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Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er Vangor ins absolute Chaos stürzte. Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit. Er hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er soll Inseln des Lichts im herrschenden Chaos gründen und den Kampf gegen das Böse wieder aufnehmen. Als Mythor in der veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich dieses Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Begegnung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit ersteht. Damit beginnt Mythor wieder in bekannter Manier zu handeln. Die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Deswegen sucht unser Held auch die Verständigung mit den verschiedenen Clans des Drachenlands. Mythors Vorgehen in dieser Richtung hat bereits Erfolge gezeigt, doch das schwierigste Stück Arbeit scheint noch vor ihm zu liegen - die Einigung mit Durang von Rudemoon. Er, der Clanführer der Wolfsbrüder, erkennt den eigentlichen Gegner nicht, denn dieser gibt sich aus als DAS HEER DER AHNEN ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Nr. 160
Das Heer der Ahnen
von Peter Terrid
Der Lichtbote griff ein und verhinderte den Sieg der Dunkelmächte, indem er Vangor ins absolute Chaos stürzte. Viele starben bei den Katastrophen, die das Gesicht der Welt veränderten. Doch Mythor rettet sich hinüber in den Morgen einer neuen Zeit. Er hat einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Er soll Inseln des Lichts im herrschenden Chaos gründen und den Kampf gegen das Böse wieder aufnehmen.
Als Mythor in der veränderten Welt zu sich kommt, ist er sich dieses Auftrags nicht bewusst, denn man hat ihn seiner Erinnerungen beraubt. Erst bei der Begegnung in der Drachengruft wird Mythor dieses klar, und schließlich sorgt das Duell mit Mythors anderem Ich dafür, dass unser Held in seiner Ganzheit ersteht.
Damit beginnt Mythor wieder in bekannter Manier zu handeln. Die Welt vor einer erneuten Invasion durch die Horden Xatans zu schützen ist sein erklärtes Ziel. Deswegen sucht unser Held auch die Verständigung mit den verschiedenen Clans des Drachenlands.
Mythors Vorgehen in dieser Richtung hat bereits Erfolge gezeigt, doch das schwierigste Stück Arbeit scheint noch vor ihm zu liegen – die Einigung mit Durang von Rudemoon. Er, der Clanführer der Wolfsbrüder, erkennt den eigentlichen Gegner nicht, denn dieser gibt sich aus als DAS HEER DER AHNEN ...
Durang von Rudemoon – Clanführer der Wolfsbrüder.
Akrar – Durangs Gegenspieler.
Uddel und Dadeol – Zwei Schamanen.
Mythor – Er jagte mit dem Wolf.
Xatan
Ein komischer Bursche, dachte Durang von Rudemoon, als er den Mann auf sich zukommen sah.
Der Clanführer der Wolfskrieger ahnte, wen er vor sich hatte. Die Anzeichen waren überdeutlich. Das Orakel von Tanur hatte Durang ausrichten lassen, ein Mann sei zu ihm unterwegs. »Einer, der mit dem Wolf jagen wird«, hatte die genauere Beschreibung gelautet.
Zuerst hatte Durang an einen Freund und Jagdgefährten geglaubt und sich auf den Besuch dieses Mannes gefreut. Die Mitglieder seines Clans verstanden sich selbst als Wölfe, und gegen einen weiteren Teilnehmer an aufregenden Jagden hatte Durang niemals etwas einzuwenden gehabt. Dann aber war ihm langsam gedämmert, dass damit auch gemeint sein könnte, dass der Fremde den Wolf – das Symbol des ganzen Clans – zur Jagd abrichtete. In schlichtere Worte übertragen hieß das, dass der Fremde das Recht oder die Macht hatte, den Wölfen Anweisungen zu geben.
Mit dieser Deutung konnte sich Durang von Rudemoon überhaupt nicht einverstanden erklären. Seine Wolfskrieger gehorchten kaum ihm selbst, geschweige denn einem Unbekannten. Durangs Grimm, der von Tag zu Tag gewachsen war, hatte weitere Nahrung durch den Umstand bekommen, dass der erwartete Gast zunächst einmal alle anderen Clanführer aufsuchte, bevor er sich dazu herabließ, den Steppenwölfen und ihrem Führer Durang die Ehre seines Besuchs zu erweisen.
In jedem Fall ließ das Ausbleiben des Besuchs darauf schließen, dass der Unbekannte – mit dem Namen Mythor konnte Durang wenig anfangen – entweder in Schwierigkeiten steckte und daher wenig dazu geeignet erschien, anderer Leute Schwierigkeiten zu meistern. Oder er war ein arroganter Schnösel, eine Sorte Mensch, die Durang von jeher gehasst hatte.
Mal sehen, was der Knabe machen wird, wenn er erfährt, dass ich einen seiner Freunde, diesen windigen Sadagar, fast schon habe verschmachten lassen, durchfuhr es Durang, als er langsam auf das Paar zuging.
Ein wenig mulmig war ihm doch.
Seit geraumer Zeit nämlich jagte Durang hinter einem wahrhaft riesigen Wolf her, einem Tier von solcher Schönheit, Stärke und Schläue, dass Durang schier verzweifeln wollte. Beim letzten Zusammentreffen, das nur wenige Stunden zurücklag, hatte die Bestie mit Durang in einer Weise herumgespielt, die man keinem Krieger erzählen durfte, wenn Durang nicht zum Gespött des Lagers werden sollte. Und dieser Riesenwolf hatte Durang zum zweiten Mal nach Rhiandar geführt.
Ein schicksalhafter Ort.
In Rhiandar hatte es geheimnisvolle Zusammenkünfte der Schamanen gegeben, dort hatten sie sich in ihren Künsten verbessert, Ratschläge ausgetauscht und die Macht gefestigt, die sie als magische Ratgeber im Volk der Wolfskrieger ausübten.
Es war mit Sicherheit kein Zufall, dass der Wolf Durang hierher geführt hatte, und Durang hielt es auch nicht für zufällig, dass er ausgerechnet hier auf den Erwarteten stieß.
Er sah genau so aus, wie Durang ihn sich vorgestellt hatte. Hochgewachsen, ein Bild von einem Mann – jedenfalls in den Augen der übrigen Bewohner des Drachenlands.
In Durangs Augen war er zu rundlich, um wirklich zäh zu sein, zu mager, um wirklich stattlich wirken zu können. Kleidung und Waffen wirkten wie neu aus den Werkstätten, das Gesicht wirkte offen und frei, nicht die geringste Heimtücke war darin zu erkennen.
Durang verabscheute Geschäftspartner, die so aussahen. Zum einen konnte man nie mit ihnen feilschen, zum anderen hatten sie mangels eigener Schlechtigkeit wenig Verständnis dafür, wenn Durang sie übers Ohr haute. In der Regel begriffen sie ihre Niederlage nicht als kostspielige Lehrstunde in der Kunst des Handelns und Vertragsschließens, sondern sie nahmen die Sache tierisch ernst und regten sich auf.
Ein Trottel, das war das Endergebnis von Durangs kurzer Charakterschau. Auf das seltsame Frauenzimmer an der Seite des Fremden verschwendete Durang nur einen kurzen Blick. Zum Arbeiten war sie zu klein und zierlich, und als Bettgenossin taugte sie offensichtlich überhaupt nicht – selbst im weichsten Lager hätte man sich an diesem ausgehungerten Mädchen nur blaue Flecken geholt.
»Können wir dir helfen, Freund?«
Durang zuckte zusammen. Wollte sein Gast ihn veralbern?
»Helfen? Wieso?«
»Du siehst aus, als wärst du unter die Räuber gefallen«, antwortete der Mann. Der Blick des Mädchens verriet eine gehörige Portion Misstrauen, der des Mannes drückte Anteilnahme aus.
Durang sah an sich herunter.
Die elende Wolfsbestie hatte ihn lange in der Gegend herumgeschleift und ihn dabei furchtbar zugerichtet – wenigstens äußerlich. Die Kleidung hing in Fetzen, war vom Wasser durchtränkt und von Schlammspuren übersät. In Durangs Haut steckten noch ein paar Dutzend handspannenlanger Dornen, er hatte sich beim Herumkollern ein paar Stirnwunden zugezogen, deren Blut sein Gesicht verschmierte, es fehlte ihm an Ausrüstung, und obendrein schmerzte ihn jeder Knochen und jeder Muskel.
»Diese verfluchten Wölfe«, stieß Durang grimmig hervor. Er meinte natürlich die vierbeinigen Symbole seines Clans – der Gast schien es ganz anders aufzufassen.
»Ich habe davon schon gehört, dass die Wolfskrieger das Land mitunter unsicher machen«, sagte er mitfühlend. »Haben sie dich ausgeplündert, vielleicht zusammengeschlagen?«
Durangs Hand fuhr an den Gürtel, wo der Dolch sitzen musste. Wie kam dieser Frechling dazu zu glauben, man könne ihn, Durang von Rudemoon zusammenschlagen. Der Dolch war nicht mehr da, er lag irgendwo im Gelände.
»Komm, iss und trink. Ich bin fremd in diesem Teil des Drachenlands, vielleicht kennst du dich besser aus.«
Über Durangs Züge flog ein Grinsen.
Ein Gutes schien die Strapaze der letzten Nacht für sich zu haben – Durang war als Clanführer der Wolfskrieger nicht mehr erkenntlich, und diesen Fremden gründlich an der Nase herumführen zu können, reizte Durang ungemein.
Bereitwillig setzte sich Durang auf den Boden. Es kostete ihn ein wenig Überwindung seines Männerstolzes, aber er schaffte es, diese Bewegung mit gehörigem Ächzen und Stöhnen durchzuführen.
Wortlos reichte das Mädchen Durang den Wassersack, während der Mann von einem Stück kalten Braten eine dicke Scheibe abschnitt. Das Brot hatte er wohl aus Feenor oder einer anderen Stadt mitgebracht, ein weißes pappiges Zeug, das am Gaumen festklebte und gar nicht richtig zu kauen war. Ein anständiges Fladenbrot wäre Durang jetzt entschieden lieber gewesen. Außerdem sehnte er sich nach einem großen Becher von jenem Schnaps, den die Frauen des Wolfsclans aus vergorener Stutenmilch brannten.
»Jaja, die Wolfskrieger«, murmelte Durang, »eine fürchterliche Bande, blutgierig, habsüchtig, immer auf Kampf und Streit versessen. Du willst doch nicht etwa zu ihnen?«
»Ich werde nach Rudemoon gehen, um Durang von Rudemoon zu besuchen. Er erwartet mich.«
»Hm«, machte Durang. Er kratzte sich hinter dem rechten Ohr, fand eine Laus und zerdrückte sie zwischen den Fingern, dann griff er wieder nach dem Braten.
»Ich habe schon davon gehört«, sagte Durang vorsichtig, während er seinen Wolfshunger stillte. »Durang wartet angeblich auf jemanden. Ich glaube, er hieß ...«
»Mythor, das bin ich. Und dies ist meine Gefährtin Ilfa.«
Durang erwiderte Mythors Gruß. Die ausgestreckte Hand Ilfas übersah er. Es war ohnehin schon ein Wunder, dass Mythor sie an einer Männerbesprechung teilnehmen ließ.
»Du...«, begann der Clanführer, hustete, als er seinen Fehler bemerkte, und fuhr dann fort: »...ccol. Ich bin Händler.«
Mythor lächelte.
»Es sieht eher danach aus, als seist du Händler gewesen«, sagte er mitfühlend.
»Wieso?«, fragte Durang verwundert, dann begriff er. »Weil ich keine Ware bei mir habe? Die haben mir Durangs Krieger abgenommen.«
»Und was willst du nun tun? Zu Durang gehen und mit ihm reden?«
Am liebsten hätte der Clanführer laut aufgelacht. Ihn erheiterte die Vorstellung, dass ein geplünderter Händler sich ausgerechnet nach Rudemoon wagte.
»Sinnlos«, sagte er nach kurzem Zögern. »Mit Durang kann man nicht verhandeln – er tut, was er will, und was er nicht will, wird nicht geschehen.«
Sein Gegenüber lächelte zuversichtlich, und das verdross Durang.
»Komm mit uns«, schlug Durangs Gastgeber vor. »Ich werde mit dem Clanführer reden, vielleicht kann ich etwas erreichen.«
»Du?«
Mythor lehnte sich zurück, gegen einen Felsen, der aus dem Gras ragte.
»Warum nicht?«, fragte er frohgemut. »Ich weiß nicht allzu viel über Durang. Er ist berühmt als Kämpfer, gefürchtet als Gegner, verrufen als Verhandlungspartner, und er ist ein Mann, der seinen Verstand gebraucht. Warum also sollte ich nicht mit ihm reden können? Wenn er sich stur stellt, wird er es zu bereuen haben.«
Dieses Mal lachte Durang wirklich.
»Willst du ihm drohen?«, erkundigte er sich.
Mythor schüttelte den Kopf.
»Von mir hat Durang nichts zu befürchten. Sieh mich an – sehe ich aus, als könnte ich dem Führer der Wolfskrieger ernsthaft mit Drohungen auf den Leib rücken? Er würde mich auslachen.«
»Vorerst sicherlich ja«, meinte Durang freundlich. »Später würde er dich dann deine Frechheit büßen lassen. Vor kurzem erst ...«
Durang unterbrach sich. Er hielt es für falsch, Mythor darüber aufzuklären, dass sein Freund Sadagar zusammen mit Mungol wieder in einem steinernen Grab eingeschlossen war. Durang nahm sich vor, wenigstens Sadagar ab und zu soviel Wasser zukommen zu lassen, dass der lebendig Begrabene wenigstens nicht starb. Damit hatte Durang für die Verhandlungen mit Mythor ein Pfand in der Faust – Durang schätzte Mythor so ein, dass er auf solche Geiseln mit Unterwerfung reagierte.
»Kannst du weitergehen?«, fragte Ilfa und sah Durang freundlich an. Dem Clanführer entging nicht, dass sie ein wenig die Nase rümpfte, als sie sich zu ihm herüberbeugte. Durang kannte das schon – diese Stadtmenschen wussten gar nicht, wie ein anständiger Mensch zu riechen hatte – nach Schweiß und Essen, nach Pferden und ab und zu auch nach ein bisschen Blut.
»Ich werde es schon schaffen«, meinte Durang. Die Rast hatte ihm gutgetan, und er ließ es sich auch gefallen, dass ihm Ilfa die Dornen aus dem Fell zog. Die Art, in der sie das machte, ließ sie ein wenig in Durangs Achtung steigen – zimperlich konnte man ihre Vorgehensweise nicht gerade nennen.
»Wenn ihr Durang besuchen wollt, was macht ihr dann hier, in Rhiandar?«, fragte Durang später, als er zusammen mit Ilfa den Weg nach Rudemoon unter die Füße nahm.
»Der Ort gilt den Wolfskriegern als heilig«, antwortete Mythor. »Er hat viel mit dem Treiben der Schamanen zu tun, und ich habe sagen hören, dass Durang sich von seinem Schamanen mehr als nur mit Ratschlägen versehen lässt. Uddel soll einen bemerkenswert großen Einfluss auf die Entscheidungen Durangs haben.«
»Das ist nicht wahr«, empörte sich Durang.
»Woher willst du das wissen?«, fragte Ilfa. Die Frechheit, dass sich dieses magere Kindweib in Männergespräche einzumischen wagte, verschlug Durang für ein paar Augenblicke die Sprache.
»Jeder hierzulande weiß das«, antwortete Durang schließlich. Er hatte ein wenig gezögert, um Mythor die Zeit zu geben, dem wichtigtuerischen Gör über den Mund zu fahren, aber Mythor betrug sich, als sei ein solches Verhalten völlig normal. Er sackte damit in Durangs Ansehen noch ein Stück tiefer ab.
Lange Zeit marschierten die drei schweigend nebeneinander, schließlich brach Durang das Schweigen.
»Ich muss eine Rast einlegen«, sagte er jammernd. »Meine Füße machen das nicht länger mit.«
Mythor nickte lächelnd.
Ächzend sank Durang auf das Steppengras. Solche Strecken war er seit Ewigkeiten nicht mehr gelaufen. Ein Steppenwolf zu Fuß – Durang würde eine lächerliche Figur abgeben, wenn man ihn so sah, und schuld daran war nur der vermaledeite Riesenwolf. Er hatte zwar freundlicherweise Durang bis nach Rhiandar reiten lassen, aber dann hatte er ihn vom Pferd gestoßen und so lange nach den Beinen von Durangs beiden Pferden geschnappt, bis die Tiere Reißaus genommen hatten.
»Ich glaube, wir sparen eine erhebliche Menge Zeit, wenn wir versuchen, ein paar Pferde zu bekommen.«
Durang nickte kläglich. Er kam sich nackter vor als ohne Kleidung.
Zu allem Überdruss konnte er in geringer Entfernung eine Gruppe von Wildpferden sehen, aber Durang war außerstande, das zu tun, was er üblicherweise getan hätte – sich eines der Pferde einzufangen und einzureiten.
»Machen wir uns an die Arbeit, Ilfa«, sagte Mythor freundlich.
Die beiden rupften Gras aus dem Boden, dann begannen sie damit, aus dem Gras einen Strick zu flechten.
Es war entwürdigend, das mit ansehen zu müssen.
War es schon schlimm genug, in einer solchen Männerangelegenheit eine Frau um Hilfe bitten zu müssen, so war es geradezu grässlich, mit ansehen zu müssen, wie Mythor mit weibischer Fingerfertigkeit an dem Strick herumflocht.
Nach ein paar Minuten des Nachdenkens kam Durang zu dem Entschluss, Mythor beim Scheitern der Verhandlungen keinesfalls lebendig zu begraben, wie es mit Sadagar und Mungol geschehen war. Diese Ehre hatte der junge Mann aus der Stadt nicht verdient – allerdings wollte Durang auch keine andere angemessene Methode einfallen, Mythor zu töten. So weibisch war er schließlich auch nicht, dass man ihn wie eine ertappte Ehebrecherin gefesselt in den nächstbesten Sumpf hätte werfen können.
Gleichviel – ungefähr zu dem Zeitpunkt, an dem Durang für sich entschied, dass er auf Mythors Vorschläge nicht eingehen würde, mochten die aussehen, wie sie wollten, und wenn das Orakel selbst dahinterstand – zur gleichen Zeit war das Grasseil fertig, und Durang konnte nur staunen, wie stabil das Gebilde war. Er zerrte und riss daran herum, aber es widerstand seiner Kraft.
»Bleib du hier, ich will mein Glück bei den Pferden versuchen«, sagte Mythor. Seine gleichbleibende Freundlichkeit feilte an Durangs Nerven in einer Weise herum, die Mythor nicht einmal ahnen konnte.
Durang, der in der letzten Zeit sehr wenig Schlaf gefunden hatte und Ärger im Zelt obendrein, weil die Art, in der er sich um die Nachtruhe brachte, nicht von der Sorte war, die Durangs Frauen schätzten, streckte sich auf dem Boden aus und schlief ein. In ein paar Stunden, wenn Mythor mit zerschundenen Knochen zurückkam, konnte Durang wieder frisch genug sein, um sich selbst Pferde einfangen zu können. Vielleicht kam in der Schlafpause auch ein freundlicher Frauenräuber des Weges und verschleppte das Mädchen, das Durang immer weniger gefiel, je länger er sie betrachtete.
Im ersten Augenblick nach dem Erwachen fühlte sich Durang auch erheblich besser. Die Schmerzen in den Gliedern hatten nachgelassen. Zum Ausgleich stand ihm eine weitere Demütigung ins Haus – Mythor stand in seiner Nähe, und neben ihm waren drei Pferde zu erkennen.
»Sie müssen früher schon einmal zugeritten worden sein«, sagte Mythor erklärend. »Daher hatte ich nicht viel Arbeit mit ihnen. Du kannst doch reiten?«
Diese Frage! An einen Mann gerichtet, der eher hatte reiten als vernünftig reden können!
»Ja«, würgte er schließlich hervor und machte dazu ein betretenes Gesicht.
»Das also ist Rudemoon«, sagte Mythor leise, als er die Mauern der Stadt erblickte. Sofort korrigierte er seinen ersten Eindruck – es war keine Stadt, nur ein umfriedeter Garnisonsplatz mit einem dicken Steinturm in der Mitte. Von allen Clanburgen war Rudemoon die mit weitem Abstand kärglichste – armselig, plump und unbeholfen, obendrein als Verteidigungswerk von minderer Güte.
»Gefällt es dir nicht?«, fragte Durang rasch. Er lauerte förmlich darauf, Mythor irgendwelche unbedachten Äußerungen zu entlocken, die man später gegen ihn verwenden konnte. Leider hielt Mythor seine Zunge für Durangs Geschmack entschieden zu sehr im Zaum, als dass man ihm aus seinen Worten hätte einen Strick drehen können. Durang empfand dies Verhalten als Tücke ganz besonderer Art, ihm selbst wäre es nie eingefallen, sich zurückzuhalten, nicht einmal aus diplomatischen Gründen.