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Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam. Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone, wohin sie mit der Luscuma gelangt sind. Bislang ist es der Gruppe um Mythor gelungen, gegen all die Schrecken zu bestehen, die die Dämonen und ihre Helfer gegen die Eindringlinge aufzubieten haben. Selbst der Thron des Haryion, der sich als tödliche Falle erwies, hat den Sohn des Kometen nicht halten können - vielmehr erfuhr Mythor bei den Haryien wichtige Informationen über Carlumen, dem seine neue Suche gilt. Mythors weiterer Weg ist somit vorgezeichnet - er führt zur untersten Stufe der Dämonenleiter. Doch einer sucht Mythor von diesem Weg abzubringen: DER GÖTTERBOTE ...
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Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 109
Der Götterbote
von Peter Terrid
Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.
Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone, wohin sie mit der Luscuma gelangt sind.
Bislang ist es der Gruppe um Mythor gelungen, gegen all die Schrecken zu bestehen, die die Dämonen und ihre Helfer gegen die Eindringlinge aufzubieten haben. Selbst der Thron des Haryion, der sich als tödliche Falle erwies, hat den Sohn des Kometen nicht halten können – vielmehr erfuhr Mythor bei den Haryien wichtige Informationen über Carlumen, dem seine neue Suche gilt.
Mythors weiterer Weg ist somit vorgezeichnet – er führt zur untersten Stufe der Dämonenleiter. Doch einer sucht Mythor von diesem Weg abzubringen: DER GÖTTERBOTE ...
Mythor – Der Sohn des Kometen auf der Suche nach Carlumen.
Yoter – Der Menschenjäger erweist sich als treuer Kampfgefährte.
Siebentag – Der Kannibale gibt seine wahre Identität preis.
Darkon – Der Herr der Finsternis hat Pläne mit Mythor.
Moogeth
Es erhob sich der Herr der Finsternis und sprach:
»Gekommen ist die Zeit, da sich unsere Macht entfalten wird. Fanale werden lodern, denn die Zeit der Taten ist gekommen, Taten, die den Boden der Welt werden erbeben lassen.«
Die Runde derer, denen er gebot, verharrte schweigend.
»Es liegen viele Schlachten hinter uns, gewaltige Auseinandersetzungen mit unseren Feinden. Nun haben wir uns gestärkt, wir sind bereit. Neue Kämpfe stehen uns bevor.«
In den Runden der Zuhörer war ein Murmeln zu hören.
»An vielen Orten liegen wir im Streit mit den Mächten des Lichtes, es wird der Schlachtfelder viele geben – aber wir sind gerüstet. Der Sieg wird unausweichlich unser sein.«
»Gorgan?«
Mehr als dieses eine Wort wagte der Frager nicht zu äußern.
»Gorgan ist unbedeutend, ein Schlachtfeld von vielen. Überall und allenthalben wird gekämpft, rücken unsere Streiter vor und erringen Sieg auf Sieg. Gorgan ist nebensächlich – bisher. Aber es ist denkbar, dass dort dereinst die große, alles entscheidende Schlacht geschlagen werden wird. Und wir werden siegen, daran ist kein Zweifel statthaft.«
Der Herr der Finsternis schwieg. Es geschah nicht sehr oft, dass er seine Untergebenen in die gewaltigen Pläne einweihte, die er ersonnen hatte, um den Mächten des Dunkels den immerwährenden Sieg über die Lichtstreiter zu verschaffen.
»Ich habe große Pläne«, setzte er seine Erklärung fort. »Auch mit den kleinen, unwichtigen Sterblichen von Gorgan.«
»Mythor?«
Der Herr der Finsternis stieß ein Lachen aus, das dumpf in den Gemütern seiner Untergebenen hallte.
»Fürwahr, ein Günstling des Geschicks«, sagte er. »Viel hat er erreicht in der kurzen Spanne seines Lebens. Viel mehr wird er nicht erreichen – nicht wider unseren Willen.«
»Er wird sterben?«
»Noch nicht«, sagte Darkon. »Nicht in diesem Augenblick. Auch mit ihm habe ich Pläne, denen er nichts entgegenzusetzen hat.«
»Er soll weitermachen dürfen?«
An der Reaktion der anderen war ersichtlich, dass die Meinung des Herrn der Finsternis nicht von jedermann geteilt wurde. Darkon wusste, dass die Dämonen den Sohn des Kometen fürchteten – er war ein gefährlicher Gegner. Niemand wusste das besser als Darkon selbst – er konnte es ersehen an der Zahl der Gedanken, die er auf diesen Sterblichen verwandte, an der Geschicklichkeit, die er aufbringen musste, um den Mann von Gorgan in ein unentwirrbares, unauflösliches Netz einzuspannen, in dem er sich fangen sollte.
»Auch sein Schicksal wird sich erfüllen«, verhieß der Herr der Finsternis. »Er wird sein Ziel erreichen – jedenfalls wird er das glauben. Er wird sterben – oder uns auf immer verfallen, wenn er sich bewährt. Ich werde ihn zerbrechen.«
Das Grollen in der Stimme des Herrn der Finsternis verriet denen, die ihm lauschten, was Darkon sich darunter vorstellte – ein Schicksal, das Uneingeweihte schaudern lassen musste.
»Und seine Gefährten?«
»Sie werden ihn begleiten. Aber sie werden das Ende des Weges niemals erreichen. Nacheinander werden sie auf dem Pfad in die Tiefe uns zufallen wie reife Früchte.«
Darkon stieß einen Laut der Zuversicht aus.
»Ihr Schicksal ist besiegelt.«
*
Fahle Nebel tanzten über kargem Land. Ein käsiger Mond, von Wolkenfetzen zerrissen, erleuchtete das Bild.
Mythor schauderte.
Kalt und frostig war es um ihn herum. Kein Laut war zu hören, auch nicht das Streichen des Windes, das an seinen Kleidern zerrte und ihn frösteln machte.
Er konnte nur das Hämmern und Jagen des eigenen Herzens wahrnehmen, das leise Aufkeimen von Furcht.
Wo befand er sich?
Er wusste es nicht. Die Geschichte begann in diesem Augenblick, sie hatte keinen Anfang. Er war hier, an diesem Ort der Düsternis, und er wusste nicht, was er hier sollte.
Die Hand hielt das Heft des Schwertes umklammert. In heftigen Stößen zerrte der Wind, wirbelte die Haare, ließ die Nackenhaare sich aufstellen.
Mythor sah sich um.
Das Auge fand keinen Halt. Nur karges Gestein, so weit der Blick reichte, übertanzt von weißen Schwaden, die sich drehten und krümmten, vom Mond zu gespenstischen Bildern beleuchtet.
»Hallo!«
Der Klang der eigenen Stimme schreckte ihn. Von irgendwoher kam der Laut zurückgeflogen, seltsam verändert, hohl und unheilverkündend.
Mythor bewegte sich. Er setzte einen Fuß vor den anderen, sorgfältig nach Spalten im Boden Ausschau haltend, sich immer wieder vergewissernd, dass er allein war in diesem Land ohne Leben.
Das Totenreich? Kaum wahrscheinlich, denn er lebte. Er konnte sein Herz schlagen spüren, und als er nach seinem Gesicht griff, spürte er warme Haut unter den Fingerspitzen.
»Bei allen Geistern der Finsternis, was hat das zu bedeuten?«, fragte er halblaut. Meckernd schallte das Echo zurück.
Mythor schritt weiter. Er konnte die kleinen Steine unter seinen Füßen spüren, aber als er sie von sich stieß, gab es keinen Laut. Und hinter ihm war auch kein Schatten zu sehen, als einmal das Licht des Mondes voll auf ihn fiel.
Ein Traum, stellte Mythor fest.
Es war ein beängstigender Traum, und er erfüllte den einsamen Mann mit Schrecken. Bang fragte er sich, ob er jemals wieder erwachen würde.
Vorwärts. Mythor schritt weiter aus. Wenn es etwas für ihn in dieser Welt gab, dann würde er es finden. Irgendwann einmal musste diese grässliche Einöde aufhören.
Aus den Nebelschwaden stieg eine Felswand empor, zerklüftet und steil. Und dann nahm Mythor dumpfen Trommelschlag wahr, den harten Schritt von Kriegern.
Einer nach dem anderen schälten sie sich aus dem Dunkel. Ihre Schwerter, Äxte und Messer waren schwarz, schienen das Licht gleichsam aufzusaugen. Die Gewänder, weit und wallend, waren gelb, die Gesichter wurden durch tief ins Gesicht herabhängende Kapuzen verhüllt. Unaufhaltsam strebte die Schar der Krieger der Felswand zu.
Mythor folgte ihnen. Immer deutlicher schälten sich die Konturen aus dem verwaschenen Weißgrau des Nebels. Er konnte jetzt die Spitze des Zuges sehen, einige rotgekleidete Soldaten, einer im blauen Gewand an der Spitze. Sie versuchten die Wand zu ersteigen.
Mythor wandte den Blick. Erst jetzt sah er zur Rechten und zur Linken die schneegekrönten Kämme eines Gebirgszuges. Die Grate zielten auf das obere Ende der Steilwand.
Und plötzlich wusste Mythor, was er dort oben finden würde – ein großes Tal, Seen und Wälder, reich an Wild, von himmelhohen Bergen gegen alle Unbilden der Welt geschirmt.
Er erreichte den Fuß der Felswand. Über sich sah er den ersten der Krieger, den Blaugekleideten. Er überstieg die letzten Meter, verschwand – im nächsten Augenblick sah Mythor einen Arm zurückfallen, die Hand zur Kralle geformt, und Mythor wusste, dass der Blaue gestorben sein musste.
Geröll hatte sich am Fuß der Wand gesammelt, seltsame dunkelbraune Steine, wie glasiert, und sie sahen aus, als hätte jemand den Abdruck seiner Füße dort hinterlassen. Aus dem gleichen Material bestand auch die schmale Treppe, die steil hinaufführte zum Ende der Wand.
Eingekeilt in die Schar der schweigenden Krieger stieg Mythor in die Höhe, Schritt um Schritt. Er zählte mit, sah ab und zu hinab in die Tiefe. Nach kurzer Zeit war der Boden vom Nebel verschluckt, und Mythor wusste, dass jeder noch so kleine Fehltritt ihm den Tod bringen musste. Es war sinnlos, die Stufen zu zählen, er machte sich damit nur selbst unsicher.
Immer höher hinauf ging die lautlose Prozession. Vor sich eine Schar Krieger, hinter sich eine weitereGruppe, so stieg Mythor an der Felswand empor.
Was sich über ihm abspielte, konnte er nicht sehen. Alles, was seine Augen erfassen konnten, waren die glatten Stufen vor ihm und die schwarze zerklüftete Felswand neben ihm. Er hielt sich an ihr fest, während er Meter um Meter an Höhe gewann.
Wenig später entdeckte er die Höhle. Sie lag einen halben Schritt neben den Stufen. Die Krieger marschierten an ihr vorbei.
Mythor zögerte einen Augenblick lang, dann versuchte er, diese Höhle zu erreichen. Er spürte das harte Gestein unter seinen Händen, die Kante des Loches, in das er einsteigen wollte. Vom Boden war längst nichts mehr zu sehen, die Tiefe schien unendlich zu sein.
Mit einem kraftvollen Schwung beförderte sich Mythor in die Höhlung hinein. Fahler Lichtschein umfing ihn.
Mitten in der Höhle stand eine Gestalt.
Hager und nicht sehr groß. Das Gesicht faltig, besonders in der Nähe der Augen, der Ausdruck pfiffig und spitz. Schneeweiß die Haut, die Haare hell und lockig.
»Sadagar!«, stieß Mythor hervor.
Die Augen des Steinmanns schienen Mythor zu fixieren, ihn förmlich zu durchdringen.
»Sadagar!«, rief Mythor und machte einen Schritt auf den Freund zu. Sadagar rührte sich nicht, er wirkte wie versteinert.
Langsam drehte er sich um seine Achse und kehrte Mythor den Rücken zu.
Schmerzerfüllt schloss Mythor die Augen.
*
Sternenüberkrustet war der Himmel. Niemals zuvor hatte Mythor so viele Sterne gesehen. Ihr Licht war hell genug, die Landschaft ringsum erkennen zu lassen, auch wenn der Mond fehlte.
Ein angenehmer warmer Hauch strich über das Land. Sanft gewölbte Wiesen ringsum, blumenbestanden, weich unter den dünnen Sohlen an Mythors Füßen.
Er wusste nicht, wie er an diesen Ort gekommen war, aber das bekümmerte ihn nicht. Die Szenerie wirkte seltsam vertraut, fast anheimelnd.
Er sah sich einmal kurz um. Niemand in seiner Nähe, kein Bauwerk zu sehen. Auch das erschien ihm vertraut.
»Nun, sehen wir nach, was es gibt.«
Er nahm einen Weg unter die Füße. Tief hatten sich die Wagenräder in den Boden eingegraben, die Fährte war nicht zu übersehen. Es schien eine der großen Handelsstraßen des Landes zu sein. Wahrscheinlich gab es in der Nähe eine Ansiedlung, wo Mythor rasten und etwas zu sich nehmen konnte. Noch verspürte er weder Hunger noch Durst, dafür aber eine unstillbare Neugierde – was hatte er an diesem Ort zu suchen?
Wenig später sah er die Steine.
Schwarz im Sternenlicht, klobig und wuchtig, ragten sie in den Nachthimmel, riesige Brocken, so gewaltig, dass man sich kaum vorzustellen vermochte, dass Menschenhand sie hierher geschafft und aufgestellt haben sollte.
Mythor blieb stehen. Der Anblick war ihm vertraut und fremd zugleich. Etwas stimmte nicht an diesem Bild, aber er konnte nicht sagen, was ihn befremdete.
Er ging weiter auf die Steinkreise zu.
Es gab eine Art Tor in diesem Kreis – zwei große senkrechte Blöcke, ein dritter darübergelegt. Genau über diesem Querstein schien das Licht eines auffallend hellen Sterns förmlich zu tanzen.
»Nachtgeister«, sagte Mythor lächelnd.
Aber er war auf der Hut. Alton steckte in der Scheide, auch der Dolch konnte schnell gezückt werden. Jeden Augenblick gewärtig, angegriffen zu werden, ging Mythor weiter.
Er erreichte das Tor. Der Stern, den er gesehen hatte, strahlte jetzt auf der gegenüberliegenden Steinreihe. Er schien Mythor gleichsam zu führen.
Mitten in dem Kreis sah er eine Gestalt, und er brauchte nicht mehr als die Zeit eines Herzschlags, um sie zu erkennen. Mythor rief den Mann beim Namen.
»Nottr!«
Beim dritten Anruf erst kam Leben in den Lorvaner. Seine Arme rührten sich.
Mythor erstarrte.
Er wusste genau, dass er Nottr vor sich hatte, den alten erprobten Kampfgefährten aus den wilden Tagen, die er in Gorgan verbracht hatte. Nottr, wild und ungestüm, tapfer bis zur Verwegenheit, unerschütterlich in seiner Treue und Anhänglichkeit. Für Mythor war er fast gestorben, hatte er Folterqualen erlitten.
Es war Nottr, daran konnte es keinen Zweifel geben.
Aber er zückte das Krummschwert, und in seinen Augen stand zu lesen, dass er Mythor töten wollte.
Schmerzerfüllt schloss Mythor die Augen.
*
»Warum tust du das?«
Er gab keine Antwort auf Mythors Frage. Er stand da und sah den Sohn des Kometen einfach an.
»Du willst behaupten, dass meine Freunde mich verlassen werden? Dass ich ihre Freundschaft verlieren werde, dass sie mich sogar angreifen wollen? Ich glaube das nicht.«
»Du hast es gesehen«, bekam Mythor zu hören.
»Gaukelspiel, Trugbilder«, stieß Mythor hervor.
»Die Wahrheit«, sagte sein Gegenüber. »Meine Bilder lügen nicht.«
Mythor sah ihn ergrimmt an.
»Wer bist du überhaupt?«
»Cryton bin ich«, lautete die Antwort. »Ausgeschickt, um dich zu prüfen.«
Abermals schloss Mythor schmerzerfüllt die Augen.
Mythor hatte die Hand am Griff des Schwertes. Hier, wie an vielen Stellen der Schattenzone, galt es, unausgesetzt auf der Hut zu sein. Die Schattenzone war ein Bezirk des Todes – zugleich aber schäumte sie über vor Leben, gefährlichem Leben zumeist.
Ein schmaler Pfad in die Tiefe, magisch gesichert. Das war der Weg, den Mythor mit seinen Freunden zurückzulegen hatte, immer tiefer die Dämonenleiter hinab.
Es wirbelte und brauste. Nirgendwo schien es Stillstand zu geben. Die Szenerie wechselte pausenlos. Schemenhafte Gasgebilde wirbelten in die Höhe, verwehten, formten sich neu. Fahle Spukgestalten huschten durch einen unaufhörlichen Strudel aus unterschiedlichen Gasen, die sich vermengten, zusammenballten, wieder trennten und ohne Pause seltsame Geschöpfe abbildeten – vielleicht als Warnung für jeden Leichtsinnigen, der es wagte, die Dämonenleiter zu benutzen.
Die Ereignisse der letzten Zeit hatten Mythor gewarnt. Von Tag zu Tag wurde das Leben in der Schattenzone gefährlicher, und wer seine Sinne nicht benutzte, war rasch verloren. Es schien, als wüchsen die Gefahren in dem Maß, in dem die Gruppe die Dämonenleiter hinabstieg – auch wenn sich niemand recht vorzustellen vermochte, wie eine weitere Steigerung tödlicher Gefahr aussehen mochte.
Fronja sah Mythor an und lächelte.
»Du zögerst?«
»Nicht für lange Zeit«, gab Mythor zurück. »Nur eine Verschnaufpause. Dann geht es weiter.«
»Du willst wahrhaftig tiefer hinab?«
Fronjas Frage klang beiläufig, aber sie stimmte Mythor ein wenig verdrossen. Seine Absichten waren klar und eindeutig.
»Dort unten ist Yhr, und dort werde ich Carlumen finden.«
Fronja warf Mythor ein aufmunterndes Lächeln zu, das aber wenig half, Mythors Sinn zu wandeln. Nur sehr verstohlen war es zu erkennen, nur ein sehr aufmerksamer und kundiger Beobachter konnte aus den kleinen Veränderungen im Mienenspiel, aus winzigen Wechseln im Tonfall ablesen, dass die Gruppe nicht mehr so festgefügt und unerschütterlich war wie früher. Ein Zögern hier, ein sich senkender Mundwinkel dort – alles Zeichen dafür, dass die Freunde zweifelten. Da niemand seine Bedenken offen aussprach, blieb es bei diesen Andeutungen, aber sie reichten durchaus, um auch Mythor besorgt zu stimmen. Noch war er sich der Gefolgstreue der Freunde sicher – es schien auch keinen anderen Weg für die Gruppe zu geben als diesen.
Aber bei den Freunden und Gefährten zeigte sich Ermüdung, weniger körperlicher als seelischer Art. Die stete Todesgefahr belastete sie – und dies um so mehr, je weniger sie von Mythors Kampf unmittelbar betroffen wurden.