Mythor 159: Bruder der Wölfe - Peter Terrid - E-Book

Mythor 159: Bruder der Wölfe E-Book

Peter Terrid

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Beschreibung

Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er Vangor ins absolute Chaos stürzte. Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit. Er hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er soll Inseln des Lichts im herrschenden Chaos gründen und den Kampf gegen das Böse wieder aufnehmen. Als Mythor in der veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich dieses Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Bewegung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit ersteht. Damit beginnt Mythor wieder in bekannter Manier zu handeln. Die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Deswegen sucht unser Held auch die Verständigung mit den verschiedenen Clans des Drachenlands. Mythors Vorgehen in dieser Richtung hat bereits Erfolge gezeitigt, doch das schwerste Stück Arbeit scheint noch vor ihm zu liegen - die Einigung mit Durang von Rudemoon, dem BRUDER DER WÖLFE ...

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nr. 159

Bruder der Wölfe

von Peter Terrid

Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er Vangor ins absolute Chaos stürzte. Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit. Er hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er soll Inseln des Lichts im herrschenden Chaos gründen und den Kampf gegen das Böse wieder aufnehmen.

Als Mythor in der veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich dieses Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Bewegung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit ersteht.

Damit beginnt Mythor wieder in bekannter Manier zu handeln. Die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Deswegen sucht unser Held auch die Verständigung mit den verschiedenen Clans des Drachenlands.

Mythors Vorgehen in dieser Richtung hat bereits Erfolge gezeitigt, doch das schwerste Stück Arbeit scheint noch vor ihm zu liegen – die Einigung mit Durang von Rudemoon, dem BRUDER DER WÖLFE ...

Die Hauptpersonen des Romans

Durang von Rudemoon – Clanführer der Wolfsbrüder.

Akrar – Durangs Gegenspieler.

Dadeol – Akrars Schamane.

Mungol und Sadagar – Sie werden von Durang gefangen gesetzt.

Mythor, Ilfa und Coerl O'Marn

1.

Unwillig stieß Durang das Scheit ein Stück tiefer in die Glut des Lagerfeuers hinein; er spürte, dass Akrar ihn genau beobachtete, und das verdross ihn.

»Das war wohl nicht dein Tag, wie?«, fragte Akrar. Er versuchte, seiner Stimme einen Klang von Anteilnahme zu geben, aber Durang wusste genau, dass Akrar es ganz anders meinte.

»Es wäre ermüdend, wäre jeder Tag ein Glückstag für mich«, gab Durang zurück.

Er warf ein paar Brocken getrocknete Stutenmilch in den Lederbeutel und goss heißes Wasser darüber. Prüfend zog er den Geruch ein. Scharfsäuerlich hatte der Trank zu sein, und so war er auch. Niss verstand sich darauf, ihren Mann mit guter Wegzehrung auszurüsten, wenn Durang auf die Jagd ging. Bisher hatte er den Kaufpreis für Niss nicht bereut.

Akrar hatte sich gegen einen Fels gelehnt und die Beine ausgestreckt. Durang zog ein wenig die Brauen hoch. Natürlich streckte Akrar die Beine nicht aus, um es sich bequem zu machen – er wollte nur seine Beinkleider zeigen, gefertigt aus dem Fell eines so hellgrauen Bergwolfs, dass man ihn fast schon weiß nennen konnte. Eine von Akrars Frauen hatte das Fell zurechtgeschnitten und die Teile mit goldverstärkten Fäden zusammengenäht. Das Gold glänzte im Flackerschein des Lagerfeuers.

Akrar machte ein selbstzufriedenes Gesicht. Durang hasste ihn dafür.

Der Stammesführer der Bergwölfe verstand sich darauf, andere zu beeindrucken; das erlesene Fell und die kostbare Machart bewiesen auch ohne große Prahlereien, dass Akrar ein erfolgreicher Jäger war und sich auch sonst auf reiche Beute verstand. Außerdem war eine seiner Frauen gerade wieder mit einem Knaben niedergekommen, dem siebten insgesamt, seit Akrar geheiratet hatte.

»Was willst du morgen jagen?«, fragte Akrar mit scheinheiliger Freundlichkeit.

»Wölfe«, gab Durang kurz zurück.

Er ließ seinen Blick kurz umherwandern. Akrar war sich seiner Sache sehr sicher, er hatte nur einen Stammesbruder mitgebracht zu diesem gemeinsamen Jagdausflug, einen hünenhaften Krieger, dessen Fellkleid mit Trophäen gespickt war, hauptsächlich Wolfszähnen. Hassar, so hieß der Hüne, hatte einen guten Ruf als Ringkämpfer und schon manchem Mann buchstäblich den Hals gebrochen. Jetzt saß er stumpf grinsend neben Akrar und nagte die letzten Fleischfasern vom Knochen.

Durang hatte sieben seiner Gefolgsleute mitgenommen, alles erprobte Krieger, darunter einige der besten des Wolfsclans. Obwohl er mit seinen Kriegern in der Überzahl war, obwohl er den Stamm der Steppenwölfe unumschränkt anführte und dem ganzen Wolfsclan kraft seiner Gerissenheit und Stärke gebot – in Akrars Gegenwart fühlte sich Durang immer wieder seltsam unsicher.

Die schlangenhafte Schläue Akrars, verbunden mit einer weithin bekannten Tapferkeit, schufen Durang Unbehagen. Akrar fehlte die gradlinige Ehrlichkeit, die Durang besaß, wenn es nötig war. Bei Akrar konnte man sich seiner Sache nie sicher sein, wenn man verhandelte. Er hatte einfach kein Gespür für jene Augenblicke, in denen ein Mann die Wahrheit zu sagen und dazu zu stehen hatte.

»Die Zeiten für die Wolfsjagd sind schlecht«, bemerkte Akrar, und ohne es zu wollen, fragte sich Durang, welche Niedertracht wohl hinter dieser Bemerkung stecken mochte.

»Es hängt vom Jäger ab«, gab Durang zurück. Sein Grimm wuchs, als er den Knochenhaufen betrachtete, der in der Nähe des Feuers auf dem Boden lag. Auch das Wildbret für die Abendmahlzeit hatte nicht er erlegt, sondern Akrar – mit einem wirklich prächtigen Pfeilschuss, wie Durang anerkennen musste.

»Ich habe gehört«, begann Akrar vorsichtig, »es sei jemand gekommen nach Rudemoon, der sagt, dass ein Mann käme, mit dem Wolf zu jagen.«

»Ich weiß«, antwortete Durang. »Sie sind vor ein paar Wochen gekommen, ein Blinder Seher namens Rahan mit seinen Begleitern, einem Junker Olian und einer Jungfer Ima. Sie haben verkündet, dass ein Mann kommen werde, der die sechs Clans um ein Feuer vereinigen wird.«

Akrar stieß ein höhnisches Gelächter aus.

»Alle Clans um ein Feuer? Wie will er das machen? Uralt sind die Zwiste zwischen den Clans, und wenn es einen Clan gibt, den die anderen am wenigsten mögen, dann sind wir es, die Wolfsbrüder.«

»Ich glaube ihm«, antwortete Durang.

»Pah«, machte Akrar. »Und wer soll die Clans führen? Dieser Mann? Oder einer von uns?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Durang zögernd. »Ich habe noch keine nähere Nachricht bekommen.«

Er log, und er wusste, warum. Seine Späher hatten ihm schon einiges berichten können.

Das Ergebnis dieser Erkundungen war für Durang niederschmetternd gewesen. Der Ankömmling, ein Mann namens Mythor, hatte schon vieles vollbracht, das keiner für möglich gehalten hatte – er hatte das Einhorn gebändigt, den Falken gezähmt, er hatte sich beim Drachenclan und bei den Löwen eindrucksvoll in Szene gesetzt, und jetzt war er wohl unterwegs zu Yhsita von Cruncalor, der Clanführerin der Schlangen.

Es war eine Schmach für die Wolfsbrüder, dass Mythor sie als letzte aufsuchte. Lag es vielleicht daran, dass Durang als Clanführer nicht unumstritten war?

Durang warf einen Blick auf Akrar.

Groß und geschmeidig war Akrar, sein Gesicht wirkte hager und kantig. Es war ihm anzusehen, dass er es genoss, Führer der Bergwölfe zu sein, und die hatten von alters her mit den Steppenwölfen rivalisiert. Durang wusste genau, dass Akrar ihn am liebsten stürzen und sich selbst zum Clanführer machen würde. Er wartete wohl nur auf eine günstige Gelegenheit.

Und die schien in diesen Tagen gekommen.

Durang hatte Pech bei der Jagd, Mythor ließ ihn einfach warten, obwohl Durang ihm einen seiner besten Wolfskrieger entgegengeschickt hatte, und zu allem Ärger hinzu kamen Familienprobleme.

Berda, Durangs drittes, jüngst gefreites Weib, war noch immer nicht schwanger, und dabei lag die Vermählung schon fast ein Jahr zurück. Wenn Durang an Berda dachte, tauchte vor seinem inneren Auge auch immer Berdas Vater auf, der nur um diesen Preis zum Frieden zweier Stämme bereit gewesen war. Wenn Berda nicht in Bälde deutliche Zeichen seiner Wertschätzung und männlichen Kraft aufweisen konnte, würde man Durang an den Lagerfeuern verspotten, und der ganze Stammesärger brach von neuem los.

»Du glaubst also, dass dieser Mann tatsächlich kommen wird?«, fragte Akrar.

Stell dich nicht so scheinheilig, dachte Durang. Ich weiß, dass du es weißt, und du weißt auch, dass ich weiß, dass du es weißt – was soll also das Getue.

»Er wird kommen«, stieß Durang hervor. Wieder schob er das Holz nach. Die anderen Wolfsbrüder hatten sich schon in ihre Felle gehüllt und schliefen, einige recht lautstark.

Durang nippte an dem Milchtrank.

Er sah, dass Akrars Augen sich weiteten.

»Was gibt es?«, fragte Durang.

Akrar schluckte und deutete auf einen Fleck hinter Durangs Rücken. Der Clanführer drehte sich herum, auch seine Augen wurden groß.

Wenn es jemals in den Weiten des Drachenlandes einen Wolf gegeben hatte, dann diesen. Durang hatte nie zuvor ein riesigeres und schöneres Tier gesehen – es war die Verkörperung von allem, was sich die Wolfsbrüder unter einem Wolf vorstellten.

»Den muss ich haben«, stieß Durang hervor.

Der Riesenwolf stand am Rand der Lichtung und äugte zu den Männern herüber. Der Rachen war ein wenig geöffnet, die Lichter schimmerten gelb im Schein des Feuers.

Langsam, um das Tier nicht zu erschrecken, tastete Durang nach seinem Bogen. Er war ein meisterlicher Schütze, und auf diese Entfernung konnte er sein Ziel nicht verfehlen.

Lag dieses Fell erst einmal um Durangs Schultern, würde es keinen mehr geben, der an seiner Führerschaft zweifelte. Und die Krallen und Zähne des Riesenwolfs, von einem kundigen Schamanen wie Uddel zerstampft, gestoßen und in kräuterwürzigen Tränken gelöst, würden auch Durangs andere Sorgen beheben.

Der Wolf entblößte die Zähne und stieß ein Fauchen aus. Durang spürte das Holz des Bogens in seiner Rechten, mit der Linken griff er nach einem Pfeil.

»Meine Beute!«, zischte Akrar und griff nach einem Speer. »Ich habe ihn zuerst gesehen.«

Durang warf den Kopf herum und starrte Akrar zornglühend an.

»Ich bin der Clanführer!«, stieß er hervor.

Akrar öffnete die Lippen. Durang sah, dass er »Noch« sagen wollte, aber das Wort erstarb Akrar auf den Lippen.

Der Wolf rannte los, genau auf die beiden Männer zu, tief aus dem Innern des Riesenleibs kam ein Knurren, das Durangs Haare aufrichtete.

In der Zeit eines Herzschlages war der Wolf heran, rammte Durang und warf ihn einfach um, raste durch das Feuer, dass die Funken aufstoben, und sprang dann Akrar an, der einen gellenden Entsetzensschrei ausstieß. Der Speer fiel ihm aus der Hand, er stürzte zu Boden. Dicht vor seinem Hals klappten die Kiefer des Wolfs mit einem markerschütternden Geräusch zusammen.

Durang kam auf die Knie, spannte den Bogen. Der Wolf machte einen Satz, von Akrars Körper aus, dem dabei die Luft aus dem Leib gedrückt wurde, und setzte über das Unterholz hinweg. Als Durangs Pfeil losschwirrte, war der Wolf bereits im nächtlichen Walddunkel verschwunden.

»Los, aufstehen!«, schrie Durang. Der größte Teil seiner Männer war von Akrars Schrei geweckt worden und rieb sich ein wenig schlaftrunken die Augen.

»Zu den Waffen und auf die Pferde!«, rief Durang. Er schickte ein höhnisches Grinsen zu Akrar hinüber, der sich langsam wieder aufrichtete.

An Akrars Stelle hätte Durang auch geschrien – dieses Maul vor der Kehle zu haben, war mehr, als ein Mann ertragen konnte.

Akrar wurde abwechselnd bleich und rot, er funkelte Durang an.

»Wem gehört die Beute?«, fragte er lauernd. Die Wolfsbrüder hielten inne und sahen die beiden Männer an. Der heimliche Zweikampf war jetzt für jeden erkennbar, aber noch nicht offen ausgesprochen.

Durang stieß ein überlegenes Lachen aus.

»Demjenigen, der die Beute erlegt«, sagte er. »Also mir.«

»Das werden wir sehen«, stieß Akrar hervor.

Durang eilte zu seinem Pferd hinüber. Mit einem Satz war er auf dem Rücken des Tieres. Er beugte sich nach vorn und löste den Zügel, dann band er auch die beiden Reservepferde los.

Durang gab seinem Braunen die Sporen. Das Tier hetzte los, die Reservepferde folgten, so waren sie abgerichtet worden.

Durang brauchte nicht nach einer Fährte zu suchen, das schauerliche Heulen des Wolfs tönte durch die Nacht. Er musste ein beträchtliches Stück voraus sein.

Durang überließ es seinem Pferd, sich einen Weg durch das Gestrüpp zu bahnen. Er sorgte nur dafür, dass das Tier sich beeilte und ungefähr die richtige Richtung einschlug.

»Warte nur, Heuler«, stieß Durang zwischen den Zähnen hervor. »Morgen Abend schon wird dein Fell zum Trocknen hängen, und in ein paar Monden wird es meine Schultern bedecken.«

Der Wolf schien mit einem höhnischen Heulen zu antworten.

Durang trieb sein Pferd an. Das Waldstück lag jetzt hinter ihm, vor ihm dehnte sich die nächtliche Steppe.

Durang holte tief Luft.

Das war es, was er liebte – den nachtdunklen Himmel über sich, die Weite der Steppe um sich herum. Sich bei schlechtem Wetter in Hütten zu flüchten, mochte noch angehen – aber in einer solchen Nacht in einem Haus zu schlafen, vielleicht in einem dieser Steinkästen ... niemals. Durang war Steppenbewohner, und er würde es bleiben, was immer aus dem Drachenland auch werden mochte. Wenn bei der Vereinigung aller Clans herauskam, dass es mit dem ungebundenen Leben in der Steppe vorbei war, dann musste diese Vereinigung ohne die Wolfsbrüder stattfinden. Keinem echten Steppenwolf, nicht einmal den absonderlichen Bergwölfen, wäre es eingefallen, in Steinhäuser zu kriechen.

Der Wolf war verstummt.

Durang hielt nach ihm Ausschau. Er hatte geübte Augen, und auch in der Nacht entging ihm nicht viel. Prüfend zog er die Luft durch die Nase. Der Wind wehte ihm sacht entgegen – er müsste den Wolf riechen können, wenn er in der Nähe war.

Wieder erklang das furchtbare Knurren – diesmal in größter Nähe. Durangs Pferd stieg vorn hoch, fast wäre Durang herabgerutscht. Während er sich in der Mähne festkrallte, sah er neben seinem rechten Fuß das weitgeöffnete Maul des Wolfes. Die Kiefer krachten aufeinander, nur einen Fingerbreit neben Durangs Fuß.

Er stieß einen Fluch aus, schlug mit dem langen Zügel nach dem Wolf, der einen Satz zur Seite machte. Durangs Pferd kam wieder auf alle viere, während der Wolf sich in die Dunkelheit zurückzog – und ein paar Herzschläge später wiederkam.

Eine riesige Masse aus Muskeln und gefletschten Zähnen schoss auf Durang zu.

Der Clanführer war vor Schreck so gelähmt, dass er keinen Laut ausstoßen konnte. Er versuchte nur den Körper zur Seite zu werfen, um der mörderischen Attacke entgehen zu können – gerade noch rechtzeitig. Durang roch den Atem des Wolfes, dann spürte er einen unglaublich harten Schlag gegen seine Brust. Er kippte aus dem Sattel.

Das Pferd scheute und jagte davon, schleifte Durang hinter sich her. Sein Körper wurde herumgeworfen, prallte auf Baumwurzeln und kleinere Steine.

Im letzten Augenblick gelang es dem Clanführer, die Zügel zu packen und das Pferd zum Stillstand zu bringen. Schwer atmend richtete sich Durang auf.

»Elende Bestie!«, murmelte er, und es war eine Spur Bewunderung in seiner Stimme.

Niemals zuvor hatte Durang einen solchen Wolf gesehen, und es war nicht der erste Wolf, den er jagte. Aber ein Tier von solcher Größe, Stärke und Gerissenheit war ihm noch nicht untergekommen. Fast bedauerte er, dass er den Wolf würde töten müssen.

Durang stieg wieder aufs Pferd.

Bei der Hetzjagd hatte er den Kontakt mit den anderen verloren, sie suchten an anderen Orten nach dem Wolf. Mochten sie, Durang konnte es nur recht sein – auf gar keinen Fall wünschte er seinem Nebenbuhler Akrar den Triumph über dieses herrliche Tier.

Durang ließ seine Pferde traben und hielt dabei Ausschau nach dem Wolf. Ein Grinsen flog über Durangs Gesicht, als er das Heulen hören konnte. Es erklang zur Rechten, also wendete Durang sein Pferd dorthin.

»Willst du mich locken, Bruder Wolf?«, fragte Durang halblaut. »Das kannst du haben, ich nehme die Herausforderung an.«

Wieder erklang das schauerliche Heulen, lockend und drohend zugleich. Durang spürte leise Schauer über seinen Körper rieseln.

Er erinnerte sich, wo er war.

Wenn er dem Wolf folgte, musste er bald Rhiandar erreichen.

Ein Ort, den nur Eingeweihte kannten, den noch weniger aufzusuchen wagten.

In früheren Jahren, als die Wolfsbrüder noch in Zehntausendschaften gejagt und gestritten hatten, als alles Land, das ein Pferdehuf erreichen konnte, ihnen zu gehören schien – in diesen längst vergangenen Zeiten hatten sich des Öfteren die Schamanen aller Stämme zu Rhiandar versammelt, um dort ihre Künste zu vervollkommnen, Kontakte mit den Ahnen aufzunehmen und vieles andere mehr zu tun, von dem der einfache Wolfskrieger nichts wissen durfte. Heilig galt den Schamanen der Ort, verrufen war er dem gemeinen Volk. Geister, so hieß es, Gespenster und Unholde gaben sich dort ein Stelldichein, und wer sich hinwagte, ohne zauberkundig zu sein und magisch gewappnet, der würde gefunden mit dem Gesicht auf dem Rücken – so hieß es in alten Erzählungen. Durang hatte sie des Öfteren gehört, zu Füßen seiner Mutter im Frauenzelt seines Vaters, wenn die Weiber Flachs spannen oder die Wolfsfelle des Vaters zu prächtigen Mänteln und Hosen zusammennähten.

Im spärlichen Licht sah Durang nun Rhiandar vor sich liegen. Und mitten aus der heiligen Stelle erklang das Heulen des Riesenwolfs.

2.

»Wenn dir nach Fluchen zumute ist, dann fluche ruhig«, sagte Sadagar.

Von Mungol kam keine Antwort.

Wortkarg war der Wolfskrieger ja immer schon gewesen, aber jetzt schien er der Sprache überhaupt nicht mehr mächtig zu sein. Kaum einen Laut bekam Sadagar aus ihm heraus.

Dass Mungol übel gelaunt war, nahm Sadagar seinem Begleiter nicht übel. Der Wolfskrieger hatte allen Grund, verbittert zu sein.