesem Augenblick bewegte sich der Fremde wieder.
Er lächelte.
»Es ist wohl an mir, den Stoß mit dem Messer nun zu beantworten«, sagte er ruhig. Er griff in den Gürtel.
Hurla begriff, dass er sich nun nicht länger wehren konnte. Seine Waffe war zerstört, sein Waffenarm gebrochen – und Freunde, die für ihn eingesprungen wären, hatte Hurla seines habgierigen Charakters wegen noch nie gehabt.
Hurla sah dem Tod in die kalten Augen, und er begann am ganzen Leib zu beben.
»Nimm dir, was dir gehört«, stammelte er. Unablässig starrte er auf die Klinge in der Hand des Fremden. Sie bewegte sich sacht, als wollte sie den Händler mit ihrem steten Gleißen einschläfern. Immer stärker wurde Hurlas Blick von dem Stahl der Klinge angezogen, der Schein zog ihn immer tiefer in seinen Bann.
Seine Kiefer zitterten, die Beine gaben nach.
»Geh!«, sagte der Fremde. »Aber vorher entschädige mich!«
Hurla nestelte aus dem Halsausschnitt den Beutel hervor. Er enthielt nicht nur das Geld des Fremden. In dem buntbestickten Lederbeutel – das Mädchen, das ihn aus Liebe bestickt hatte, war von Hurla als Sklavin verkauft worden – klimperten auch die Erträge der letzten Tage, es war Hurlas gesamte Habe, aber er gab sie gerne, wenn er damit nur aus der Reichweite dieses unerschütterlichen Fremden kam.
»Nimm!«, stieß Hurla hervor. Er schob sich an der Wand entlang, immer nur fort von dem Mann, an dessen Leib Hurlas gutes Messer gebrochen war. Endlich spürte Hurla das harte Holz der Tür in seinem Rücken, die metallenen Beschläge. Er tastete hinter sich, fand den Riegel, und einen Herzschlag später stand der Händler draußen im Regen.
Sein Arm schmerzte höllisch, er war mittellos, und binnen weniger Augenblicke war er bis auf die Haut durchnässt – aber der Händler jammerte nicht.
Er war dem sicheren Tod knapp entronnen – und er wusste, dass er selbst dieses Ende heraufbeschworen hatte.
Der Händler sann darüber nach, ob es nicht andere, weniger gefahrvolle Mittel gäbe, das Leben zu fristen; man musste ja nicht notwendigerweise betrügen ...
Hurla blieb neben der Herberge stehen. Er versuchte durch das geölte Papier in den Wirtsraum zu schauen, sah aber dort nur schemenhafte Konturen.
Hurla überlegte noch ein paar Sekunden lang, ob er in der Nähe bleiben sollte. Gerne hätte er mehr gewusst über diesen geheimnisvollen Fremden.
Dann aber sagte er sich, dass er für heute genug von diesem Unheimlichen gelernt hatte. Man sollte solchen Unterricht nicht übertreiben.
Diese Lektion jedenfalls wollte Hurla sich merken. Er wusste: hätte der Fremde ihn wirklich töten wollen, niemand hätte ihn daran hindern können. Mehr noch: niemand hätte es auch nur versucht.
Wenn er sich auf Freunde nicht verlassen konnte, wollte er sich wenigstens seiner schnellen Klinge sicher sein – das war Hurlas Lebenseinstellung gewesen.
Vielleicht waren Freunde schwerer zu bekommen als ein nadelspitzer Dolch – aber sie schienen im Zweifelsfall sicherere Lebensretter zu sein als der blanke Stahl.
Hurla huschte heimwärts, durch den strömenden Regen. Mochte es außen auch kalt sein, innerlich glühte der Händler.
»Du hast keinerlei Angst gehabt«, sagte Garger beeindruckt.
Der Fremde antwortete nicht. Er leerte Hurlas Beutel auf den Tisch, zählte zusammen, was er als sein Eigentum erachtete, und schob den Rest in den Beutel zurück. Garger, der die Preise kannte, stellte fest, dass sich der Fremde recht großzügig entschädigt hatte, wenn auch nicht so gierig, wie es Hurla und andere im gleichen Fall getan hätten.
»Etwas zu trinken?«
Der Fremde nickte.
Garger schnippte, und sofort erschien eine der Schankmägde. Es war zufälligerweise das hübscheste von Gargers Mädchen, ein dunkelhaariger Kobold mit lustigen grünen Augen.
Der Fremde sah auf, der Blick blieb haften. Ohne seinen Blick von dem Gesicht des Mädchens zu nehmen, griff der Fremde nach dem Bier, nahm einen Schluck.
»Ich heiße Gaphyr«, sagte er halblaut. »Und du?«