Mythor 135: Die Unberührbaren - Peter Terrid - E-Book

Mythor 135: Die Unberührbaren E-Book

Peter Terrid

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, begann vor rund drei Jahren seinen Kampf gegen die Mächte des Bösen in Gorgan. Dann wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam. Inzwischen haben der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen neben Fronja, der ehemaligen Ersten Frau von Vanga, eine beachtliche Streitmacht zählt, Carlumen, die Fliegende Stadt des legendären Caeryll, in Besitz genommen und mit diesem Fahrzeug des Lichts schon eine wahre Odyssee hinter sich, die schließlich zum Goldenen Strom und zum Todesstern führte. Auch Luxon, der junge Shallad, hat in seinem Bemühen, den Zaketern die geraubte Neue Flamme von Logghard wieder abzujagen, eine ähnlich lange und gefährliche Wegstrecke wie die Carlumer zurückgelegt. Der Vorstoß ins Zaketer-Reich hat den Untergang von Luxons Flotte zur Folge, doch der Shallad hofft weiterhin, sein Ziel auf irgendeine Weise zu erreichen. Vielleicht kann Necron, sein Augenpartner, ihn unterstützen - oder DIE UNBERÜHRBAREN ...

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nr. 135

Die Unberührbaren

von Peter Terrid

Mythor, der Sohn des Kometen, begann vor rund drei Jahren seinen Kampf gegen die Mächte des Bösen in Gorgan. Dann wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.

Inzwischen haben der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen neben Fronja, der ehemaligen Ersten Frau von Vanga, eine beachtliche Streitmacht zählt, Carlumen, die Fliegende Stadt des legendären Caeryll, in Besitz genommen und mit diesem Fahrzeug des Lichts schon eine wahre Odyssee hinter sich, die schließlich zum Goldenen Strom und zum Todesstern führte.

Auch Luxon, der junge Shallad, hat in seinem Bemühen, den Zaketern die geraubte Neue Flamme von Logghard wieder abzujagen, eine ähnlich lange und gefährliche Wegstrecke wie die Carlumer zurückgelegt.

Der Vorstoß ins Zaketer-Reich hat den Untergang von Luxons Flotte zur Folge, doch der Shallad hofft weiterhin, sein Ziel auf irgendeine Weise zu erreichen. Vielleicht kann Necron, sein Augenpartner, ihn unterstützen – oder DIE UNBERÜHRBAREN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Necron – Der Steinmann bricht auf, um sein verfluchtes Heimatland zu verlassen.

Aeda, Gaphyr, Jente und Mescal – Necrons Gefährten.

Er'Kan – Kapitän der Doppelaxt.

Kutazin – Ein Pirat.

Kometake – Ein Unberührbarer.

1.

»Das geht nicht gut.«

»Es wird, verlasst euch auf mich!«

Der Wortwechsel zwischen Necron und Gaphyr begann ein wenig hitzig zu werden. Es war an der Zeit, eine Entscheidung zu fällen und diesen Entscheid zur Tat werden zu lassen.

Über Nykor lag eine dichte Wolkendecke, und es war Nacht. In den bronzenen Haltern an den Wänden knisterten vernehmlich die Kienfackeln, im offenen Kamin prasselte ein Feuer, und darüber drehte sich ein Schwein auf einem Spieß, ließ flüssiges Fett in die Flammen träufeln und zischend verdampfen. Der Geruch war maulwässernd, dazu kam der starke Duft des Weines, den Aeda in einem Kessel mit würzigen Kräutern zusammen heiß gemacht hatte.

Die da zusammensaßen, hätten es sich wohl sein lassen können – wären sie nicht an diesem Abend in einem Land zusammengekommen, über dem ein grässlicher Fluch lastete. In einem Schuppen in der Nähe dieses Raumes lagen einige Körper buchstäblich gestapelt, die versteinerten Leiber der früheren Bewohner. Sadagar, Necron und die anderen hatten sie dorthin geschafft. Das Haus war eines der wenigen in Nykor, der früheren Hauptstadt des Königreichs Nykerien, das kein leckendes Dach und keine eingestürzten Mauern aufgewiesen hatten – zum Ausgleich waren hier auch die versteinerten Reste der früheren Nykerier von einer Lebensähnlichkeit gewesen, die sanfteren Naturen den Schlaf geraubt hätten.

»Wenn wir den Block nicht entfernen, bekommen wir das Schiff nie ins Wasser«, erklärte Necron. »Und selbstverständlich werde ich diese Arbeit übernehmen.«

»Wenn du nicht wirklich binnen eines Herzschlags zur Seite springst, wird das Schiff dich beim Herabgleiten zerquetschen«, gab Gaphyr zu bedenken. »Lass mich die Arbeit tun – ich werde meinen Körper ehern werden lassen, dann kann der Schiffsrumpf mir nichts anhaben.«

»Pah«, machte Necron. »Ich habe den Bau des Schiffes geleitet, also werde ich den letzten Hammerschlag tun. Einem Mann mit meinem Glück wird schon nichts passieren.«

»Ach«, bemerkte Gaphyr anzüglich. »Bei solchen Sachen hast du also auch Glück.«

Der Seitenblick war eine bodenlose Frechheit; er landete bei Aeda, die den Braten über dem Feuer mit einer Nadel bearbeitete. Sie piekte die Blasen in der Schwarte des Schweins auf, um die Haut gleichmäßig braun und knusprig werden zu lassen. Necron stand in ihrer Nähe, und wem sein Augenmerk wirklich galt, war so einfach nicht zu entscheiden – sein Blick hing zwar an dem knusprigen Braten, aber sein linker Arm hatte Aedas Hüfte umfasst.

»Hört auf zu stänkern«, sagte Jente. »Wichtig ist nur, dass wir das Schiff morgen ins Wasser bekommen und endlich losfahren können. Mir gefällt Nykerien überhaupt nicht – dieses Land ist unheimlicher als die Schattenzone.«

»Du hast recht«, stimmte Mescal zu und stürzte einen Becher des heißen Weines hinunter. »Wie sieht der Braten aus?«

»Es wird nicht mehr lange dauern«, erklärte Aeda.

Des Tages Arbeit lag hinter den Menschen, und sie war hart und mühsam gewesen, wie an jedem Tag, den die beiden letzten Monde hatten werden lassen. Seit Mythor samt Carlumen und seiner Besatzung abgeflogen war, hatte es keinen Tag mehr gegeben, der nicht mit harter Arbeit angefüllt gewesen wäre.

Einen halben Mond lang hatten die fünf nach einer Quelle mit heilenden Wässern gesucht. Mühsam hatten sie Prinz Odam oder einen seiner Krieger durchs Land geschleppt – aber nirgendwo hatte sich ein Quell finden lassen, der einem der Erstarrten die Beweglichkeit zurückgegeben hätte. Schließlich hatten Necron und seine Gefährten einsehen müssen, dass es keine ernsthafte Aussicht in Nykerien gab, die Todesstarren wieder aufzuwecken.

Was der Flucht der Götter bewirkt hatte, war allenthalben zu sehen – und das betraf nicht nur die grässlichen Stauen der erstarrten Nykerier, das verwilderte Land, die zu Ruinen zerbröckelnden Häuser. Es gab noch andere Anzeichen – der Silbersee stank nach faulendem Fisch, im Hafenbecken verrotteten die Schiffe. Im Norden waren Barbaren eingefallen, die das Land zu plündern trachteten – aber sie erreichten nie die Kernstädte. Zuvor verging den wilden Horden der Mut und die Lust, denn der grauenvolle Fluch schien auch alle Besucher Nykeriens zu betreffen. Einer brach sich ein Bein, ein anderer stürzte einen Abhang hinab, einer trat sich einen rostigen Nagel in den Fuß und starb an Wundbrand, wieder ein anderer stolperte und erhängte sich selbst in einem Schlinggewächs – Necron und seine Gefährten hatten die Spuren solch seltsamer Missgeschicke entdeckt.

In Volcars Palast stapelten sich noch die Kostbarkeiten, es gab dort versiegelte Amphoren mit den köstlichsten Weinen, dazu Krüge mit sorgsam verwahrtem Getreide. Für die zurückgekehrten Steinleute gab es Nahrung genug, und so hoch war der Stand der nykerischen Gärtner gewesen, dass ein Jahrzehnt der Verwilderung nicht ausgereicht hatte, die prachtvollen Obstgärten restlos zur Wildnis werden zu lassen.

Und selbst in diesen Tagen des Fluches waren viele Wälder noch voll des jagdbaren Wildes, dazu kamen verwilderte Haustiere – es gab genug zu essen und zu trinken, und wer wollte, konnte sich aus Volcars Magazinen die federprallen Daunenkissen mit den reinseidenen Bezügen holen.

Selten nur hatten die fünf von diesen Möglichkeiten Gebrauch gemacht. Es war ihnen frevelhaft erschienen, im Überfluss zu schwelgen, wenn ringsum die Zeichen der Not und des Grauens so deutlich waren.

Allerdings dachten die fünf auch nicht daran, sich das Gemüt völlig niederdrücken zu lassen. Als Aeda jetzt die ersten Scheiben von dem üppigen Braten schnitt, griffen sie hungrig zu und taten ihr Bestes, um das Schwein binnen kurzer Zeit in einen Haufen abgenagter Knochen zu verwandeln.

Einmal stellte Gaphyr bei dieser Gelegenheit fest, dass Mescal einen Appetit entwickelte, der dem zwar hochgewachsenen, aber schlanken jungen Mann recht seltsam zu Gesicht stand. Bei den Mengen, die er in sich hineinzustopfen vermochte, hätte Mescal in den letzten Wochen rundbäuchig werden müssen wie das Schiff, an dessen Fertigstellung die fünf gearbeitet hatten.

»Liegt alles bereit?«

Mescal beantwortete Necrons Frage mit einem Nicken.

»Das Tauwerk ist an Bord, aufgeschossen, wie es sich gehört. Das Segeltuch ist verstaut, wir müssen nur noch die Vorräte an Bord schaffen, dann können wir aufbrechen.«

Necron nickte zufrieden.

»Dann brechen wir morgen auf«, bestimmte er. »Für den Stapellauf brauchen wir noch eine halbe Stunde. Den Morgen werden wir damit verbringen, die letzten Vorräte und Odam samt seinen Kriegern an Bord zu schaffen, und wenn die Sonne die Mittagshöhe erreicht hat, werden wir die Anker lichten und den Hafen von Nykor verlassen.«

»Und wohin soll die Fahrt gehen?«, wollte Jente wissen.

Necron dachte einen Augenblick lang nach.

»Ich werde die nykerischen Portulanen zu Rate ziehen«, sagte er. »Diese uralten Hafenhandbücher müssen irgendwo in Volcars Palast zu finden sein. Nach dem Essen werde ich sie holen.«

»So sei es«, murmelte Gaphyr. »Ich werde dich begleiten.«

*

Necron und Gaphyr schritten schweigend die Stufen hinauf. Vor mehr als einem Jahrzehnt waren sie diesen Weg schon einmal gegangen, jetzt mit einem großen Gefühl der Verbitterung. Jeder einzelne der verbliebenen Steinmänner hatte sich gemüht, das Versprechen zu erfüllen, das das Ende des Fluches verhieß. Vergeblich – obwohl Catrox getötet war, blieben die Nykerier versteinert.

»Wir werden es nicht erleben«, murmelte Gaphyr.

»Was?«

»Dass über diese Straßen wieder Menschen gehen, die lachen können, Kinder herumtollen, Marktleute ihre Waren anpreisen. Nykor ist eine Stadt des Todes und wird es bleiben bis ans Ende.«

»Geh nicht unter die Propheten«, sagte Necron gelassen. »Nachsinnen hilft uns nicht weiter, nur Handeln.«

»Ich sehe eine Möglichkeit«, sagte Gaphyr. Das Tor des Palasts war bald erreicht.

»Und die wäre?«

»Wir dürfen keine Nachkommen hinterlassen, denen wir das Erbe unseres Fluches auf die Schultern bürden. Wenn der letzte von uns lebenden Nykeriern ohne Nachfahren gestorben ist – dann vielleicht wird der Fluch von unserem Land genommen.«

»Ich werde es mir überlegen«, sagte Necron; als Gefährte der einzigen noch lebenden nykerischen Frau war er der Hauptbetroffene dieses Vorschlags.

Das Tor zum Palast stand offen. Im Schilderhäuschen lagen die beiden Wachen auf dem Boden; die Versteinerung hatte sie im Schlaf erwischt.

Eine Schar Fledertiere huschte aus den Öffnungen des dunklen Palastes, als Gaphyr und Necron eintraten. Necron stöberte Kienfackeln auf und steckte zwei davon an.

»Ich gehe voran«, sagte er.

Nicht alle Könige Nykeriens waren vom Schlage Volcars gewesen – schlaff, genusssüchtig, hemmungslos und träge. Frühere Herrscher hatten das Wohl des Volkes gefördert, Kunsthandwerker in Nykor ansässig gemacht, Künstlern den Lebensunterhalt bestritten. In früheren Jahrzehnten hatte auch die Sammlung alter Dokumente einen hohen Ruf gehabt, die sich im Staatsarchiv befanden.

»Ich habe selbst manche seltsame Schriftrolle in der Hand gehalten«, sagte Necron, während er mit Gaphyr in die labyrinthischen Kellergewölbe hinabstieg. »Früher hatte jeder Händler den Auftrag, von allen erreichbaren Dokumenten Abschriften herzustellen und dem Staatsarchiv mitzubringen. Dort müssten ungeheure Wissensschätze zu finden sein.«

»Wenn man sie lesen kann«, murmelte Gaphyr.

Eine Tür stellte sich ihnen in den Weg, ein Gebilde aus Holz, mit Eisen beschwert und mit einem regelrechten Schloss gesichert. Necron machte sich an die Arbeit – ein Jahrzehnt hatte ihn manches gelehrt, was nicht zu den ehrbaren Künsten zu rechnen war. So hatte er nun auch wenig Mühe, das Schloss zu öffnen.

»Puh!«, machte er. Eine Staubwolke wirbelte auf, als die Tür geöffnet wurde.

Ansonsten war es kühl und trocken in diesem Gewölbe, und das hatte wahrscheinlich viel dazu beigetragen, die alten Pergamente und Holztafeln über viele Jahre hinweg zu erhalten.

»Dies sind Schätze«, murmelte Gaphyr. Er achtete sehr darauf, dass er mit der knisternden Kienfackel keines der uralten Schriftstücke berührte.

»Aber nur in Zeiten, in denen es Muße gibt, dies zu lesen«, sagte Necron.

Gaphyr nahm mit äußerster Vorsicht eine der Rollen zur Hand, löste das Band und rollte das Pergament behutsam aus. Unverständliche Schriftzeichen bedeckten das gelbliche Pergament.

Gaphyr schauderte.

Die Rolle, die er in der Hand hielt, ohne sie lesen zu können, erzählte vielleicht eine Geschichte – ein Ereignis aus fernster Vergangenheit, von ähnlicher Bedeutung für ein Volk wie der Fluch, der auf Nykerien lastete.

»Schlaf nicht ein, Freund«, sagte Necron freundlich. »Wir müssen die Portulanen finden – ich möchte nicht gerne eine Reise ins Nirgendwo antreten, wenn ich es vermeiden kann.«

»Was steht denn in diesen Portulanen?«

Über Necrons Gesicht flog ein Lächeln.

»Sieh selbst«, sagte er. »Da ist solch ein Buch!«

Es war eine lange lederne Rolle. In das Leder waren Zeichen eingeritzt, teilweise von kundiger Hand eingefärbt.

»Dies ist die Küstenlinie von Nykerien«, erklärte Necron. »Hier sind unverwechselbare Landmarken eingezeichnet – hier der Rauchende Berg, dort der riesige Eichbaum an der Hafeneinfahrt. Und von Hafen zu Hafen ist genau eingezeichnet, wo man zu fahren hat, wo es Sandbänke gibt, von welcher Seite man in den Hafen einfahren muss und vieles andere mehr.«

»Das Ding wird sehr nützlich sein«, sagte Gaphyr trocken, während Necron die Rolle in einer wasserdichten Holzröhre verschwinden ließ. »Vor allem an der Küste von Nykerien – da lebt nämlich niemand mehr. Willst du tatsächlich immer an der Küste entlangfahren?«

Necron schüttelte den Kopf.

»Ich werde auch die Hafenhandbücher für andere Landstriche mitnehmen«, sagte er. »Wir werden diese Karten notfalls auf den neuesten Stand bringen.«

Die beiden Steinleute verließen das Staatsarchiv von Nykerien, tief im Boden unter den prachtüberladenen Räumen des Palastes gelegen.

»Eines Tages werde ich mich hier noch einmal umsehen«, versprach Gaphyr.

Necron lächelte zurückhaltend.

2.

Sie hatten das Schiff halb fertiggebaut in der Werft vorgefunden, dazu sämtliche Hölzer, die noch hatten verbaut werden müssen – und zur großen Erleichterung aller Beteiligten hatten die Schiffsbauer der Vergangenheit die Arbeit damals soweit vorangetrieben, dass die einzelnen Teile nur noch verbunden werden mussten.

Das war nun geschehen. Die Masten staken in ihren Halterungen, ruhten tief im Schiffsbauch in den Kielschweinen. Die Planken waren aufgebracht und sorgsam kalfatert worden. An Bord war Tauwerk und Segelzeug in hinreichender Menge verstaut, das Schiff brauchte nur noch zu Wasser gelassen zu werden, dann konnte die Reise losgehen.

Nur von einem einzigen Keilholz wurde der Rumpf des Schiffes noch gehalten. Hoch ragte der scharfgeschnittene Bug über Necron, als er mit dem schweren Kupferhammer in der Hand nach der richtigen Stelle suchte, an der er den Schlag anbringen wollte.

Er hatte nur für einen einzigen Hieb Zeit – dann musste er zur Seite springen, um nicht zerquetscht zu werden. Früher hatte man diese lebensgefährliche Arbeit Todeskandidaten überlassen – wer davonkam, war begnadigt. In der Regel hatte es jeden zweiten erwischt.

Wetten mit solchem Risiko waren noch nie Necrons Sache gewesen; in seiner Glanzzeit hatte er allerdings noch größere Risiken siegreich bestanden – aber das lag lange zurück.

Er nahm sich gar nicht erst die Zeit, sich zu ängstigen. Er packte den Hammer, schlug mit aller Kraft auf den Holzklotz und warf sich im gleichen Augenblick zur Seite.

Dicht neben ihm knirschte und prasselte es, dann ertönte ein hässliches Quietschen, und im nächsten Augenblick wurde er zur Seite gestoßen, als die Bordwand des immer schneller herabgleitenden Schiffes ihn streifte.

Sehen konnte Necron nicht viel, wohl aber hören – das Poltern der hölzernen Walzen, auf denen sich das Schiff bewegte, das Ächzen und Kreischen der Planken, dann das heftige Aufschäumen des Wassers, als der Bug ins Meer tauchte, und dann das furchtbare Ächzen des gesamten Schiffsrumpfs.

Dieser Augenblick entschied über Sieg und Niederlage. Einen Herzschlag lang wurde die gesamte Last des Schiffes an zwei Punkten gehalten – an der Spitze des Buges, der gerade ins Wasser tauchte, und am Heck, das noch auf festem Land hing. Frei schwebte in dieser Sekunde das Rückgrat des Schiffes in der Luft – und manch einer prachtvollen Konstruktion war in diesem Augenblick der Kiel geborsten.

Der schreckliche Augenblick verstrich, das Wasser schäumte heftig auf, und dann trieb der Schiffskörper langsam hinaus auf das Meer. Mescal, Jente und Aeda saßen in einem Boot, ruderten heran und nahmen das Schiff in Besitz.

»Gut gemacht«, sagte Gaphyr. Necron sah erheitert, wie Mescal sich Schweiß von der Stirn wischte – offenbar hatte er Angst um ihn gehabt.

»Wie taufen wir das Schiff?«, fragte Gaphyr. »Oder soll es namenlos bleiben?«

Unwillkürlich sah Necron hinaus auf das Wasser. Aeda stand am Bug und winkte herüber, während Mescal den Anker fallen ließ. Aedas rotes Haar wirbelte im Wind.

»Selbstverständlich bekommt es einen Namen«, sagte Necron. Der Alleshändler verfügte über die größte Erfahrung auf diesem Gebiet. »Wir werden es Sturmwind nennen – so schnell soll es über das Meer fliegen.«

»Hoffentlich hast du damit getroffen«, murmelte Mescal.

Die nächsten Stunden waren erfüllt von einer elenden Plackerei – Ballen und Kisten wurden an Bord geschafft, Mundvorrat, Wasserfässer, Kisten mit Werkzeug und vieles mehr. Man hätte glauben mögen, die fünf planten, Nykor auszuplündern, so viele Ladungen verstauten sie an Bord – und es war wirklich erstaunlich, was sich im Innern des Schiffes alles unterbringen ließ, wenn man mit genügend Sachkunde vorging.