Nanos. Sie bestimmen wann du stirbst: Thriller - Timo Leibig - E-Book

Nanos. Sie bestimmen wann du stirbst: Thriller E-Book

Timo Leibig

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Beschreibung

Das große Finale der Nanos-Trilogie! Können Jannah, Malek und Dominik die Nanobots aufhalten? Deutschland 2029: Nach dem brutalen Anschlag auf die Rebellion stellt sich Malek, Jannah und Dominik nur eine Frage: Warum diese grausame Tat? Der Kampf schien gewonnen, die Gedanken manipulierenden Nanos besiegt, das Regime gestürzt. Welchen Masterplan verfolgt der Erfinder der Nanos noch? Gemeinsam begeben sich die letzten Rebellen auf die Suche nach Antworten – und finden Unfassbares. Plötzlich liegt das Schicksal aller in ihren Händen … Ein Science-Fiction-Thriller für Fans von Phillip P. Peterson., Josuha Tree und Douglas E. Richards. Alle Bücher der Malek-Wutkowski-Reihe: Nanos. Sie bestimmen, was du denkst (Penhaligon) / Die Nanos-Mission (Blanvalet) Nanos. Sie kämpfen für die Freiheit (Penhaligon) / Die Nanos-Rebellion (Blanvalet) Nanos. Sie bestimmen, wann du stirbst (Belle Époque)

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NANOS. SIE BESTIMMEN, WANN DU STIRBST

THRILLER

MALEK WUTKOWSKI

BUCH 3

TIMO LEIBIG

INHALT

Über den Autor

Über das Buch

Hinweis für die Leser*innen

Nanos. Sie bestimmen, wann du stirbst

Nachwort und Dank

Science-Fiction von Timo Leibig

Science-Fiction-Hörbücher von Timo Leibig

Hinweis für die Leser*innen

ÜBER DEN AUTOR

Als Kind wollte Timo Leibig Erfinder werden – heute erfindet er spannende Geschichten. Über zwanzig Bücher und ein Theaterstück hat er bereits in den Genres Science Fiction, Thriller und Fantasy veröffentlicht. Er legt Wert auf originelle Storys und lenkt den Blick in die Abgründe der menschlichen Seele – wo in uns allen das Böse lauert. Über 250 000 Leserinnen und Leser konnte er mit seinen Werken bereits begeistern. Sein Verlagsdebüt »Nanos – Sie bestimmen, was du denkst« (Penhaligon) landete auf der SPIEGEL-Bestsellerliste.

Wenn Timo gerade nicht schreibt, entwirft der studierte Designer Buchcover, zeichnet Fantasyfiguren oder ist mit seiner Hündin Tessa unterwegs in den Bergen. Bei einer deftigen Brotzeit lädt er die Kreativbatterien auf und träumt bisweilen von einer eigenen Alm in den Alpen.

Mehr unter: www.timoleibig.de

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ÜBER DAS BUCH

Das große Finale der Nanos-Trilogie! Können Jannah, Malek und Dominik die Nanobots aufhalten?

Deutschland 2029: Nach dem brutalen Anschlag auf die Rebellion stellt sich Malek, Jannah und Dominik nur eine Frage: Warum diese grausame Tat? Der Kampf schien gewonnen, die Gedanken manipulierenden Nanos besiegt, das Regime gestürzt. Welchen Masterplan verfolgt der Erfinder der Nanos noch?

Gemeinsam begeben sich die letzten Rebellen auf die Suche nach Antworten – und finden Unfassbares. Plötzlich liegt das Schicksal aller in ihren Händen …

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Aktuell gibt es exklusiv Konfessor, ein Prequel zur Nanos-Reihe.

Für das Leben!

NANOS. SIE BESTIMMEN, WANN DU STIRBST

WAS BISHER GESCHAH (BAND 1)

Deutschland 2028. Die Bevölkerung ist hörig. Dank Nanoteilchen in Lebensmitteln und im Trinkwasser glauben die Menschen alles, was ihnen die Regierungspartei weismacht. An deren Spitze steht Johann Kehlis. Mit seiner Lebensmittelfirma JK’s wurde der Lebensmittelchemiker reich, bevor er zusammen mit dem Nanoforscher Carl Oskar Fossey und dessen Firma SmartBrain die Nanos entwickelte. Mit deren Hilfe regiert er nun seit einigen Jahren als Bundeskanzler das Land, vergöttert und gewählt mit absoluter Mehrheit. Zusammen mit der Garde und seinen Konfessoren – einer Spezialeinheit emotionsloser Soldaten – sorgt er für Ordnung und die Einhaltung seiner Gesetze. Und das muss er, denn einige wenige sind »free«, also resistent gegen die manipulativen Nanos, und dadurch eine Gefahr für das System. Die meisten werden zwar von aufmerksamen Mitbürgerinnen und Mitbürgern »gebeichtet« und daraufhin von Konfessoren in Gardedirektionen verbracht, aber ein kleiner Teil kann sich der Staatsgewalt entziehen und sammelt sich im Untergrund zu einer Rebellion.

Zu der stößt der entflohene Häftling Malek Wutkowski. Zu dreißig Jahren Haft verurteilt wegen diverser Verbrechen als Söldner und Krimineller, floh er mit seinem Mentor Tymon Kròl nach acht Jahren Haft aus der JVA Grauach. Tymon starb auf der Flucht. Vor ihrer Inhaftierung bildeten sie zusammen mit Maleks Bruder Dominik das Kròl-Wutkowski-Trio. Unterstützt wurden sie aus dem Hintergrund von Tymons Schwester Maria. Um die soll sich Malek nun kümmern – das Versprechen hat ihm Tymon kurz vor seinem Tod abgerungen. Ein schwieriges Unterfangen, da Maria nach Maleks und Tymons Inhaftierung, bei der auch Dominik starb, untergetaucht ist. Malek sieht nun in der Rebellion die Chance, sie aufzuspüren. Dazu muss er sich aber in deren Dienst stellen.

Da kommt es ihm gelegen, dass die Rebellenführung – DasQuartett genannt, bestehend aus dem Datenbaron Vitus Wendland, der ehemaligen Bundeswehrmajorin Barbara Sterling, dem Arzt Jörg Imholz und dem Unternehmensberater Sean – die Entführung des Nanoforschers Fossey plant. Man verspricht sich, mit dessen Hilfe eine Möglichkeit zu finden, Kehlis’ Nanosystem zu unterwandern, gar zu zerstören. Malek Wutkowski scheint aufgrund seiner Expertise genau der Richtige für jene heikle Fossey-Mission zu sein.

Und er ist der Richtige. Zusammen mit Jannah Sterling, der Tochter der Majorin, und Hendrik Thämert gelingt es ihm, den Forscher zu befreien. Im Gegenzug erhält Malek Informationen über Marias Aufenthaltsort, den die Rebellen ausfindig machen konnten: Berlin.

Dort erwartet Malek eine unschöne Überraschung: Der ranghohe Regierungsbeamte Konfessor Nummer Elf hat Marias fünfjährigen Sohn Paul in seine Gewalt gebracht. Er will sie dazu bringen, ihren alten Weggefährten Malek im Austausch für den Jungen auszuliefern. Malek kann Maria überzeugen, nicht auf den Deal einzugehen, sondern mit ihm eine Befreiungsaktion zu wagen – wie in alten Zeiten. Zu zweit dringen sie einen Tag später gewaltsam in die Gardedirektion einundzwanzig ein, um Paul zu befreien. Der Plan misslingt jedoch, denn Konfessor Nummer Elf entpuppt sich als Maleks totgeglaubter Bruder Dominik, der genau damit gerechnet hat. Er lässt Malek und Maria sofort inhaftieren – bis Jannah Sterling zusammen mit einer Rebellentruppe aufkreuzt und die drei befreit. Bei der Flucht erschießt Konfessor Nummer Elf Maria, bevor Jannah ihn mit einem Schuss in die Schulter außer Gefecht setzen kann und so ihr Entkommen ermöglicht.

Nun will Malek Wutkowski nicht zurück zu den Rebellen. Entsetzt von der Erkenntnis, dass sein Bruder lebt und mittlerweile im Dienste des Regimes steht, fasst er einen Plan: Dominik befreien. Und so setzt er sich ein zweites Mal von der Rebellion ab, denn er glaubt, allein mehr zu erreichen.

WAS BISHER GESCHAH (BAND 2)

Malek Wutkowski ist auf der Suche nach seinem Bruder Dominik. Als Unterstützung holt er einen alten Kumpel, Erik »der Fuchs« Krenkel, aus der JVA Kronthal, von dem er ahnt, dass er »free« ist. Erik Krenkel ist approbierter Apotheker, Drogenfälscher und netter Kerl. Er soll für Malek ein Gegengift entwickeln, damit der seinem Bruder die Lifewatch abnehmen kann, eine Uhr, die alle Konfessoren tragen und die sie rund um die Uhr überwacht. Über die Lifewatch kann auch ein Kontaktgift ausgelöst werden, das den Träger innerhalb von Sekunden tötet.

Um mehr über das Kontaktgift herauszufinden, muss Malek Kontakt mit den Rebellen aufnehmen, von denen er geflohen ist. Doch wie werden sie auf ihn reagieren? Speziell Jannah, mit der eine lose Beziehung angefangen hatte?

Er sucht die ehemalige Rebellenbasis auf, nur um festzustellen, dass die Rebellen ausgeflogen sind. Die Basis ist verwaist, doch Jannah hat ihm eine Kontaktmöglichkeit hinterlassen. Leider scheitert auch dieser Versuch. Malek bliebt noch eine letzte Option: seine alte Lifewatch von der Fossey-Mission. Über die kontaktiert er den Datenbaron und Rebellenführer Vitus Wendland. Der zeigt sich gewillt, Malek zu helfen, aber nur unter einer Bedingung: einem persönlichen Treffen. Malek willigt ein.

Die Rebellen planen derweil einen Einbruch ins Bundesamt für Bauwesen, um Baupläne der »Häuser des Herrn« zu stehlen, der geheimen Unterkünfte des Bundeskanzlers Johann Kehlis. Die Regierung ahnt jedoch den Einbruch und stellt den Rebellen eine Falle. Die Eindringlinge Susanna und Karim sterben bei der Aktion, Jannah und Hendrik hingegen können die gesuchten Daten stehlen. Was sie nicht wissen: Konfessor Nummer Elf hat sie gewähren lassen, um an ihre DNS zu kommen. Er verfolgt nämlich einen ganz anderen Plan: Über die Atemluft im Serverraum des Bundesamts für Bauwesen wurden Jannah und Hendrik mit Nanobots der zweiten Generation versehen. Der Bot besitzt eine besondere Funktion: »die Augen Gottes«, ein deutschlandweites Trackingsystem, das Personen allein anhand ihrer DNS lokalisieren kann. Darüber will Nummer Elf die Rebellen ausfindig machen und vernichten.

Jannah und Hendrik erfahren nach dem Einbruch vom Quartett, dass es nie um die Häuser des Herrn ging, sondern um Burg Waltenstein, auch genannt die Burg der Scienten. Dort befindet sich der zentrale Rechner, mit dessen Hilfe die Nanos erster Generation mit ihren beeinflussenden Informationen softwaretechnisch beschrieben werden. Die Burg ist das eigentliche Ziel des Quartetts.

Jannah und Hendrik, brüskiert, weil man sie nicht eingeweiht hat, fordern trotzdem die Informationen über die Häuser des Herrn. Jannahs Idee ist ein Anschlag auf Bundeskanzler Johann Kehlis.

In der Zwischenzeit trifft sich Malek mit Vitus Wendland. Sie tauschen Informationen aus, und Wendland bittet Malek, die Rebellion erneut zu unterstützen. Der lehnt jedoch ab und verschwindet mit den Informationen über das in der Lifewatch verwendete Gift. Krenkel kann nun ein Gegengift produzieren. Schließlich entführen sie Dominik Wutkowski, Konfessor Nummer Elf, auf offener Straße und bringen ihn in ein präpariertes Wohnmobil, mit dem Malek anschließend flüchten will. Doch die Befreiungsaktion geht schief, denn auch Dominik infizierte sich im Bundesamt für Bauwesen mit den Nanobot der zweiten Generation und ist somit trackbar. Das verrät er Malek im Delirium. Der kann ihn also weder befreien noch mit ihm untertauchen.

Malek und Erik bleibt nur eines: fliehen und Dominik zurücklassen. Die Flucht gelingt ihnen im letzten Moment, allerdings wird Erik dabei verletzt.

Abseits der Entwicklungen untersucht die IT-Expertin und Scientin Reba Ahrens eine defekte Festplatte von Carl Oskar Fossey. Die hatte er selbst zerstört, und Kehlis’ Regierung fragt sich, weshalb. Reba kann Fragmente der Labelfunktion feststellen, mit der die Nanos in der Burg der Scienten beschrieben werden. Das ist äußerst seltsam, denn der Bereich lag nie in Fosseys Zuständigkeit. Was hat der Forscher vor?

Mit den unfreiwillig preisgegebenen Informationen von Dominik fassen Malek und Erik einen Entschluss: Sie brauchen die Rebellen zwecks Hilfe in Sachen Dominik. Außerdem müssen sie diese wegen des Nanobots warnen. Ihnen gelingt es, Hendrik aufzuspüren, der den Anschlag auf die Häuser des Herrn vortäuschte. Über ihn kommt es zu einem Deal zwischen Vitus und Malek: Er und Erik werden sich endgültig in die Dienste der Rebellion stellen und erhalten dafür uneingeschränkte Hilfe.

Beim Zusammentreffen kommt es allerdings zum Eklat: Vitus Wendland hat Jannahs Mutter verschwiegen, dass ihre Tochter den Nanobot in sie trägt. Er will die laufende Mission – Jannah soll in die Burg der Scienten eindringen – nicht gefährden.

Barbara Sterling begreift, dass die Mission ihrer Tochter ein Himmelfahrtskommando ist. Sie dreht durch und flieht zusammen mit Malek und Erik aus der Basis der Rebellen, um Jannah zu retten.

Dominik wird derweil von Nummer Eins, dem Obersten aller Konfessoren, suspendiert, weil ihm Malek abermals entwischt ist. Dominik nutzt die Chance, sich selbst an die Fersen seines Bruders zu heften. Irgendwie muss er ihn aufspüren können. Und tatsächlich findet er Maleks Versteck, von dem aus er Dominik observierte. Der Fund bringt ihn nicht weiter, bis die Augen Gottes anschlagen und Jannahs Position an Dominik übermitteln.

Jannah ist in der Zwischenzeit in die Burg der Scienten eingedrungen. Sie schließt den USB-Stick mit dem Virus ans Terminal an, doch der Virus will sich einfach nicht installieren. Und dann taucht die Garde auf und setzt Jannah fest. Sie ist aufgeflogen – Dominik hat sie an Johann Kehlis verraten.

Malek, Erik und Barbara versuchen, mit Waffengewalt in die Burg einzudringen. Während Erik und Barbara für Ablenkung sorgen, gelingt Malek das Kunststück: Getarnt als Gardist dringt er in die Burg der Scienten ein und kann Jannah aus der Gefangenschaft befreien, doch bei ihrer Flucht stellt sich ihnen Dominik in den Weg – und diesmal ist die Übermacht erdrückend.

Dominik lässt Jannah und Malek in Kehlis’ Bunker bringen, denn der Herr persönlich will die Rebellen sehen. Er hat Pläne mit ihnen: Jannah soll Konfessorin werden, während Malek »erlöst« werden soll.

Doch Dominik bringt es nicht über sich, seinen Bruder zu erschießen, und wendet sich stattdessen gegen Kehlis. In einem letzten Gefecht erschießt Dominik den Kanzler; Malek und Jannah können sich befreien, und gemeinsam fliehen sie. Während der Flucht können sie Dominik sogar die Lifewatch abnehmen, was Jannah nicht glauben will: Sie retten tatsächlich einen Konfessor!

Der führt sie zu Reba Ahrens, um ihnen deren Forschungsergebnisse zu zeigen. Reba hat nämlich herausgefunden, was Fossey vermutete: Dass es zu Konflikten zwischen wahren Überzeugungen und den durch die Nanos hervorgerufenen nanotransiven Überzeugungen kommen könnte. Diese emotionalen Ausbrüche nennt Fossey »Outburst-Syndrom«. Dominik ist eindeutig davon betroffen und hat deswegen so reagiert: Er wird wieder Herr seiner eigenen Gedanken!

Dominik, Malek, Jannah, Erik, Barbara und Hendrik finden schließlich zusammen und feiern ihren Erfolg. Sie haben den Kanzler gestürzt und den Virus Freedom in die Burg der Scienten eingespielt. Es ist nur noch eine Frage von Monaten, bis die Beeinflussung der Bevölkerung nachlässt. Sie haben es geschafft!

Das feiert auch Vitus Wendland mit den übrigen Rebellen in der Rebellenbasis. Doch irgendetwas läuft schief: Die Leute werden ohnmächtig und brechen zusammen. Und jemand hat die Türen der Halle verbarrikadiert, sodass eine Flucht ausgeschlossen ist.

Es war Carl Oskar Fossey mit einigen Getreuen. Sie vergiften die gesamten Rebellen per Gas und fahren die Basis herunter. Einzig der junge Paul, Marias Sohn, überlebt, weil Fossey es nicht übers Herz bringt, das einzige Kind zu ermorden. Gemeinsam fahren sie schlussendlich davon und hinterlassen eine Festhalle voller Toter.

TEIL1

VERBLIEBENE

1

Bayern, nahe Nürnberg, neues Hauptquartier der Rebellen

Keuchend schreckte Doktor Jörg Imholz aus einem diffusen Traum. Im ersten Moment bekam er keine Luft durch die Nase, was ihn heftig durch den Mund atmen ließ. Der fühlte sich ungewohnt an, trocken und staubig, mit saurem Beigeschmack. Er hatte viel zu lange nichts gegessen und getrunken.

Jörg erschauderte, und sofort blitzten die Bilder vor seinem inneren Auge auf: der nette Jan Kruse, der von den Toiletten aus den Flur entlang zu einer Tür robbte, hinter sich eine Spur aus Blut. Jörg war da gerade auf dem Weg zur Party gewesen, hatte sich doch noch durchgerungen, Jannahs Erfolg gebührend zu feiern, entsprechend verblüfft war er gewesen, ein solches Arrangement zu sehen. Und dann die beiden Kerle, die aus dem Technikraum kamen und den sterbenden Jan Kruse ignorierten. Einfach über ihn hinwegstiegen. Zum Glück hatten sie Jörg nicht bemerkt. Nicht auszudenken, was passiert wäre. Grimmig und entschlossen hatten sie ausgesehen, die beiden Männer, die erst vor wenigen Wochen zur Rebellion gestoßen waren. Jörg erinnerte sich an sie, weil er sie untersucht hatte, aber persönlicher war der Kontakt nie geworden. Offenbar zum Glück.

Und zum Glück hatte er sich in einer Nische verstecken können. Als ihre Schritte verhallt waren und er bis einhundert gezählt hatte, war er zum Technikraum geschlichen. Wieder blitzte ein Bild auf: Kohlenstoffmonoxid stand auf den Gasflaschen, die an die Lüftungsanlage der großen Halle angeschlossen waren, wo die Feier stieg. Neben den Schläuchen ruhte schon eine Batterie leerer Flaschen in einer fahrbaren Gitterbox. Jörg hatte begriffen und war gerannt – zu einem Versorgungstunnel, in dem er aus Versehen schon einmal gelandet war, weil die Türen in der neuen Basis alle gleich aussahen. Dort hatte er sich verbarrikadiert, ohne Wasser, ohne Essen, nur im Licht einer Notbeleuchtung. Sein Herz hatte getrommelt, seine Hände hatten gezittert, die Beine geschlackert und seine Gedanken waren gerast. Was konnte er tun? Wie konnte er Vitus und die anderen retten? Waren sie überhaupt noch zu retten? Und wer hatte das verbrochen? Hatten die zwei eigenmächtig gehandelt? Das konnte er sich fast nicht vorstellen, wie die Hellsten hatten sie nicht gewirkt.

Gerade als er sich so weit im Griff gehabt hatte, um das Versteck zu verlassen, war das Licht ausgegangen. In völliger Finsternis hatte er gestanden und gelauscht, aber wieder nur seinen eigenen Herzschlag gehört. Dann das Schlagen einer Tür. Suchten sie ihn? Kamen sie, um ihn zu holen? Um auch ihn wie den armen Jan zu erschießen? Oder mit Kohlenstoffmonoxid zu vergiften?

Jörg hatte sich tiefer in den Tunnel hineingetastet, die völlige Dunkelheit wie ein Leichentuch auf seinen Schultern, bis er eine Nische gefunden hatte. In die hatte er sich gekauert, war zusammengesunken, hatte geweint, gebebt, geschwitzt und gedacht, ein Elefant sitze ihm auf der Brust.

Ein Elefant …

Jörg erinnerte sich noch an den Gedanken, ob das ein Herzinfarkt sein könnte, doch da war er schon mit heftigen Schmerzen vornübergekippt und ohnmächtig geworden.

Dass er ohne medizinische Hilfe wieder erwacht war, grenzte an ein Wunder. Gefroren hatte er, und die Schmerzen waren auch noch da gewesen, allerdings war aus dem Elefanten ein Gorilla geworden, der seine Brust umklammerte. In der Dunkelheit war er zur Tür gekrochen, schwach und heftig atmend, hatte sie geöffnet und sich in den Gang geschleppt. Auch dort war alles dunkel und still. Einzig über ein Oberlicht drang ein Schimmer herein, der den oberen Teil des hohen Flurs erhellte, doch der Boden lag in Finsternis. So wie Jan Kruses Leichnam …

An die nächsten Minuten erinnerte sich Jörg nur noch bruchstückhaft: seine stolpernden Schritte, Türgriffe aus Metall, ein kühler Windhauch, Stufen, die ihn zu Fall bringen wollten, ein Geländer, das ihn davor rettete. Dann ein Flur, den er kannte, nur schemenhaft erleuchtet von einem weiteren Oberlicht. Schließlich die Tür zu seinen Räumlichkeiten. Er hatte sein Schlafgemach direkt neben den Behandlungsräumen eingerichtet, um immer verfügbar zu sein – für die Rebellion, für Vitus, für Barbara und Sean und all die anderen. Jetzt war niemand mehr hier, der für ihn da sein konnte.

Jörg lachte, halb im Wahnsinn, bekam die Tür aufgesperrt, stolperte hinein und fiel direkt auf eine Behandlungsliege. Dort lag er, atmete, immer noch den Gorilla auf der Brust, und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Er musste sich was verabreichen, was gefäßerweiternd und entspannend wirkte. Dafür hatte er Nitrokapseln zum Zerbeißen vor Ort, ja, Nitroglycerin! Ächzend kämpfte er sich wieder hoch, fand eine Taschenlampe für den Notfall und knipste sie an. Der grelle Lichtstrahl der LEDs stach in seinen Augen, aber er fand den Schrank mit den Medikamenten (den Schlüssel hatte er Gott sei Dank in der Hosentasche) und dann die Kapseln. Mit zitternden Fingern drückte er zwei aus dem Blister, schob sie sich in den Mund und zerkaute sie. Der Geschmack war grässlich. Er spülte die Reste mit einer Flasche Wasser hinunter, danach war er so erschöpft, dass er sich wieder hinlegen musste. Während er so dalag, spürte er bereits die entspannende Wirkung. Der Schmerz in seiner Brust ließ nach. Sicherheitshalber zerkaute er eine dritte Kapsel und schlief danach völlig entkräftet ein.

Jetzt also atmen! Ruhig, Jörg, ruhig! Alles gut, du lebst! Weder der Herzinfarkt noch die Verräter haben dich umgebracht. Er drehte sich auf der Liege zur Seite und gab sich einige Minuten. Der Geschmack in seinem Mund wurde davon nicht besser, daher spukte er aus, einfach in die Dunkelheit. Wen kümmerte es schon? Hier niemanden mehr …

Der Gedanke machte ihn wütend. Was für ein toller Freund und Arzt war er bitte, hier jammernd zu liegen und sich in Selbstmitleid zu ergeben? Er hatte zu prüfen, ob jemand überlebt hatte, es war sogar seine verdammte Pflicht! Kohlenstoffmonoxid. Viel Hoffnung machte er sich nicht, denn wenn die Verrückten alle Gasflaschen ins Lüftungssystem eingeleitet hatten, dann war das eine ganz gehörige Menge Gift. Kohlenstoffmonoxid führte schon ab einer Konzentration von 0,16 Prozent innerhalb von zwei Stunden zum Tod, ab einer Konzentration von über einem Prozent in wenigen Minuten. Die Chance auf Überlebende war gering, aber gering bedeutete nicht unmöglich. Manchmal ging das Leben seltsame Wege.

Jörg stemmte sich hoch, brachte die Füße von der Liege. Ihm wurde schwindlig, doch er kämpfte den Schwächeanfall mit nackter Wut nieder und stand auf. Aus einer Schublade kramte er ein Skalpell hervor, brach die sterile Verpackung auf und nahm es wie eine Waffe in die linke Faust, die Taschenlampe in die rechte. So verließ Doktor Jörg Imholz seine Räumlichkeiten in der Rebellenbasis und machte sich auf die Suche nach Überlebenden.

2

Irgendwo in Baden-Württemberg

»Ah, da ist ja der Schweinehund!« Erik Krenkel spähte angespannt unter der Lesebrille der Majorin hindurch auf die offene Oberschenkelwunde. Mit einem Spreizer hielt Jannah den Schnitt offen, während Malek schwer durch die Nase schnaufte, einen Fetzen Stoff zwischen den Zähnen. Schweiß stand dem ehemaligen Söldner auf der Stirn, aber er war tapfer. So tapfer, mein einziger Freund.

Erik fuhrwerkte mit der Pinzette weiter in der Wunde herum und versuchte, das Projektil zu fassen zu bekommen. Es war schwierig, glitschig von Blut, aber endlich bekam er es gepackt und holte es grinsend aus der Wunde. Klackernd ließ er es in ein Schälchen fallen. »Das war der erste Streich«, flötete er. »Und der zweite folgt sogleich!«

Malek Wutkowskis’ Blick hätte ihn atomisiert, wenn sein Kumpel solche Fähigkeiten besessen hätte. Besaß er aber nicht, und so spuckte er nur den Stofffetzen aus und stieß hervor: »Lass das Gelaber und mach hin!«

»Jaja. Aber du weißt: Gut Ding will Weile haben.« Er schob die Lesebrille mit dem Fingerknöchel auf dem Nasenrücken zurecht und meinte zu Jannah: »Desinfektionsmittel, bitte.«

Jannah reichte ihm das geöffnete Fläschchen Isopropylalkohol.

»Danke.« Erik roch kurz daran, grinste wieder und sagte: »Riecht fast wie mein Fuchsspritz. Ob es auch so brennt?«

Malek ließ den Kopf sinken. »Mach jetzt endlich!«

»Wie der Herr wünscht.«

Maleks unterdrückter Schrei hallte durch den Raum, als Erik einen Schwall des Desinfektionsmittels in die Wunde schüttete. Dass Jannah dabei seine Hand drückte, bekam er vermutlich gar nicht mit.

»Wonderbra!« Erik stellte die Flasche weg. »Jetzt tacker ich das nur noch zu und dann kriegst du einen schicken Verband und ein Bienchen für deine Tapferkeit!«

»Das Tackern kann ich übernehmen«, meinte Jannah.

Erik musterte sie. »Sicher? Du siehst ein wenig blass um die Nase aus.« Was ihn wunderte. Die Rebellin hatte erst vor Kurzem Reba Ahrens die Hand amputiert. Dass eine aufgespreizte Schusswunde sie blass werden ließ, erschien ihm ein wenig seltsam.

»Alles gut«, versicherte sie. »Das sind nur die Nachwirkungen vom Stress.«

»Okay. Und du kannst das?«

»Ja. Ich hab früher ab und an Jörg geholfen. Ich weiß, wie das geht. Außerdem muss es jemand machen.«

»Wenn der feine Herr nicht mit offener Wunde herumlaufen will, dann ja.« Erik musterte sie noch einen Moment, sah die Entschlossenheit in ihren Augen und holte den Klammerapparat. Er prüfte, ob der mit den richtigen Klammern bestückt war, reinigte kurz den Aufsatz und reichte dann Jannah das Gerät. Die hielt es einige Sekunden in der Hand, den Blick irgendwie in weite Ferne gerichtete, bevor ein Ruck durch sie ging und sie sich kommentarlos an die Arbeit machte.

Malek sah ihr dabei zu und grunzte bei jeder Klammer.

Erik besah sich ebenfalls ihr Werk, meinte nach der dritten, sie solle die Wunde fester zusammendrücken, dann würde die Narbe später weniger wulstig werden, dann klopfte er Malek kameradschaftlich auf den gesunden Oberschenkel, wusch sich die Hände mit einer Flasche Wasser und verließ die Räumlichkeiten des alten Fabrikgebäudes.

Über eine rostige Leiter stieg er empor in den Spätvormittag, streckte die Arme weit von sich, dehnte den Brustkorb, atmete die frische Waldluft ein und seufzte tief. Danach lief er zur Feuerstelle, um die die anderen drei saßen.

Barbara unterhielt sich leise mit Maleks Bruder Dominik. Beim Anblick des ehemaligen Konfessors lief es Erik eiskalt den Rücken hinab. Er konnte kaum glauben, dass Dominiks Entführung und ihr erster, gescheiterter Versuch, ihm die Lifewatch abzunehmen, erst gute achtundvierzig Stunden zurücklagen. Für Erik fühlte es sich wie ein halbes Leben an. Ein anderes Leben, in dem sie den Bundeskanzler ermordet und selbstmörderisch einen Hochsicherheitstrakt gestürmt hatten. Ob der Wahnsinn jetzt endlich aufhörte?

Hendrik Thämert saß ebenfalls am Feuer, abseits der beiden anderen. Er hatte ein Smartphone in den Händen, starrte jedoch abwesend in die Flammen.

Erik setzte sich neben dem jungen Rebellen auf den Baumstamm. »Na? Du liest unsere Zukunft im Feuer?«

Keine Reaktion.

Einige Sekunden wartete Erik, die Stirn gefurcht, aber als keine Reaktion kam, murmelte er: »Dann nicht«, und wandte sich ab.

Da sich Barbara und Dominik immer noch unterhielten und er nicht stören wollte, zog sich der Fuchs in seinen Bau zurück. Seine mentale Bastion, die er sich während seiner Zeit im Knast errichtet hatte, war sein Zufluchtsort. Dort war es ihm möglich, die Realität fast vollständig auszublenden. So hatte er Knastgespräche, Gejammere, Gewichse und die ganze andere Scheiße einfach auf stumm geschaltet. Hier am Feuer, so kurz nach all den Ereignissen, wollte es ihm nicht wirklich gelingen. Dominiks leise Konfessorenstimme drang ständig zu ihm durch und verursachte ihm eine Gänsehaut. Dem entgegen erklang die Stimme der ehemaligen Majorin, fest, kühl, die Fragen präzise wie ein Skalpell. Erik musste sich eingestehen, dass er Barbaras Stimme gern lauschte. Überhaupt hatte die Frau etwas an sich, was ihn faszinierte. Wo er weich war, war sie hart. Wo er geschwätzig war, war sie wortkarg. Wo er witzig war, war sie ernst. Vermutlich waren es die sprichwörtlichen Gegensätze, die ihn anzogen. Vielleicht war es auch viel profaner. Jahrelang hatte er in Grauach und Kronthal eingesessen und nur Fünf-gegen-Willi gehabt, inspiriert von ein paar zerfledderten Pornoheftchen, die er den anderen Insassen gegen ärztlichen Rat und seinen berühmten Fuchsspritz abgekauft hatte. Da wunderte es ihn nicht, dass ihm beide Frauen gefielen, die anwesend waren. Von Jannah würde er allerdings schön die Finger lassen, die wollte Malek und niemand anderen. Außerdem war sie zu jung, zu rebellisch, Herrgott, die hatte einer Blinden die Hand amputiert und diese dann über einen Zugang mit ihrem eigenen Blut versorgt, um einen Handvenenscanner zu täuschen. Wie hart musste man drauf sein? Allein die Vorstellung einer abgesägten Hand in den Fingern …

Erik erschauderte und vertrieb die grausigen Gedanken. Wo war er gewesen? Barbara. Netter Name. Kam aus dem Griechischen und bedeutete im übertragenen Sinne die Fremde. Die Griechen hatten nämlich Menschen als Barbaren bezeichnet, deren Sprache sie nicht verstanden. Barbara. Ja, die Majorin gefiel ihm.

Er seufzte innerlich und kroch wieder aus seinem Fuchsbau heraus. Barbara und Dominik unterhielten sich immer noch, während Hendrik in die Flammen starrte.

Dominik sagte: »Man kann das nicht beschreiben. Es ist … gegeben.«

»Aber Sie wussten doch, dass Sie beeinflusst waren. Sie wussten, dass den Menschen Nanopartikel übers Essen verabreicht werden, die das Denken zugunsten von Johan Kehlis’ Ideologie beeinflussen. Ihnen war klar, was die Beichten bedeuteten: die Ermordung von Unschuldigen, die einfach an einer Fehlfunktion der Nanos litten.«

Dominik nickte, auch wenn er den Blick gesenkt hatte. »Und trotzdem hat uns Konfessoren das nicht gestört. Wir waren seine Jünger, verstehen Sie? Was auch immer in den Konfessorenpillen drin ist, es lässt einen gehorsam werden. Man stellt die Worte des Herren nicht infrage. Es ist, wie es ist.«

Barbara schwieg daraufhin, und Erik fragte: »Aber jetzt fühlst du wieder was? Die Emotionen sind wieder vollumfänglich da?«

Dominik zuckte mit den Schultern. »Ich fühle wieder was, ja, aber alles ist gedämpft. Ich weiß zwar, dass ich jetzt beispielsweise Zufriedenheit verspüren müsste, und sie ist da, versteht das nicht falsch, aber es ist, als … als liege sie vor mir wie ein Stück Fleisch, das ich noch essen muss.«

»Du musst die Emotion also bewusst zulassen?«

»So in etwa.« Dominik klaubte ein Stöckchen vom Boden auf und warf es in die Flammen. Ein paar Funken stoben knisternd in den Himmel, kaum zu sehen im Tageslicht. »Ich kann es nicht besser beschreiben. Ich weiß auf jeden Fall, was fremde Einflüsse sind und was nicht. Ich kann es unterscheiden.«

»Gut für uns.« Erik lächelte und verschränkte die Hände im Schoss.

»Hoffen wir es«, sagte Barbara, den Blick weiterhin auf Dominik gerichtet.

Der schürzte die Lippen und atmete tief durch. »Wie geht’s eigentlich meinem Bruder?«

»Ganz passabel. Ich konnte das Projektil entfernen. Ist nur eine Fleischwunde. In ein paar Tagen springt er wieder herum und kann Autos demolieren, Gardisten entführen und all den Kram machen, den er halt macht, vorausgesetzt, die Wunde entzündet sich nicht. Wir haben sie gereinigt, aber besser wäre es, wenn er prophylaktisch ein Antibiotikum nähme.« Er suchte Barbaras Blick. »Penicillin wäre super. Ganz klassisch. Hast du so was hier in deinem Lager?«

»Mit Sicherheit.«

»Dann wäre es cool, wenn du es deinem Schwiegersohn in spe heraussuchen würdest.«

Barbara nickte nur, das Gesicht wieder verschlossen, und stand auf. Auch Dominik erhob sich; vermutlich wollte er nach seinem Bruder sehen. Als sie gerade gehen wollten, rief Erik: »Ach, Barbara!«

»Ja?«

»Hast du vielleicht auch noch so ein Dreibein, wo man einen Topf einhängen kann? Und … einen Topf?«

Sie musterte ihn und fragte sich sichtlich, ob er sie verarschte oder nicht. Dann fragte sie trocken: »Kannst du kochen?«

»Besser, als du dir vorstellen magst. Und bei dem Feuer wirds ein Kinderspiel! Die meisten scheitern ja in freier Wildbahn am Feuermachen, nicht am Kochen.«

Die Andeutung eines Lächelns umspielte Barbaras Mundwinkel. »Wenn du das sagst.«

»Wenn ich das sage.« Er grinste und fügte hinzu: »Ich mach natürlich auch was für euch alle mit. Außer ihr kommt mir mit Extrawürsten daher. Keine Petersilie für mich, kein Salz für ihn, durchgebraten für sie und glutenfrei für ihn. Dann mach ich lieber nichts, das schwör ich euch.«

Wieder dieses Schmunzeln, und ein nüchternes: »Ich schaue, was ich auftreiben kann.«

Erik sah der Majorin und Maleks Bruder hinterher, bevor er seufzte, sich die Hände am Feuer wärmte und ein paar Sonnenstrahlen im Gesicht erhaschte. So schlecht war es hier gar nicht. Hatte irgendwie was von Pfadfinderlager für Erwachsene. Fehlten nur noch gekühltes Bier und gute Mucke … Schließlich wandte er sich an Hendrik, der immer noch ins Feuer starrte, das Handy in den Händen. »Und was beschäftigt dich?«

Wieder bekam er keine Antwort.

»Haaallo? Fuchs an Rebell. Fuchs an Rebell. Hörst du mich?«

»Ja, Mann!« Hendrik sah auf. »Was ist denn?«

»Das frag ich dich. Eigentlich müsstest du feiern und tanzen, stattdessen glotzt du wie ein glubschäugiger Fisch in die Flammen, als hätten wir den Krieg verloren.«

»Es geht um Vitus und die anderen.«

»Inwiefern?«

»Na, Vitus hat mich extra in die alte Basis geschickt, damit ich in Sicherheit bin, und dann hau ich einfach mit euch ab.«

»Es war deine Entscheidung.«

»Jaja, aber wärst du allein in dem Keller geblieben?«

»Sicherlich nicht.«

»Also.«

»Verstehe. Und jetzt fühlst du dich mies, weil du abgehauen bist?«

Thämert seufzte. »So schaut es aus. Vitus ist wie ein Vater für mich. Der hat sich immer um mich gekümmert, hat mir schon in seiner Firma geile Aufgaben übertragen, mir vertraut. Und was mach ich? Ich trete sein Vertrauen mit den Füßen. Ich muss ihm wenigstens sagen, dass ich wohlauf bin und sich die Augen Gottes erledigt haben.«

Erik musterte das Handy. »Dann ruf ihn halt an und sag es ihm.«

»Und gehe das Risiko ein, dass man sowohl diesen Standort als auch den von Vitus ortet? Das Handy ist nur für den äußersten Notfall gedacht, und den haben wir nicht.«

»Na ja, im positiven Sinne schon. Der Kanzler ist tot und wir alle wohlauf. Ich denke, das ist Grund genug, deinen Datenbaron darüber zu informieren.«

Hendrik schürzte die Lippen. »Wenn man es so sieht.« Er seufzte. »Okay. Dann ruf ich ihn an.«

»Mach das, Junge! Gute Nachrichten hört man dieser Tage sowieso viel zu selten. Warum damit geizen?«

»Ja, warum eigentlich …« Der junge Rebell nickte sich selbst zu und schaltete das Handy an. Es dauerte einige Sekunden, bis es hochgefahren war, dann gab Thämert auch schon eine Nummer ein, die er auswendig wusste.

Erik versuchte, sie sich zu merken, aber die Anzeige wechselte plötzlich und ein Fenster ploppte auf. Eine nette Stimme sagte: »Sie haben eine neue Sprachnachricht erhalten.«

Hendrik musterte die Anzeige, dann holte er die Nachricht aufs Display. Audiowellen waren zu erkennen, darunter ein Play-Button. Darüber stand als Absender: Vitus

»Er hat ’ne Nachricht geschickt«, sagte Hendrik verwundert.

»Na, dann spiel ab! Vielleicht suchen sie uns schon und bringen den Champagner mit! Gott, Champagner! Wie lang hab ich so was nicht mehr getrunken?« Erik stellte sich das prickelnde Gefühl auf der Zunge vor und wollte tief seufzen, als eine Stimme aus dem Handy drang. Es war nicht die des Datenbarons.

»Hendrik!« Ein Mann, schwer schnaufend und gehetzt. Die Panik in seiner Stimme war deutlich, ebenso eine tiefe Trauer. »Gott! Sie sind alle tot.« Ein Schlucken. »Keiner hat’s überlebt. Keiner! Diese –« Etwas schepperte dumpf, ein Klackern, dann Stille. Damit endete die Sprachnachricht.

Erik musterte das Handy, dann Hendrik. Auf dessen Gesicht kämpfte Verwirrung mit Angst.

»Wer war das?«, fragte Erik heiser.

Hendriks Kehlkopf zuckte nach oben. »Das … das war der Doc.«

»Euer Rebellenarzt? Dieser Jörg?«

»Genau der. Scheiße!« Mit dem Fluch auf den Lippen sprang Hendrik auf und rannte Barbara und Dominik hinterher.

Erik erhob sich ebenfalls, plötzlich mit klopfendem Herzen, und blickte wehmütig ins Feuer. »Irgendwie glaube ich, wird das heute nichts mehr mit einer warmen Mahlzeit.«

Und damit sollte der Fuchs recht behalten.

3

Irgendwo in Baden-Württemberg

»Hendrik!« Schweres Schnaufen. »Gott! Sie sind alle tot.« Ein Schlucken. »Keiner hat’s überlebt. Keiner! Diese –« Ein Scheppern, ein Klackern, dann Stille.

Hendrik hatte die Nachricht zum dritten Mal abgespielt und blickte grimmig in die Runde. Jannah sah blass aus, Malek und Dominik verschlossen, der Fuchs nachdenklich und Barbara ballte die Hände zu Fäusten.

»Eindeutig Jörg!«, sagte sie. »Von wann genau ist die Nachricht?«

»Wurde heute Morgen um kurz nach sechs Uhr verschickt, kam aber vorhin erst rein, weil das Handy deaktiviert war.«

»Und was heißt das jetzt?«, fragte Erik. »Sie sind alle tot? Wer? Die Rebellen?«

»So klingt es«, sagte Barbara, »aber das ergibt keinen Sinn. Warum sollten sie tot sein?«

»Vielleicht wurden sie von der Garde angegriffen?«, mutmaßte Malek.

»Kann ich mir kaum vorstellen. Wir hatten so hohe Sicherheitsvorkehrungen.«

»Die hatte Kehlis in seiner Burg der Scienten auch, und wir sind reingekommen. Jannah alleine, wir zu dritt.«

Barbara schnaufte durch. »Ich weiß.«

»Und es hat verdammt echt geklungen«, schob Hendrik hinterher. »Ich mein, wenn Sean einen solchen Anruf getätigt hätte, dann hätte ich mir fünfmal überlegt, ob das wieder ein Spielchen ist, aber bei Jörg? Der würde so was nicht faken.«

»Das war kein Fake.« Erik war sich sicher. »Ich kenn den Doc zwar nicht, aber diese Panik in der Stimme kann man nicht nachahmen. Das wäre oscarverdächtig. Ich hab immer noch eine Gänsehaut.«

»Heißt also, dass wir die Basis überprüfen?« Jannah.

»Ist das schlau?«, fragte Malek. »Wir sind geflohen. Vielleicht ist das ein Versuch, uns zurückzuholen.«

»Nein«, entgegnete Barbara. »Die wissen nicht, dass wir Hendrik geholt haben. Das war ein Hilferuf von Jörg. Ganz sicher.«

»Also fahren wir zurück.« Wieder Jannah.

»Würd ich sagen.«

»Dann brauchen wir aber einen Plan.« Malek verlagerte sein Gewicht, um sein frisch verbundenes Bein zu entlasten.

Da hob Erik die Hand wie in der Schule. »Äh … nur mal so ganz pragmatisch: Warum rufen wir nicht einfach an?«

»Weil der Anruf womöglich rückverfolgt wird«, antwortete Hendrik.

»Und die Nachricht kann man nicht tracken?«

»Nicht so einfach, weil Nachrichten über gesicherte Satelliten von Vitus’ Firma S.Y.D. versendet werden. Anrufe gehen aber über das normale Netz, zwar verschlüsselt, aber ein Restrisiko besteht immer.« Wieder sah Hendrik von einem zum anderen, und schob hinterher: »Leute! Wir müssen was tun! Keiner hat’s überlebt! Was zum Teufel ist da passiert?« Ihm wollten Tränen in die Augen steigen, aber er kämpfte sie zurück, denn die Blöße wollte er sich nicht geben.

»Keine Ahnung«, sagte Barbara, »aber wir werden es herausfinden. Und zwar bald!« Auch sie blickte in die Runde, und erntete kollektive Zustimmung.

Zur gleichen Zeit nahm Lewin Becker von seinem Vape Pen einen tiefen Zug. Der Geschmack süßer Vanille breitete sich in seinem Mund aus und legte sich angenehm auf seine Bronchien. Als er den Dampf entweichen ließ, riss der Wind ihn davon und trug die Wolke über den Waldsee. Zwischen den Bäumen verlor sie sich wie ein Geist, dem die Kraft ausging.

Hoffentlich uns nicht. So kurz vor Carls Ziel wäre das der Hohn schlechthin. Nein, es durfte nichts mehr schiefgehen. Sie waren zu Mördern und Verrätern geworden, das durfte nicht umsonst gewesen sein.

Als er erneut tief inhalierte, kam Michael Burke auf die Terrasse des Hauses. Es war das einzige am Waldsee, einst eine Sommerresidenz irgendeines Großstädters gewesen, bevor Carl Fossey das Haus vor Jahren gekauft hatte, um sich mit seiner Frau zurückziehen zu können. Wie oft und ob sie zusammen hier gewesen waren, wusste Lewin nicht; Lydia müsste etwa in der Zeit den Kampf gegen die Depression verloren und Selbstmord begangen haben. Das war auch so eine verrückte Geschichte: Da entwickelte Carl eine Methode, um Ängste und Depressionen zu heilen, und dann führte die einst gut gemeinte Technik in eine Massenbeeinflussung und war für den Tod Tausender verantwortlich, denen die Beichte abgenommen worden war. Und für den Tod der Rebellen. Lewin spürte die Schuld auf seinen Schultern, aber es war eine Last, die er auszuhalten hatte. Jeder hatte sein Kreuz zu tragen.

Michael blieb neben ihm stehen und blickte einige Sekunden lang auf den stillen See hinaus, bevor er sagte: »Eben wurde eine Pressekonferenz von Nummer Eins angekündigt. Beginnt in wenigen Minuten.«

»Vom Obersten? Ungewöhnlich, oder?«

»Ja, da muss was in München passiert sein. Der Bunker ist abgeriegelt, die Straßen außen rum gleichen einem Sperrgebiet. Die Presse überschlägt sich mit Vermutungen.«

»Nicht gut.«

»Kommt drauf an, was passiert ist.« Michael rieb sich über das Gesicht und seufzte. »Uns kann es eigentlich egal sein. Der Plan steht so oder so.«

Daraufhin nickte Lewin nur und sah sich um, aber die Terrassentür war geschlossen. Die anderen waren alle drinnen. Leise fragte er: »Wie geht es dem Jungen?«

»Keine Ahnung. Schläft in einem der Gästezimmer.« Ein kritischer Blick. »Musste das sein?«

Lewin atmete scharf ein. »Es ist ein Kind, Michael! Es wird unseren Plan kaum vereiteln.«

»Das nicht, aber es kostet Ressourcen. Jemand muss darauf aufpassen, es verpflegen, es bespaßen.«

»Zum Glück musst du nicht viel machen. Außerdem hab ich den Jungen noch nie ein Wort reden hören. Seine Mutter ist wohl vor seinen Augen erschossen worden, als man eine Gardedirektion befreit hat.«

Michael erwiderte nichts, sondern blickte nur auf den See. Schließlich fragte er: »Hat Carl irgendwas gesagt, wie lange das hier dauert?«

»Nope. Er ist direkt in den Keller an die Rechner, und seitdem sitzt er da und arbeitet.«

»Na, dann sollten wir ihn nicht stören.« Michael ließ Lewin wieder allein. Der inhalierte noch zwei Mal von seinem Pen, bevor auch er ins Haus zurückkehrte.

Im geräumigen Wohnzimmer mit grandiosem Blick auf Wald und See auf der einen Seite und Ausblick auf die Zufahrt auf der anderen lief der Fernseher. Michael saß davor. Bilder aus München wurden gezeigt; Gardisten marschierten vor dem Bunker in den Straßen, Sperren waren errichtet worden und Hubschrauber kreisten über der Stadt. Die Nachrichtensprecherin sagte: »Und wir schalten jetzt live zur Pressekonferenz mit Konfessor Nummer Eins.« Das Bild wechselte, und zu Lewins Überraschung wurde Johann Kehlis’ Stehpult eingeblendet, von dem aus er immer seine öffentlichen Regierungserklärungen abgab. Seine Inszenierungen, korrigierte sich Lewin. Diesmal war es allerdings Nummer Eins, der vor die hell illuminierte Wand mit dem Parteilogo trat. Wo Kanzler Kehlis immer helle Kleidung getragen hatte, um richtig zu strahlen, wirkte Nummer Eins mit seiner schwarzen Garderobe und dem blutroten Priesterkragen wie der Teufel in Menschengestalt. Allen war klar, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Johann Kehlis hatte keine einzige Gelegenheit ausgelassen, zu seinem Volk zu sprechen. Er war einer von ihnen gewesen, zumindest hatte er das immer beteuert. Das war sein Narrativ gewesen: Einer aus dem Volk hatte es bis an die Spitze geschafft.

Der Oberste räusperte sich und begann: »Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute trete ich als Vertreter von unserem geliebten Bundeskanzler vor Sie, denn ich habe traurige Nachricht: Johann Kehlis verstarb in der Nacht.«

Lewins Puls beschleunigte, Michael grunzte. Sie wollten Blicke wechseln, doch der Oberste fuhr fort: »Ja, es ist eine Tragödie, liebe Schwestern und Brüder, ein Schicksalsschlag ohnegleichen. Ich darf versichern, dass sich Johann bester Gesundheit erfreut hat. Er würde immer noch unter uns weilen und das Wohl Deutschlands im Sinne haben, wenn er nicht hinterhältig ermordet worden wäre. Ja, Sie haben es richtig gehört! Ermordet! Gestern ereignete sich ein Anschlag auf unseren geliebten Freund und Führer, ein feiges Attentat von Verblendeten. Von Systemgegnern! Von Rebellen!«

Nummer Eins ließ die Worte wirken, und das taten sie. In Deutschland hielten vermutlich Millionen Bürger die Luft an.

»Eines verspreche ich Ihnen!«, fuhr Nummer Eins fort. »Wir werden nicht ruhen, bis die Attentäter gefasst sind. Noch sind sie flüchtig, aber alle Einsatzkräfte sind auf den Beinen. Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis wir sie kriegen. Trotzdem bitte ich im Namen Johanns um Ihre Mithilfe. Wenn Sie eine dieser Personen sehen oder gesehen haben, informieren Sie bitte umgehend die nächste Gardedirektion oder melden sich mit sachdienlichen Hinweisen unter der unten eingeblendeten Nummer. Und bitte beachten Sie: Die beiden Attentäter haben einen Konfessor in ihrer Gewalt. Es ist davon auszugehen, dass sie ihn unter Drogen gesetzt haben, um ihn gefügig zu machen. Seien Sie bitte vorsichtig! Die Täter sind bewaffnet und extrem gewaltbereit.« Eine Telefonnummer wurde eingeblendet, ebenso drei Fotos. Eins von einem bärtigen Kerl mit silberner Narbe, das andere von einem verblüffend ähnlich aussehenden Konfessor, nur ohne Bart, und das letzte von einer jungen Frau mit rotem Haar.

Lewin spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Das ist Jannah Sterling.«

»Und die anderen müssen die Wutkowski-Brüder sein.«

Michael und Lewin tauschten einen Blick. Sie hatten Malek Wutkowski nicht persönlich kennengelernt, aber die Geschichten um ihn kannte bei den Rebellen jeder. Man wusste, dass er wegen seines Bruders abgehauen war, um ihn zu retten, einen ranghohen Konfessor! Und er schien es geschafft zu haben. Wie allerdings Jannah Sterling dazukam, war Lewin schleierhaft. Sie hätte bei der Einschleusung des Freedom-Virus in Burg Waltenstein draufgehen sollen. Carl hatte gesagt, sie würde es niemals mehr rausschaffen.

---ENDE DER LESEPROBE---