Mythor 88: Der Kampf um die Burg - Peter Terrid - E-Book

Mythor 88: Der Kampf um die Burg E-Book

Peter Terrid

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Doch Mythors Pläne lassen sich noch nicht realisieren - das Schicksal will es anders! Unser Held wird in die Auseinandersetzungen zwischen den Amazonen von Horsik und denen von Narein verwickelt. Er wird zum Teilnehmer am KAMPF UM DIE BURG ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Nr. 88

Der Kampf um die Burg

von Peter Terrid

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß.

Doch Mythors Pläne lassen sich noch nicht realisieren – das Schicksal will es anders! Unser Held wird in die Auseinandersetzungen zwischen den Amazonen von Horsik und denen von Narein verwickelt. Er wird zum Teilnehmer am KAMPF UM DIE BURG ...

Die Hauptpersonen des Romans

Phyter – Chronist von Narein.

Swige – Burgherrin von Narein.

Skasy – Eine phantasievolle Strategin.

Mythor – Der Sohn des Kometen auf den Spuren Schwarzer Magie.

Rohcara und Nunsic – Hexen derer von Horsik.

Zaem

1.

Wie ein Band strahlender goldfarbener Sterne zog der Ring der Lagerfeuer sich um die Burg. An jedem Feuer saßen etliche Belagerer, brieten ihr Fleisch, ließen sich's wohl sein und freuten sich darauf, in den nächsten Tagen die Burg zu stürmen. Sie scherzten, tranken Bier und Wein oder stellten den Marketendern nach oder den Buhlmännchen, die es wohl in jedem Heer in Haufen gab.

So ungefähr stellte sich Phyter die Szenen vor, die sich jenseits der Befestigungsanlagen von Burg Narein abspielten. Er stand auf der Spitze des höchsten Turmes und schaute über das Land, das vom Halbmond beschienen wurde. Wolken trieben über den nächtlichen Himmel Ganzaks; der Herbst hatte gerade begonnen.

Dieser Tag war kalt gewesen. Phyter zog den Mantel enger um die Schultern.

Eigentlich hatte er dort oben nichts zu suchen. Die Zinnen und Wehrgänge der Burg waren für die Wachen bestimmt, die mit gleichmäßigem Schritt die Wälle abmarschierten und nach dem Rechten sahen.

Von der eigentlichen Burg waren die Belagerer nicht weit entfernt. Die Kernburg selbst – im Innern in mehrere Sturmabschnitte zusätzlich unterteilt – war umgeben von einem weiten Kranz von Gebäuden, in denen die Menschen wohnten, die Narein bevölkerten. Es gab dort Unterkünfte für die Feldsklaven, für herumziehende Händler, die auf den Marktplätzen ihre Waren feilboten. Es gab Silos und Kaschemmen, kleinere und größere Handelshäuser, Badestuben und vielerlei mehr.

All dies wurde umgeben von der ersten, der äußersten Mauer. Sie war gesichert mit Wall, Graben und Palisaden, und es würde die Belagerer erhebliche Mühe kosten, auch nur dort einzudringen. Auf dem äußersten Wall der Festung schritten die Wachen ihre Runden ab. Sie würden als erste Gelegenheit haben, sich im blutigen Kampf mit Ruhm und Ehren zu bedecken. Phyter hätte am liebsten dort draußen seinen Abendspaziergang gemacht, sich vielleicht sogar herausgeschlichen an die Lagerfeuer der Horsikerinnen, um dort zu lauschen und wertvolle Kunde zu gewinnen über die Pläne der Gegnerinnen.

Man ließ ihn nicht, das war Phyters stiller Verdruss. Er sah nach Norden, wo sich jetzt Mythor herumtrieb. Der hatte bewaffnet die Burg verlassen dürfen, wie sich Phyter neidvoll erinnerte.

Unter ihm wurde gerade eine Wache abgelöst. Alles war ruhig, und wäre der Belagerungsring nicht gewesen, hätte man sich schwerlich ein friedfertigeres Bild ausmalen können. So ähnlich sah es aus, wenn die Herrinnen von Narein eines ihrer berühmten Feste gaben. Dann strömten Schaulustige von nah und fern her, und dann wurde Narein von einem ähnlichen Feuerkranz umgeben wie in dieser Nacht.

Phyter wollte sich gerade anschicken, den Turm zu verlassen, hinabzusteigen in die Stille seiner Kammer und zur Chronik von Narein die Bemerkung hinzufügen, dass es an diesem Abend wieder ruhig gewesen war, als er drüben etwas bemerkte.

Eines der Feuer bei den Belagerern loderte plötzlich besonders hell auf, und wenig später stieg eine funkenspeiende Feuerkugel in den dunklen Himmel auf und kam herangeflogen.

»Schlecht gezielt«, bemerkte Phyter sachkundig.

Eine der großen Ballisten der Belagerer hatte eine Kugel aus Werg und Pech in die Burg geschossen. Jenseits der ersten Mauer blieb das Geschoss liegen.

»Feuer!«, schrie eine gellende Stimme. »Brandwachen, her zu mir.«

»Nichts Neues fällt ihnen ein«, murmelte Phyter. Mit diesen Handlungen begannen alle Eroberungsversuche, die die Horsikerinnen bisher unternommen hatten – als erstes wurde versucht, einen Teil des Vorwerks einzuäschern. Jetzt kamen in rascher Folge die Geschosse herangeflogen. Klatschend barsten die Pechkugeln auf dem Boden, brennende Fetzen flogen umher, verfingen sich in den Häusern, und die sonnentrockenen Dächer fingen beinahe sofort Feuer.

In der Vorburg wurde es lebendig. Männerkreischen war zu hören, dazwischen die energischen Stimmen der Kriegerinnen. Zwei von Swiges Amazonen leiteten die Abwehr und die Feuerbekämpfung.

Der Sommer war regenarm gewesen, auch das Holz der Hauskonstruktionen war zapftrocken. Nach kurzer Frist brannte eine ganze Häuserzeile. Das Geschrei wurde lauter.

Vieh wurde aus den lichterloh brennenden Stallungen geholt und in Sicherheit gebracht. Menschen konnten ihre Behausungen im letzten Augenblick verlassen, schwer bepackt, bevor die Hütten prasselnd zusammenstürzten.

Phyter verfolgte das Geschehen vom Turm aus. Er konnte im Licht der brennenden Häuser auch sehen, wie zehn Kriegsmägde eine Balkenschleuder in Stellung brachten. Das Katapult verschoss, einen riesigen Bogen gleich, schenkeldicke Speere. Phyter sah, dass die Schützinnen auf die gegnerische Balliste zielten. Trafen sie sie, dann war das gegnerische Geschütz außer Gefecht gesetzt, und die Bedienungsfrauschaft auch.

Mit einem hässlichen Geräusch schnellte die handfesseldicke Sehne nach vorn. Nach einem Augenblick war das Geschoss in der Dunkelheit verschwunden – aber ein paar Herzschläge später ertönte Wutgeschrei bei den Horsik-Kämpferinnen, und eine Funkensäule, die dort in die Höhe wirbelte, wo die Feuer-Balliste gestanden hatte, bewies, dass die Narein-Kämpferinnen genau gezielt hatten.

Dafür aber hatten die Nareiner mehr als genug zu tun, den Brand zu löschen, der in einem der zahlreichen Vorwerke ihrer großen Burganlage tobte. Mit Rammen und Spitzhacken gingen die Verteidiger noch unversehrten Häusern zu Leibe und rissen sie ein, schleppten das Holz und das Stroh weg, bevor es Feuer fangen konnte. Andere Häuser, zumal in Richtung des auffrischenden Windes gelegen, wurden befeuchtet, damit sie sich nicht durch Funkenflug entzünden konnten.

Die Burgbewohner hatten mehr als genug zu tun, den Schaden in erträglichen Grenzen zu halten. Sie wussten aber, dass dies erst der harmlose Anfang der Belagerung war.

An den anderen Verteidigungsabschnitten war es ruhig. Dort erloschen nacheinander die Lagerfeuer der Belagerer – jedenfalls wurden sie für Phyter unsichtbar.

Unterdessen hatten die Horsikerinnen ein paar Hundertschaften ihrer Kriegerinnen in Bewegung gesetzt. Sie strebten jenem Abschnitt entgegen, an dem sich die Verteidiger massiert hatten – allerdings waren die Nareiner mit Feuerlöschen hinreichend beschäftigt.

Phyter ballte die Fäuste. Ein Schwert wollte er haben, hinunterlaufen, die Palisade mit eigener Faust schirmen. Die Horsikerinnen setzten an dieser Stelle zum Sturm an.

Und sie waren gut, diese elenden Weiber. Phyter knirschte mit den Zähnen, aber er zollte den Horsikerinnen die Anerkennung, die sie verdienten.

Die Nareiner, die nicht damit gerechnet hatten, dass die Horsikerinnen genau da angreifen würden, wo man sie am besten frühzeitig sehen konnte, wurden ein wenig überrascht.

Ein Widder legte die Palisade nieder, dann wälzte sich eine wild brüllende Kriegerinnenschar über die Trümmer hinweg.

Dahinter lag der Graben, nur knapp brusthoch, aber dafür zwanzig Mannslängen breit. Sumpfig war er, und am Boden lag allerlei Spitzes, das die Beine verletzen konnte.

Viel Blut konnte der Übergang über dieses Hindernis nicht kosten – wohl aber Zeit. Mühsam musste ein Bein vor das andere gesetzt werden, und derweilen konnten die Nareiner Bognerinnen Maß nehmen für ihre gefiederten Geschosse.

An diesem Abend hatten die Horsikerinnen Glück. Zwar schrie sich Phyter die Kehle wund, als er vor der Horde warnte, aber sein Schreien verhallte. Die Kriegerinnen der Horsik-Sippe durchwateten den Graben, und sie verloren dabei kaum Kämpferinnen, da sich niemand um sie zu kümmern schien. Sobald sie am jenseitigen Ufer gelandet waren, griffen sie an.

Jetzt hielt es Phyter nicht länger auf seinem Beobachtungsplatz. Er hastete die steinernen Stufen hinab, verließ den Turm und rannte über den inneren Burghof.

Burg Narein besaß insgesamt fünf kleinere und größere Höfe, und jede dieser Flächen musste vom Gegner gesondert erobert werden. Auf dem höchsten Hof standen die Gebäude, in denen die Amazonen von Narein wohnten, und dieser Teil war stets das eigentliche Ziel des Angriffs der Horsikerinnen gewesen.

Phyter durchquerte den ersten Burghof, dann den zweiten. Am Tor zum Vorhof wurde er aufgehalten, aber man ließ ihn durch. Phyter rannte weiter.

Das Haupttor der Burg stand weit offen. Die Fallgitter waren hochgezogen. Ein Menschenstrom wälzte sich über die Planken der Zugbrücke, Vieh wurde ins Innere der Festung geführt.

Phyter schob sich durch das Gedränge, dem Feuerschein entgegen. Er wandte sich nach rechts. Dort griffen die Horsikerinnen an.

»Los, kommt mit!«, schrie er einer Schar Kriegsmägde zu, die unschlüssig schienen.

»Verschwinde«, riefen sie Phyter zu und machten heftige Gebärden. »Das ist nicht deine Sache.«

Aber Phyter dachte nicht daran, seine Pläne zu ändern. Er rannte weiter, auf den bedrohten Abschnitt der Burg zu.

Er konnte nicht übersehen, was sich dort abgespielt hatte, aber er konnte ermessen, wie die Horsikerinnen wüteten, wenn er die Gesichter der Fliehenden betrachtete.

Er musste sich anstrengen, um die Flut der Flüchtlinge durchqueren zu können. Er brauchte viel Zeit dazu, aber er schaffte es.

Irgendwo fand er ein Schwert, das er hastig aufnahm, und als er endlich einen freien Platz fand, war er zum Kampf bereit.

Zur Rechten sah er Trümmerhaufen, auf denen noch die Glut tanzte. Zur Linken stiegen gerade neue Brände in den Nachthimmel.

Wo waren die Horsikerinnen, wo die Narein-Kämpfer? Phyter fand auf den ersten Blick niemanden.

»Verschwinde, Bursche!«, hörte er eine raue Kommandostimme.

Zur Rechten erschienen die Narein-Kämpferinnen, mindestens eine Hundertschaft, angeführt von Gudun. Sie eilten im Laufschritt auf den Kampfplatz, und so, wie sie liefen, mussten sie den eingedrungenen Horsik-Scharen den Rückzug abschneiden.

Phyter folgte der Aufforderung nicht, er rannte einfach mit. Nun, wenn er bei dem Gefecht unbedingt das Leben einbüßen wollte – das war die geringste Sorge der Kriegsmägde. Jetzt hatte jeder die eigene Haut zu schützen.

Dann waren die beiden Truppen beisammen – die Horsikerinnen damit beschäftigt, Hütten anzuzünden, so in ihr Tun vertieft, dass sie die Truppen der Verteidiger erst bemerkten, als die ersten Schwertschläge fielen.

Der Kampf war entschieden, bevor er recht begonnen hatte; von der anderen Seite her erschien ein zweiter Kriegerinnenhaufen, angeführt von Kalisse, und damit waren die Horsikerinnen umzingelt. Sie setzten sich dennoch mit Verbissenheit zur Wehr, versuchten sich den Rückweg zu erkämpfen.

Und seltsam – es gelang ihnen.

Phyter sah, wie eine der Narein-Amazonen, obwohl kaum verletzt, von ihrer Horsik-Gegnerin abließ, ja sie sogar entwischen ließ, anstatt ihr den Weg zu versperren.

Einzeln sickerten die Horsik-Kriegerinnen durch die Reihen der Narein-Amazonen.

Phyter hob das Schwert und griff eine der Flüchtenden an. Sofort musste er feststellen, dass zwischen Traum und Wirklichkeit ein erheblicher Unterschied bestand. Nach ein paar Augenblicken war er besiegt – zwar nur lahm geprügelt, aber dennoch nahezu kampfunfähig. Die Horsikerin, deren Gesicht feuerrot bemalt war, dachte nicht daran, Phyter den Garaus zu machen, sie flüchtete lieber, als dass sie Zeit damit verlor, ihn niederzumachen.

Phyter kam auf die Beine – und sah sich jäh eingekeilt von einem halben Dutzend Horsikerinnen, die fluchend und schimpfend zurückgetrieben wurden.

Entsetzt erinnerte sich Phyter des Grabens, den er würde durchwaten müssen, wenn er jetzt zusammen mit den Horsikerinnen zurückgedrängt wurde.

Aber – Phyter traute seinen Augen kaum – die breiten Holzstege, die üblicherweise zum Überqueren des Grabens gebraucht und bei Beginn der Kämpfe eingezogen worden waren, sie verbanden wieder die beiden Ufer des Grabens und erlaubten es den Horsikerinnen, sich ungefährdet zurückzuziehen.

Phyter begriff gar nichts mehr. Er sah nur, dass er zusammen mit den schrecklichen Amazonen aus der eigenen Burg vertrieben wurde, aber er fand nicht den Mut, sich dagegen zu wehren.

»Zum Lager zurück!«, befahl die Anführerin der Horsikerinnen, eine narbenbedeckte Amazone mit wilden Augen.

Die Horsikerinnen taten, wie ihnen befohlen worden war.

Jetzt zeigte sich, welchen Plan die Narein-Strategen sich erdacht hatten. Es waren bei dieser eiligen Flucht die Horsikerinnen selbst, die drei heranstürmenden Hundertschaften von Narein den Weg freimachten. Die Verteidiger des Zeltlagers hatten nur die Möglichkeit, Freund und Feind wahllos zu beschießen, mit Pfeifen, Steinen oder Speeren. Oder sie mussten warten, bis der Gegner heran war.

Sie entschieden sich für den zweiten Weg, und das erwies sich als verhängnisvoll. Einmal ins Laufen gekommen, war die vorderste Linie nicht zu halten. Verwirrt, führungslos, strömten die Horsikerinnen ins Lager, rissen die Verteidigerinnen mit und verstärkten den Druck auf die zweite Reihe.

In geordneter Formation, schweigend und mit furchtbarer Wucht, griffen die Narein-Frauen an.

Mit einer solchen Aktion hatten die Horsikerinnen niemals gerechnet; nur ein paar Amazonen waren überhaupt noch wach, der Rest lag in tiefem Schlaf. Morgen erst sollte der erste große Sturm auf Narein beginnen – vorher wollte man die Narein-Amazonen nur ein wenig mit einem Vorkommando ärgern.

Jetzt sah die Lage gänzlich anders aus. Schlaftrunken fuhren die Horsikerinnen hoch, griffen nach Rüstung und Waffen, setzten sich zur Wehr, ohne recht zu wissen, was geschah.

Und mittendrin steckt Phyter, der sich fortreißen ließ vom Strom der Kämpferinnen und darin um sein Leben schwamm. Den Horsikerinnen war er zu unbedeutend, als dass sie sich der Mühe unterzogen hätten, ihn zu töten. Was ihm blühte, wenn er an eine Narein-Amazone geriet, wagte Phyter sich nicht auszumalen.

Nur weg von hier, das war sein einziger Gedanke. Es war das erste Mal, dass er einen solchen Waffengang miterlebte. Bisher kannte er nur Zweikämpfe und Turniere, aber da ging es ganz anders zu.

Die Narein-Amazonen waren nicht so dumm, mit Macht in das Zentrum des Horsik-Lagers zu drängen. Sie begnügten sich damit, die Horsikerinnen mit unwiderstehlicher Gewalt vor sich herzutreiben, diese Lawine aus Leibern anschwellen zu lassen.

Auf Kalisses Zeichen hin zogen sie sich plötzlich zurück, noch immer in geordneter Formation.

Phyter sah sie, konnte aber den Anschluss nicht herstellen. Zwischen ihm und den Nareinerinnen lagen etliche brennende Zelte, durcheinanderquirlende Menschen, die schrien und Verwünschungen ausstießen.

Phyter sah sich gehetzt um. Es gab nur einen Weg für ihn – heraus aus diesem Lager, und da er keine Aussicht sah, sich noch an diesem Abend zur Burg durchzukämpfen, musste er in die Weite des Landes flüchten.

Phyter nutzte die erste Gelegenheit aus, sich von dem Haufen zu lösen, der ihn mitgerissen hatte.

Im Lager war nun alles auf den Beinen, Frauen, Männer, Tiere. Das Durcheinander half Phyter – auf ihn wurde, da er nur ein Mann war, ohnehin nicht geachtet. Nach ein paar Minuten hatte er den Teil des Zeltlagers erreicht, den die Horsikerinnen verlassen hatten, um näher an die Burg und die Tumulte heranzukommen.

Phyter wollte gerade erleichtert aufatmen, als eine Frauenstimme sagte:

2.

Phyter erstarrte. Langsam drehte er sich herum. Zwischen zwei Zelten stand eine junge Frau. Das Fehlen der Waffen und die Schäbigkeit ihrer Kleidung zeigte auf den ersten Blick, dass sie eine Sklavin oder Leibeigene der Horsiks war.

»Wo willst du hin?«, fragte die Frau. Sie trat aus dem Schatten des Zeltes. Sie war etwa so alt wie Phyter, hatte dunkle Haare und ein ebenmäßiges Gesicht. Trauer spiegelte sich auf den Zügen, dazu mühsam bewahrte Beherrschung. Die dunklen Augen sahen Phyter scharf an.

»Du bist nicht von Horsik«, sagte die Frau.