Napoleon - Die hundert Tage - Christian Dietrich Grabbe - E-Book

Napoleon - Die hundert Tage E-Book

Christian Dietrich Grabbe

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Beschreibung

In 'Napoleon - Die hundert Tage' von Christian Dietrich Grabbe wird die spannende Geschichte von Napoleons Rückkehr aus dem Exil und seinen letzten hundert Tagen an der Macht fesselnd erzählt. Grabbe kombiniert historische Fakten mit fiktionalen Elementen, um ein facettenreiches Bild von Napoleons letzten Tagen zu zeichnen. Der Autor verwendet eine dynamische Sprache und eine packende Erzählweise, die den Leser auf eine Zeitreise in das Europa des 19. Jahrhunderts mitnimmt. Grabbes Werk steht in der Romantik des 19. Jahrhunderts, spiegelt jedoch auch die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche dieser Zeit wider. Als Dramatiker und Schriftsteller bringt Grabbe eine einzigartige Perspektive auf Napoleons Geschichte und Persönlichkeit in sein Werk ein. Seine detaillierten Beschreibungen und lebendigen Dialoge lassen den Leser in das Leben und die Gedankenwelt Napoleons eintauchen. 'Napoleon - Die hundert Tage' ist ein fesselndes Buch, das sowohl historisch interessierte Leser als auch Liebhaber spannender Geschichten ansprechen wird.

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Christian Dietrich Grabbe

Napoleon - Die hundert Tage

Ein Drama in fünf Aufzügen

Books

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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1641-3

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Personen.Erster Aufzug

Vorwort

Inhaltsverzeichnis

Dieses Drama war vor den welthistorischen Ereignissen des Juli vorigen Jahres vollendet. Seitdem ist manches eingetroffen, was in ihm vorausgesagt ist, – ebensoviel aber auch nicht. Man halte also den Verfasser an keiner Stelle für einen Propheten ex post. Seine Krankheit und andere Zufälle verhinderten die frühere Beendigung des Druckes, und es können erfoderlichen Falles ehrenwerte Zeugen, welche das Stück vor dem erwähnten Zeitpunkt kannten, jedem Zweifelnden die Wahrheit obiger Angaben sofort beweisen.

Der Verfasser.

Detmold den 29sten Januar 1831.

Personen.

Inhaltsverzeichnis
Die Franzosen
Die Preußen
Die Engländer

Die Franzosen

Inhaltsverzeichnis

Napoleon und dessen Partei Napoleon I. Bonaparte, Kaiser der Franzosen Königin Hortense, seine Stieftochter Graf Bertrand, Generaladjutant Graf von Cambronne, Generalleutnant, Kommandeur einer Division der alten Garde (der »Granitkolonne«) Drouot, Generalkommandant der Artillerie Milhaud, Kommandant der KürassierDivisionen Graf von Lobau, Marschall von Frankreich, Kommandeur eines Armeekorps Labedoyere, Obrist und Adjutant Graf St. P-le, ein Offizier Graf Bourmont, General Vitry,

Chassecoeur, zwei abgedankte Kaisergardisten, später Hauptleute Polnischer Legionsreiter Zwei alte Gardegrenadiere Schildwache

Offizier der Gardegrenadiere zu Fuß Offizier der polnischen Lanzenreiter Drei Offiziere

Drei Ordonnanzen

Ordonnanz-Offizier

Drei Piqueurs

Oberstallmeister

Sergeant

Kapitän der Voltigeurs

Vier Offiziere

Zahlreiche Adjutanten Fußgardist und dessen Kameraden Gardist

Zwei Offiziere

Zwei Hauptleute

Soldat

Kürassier

Einer der Kürassiere Milhauds Mehrere Kürassiere

Zwei Offiziere der Gardegrenadiere zu Pferde Offizier der Suite Napoleons Gardehoboist

Infanterieoffizier

Fouché

Carnot

Kammerherr

Lacoste, Pächter

Die Kaisergarden. Infanterie-und Kavallerieregimenter der Linie. Milhauds Kürassierdivisionen. Schwere und reitende Artillerie. Die Granitkolonne von Marengo. Das Korps des Grafen Lobau. Nationalgarden. Polnische Lanzenreiter. Offiziere. Adjutanten. Kuriere. Ordonnanzen. Schreiber. Piqueurs.

Ludwig XVIII. und dessen Hof Ludwig XVIII. König von Frankreich Monsieur (Graf von Artois, des Königs älterer Bruder) Herzog von Angouleme Herzogin von Angouleme Herzog von Berry

Herzog von Orleans

Gräfin von Choisy, Hofdame der Herzogin von Angouleme Oberzeremonienmeister Hauptmann der Schweizergarde Schweizergardist

Kleiner Ofenheizer

Graf Blacas d’Aulps

D’Ambray

Einer aus dem Gefolge des Herzogs von Berry

Oberdirektor des Telegraphen Marschall Ney, Fürst von der Moskwa Madame de Serré

Alter Marquis

Amme

Zwei Bürger

Kurier von Wien

Gefolge des Königs und des Herzogs von Berry. Altadelige Herren und Damen; Emigranten. Schweizergarden. Kammerherren und Kammerdiener.

Das Volk von Paris

Ausrufer einer Bildergalerie Ausrufer einer Menagerie Polizeibeamter

Savoyardenknabe

Ausrufer bei einem Guckkasten Ein Gensd’armes

Alter Offizier in Ziviltracht Marquis Hauterive,

Herr von Villeneuve, zwei Emigranten Stuhlvermieterin

Zeitungsausrufer

Alte Putzhändlerin

Advokat Duchesne

Ein Gensd’armes

Alter Gärtner im Pflanzengarten Dessen Nichte

Pierre, deren Verlobter Mehrere Damen der Halle Louise

Zeitungsverbreiter

Zwei Bürger

Linieninfanterie-Patrouille Ein Gensd’armes

Gensd’armerie-Patrouille zu Fuß Deren Offizier

Emigrant

Schneidermeister

Dessen Frau

Dame der Halle

Ältliches Frauenzimmer Nebenstehender

Zwei aus der Masse

Zwei Bürger

Jouve

Vorstädter

Göttin der Vernunft

Hauptmann der Gensd’armes Vorstädter

Ankommender

Krämer

Dessen Frau

Zwei Bürger

Vorstädter

Junge

Dame

Volk, darunter Bürger, Offiziere, Soldaten, Marktschreier, Savoyardenknaben und andere. Patrouillen. Damen der Halle. Vorstädter, insbesondere von St. Antoine. Pöbel.

Die Preußen

Inhaltsverzeichnis

Blücher

Gneisenau

Herzog von Braunschweig Bülow,

Ziethen, Korps-Kommandeure Major eines Bataillons freiwilliger Jäger Ostpreußischer Feldwebel Unteroffizier

Schlesischer Infanterist Zwei Berliner Freiwillige Ephraim

Sechs Jäger

Ziethenscher Husar

Adjutant

Trainknecht einer Kanone Marketenderin

Schwarzer Becker, Kammerdiener des Herzogs von Braunschweig.

Soldaten aller Waffengattungen. Adjutanten Blüchers und Gneisenaus. Marketender und Marketenderinnen.

Die Engländer

Inhaltsverzeichnis

Herzog von Wellington Lord Somerset, General General

Artillerie-Obrist

Obrist

Dessen Adjutant

Offizier des Generalstabs Dragoneroffizier

Zwei Offiziere

Adjutanten

Sergeant der Jäger

James, ein Jäger

Fahnenträger

Liniensoldat

Versprengte Dragoner Hauptmann der hannoverischen Scharfschützen Alter hannoverischer Scharfschütz Fritz, ein Harzjäger

Herzogin Von Chimay

Adeline

Zwei Aufwärter

Gefolge des Herzogs von Wellington. Damen und Offiziere höchsten Ranges. Volk auf der Straße von Brüssel.

Heer und Generalstab des Herzogs von Wellington. Englische, schottische und hannöversche Offiziere und Soldaten.

Erster Aufzug

Inhaltsverzeichnis
Erste Szene
Zweite Szene
Dritte Szene
Vierte Szene

Erste Szene

Inhaltsverzeichnis

Paris. Unter den Arkaden des Palais Royal.

Vieles Volk treibt sich durcheinander, darunter Bürger, Offiziere, Soldaten, Marktschreier, Savoyardenknaben und andere.

Die sprechenden Personen halten sich, im Vorgrunde auf. Vitry und Chassecoeur sind zwei abgedankte Kaisergardisten.

VITRY. Lustig, Chassecoeur, die Welt ist noch nicht untergegangen, – man hört sie noch – dort oben im zweiten Stock wird entsetzlich gelärmt.

CHASSECOEUR. So? – Ich hörte nichts – Warum lärmen sie?

VITRY. Der alte Kanonendonner steckt dir noch im Ohr. Hörst du denn nicht? Wie rollt das Geld, wie zanken sie sich – sie spielen.

CHASSECOEUR. O mein Karabiner, dürft ich mit deiner Kolbe wieder die Kisten zerschmettern wie die Gehirne!

VITRY. Ja, ja, Vater Veilchen spielte um die Welt, und wir waren seine Croupiers.

CHASSECOEUR. Blut und Tod! Wären wir es noch!

VITRY. Na, still, nur still – In unsrem schönen Frankreich blühn jeden Lenz das Veilchen, der Frohsinn und die Liebe wieder neu, – Veilchenvater kommt auch zurück.

AUSRUFER EINER BILDERGALERIE. Hier, meine Herren, ist zu sehen Ludwig der Achtzehnte, König von Frankreich und von Navarra, der Ersehnte.

AUSRUFER EINER MENAGERIE dem vorigen gegenüber. Hier, meine Herren, sehen Sie einen der letzten des aussterbenden Geschlechtes der Dronten, wackeligen Ganges, mit einem Schnabel gleich zwei Löffeln, von Isle de France und Bourbon bei Madagaskar, lange von den Naturforschern ersehnt, ihn zu betrachten und zu zerlegen.

AUSRUFER DER BILDERGALERIE. Hier ist zu sehen der Monsieur, der Herzog von Angoulême, sein Sohn, die Herzogin, dessen Gemahlin, der Herzog von Berry und das ganze bourbonische Haus.

AUSRUFER DER MENAGERIE. Hier erblicken Sie den langen Orang-Utang, gezähmt und fromm, aber noch immer beißig, den Pavian, ähnlichen Naturells, die Meerkatze, etwas toller als die beiden andern, und so genannt, weil sie über die See zu uns gekommen, den gewöhnlichen Affen, nach Linné simia silvanus, und das ganze Geschlecht der Affen, wie es nicht einmal in dem Pflanzengarten oder den Tuilerien leibt und lebt.

EIN POLIZEIBEAMTER. Mensch, du beleidigst den König und die Prinzen.

AUSRUFER DER MENAGERIE. Wie, mein Herr, wenn ich Affen zeige? Hier mein Privilegium.

GESCHREI. Rettet! Helft dem Unglücklichen!

CHASSECOEUR. Was da?

VITRY. Aus dem zweiten Stock stürzt einer auf das Pflaster, und sein Gehirn beschmutzt die Kleider der Umstehenden. Wohl ein Spieler, der sein Alles verloren hat.

CHASSECOEUR. Oder den die Mitspieler aus dem Fenster geworfen haben, weil er betrogen oder zuviel gewonnen hat.

VITRY. Wie du raten kannst. – Das Volk zittert und faßt ihn nicht an. Ich will ihm beispringen.

CHASSECOEUR. Pah, laß ihn liegen.

VITRY. Freund, hätt er nun Frau und Kind, die ohne ihn verhungern müßten?

CHASSECOEUR. Mir recht lieb. Ich muß auch hungern, – ich wollte die ganze Welt hungerte mit zur Gesellschaft. – Vitry, Wir! Als wir Italien, Deutschland, Spanien, Rußland, und Gott weiß was sonst, plünderten und brandschatzten, tausend und aber tausend Damen dieser Länder karessierten oder notzüchtigten, das Geld in Haufen auf die Straße warfen, den Kindern zum Spielwerk, weil wir jede Minute neues bekommen konnten, – hätten wir da gedacht, jetzt zusammen keine vier Sous in der Tasche zu haben, abgesetzt, der Gage beraubt zu sein durch die schwammigen, seewässerigen, schwindsüchtelnden – VITRY. Bonbons, oder wie es heißt. Kenne den Namen nicht genau. – Doch höre! Der kleine Savoyarde.

SAVOYARDENKNABE mit Murmeltier und dem Dudelsack.

La marmotte, la marmotte,

Avec ci, avec là,

La marmotte ist da.

Von den Alpen –

Schläft im Winter, –

Wacht im Sommer, –

Und tanzt in Paris.

La marmotte, la marmotte,

Avec ci, avec là,

La marmotte ist da.

AUSRUFER BEI EINEM GUCKKASTEN. Meine Damen und meine Herren, hieher gefälligst. – Etwas Besseres als eine elende Marmotte, – die ganze Welt schauen Sie hier, wie sie rollt und lebt.

SAVOYARDENKNABE. Was schimpfst du mein Tierchen? Es ist wohl ebenso gut als dein Guckkasten –

Zu seinem Murmeltiere.

Armes Ding, siehst ordentlich betrübt aus, – der grobe Mensch hat dich beleidigt – O mein Schätzchen, freue dich, sei wieder munter, – niemand glaubt dem Schimpfen – ich gebe dir auch zwei dicke, süße Wurzeln zu Mittag. Nur wieder munter!

AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Sieh da, Zuschauer! – Willkommen! – Erlaubnis, daß ich erst die Gläser abwische – So – Treten Sie vor. – Da schauen Sie die große Schlacht an der Moskwa – Hier Bonaparte – CHASSECOEUR. Napoleon heißt es!

AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. – Bonaparte auf weißem Schimmel –

CHASSECOEUR. Du lügst! Der Kaiser war zu Fuß und kommandierte aus der Ferne. Ich hielt keine zwölf Schritt von ihm als Ordonnanz.

AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Und da, meine Herren und Damen, erblicken Sie den großen, edlen Feldmarschall Kutusow – CHASSECOEUR. Die alte Schlafmütze, die den Löwen zu fangen verstand, aber nicht zu halten wußte. Hätt er mit seinen Leuten jeden Tag nur viertausend Schritt mehr gemacht, so kam kein Franzose aus Rußland.

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Und hier schauen Sie den Übergang über die Beresina!

VITRY. Eh, da schlug ich ja die Pontons mit auf!

CHASSECOEUR. Beresina! Eis und Todesschauer! – Da war ich auch – Laß doch sehen!

Er tritt an ein Glas des Guckkastens.

Mein Gott, wie erbärmlich! – Vitry, guck einmal!

VITRY. Ich gucke. Dummes Zeug. Ich hatte damals nichts im Leibe und stand drei Fuß tief im Wasser, unter herüberfliegendem feindlichen Kanonenhagel. Du gabst mir einen Schnaps – CHASSECOEUR. Es war mein vorletzter –

VITRY. Wie albern hier – weder Pioniere, Gardisten, Linie sind zu unterscheiden – Und wie wenig Leichen und Verwundete!

CHASSECOEUR zum Ausrufer. Mann, kannst du Frost, Hunger, Durst und Geschrei malen?

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Nein, mein Herr.

CHASSECOEUR. So ist das Malerhandwerk Lumperei.

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Ah, und da sehen Sie die so braven, aber jetzt geschlagenen Franzosen über die Beresina flüchten.

VITRY. Mein Herr und Freund, die Schläge, die wir damals erhielten, will ich sämtlich auf meinen Rücken nehmen, ohne daß er davon blau wird.

CHASSECOEUR. Recht, Vitry! – Wir, nur achttausend Mann, umstellt wie ein Wildbret, schlugen uns durch sechzigtausend Schufte, und entkamen.

VITRY. Und das nannten sie Sieg!

CHASSECOEUR. Die armen russischen Teufel wissen wohl nicht, was ein rechter Sieg ist.

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Und hier, meine Damen und Herren, die große Völkerschlacht bei Leipzig – Schauen Sie: da die bemooseten grauen Türme der alten Stadt, – da die alte Garde zu Fuß, voran der Tambourmajor, mit dem großen Stab, wie er ihn todverhöhnend lustig in die Luft wirft, – hier die alte Garde zu Pferde, im gelben Kornfelde haltend, wie ein Pfeil, der abgeschossen werden soll. – Dort die braven Linientruppen schon im Gefechte. Hier die preußischen Jäger mit den kurzen Flügelhörnern – VITRY UND CHASSECOEUR. O Preußen und Patronen!

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. – und da im Regen, unter dem Galgen, den er verdient, der Blutsauger, der jämmerliche korsische Edelmann, jetzt entflohen vor dem gerechten Zorne seines rechtmäßigen Fürsten, Ludwigs des Achtzehnten, der meuchelmördrische Bonaparte – VITRY. Wer sagt das?

CHASSECOEUR. Schurke, mehr wert war Er, als alle deine Ludwigs, – wenigstens zahlte er den vollen Sold.

VITRY. Den Kaiser laß ich nicht beschimpfen! Entzwei den Guckkasten!

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Hülfe! Hülfe! – Konspiration! – Gensd’armes! – Man spricht hier von Kaisern!

VITRY. Ja, und die Könige zittern!

PÖBEL kommt. Kaiser, Kaiser, – ist er wieder da?

DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Was weiß ich. Meinen Kasten haben sie mir in Stücken geschlagen. Er kostet funfzig Franks.

VITRY. Bitte die Angoulême, daß sie ihn dir bezahlt. – Hier ist deines Bleibens nicht mehr.

DAS VOLK auf den Ausrufer losdringend. Der Lump – Zerreißt ihn –

EIN GENSD’ARMES kommt. Guckkastenkerl, fort mit dir, – du veranlassest Aufruhr – DER AUSRUFER BEI DEM GUCKKASTEN. Ich lobe den König.

DER GENSD’ARMES. Darum brauchst du andre nicht zu schimpfen – Fort!

DAS VOLK. Herrlich! Es lebe die Gensd’armerie!

EIN ALTER OFFIZIER IN ZIVILTRACHT. Chassecoeur.

CHASSECOEUR. Die Stimme kenn ich von den Pyramiden her, als wir da unser Trikolor hoch über Kairos Minaretts aufpflanzten, und der Nil zu unsern Füßen rollte. – Mein Hauptmann, seit Ägypten sah ich dich nicht.

DER ALTE OFFIZIER. Ich focht während der Zeit bald in St. Domingo, bald in Deutschland, dann bei Cattaro, dann in Schwedisch Pommern, und zuletzt bei Riga und Montereau.

CHASSECOEUR. Na, ich war die Zeit über meistens in Österreich, Italien und Spanien, zuletzt in Rußland und Deutschland. Und bei Montereau kämpft’ ich auch, vielleicht in deiner Nähe.

DER ALTE OFFIZIER. Chassecoeur, wir haben beide eine schlechte Karriere gemacht, – ich bin Hauptmann geblieben, du, wie’s scheint, Gemeiner. Und nun sind wir überdem des Dienstes entlassen.

CHASSECOEUR. Wahr – du und ich könnten so gut als Marschälle figurieren, wie die verräterischen Schurken, der Augereau und der Marmont, vielleicht Kaiser dazu sein, wie der Napoleon.

VITRY. La la! Den einen trägt, den andern ersäuft die Woge des Geschicks. Das Herz nur frisch, es ist die Fischblase, und hebt uns, wenn wir wollen, bis wir krepieren, sei es so oder so.

Zu einer vorübergehenden Dirne.

Einen Kuß, mein Kind!

DER ALTE OFFIZIER. Was verwahrst du an der Brust? Ist es etwas zu essen, Chassecoeur? Gib mir davon.

CHASSECOEUR. Hauptmann, ich eß es nicht und doch macht es mich bisweilen satt und dich vielleicht auch.

VITRY. Nun geht es los mit seinen verwünschten Phrasen, und sie rühren mich doch.

CHASSECOEUR. Es ist ein Adler der Garde, von mir gerettet, als er unter tausend Leichen hinsinken wollte bei Leipzigs Elsterbrücke. Und – sonst hole mich der Satan! (wenn es einen gibt) die Sonne kommt zurück, zu der er wieder auffliegt.

DER ALTE OFFIZIER. Ich glaub es auch: jetzt ist es zwar Nacht, und die Toren wähnen, das Licht bliebe aus. Aber so wenig wie die Sonne dort oben, kann eine Größe wie die Seinige untergehen, und Er kommt wieder.

VITRY. Das wäre! Hier werf ich meine letzten Sous in die Luft! Es lebe – Doch still –

Er hält sich die Hand auf den Mund.

CHASSECOEUR. Deine paar Sous konntest du sparen. Was hilft es uns, daß der Kaiser zurückkommt, wenn wir unterdes verhungert sind?

DER ALTE OFFIZIER. Wer ist der Mann, Kamerad?

CHASSECOEUR. Von der jungen Garde zu Fuß, drittes Regiment, zweite Kompanie, heißt Philipp Vitry, und denkt wie ich.

DER ALTE OFFIZIER. Er scheint sehr lustig, ungeachtet seines Elends.

VITRY. Das bin ich, mein Herr. Jetzt gehts schlecht. Aber gibts künftig Gelegenheit, so habe ich zwei Hände zum Losschlagen, und gibts keine, habe ich zwei Füße zum Tanzen.

Kommt das Weh,

Scheuch’s mit Juchhe,

Schlag den König am Morgen tot,

Denke des Kaisers beim Abendbrot!

Chassecoeur, laß dich umarmen!

CHASSECOEUR. Ach, laß die ewigen Narrenteidungen! – Der springt und lacht, und mir krümmen sich die Finger vor Wut in die flache Hand, als wären sie zehn getretene Würmer und mir knirschen die Zähne nach – Die Angoulême mag sich nach ihren Pfaffen umsehen, kommt sie in meinen Bereich – DER ALTE OFFIZIER. Kamerad, hoffe –

CHASSECOEUR. Würge! Alles Lumpenzeug, so weit wir uns umsehen.

DER ALTE OFFIZIER. Auch die sechstausend verabschiedeten Offiziere der großen Armee, die sich gleich uns unter diesem Haufen herumtreiben?

CHASSECOEUR. Nein. Ich sehe und schätze sie wohl. Aber daß auch sie sich so lumpen lassen müssen! – Sieh, der da ist einer – und zwar von den Ingrimmigen, nicht still und traurig wie du – DER ALTE OFFIZIER. Freund, ich habe Familie –

CHASSECOEUR. Ja so – Doch der da hat keine. – Am abgetragenen, faserigen Überrock, den er so zornig schüttelt, an den alten Militärkamaschen, mit denen er auftritt, als ging es über Leichen, und dem blutdunkelnden Auge erkennt man ihn mitten in dem Hefen des vornehmen und niedrigen Gesindels, eines so schlecht als das andere. Tod und Hölle, der ist von anderem Stahl als die neuen königlichen Haustruppen, vor denen jetzt Sieger von Marengo das Gewehr präsentieren müssen. Der lief nicht den Bourbons nach, als sie wegliefen – Geschmiedet ist er in den Batteriefeuern von Austerlitz oder Borodino!

VITRY. Bruder, welch ein Tag, als unsere Lanzenreiter durch die östlichen Tore von Moskau auf den Wegen nach Asien hinsprengten!

CHASSECOEUR. Ja, da konnte man noch denken in den Schatzgewölben und Harems von Persien, China und Ostindien zu schwelgen! Ach, es kommt einem jetzt auf der Welt so erbärmlich vor, als wäre man schon sechsmal dagewesen und sechsmal gerädert worden.

Die Emigranten Marquis Hauterive und Herr von Villeneuve kommen.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Nicht mehr das alte Palais Royal, mein Teurer. Alles anders – VITRY. Und darum auch wohl schlechter?

MARQUIS VON HAUTERIVE nach einigem Bedenken mit verachtender Miene antwortend. Ja, mein Freund, – schlechter.

Zu dem Herrn von Villeneuve, mit dem er etwas weiter zur Seite tritt.

Was der Pöbel frech geworden ist.

HERR VON VILLENEUVE. Er soll schon wieder werden wie sonst, bei meinem Degen.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Es wird schwerhalten. Denn, Herr von Villeneuve, sollte man nicht glauben die Welt wäre seit den achtziger Jahren untergegangen? Es gibt nicht nur am Hofe bürgerliche Dames d’atour, sondern sie sollen auch wagen, sogar in Gegenwart des Königs sich auf die Taburetts zu setzen!

HERR VON VILLENEUVE. Schändlich, entsetzlich! Bei Gott, wäre Ludwig der Achtzehnte nicht mein angeborener König, ich könnt ihn wegen seiner schwächlichen Nachgiebigkeit auf dieses Schwert fodern. Doch die Sache wird, muß Verleumdung sein, von Antiroyalisten ausgesponnen, um den König zu erniedrigen.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Und, Herr von Villeneuve, was sagen Sie zu den neugebackenen Fürsten, Herzogen und ihren Gemahlinnen, besonders zu der Frau des Ney, sogenannten Fürstin von der Moskwa?

HERR VON VILLENEUVE. Ich achte sie des Wortes nicht wert.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Welche geschmacklose Kleidung, welches dummdreiste Benehmen, welche wüste Konversation, welche Arroganz! – Weiß denn die Person nicht, daß wir recht wohl wissen, daß sie eine Bäckerstochter ist?

HERR VON VILLENEUVE. Mein Herr Marquis, das kommt alles davon her, daß die hochselige Marie Antoinette zu herablassend mit der Kanaille umging und den König zum selben Benehmen verleitete. Nie etwas Gutes aus Österreich für Frankreich!

MARQUIS VON HAUTERIVE. Ach, die gute alte Zeit – die damaligen eleganten, zierlichen Salons – Nun überschwemmt von dem gemeinen Vieh!

HERR VON VILLENEUVE. Es muß anders, anders, und es soll anders werden, Marquis, bei meinem Wappen. Schurken haben uns alle unsere alten Rechte und Güter geraubt, – jedes Gericht muß uns unser Eigentum wieder zuerkennen, denn wir haben ihm nie entsagt – – Denken Sie, mein Herr, mein so hübscher Landsitz, la Merveille bei Tours, an dem die Loire so lieblich sich hinschlängelt, in dessen Taxusgängen wir beide so oft mit den Damen der Nachbarschaft uns im freundlichen Herbste von 1783 bis zum schwindenden Abendrot ergötzten, in dem ich schon als Kind stets die erste Blume des Frühlings für Adelaide, Vicomtesse von Clary brach, meiner toten aber nimmer vergessenen Geliebten, – gehört jetzt einem filzigen Fabrikherrn! Niedergerissen sind die hohen Hecken, Dampfmaschinen brausen in den Gewächshäusern und Kartoffeln haben sich an die Stelle der kostbaren Tulpenzwiebeln von Harlem gedrängt!

MARQUIS VON HAUTERIVE. Nun, Blacas d’Aulps und die Angoulême werden uns schon helfen und –

Hauterive und Villeneuve gehen weiter.

VITRY deutet ihnen nach. Die beiden Emigranten! Welche Rockschöße, welche Backentaschen, welche altfränkische Mienen und Gedanken, welche Gespenster aus der guten, alten und sehr dummen Zeit!

DER ALTE OFFIZIER. Von der Revolution mit ihren blutigen Jahren wissen sie nichts, Philipp Vitry, – das ist vorüber, sie aber sind geblieben, wie bisweilen der Bergstrom verbraust und das Gräslein bleibt, und vielleicht darum sich für stärker hält, als die Fluten, welche es eben noch überschütteten und die Ufer auseinanderrissen. Nicht einen Strohhalm weit sind sie aus sich und ihrem stolzen Wahn herausgegangen, und Ludwig der Achtzehnte selbst datiert ja seine Regierung seit fünfundzwanzig Jahren – CHASSECOEUR. Was zum Totlachen ist! – Als er regiert haben will, schossen wir in Vincennes auf obrigkeitlichen Befehl seinen Vetter und Helfershelfer, den Enghien, tot und ich selbst band ihm, da es Nacht war, die Laterne vor die Brust, um besser zu zielen.

DER ALTE OFFIZIER. O daß ich so alt geworden und nicht in einer Schlacht gefallen bin, ehe die Bourbons in Paris einzogen.

Zu einer Stuhlvermieterin.

Dame, darf ich mich niedersetzen? Meine Füße sind sehr müde, ich kann aber nicht für den Sitz zahlen.

DIE STUHLVERMIETERIN. Ich seh Ihnen an, Sie sind ein Offizier der Großen Armee. Gebieten Sie über meine Stühle nach Belieben.

ZEITUNGSAUSRUFER. Was Wichtiges! Wichtiges! Vom Palais Bourbon, aus der Deputiertenkammer! Hier die Journale!

VIELE STIMMEN. Her damit – Lies sie vor!

EINE ALTE PUTZHÄNDLERIN. Nein, hieher Ausrufer, – hieher – Deine wichtige Nachricht gehört an diesen Tisch!

ZEITUNGSAUSRUFER. An das morsche, alte Brett?

DIE ALTE PUTZHÄNDLERIN. Respekt vor ihm, Mann! Der Tisch ist klassisch – Auf diesem Fleck fiel zuerst das Fünkchen, welches die Welt entzündete. Hier saß ich am zwölften Juli des Jahres siebenzehnhundertneunundachtzig, nachmittags gegen halb vier Uhr, an einem sonnigen Tage, und selbst noch jung und heiter verkaufte ich einem fröhlichen Bräutchen aus St. Marceau einige Spitzen. Wir scherzten über den Preis und dachten an nichts als den Hochzeittag. Da kam ein Mann mit wild flutenden Locken, brennenden Augen, herzzerschmetternder Stimme – es war Camille Desmoulins, – die Tränen rannen ihm aus den Augen, zwei Pistolen riß er aus der Tasche und rief: Necker hat den Abschied, eine Bartholomäusnacht ist wieder da, nehmt Waffen und wählt Kokarden, daß wir einander erkennen. Und seitdem ist er, sind der gewaltige Danton, der erhabene Hérault de Séchelles, der schreckliche Robespierre unter dem Messer der Guillotine gefallen, seitdem hat der Kaiser über der Erde geleuchtet, daß man vor dem Glanze die Hand vor die Augen hielt, und ist doch dahingeschwunden wie ein Irrwisch, drei meiner Söhne sind seitdem in den Schlachten geblieben, – viel, viel Blut und unzählige Seufzer hat mir die Revolution gekostet, aber sie ist mir um so teurer geworden und an diesem Tische lies die wichtigen Zeitungen! – Das ist ja jetzt mein letztes einziges Vergnügen!

VOLK. Ja, braves Mütterchen, an deinem Tische soll er sie lesen!

VITRY. Das soll er! Der Augenblick vom zwölften Juli 1789, nachmittags halb vier Uhr, an diesem Tische erlebt, war mehr wert, als die Jahrhunderte, die ihn vielleicht verderben!

ZEITUNGSAUSRUFER. Nicht nötig, daß ich hier lese, meine Herren, – da kommt einer, der es euch deutlich genug sagen wird.

ADVOKAT DUCHESNE stürmt durch die Menge an den Tisch der Putzhändlerin. Hört, hört, und nehmet euch in acht, daß ich euch nicht mit meiner Nachricht die Ohren zersprenge! Alles, alles wird bedroht, die dummsten frechsten Hände greifen dreist in die Speichen des Schicksalrades – In der Deputiertenkammer geschehen vom Ministerium Anträge gegen die Käufer der Nationalgüter – VOLK. Ha!

CHASSECOEUR lacht. Gehts denen auch nicht besser als uns? Eh!

DUCHESNE. Klöster sind wieder da, die Ächtung aller Heroen der Revolution ist im Werke, Leibeigenschaft wird darauf folgen –

Marquis von Hauterive und Herr von Villeneuve sind wieder nähergetreten.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Nun, mein Herr, das wäre alles noch so übel nicht.

HERR VON VILLENEUVE. Das mein ich wahrlich auch.

VOLK. Was? »So übel nicht?« »Das mein ich auch?« Zu Boden die altadligen Schurken, die dummstolzen Feiglinge!

HERR VON VILLENEUVE. Dumm, das mag sein – stolz sind wir gewiß – Feiglinge aber zeugte Frankreichs Adel nimmer. – Probiert das an uns – – Zücken wir die Degen, Marquis, und lassen Sie uns untergehen wie Männer.

MARQUIS VON HAUTERIVE. Mit Freuden – Für Gott, für meinen König und mein Recht!

HERR VON VILLENEUVE. Und für die Damen unserer Jugend!

VITRY. Jetzt wohl alte Schachteln!

HERR VON VILLENEUVE. Schurke, du hast dir den Tod an den Hals gesprochen.

Er will den Vitry durchbohren.

VITRY. Ich glaub es nicht – Dir aber und deinem Freunde will ich den Hals retten.

Er entwaffnet ihn und den Marquis.

CHASSECOEUR. Vitry, sei kein Narr – Laß mich den Hunden »Marquis und Herr von« im Gedränge eins unter die Rippen geben – Niemand merkt es und sie sollen verrecken.

VITRY. Nein, die Kerle mögen schlecht sein, aber sie haben Courage – Die schätz ich überall – Hoch lebe der Mut, auch bei französischen Emigranten!

VOLK. Er lebe!

HERR VON VILLENEUVE zum Marquis von Hauterive, indem er mit ihm entfernt wird. Wer sollt es glauben, Marquis, daß gemeines Volk doch noch so viel Gefühl für Mut und Ehre haben könnte?

MARQUIS VON HAUTERIVE. Ach, es ist mehr augenblickliche Aufwallung als echtes Gefühl.