Mythor 86: Die Chronik der Burg Narein - Peter Terrid - E-Book

Mythor 86: Die Chronik der Burg Narein E-Book

Peter Terrid

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Doch Mythors Pläne lassen sich noch nicht realisieren - das Schicksal will es anders! Unser Held wird in die Auseinandersetzungen zwischen den Amazonen von Horsik und denen von Narein verwickelt. Die Vorgeschichte dieses erbitterten Kampfes zweier mächtiger Geschlechter berichtet DIE CHRONIK DER BURG NAREIN ...

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Nr. 86

Die Chronik der Burg Narein

von Peter Terrid

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß.

Doch Mythors Pläne lassen sich noch nicht realisieren – das Schicksal will es anders! Unser Held wird in die Auseinandersetzungen zwischen den Amazonen von Horsik und denen von Narein verwickelt.

Die Vorgeschichte dieses erbitterten Kampfes zweier mächtiger Geschlechter berichtet DIE CHRONIK DER BURG NAREIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Phyter und Ploder – Chronisten von Narein.

Garbica und Soja – Zwei unerbittliche Gegnerinnen.

Mythor – Der Sohn des Kometen erreicht Burg Narein.

Swige – Burgherrin von Narein.

Vilge

1.

Er stieß einen leisen Seufzer aus.

Die Flamme der kleinen Öllampe bewegte sich etwas, wurde dann wieder ruhig. Ihr milder Schein fiel auf eine Reihe pergamentener Rollen, die auf dem hölzernen Tisch lagen. Eine Feder lag auf einem gerade vorbereiteten Blatt, daneben das kleine Fass mit Tinte.

Wieder seufzte der Mann.

Er stand auf, schob den hölzernen Schemel zurück und machte ein paar Schritte. Der Klang des Auftretens war nicht zu hören; weiches Leder auf dem harten Fels des Bodens gab kein Geräusch. Der Mann trug enganliegende Beinkleider, darüber einen breiten Gürtel aus kunstvoll geflochtenem Leder. Darüber trug er eine weitgeschnittene, vorn offene Bluse. Das Haar fiel in langen schwarzen Locken herab auf den Nacken.

Der Mann trat ans Fenster.

Es war dunkel draußen. Mondlicht fiel auf das Land. Auf dem Burghof war gerade ein Wagen angekommen. Die hölzernen Räder, eisenumzinkt, schlugen hart auf das unregelmäßige Pflaster des Burghofs. Die Pferde schnaubten und scharrten mit den Hufen. Die Lager der Achsen waren schlecht gefettet, sie quietschten vernehmlich.

Aus der Küche fiel Lichtschein auf den Hof. Warmer Geruch nach frischem Brot wehte aus der Küche in die kühle Nachtluft hinauf. In einem der Nebengebäude saßen etliche beim Trunk beieinander. Gelächter war zu hören, dazwischen das Klirren von Waffen.

Der Mann hatte ein schmales Gesicht, gutgeschnitten, mit einer scharfrückigen Nase und fast weibisch geschwungenen Lippen. Dichte schwarze Brauen saßen über zwei dunklen, immer ein wenig schwermütig blickenden Augen. Sehnsüchtig sah er hinüber zu der weiträumigen Halle, in der die Amazonen beim schäumenden Bier saßen.

Der Mann hatte ein Problem.

Er war tapfer. Abenteuerlust spukte in seinem Geist. Schwerterklirren war ihm die liebste Musik, das Schnauben der Rosse, die Hitze eines langen, durchkämpften Tages. Beim Gedanken an hitzige Fehden, an Raufereien, Streit und Schlacht rollte das Blut heißer in seinen Adern, schlug sein Herz höher. Mit gefällter Lanze, Schulter an Schulter den gegnerischen Reihen entgegenstampfen, langsam, gleichmäßig, unwiderstehlich ... Auf schäumendem Ross hineinzupreschen in die Phalanx des Feindes, ihn werfen, schlagen, über das Schlachtfeld zu hetzen ...

»Warum ich?«, murmelte der Mann. Er trat vom Fenster zurück. Der Raum war nicht sehr reich möbliert – ein hartes Bett, davor ein Stuhl. Ein Kasten, der alles enthielt, was der Mann sein eigen nennen durfte. Zwei Ampeln mit heißem Öl spendeten Licht. Die Mauern waren kahl, Steine, sorgsam übereinandergesetzt, mit wenig Mörtel verbunden. Im Sommer einem Backofen gleich, behielten diese Mauern auch des Nachts die Hitze; im Winter sorgten sie, einmal gründlich ausgekühlt, dafür, dass die Bewohner bis weit in den Sommer hinein zu frösteln hatten.

»Warum ausgerechnet ich?«, fragte der Unglückliche. Er hieß Phyter und war Chronist derer, die sich das Geschlecht zu Narein nannten und zu den Großen zählten im Lande Ganzak.

»Ich bin aus der Art geschlagen«, murmelte der Chronist. Er setzte sich an den Tisch, barg den Kopf in den Händen.

Seit vielen Generationen versah seine Sippe das Amt des Chronisten. Es war eine Aufgabe, die zum Charakter der Amtsinhaber passte – gepasst hatte. Erlesene Vorfahren hatte Phyter gehabt, Feiglinge, deren Ruhm allseits bekannt war, Hasenfüße, wie sie selten anzutreffen gewesen waren. Galten die von Narein als die tapferste Amazonensippe im ganzen Land, so waren die Chronisten dieser Sippe für ihre Hasenherzigkeit berühmt gewesen.

Phyter wusste dies alles – die Chronik derer von Narein war vollständig und lückenlos, nicht zuletzt deswegen, weil seine jammerlappigen Vorfahren beim ersten Anzeichen von Gefahr stets das Weite gesucht hatten. In ihrer tiefverwurzelten Angst hatten sie natürlich, um der Strafe entgehen zu können, das Burgarchiv mit in Sicherheit gebracht. Es gab vermutlich auf Ganzak keine andere Sippe, deren Ruhm und Ehre so lückenlos für die Nachwelt verzeichnet worden war wie die der Bewohner der Burg Narein.

In gewisser Weise ergänzten sie sich auf diese Art hervorragend, die Vorfahren des tapferen Schreiberleins und die edlen Amazonenkämpferinnen der Burg Narein.

Der Waffenmut der Narein-Amazonen ergab immer neue Großtaten, die aufzuzeichnen Pflicht des Chronisten war – und die Fülle dieser Heldentaten konnte nur gewahrt bleiben, weil die Chronisten beim ersten Wetterleuchten sich und ihre Schriften in Sicherheit gebracht hatten.

Die Brust des Mannes hob und senkte sich in heftigen Stößen.

Was war zu tun?

Gern wäre er furchtsam gewesen, wenigstens ein bisschen feige. Aber irgendwo waren alle Versuche, endlich die gewünschte Bangigkeit zu erwerben, gescheitert – dazu musste man sich ja erst einmal in Gefahr begeben, und war es einmal soweit, dann brach die Tapferkeit wie ein Ungewitter über den Unglücklichen herein.

Es gab Amazonen, die ihn scheel ansahen, und das war kein gutes Zeichen.

»Ich werde mir die Vorfahren zu Herzen nehmen«, sagte Phyter. »Sie sollen mir zeigen, wie man zu leben hat.«

Die Liste der Chronisten von Narein war erheblich kürzer als die der Burgherrinnen. Kein Wunder, denn viele Anführerinnen der Narein-Amazonen hatten den Tod in der Schlacht gefunden, wohingegen es die Vorfahren des Chronisten meist auf ein erhebliches Alter gebracht hatten. Es war keiner gestorben, bevor er nicht das siebente Lebensjahrzehnt vollendet hatte.

Phyter nahm eine Pergamentrolle zur Hand.

Er kannte die Schriftzüge. Mehr als einmal hatte er sie gelesen. Sie waren blass geworden, obwohl zwei seiner Vorfahren jeden einzelnen Schriftzug sorgsam von Hand mit frischer Tinte nachgezeichnet hatten, um die kostbare Urkunde über die Zeiten zu retten.

Diese besondere Urkunde stammte aus einer längst vergangenen Epoche.

Mehr als dreieinhalb Großkreise lagen diese Zeiten schon zurück. Damals war Ploder Chronist gewesen, den man auch Meister Hasenfuß genannt hatte. Er war der berühmte Urahne eines berühmten Geschlechts ...

*

»Ach, du lieber Himmel«, ächzte Ploder. »Dort sollen wir hin?«

»Los, Junge, stell dich nicht so an!«

Ploder war achtzehn und recht kräftig, trotzdem schaffte es seine Mutter, ihn mühelos hinter sich her zu ziehen. Der Ort, dem Ploders Mutter zustrebte, passte dem Jungen überhaupt nicht.

Eine Ebene voller Zelte, dazwischen Reittiere, Kampftiere, überall Waffen ... nein, das war nicht der rechte Ort für Ploder. Er wollte lieber Zeichnungen in den Sand malen; das war eine Beschäftigung nach Ploders Geschmack.

Er wagte aber nicht, sich seiner Mutter zu widersetzen. Sie war eine stämmige Frau, die ihr Leben zu meistern verstand und keinerlei Widerstand duldete.

»Sie werden mich totschlagen, diese grässlichen Amazonen«, jammerte Ploder weiter.

Er hatte furchtbare Angst, weil er nicht wusste, was aus ihm wurde, wenn er erst im Lager war.

Krieg wälzte sich über Ganzak, vernichtete Menschen und Vieh, zerstörte Häuser und Äcker. In den Kisten wurden die Brotkrumen karger, es fehlte an Milch, Käse, Getreide. In manchen Landstrichen, so hieß es, herrschte bittere Hungersnot.

Lange schon dauerte dieser Krieg, und noch zeichnete sich kein Ende ab. Ploder hatte gerüchteweise gehört, dass die Amazonen von Ganzak unter Führung einer Hexe zwölften Grades gegen eine namenlose, abtrünnige Zaubermutter stritten, aber Einzelheiten hatte er natürlich nicht erfahren. Wer wäre auch auf den Gedanken verfallen, einem Bauerntölpel, der zu nichts taugte, solche Geheimnisse anzuvertrauen?

»Was sollen wir dort, Mutter?«, fragte Ploder. Die schrecklichen Zelte wurden immer größer. Wahrscheinlich wohnte in jedem dieser spitzzipfligen Zelte mehr als eine Amazone, und das ergab dann ein riesiges Heer.

War für Ploder schon eine einzige Amazone Grund zur Furcht, so war eine Zusammenkunft so vieler Streiterinnen eine Schreckensvision, die er sich in seinen übelsten Träumen nicht so grauenhaft ausgemalt hatte.

Dann war das Zeltlager erreicht, und Ploders schlimmste Befürchtungen wurden wahr. Es wimmelte von Weibern in diesem Lager, kleinen, großen, alten, jungen, fast jede machte ein grimmiges Gesicht und schleppte gefährliche Waffen mit sich.

»Ein hübscher Junge, den du da hast!«, rief eine Amazone und deutete ungeniert mit dem Finger auf Ploder.

Der lief rot an und wäre am liebsten im Boden versunken vor Scham. Davon redete man doch nicht in solcher Deutlichkeit. Gewiss, er war nicht hässlich, aber trotzdem ...

Ploder suchte die Nähe seiner Mutter. Sie stapfte durch das Amazonenlager, als gehöre sie dazu. Vor einem besonders großen Zelt blieb sie schließlich stehen.

»Wir sind am Ziel«, sagte sie.

»Wer haust hier?«

»Eine Freundin von mir«, sagte Ploders Mutter. »Ich kenne sie nicht sehr gut, denn woher sollte unsereins, der die Nase nicht vor die Tür stecken kann, eine richtige Amazone kennen. Aber ich konnte ihr eines Tages einen Gefallen tun, und sie versprach, mir zu helfen. Jetzt ist dein Glück gemacht, mein Junge.«

»Das befürchte ich auch«, stieß Ploder hervor, der sich in Gedanken bereits in Schwierigkeiten verstrickt sah, die er sich kaum vorstellen konnte. Er ganz allein mit so vielen Frauen ...?

»Was willst du, Weib?«

Die Bewohnerin des Zeltes hatte die Stimmen gehört und hatte den Kopf hervorgestreckt.

»Ich bin es, werte Frau, Thuda, die Bäuerin vom Kargrund«, sagte Ploders Mutter. »Erinnerst du dich an mich?«

Die Amazone war das schrecklichste Weib, das Ploder jemals begegnet war. Kalte Augen, die Lippen zu Strichen zusammengepresst, die langen dunklen Haare straff zurückgekämmt – sie sah boshaft, niederträchtig und roh aus.

»Thuda?«, wiederholte die Amazone. Sie kam zur Gänze zum Vorschein. Sie war in dichtes Leder gehüllt, auf einigen Streifen schimmerte es feucht und rot. Offenbar war sie vor kurzem erst in einem Gefecht gewesen. »Ach ja, ich erinnere mich. Was willst du? Was kann ich für dich tun?«

»Es geht um meinen Sohn, edle Amazone«, begann Thuda.

»Nenne mich Tharka.«

»Es geht um Ploder, Tharka, meinen Sohn. Nun komm schon her und zier dich nicht so. Zeig dich der freundlichen Frau. Er ist noch ein wenig scheu, der Junge.«

»Das sehe ich«, sagte Tharka. Sie griff nach Ploders Kinn. Der lief schon wieder rot an, und die Amazone lachte laut auf. Ihr fehlten drei Zähne, und sie aß gerne Zwiebeln.

»Du willst ihn hierlassen? Bei mir?«

»Ich habe keine Verwendung für ihn. Er ist ein wenig zierlich und verträumt. Richtig zupacken kann er nicht, obwohl er sonst ein lieber Junge ist. Sehr fügsam, vor allem, nachdem man ihn gründlich durchgeprügelt hat.«

»Du bist eine gute Mutter«, stellte Tharka fest. Ihr Blick bekam einen hungrigen Ausdruck, der Ploder überhaupt nicht gefallen wollte, auch wenn er nicht begriff, was die Amazone wirklich von ihm wollen konnte.

»Nicht wahr?«, setzte Thuda ihre Erläuterungen fort. »Bei uns wird er kaum über den Winter kommen. Der Kohl ist dürr in diesem Jahr, und das Getreide steht auf kurzem Halm. Bevor er bei uns als nutzloser Esser herumlungert, könnte er vielleicht, ich habe es mir so vorgestellt, hier irgendwo etwas Nützliches tun.«

»Was kann denn dein Kleiner?«

»Ich heiße Ploder!«

Eine Ohrfeige von Thuda belehrte ihn darüber, dass er nur zu antworten hatte, wenn er unmittelbar gefragt worden war.

»Er kann schreiben, recht gut und schön«, sagte Thuda. »Ich dachte mir, nur so eine Überlegung ...«

»Lass ihn nur hier«, sagte Tharka freundlich. Ploder spürte, wie ihm der Angstschweiß ausbrach.

»Du willst dich um ihn kümmern?«, fragte Thuda freudig erregt. »Das ist wirklich reizend. Auf der anderen Seite ... er ist mir wirklich ans Herz gewachsen, der liebe Junge.«

Tharka sah die Mutter scharf an.

»Wie viel?«

Ploder rollte mit den Augen. Er begriff gar nichts mehr. Am liebsten wäre er weggelaufen, aber dann hätte ihn die furchtbare Amazone wahrscheinlich mit dem Wurfseil eingefangen und zum Spott durch das Lager gezerrt, damit die anderen auch etwas zu lachen hatten. Dieses Schicksal erschien Ploder noch schrecklicher als das, zu dem er nun verurteilt schien.

»Die Zeiten sind hart«, stieß Thuda hervor. »Krieg ist im Land.«

»Du wirst staunen, das weiß ich schon«, sagte Tharka lachend. Sie deutete auf ihre Kleidung. »Was glaubst du, woher diese Flecken rühren?«

»Blut?«, stieß Thuda hervor.

Tharka lachte nur. Sie schien an diesem blutigen Gewerbe großes Vergnügen zu haben.

»Ich gebe dir das hier«, sagte Tharka und brachte ein goldenes Kleinod zum Vorschein. »Ich habe es gerade einem Feind abgenommen. Es gehört dir, soll dich an die Amazone erinnern.«

»Dank«, stammelte Thuda. »Tausendfältigen Dank.«

Sie zog sich katzbuckelnd zurück. Ploder, dem die ganze Sache nicht geheuer erschien, versuchte, sich ebenfalls davonzumachen, aber Thuda jagte ihn mit einem Fußtritt zu Tharka zurück.

»Dort wirst du bleiben, Sohn«, sagte sie energisch. Sie sah dabei weniger ihren Sohn an als vielmehr das Schmuckstück. »Die Frau meint es gut mit dir.«

»Das Gefühl habe ich auch«, murmelte Ploder.

Die Amazone hatte ihn bereits gepackt, und ihr Griff war zu stark, als dass Ploder sich hätte befreien können. Aus tränenfeuchten Augen sah er, wie seine Mutter das Lager verließ.

»Nun zu dir, Bürschchen«, sagte die Amazone. »Du wirst mein Zelt aufräumen und in Ordnung bringen. Wenn du damit fertig bist, meldest du dich dort drüben. Siehst du das große Zelt? Dort bin ich zu finden.«

Ploder nickte traurig. Die Amazone versetzte ihm einen Rippenstoß.

»Sag ja, Herrin, wenn du verstanden hast.«

»Gewiss«, murmelte Ploder geistesabwesend.

Die Amazone lachte und schritt davon. Ploder sah ihr nach, seufzte und ging dann ins Innere des Zeltes.

Auf den ersten Blick war zu erkennen, dass hier eine Frau wohnte, deren Handwerk das des Krieges war. Kriegsgerät allenthalben, teils zum Nutzen bestimmt, teils kostbare Beute, teils bloßer Zierrat. Dazu gab es allerlei Schauerkram, der auf so empfängliche Gemüter wie das von Ploder tiefen Eindruck machte. Trinkschalen, denen man noch ansah, dass es sich um Hirnschalen erschlagener Feinde handelte – obwohl auch ein zahnprunkendes Raubtier den Schädel für diesen Zweck hätte opfern können. Ploder kannte sich in diesen Dingen nicht aus.

Auf dem Boden lag weiches Pelzwerk, hauptsächlich von Bären und Katzen. An den Stangen des Zeltes hing das Kriegsgerät der Amazone. Bogen und Köcher voller Pfeile, Schwerter in hölzernen Scheiden, mit Elfenbeineinlegearbeiten verziert. An einem Haken hing der Helm mit dem Nackenschutz.

Ploder sah zum ersten Mal dieses Gerät, und ihn schauderte, wenn er sich Szenen vorzustellen versuchte, in denen diese Waffen zum Einsatz kamen.

»Brrr!«, machte er.

Aufräumen und Wohnungen herzurichten war eine Arbeit, die er kannte und beherrschte. Sie machte ihm sogar Spaß. Daher brauchte Ploder auch nicht viel Zeit, bis er seine Aufgabe zu seiner Zufriedenheit erfüllt hatte.

Dass er damit auch vor den Augen der Amazone bestehen konnte, war Ploder gewiss. Die Unordnung, die er vorgefunden hatte, sprach da eine sehr deutliche Sprache.

2.