Narration in der Krise: Zum Wandel des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatsdiskurses in Schweden - Christoph Hoeft - E-Book

Narration in der Krise: Zum Wandel des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaatsdiskurses in Schweden E-Book

Christoph Hoeft

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Beschreibung

Der schwedische Wohlfahrtsstaat gilt noch immer als Paradebeispiel für sozialdemokratische Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft, sein Aufbau und seine Entwicklung sind aufs Engste mit der Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Schwedens (SAP) verbunden und bildeten über Jahrzehnte das Fundament ihrer politischen Dominanz. Doch mittlerweile sind sowohl die Partei als auch ihr Werk in die Krise geraten. Verzweifelt sucht die SAP nach einer Vision, mit der sie die Menschen erreichen und begeistern kann. Aber wie kann eine solche aus-sehen? Welche Ideen und Vorstellungen sollten mit¬hil-fe des Wohlfahrtsstaates umgesetzt werden, und wie wur¬de auf seine Krisen und Herausforderungen re-agiert? Christoph Hoeft erzählt die Geschichte der schwedischen Sozialdemokratie über vier Jahrzehnte anhand ihrer Vorstellungen vom Wohlfahrtsstaat. Dabei zeichnet er ein detailliertes Portrait dieser Partei, das den Blick nicht nur auf Schwierigkeiten und Hindernisse lenkt, sondern auch Hoffnungen und Möglichkeiten zeigt.

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Seitenzahl: 423

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ibidem-Verlag, Stuttgart

Inhaltsverzeichnis

Vorwort:Von Sinnstiftungen, Leitbildern und Visionen.Umbauarbeiten amsozialdemokratischen Projekt
Europaweiter Diskurs und britische Vorreiterrolle
Der Dritte Weg in der Krise
Renaissance des „rheinischen Kapitalismus“?
Korrekturen am Detail, oder: das befremdliche Überleben des Dritten Weges
Stillgelegte Grundlagenabteilungen
Das Leitbild Kommunitarismus
Fortschritt, Arbeit, Gleichheit
„Blue Labour“ und die „Good Society“
Göttinger Junge Forschung
Einleitung
Diskurse und Narrationen
Zwischen Klassenkampf und Volksheim: Der schwedische Wohlfahrtsstaat und die SAP
Kritik und Radikalisierung
Das Ende der „Goldenen Ära“
„Auf zum nächsten Schritt“
Der Starke Staat
Die Aktanten-Struktur: Von strahlenden Helden und finsteren Schurken
Niederlage und Neubeginn?Der „Dritte Weg“ als Reaktion auf die Wahl 1976
Oppositionserfahrungen und „Dritter Weg“
„Es gab keine andere Möglichkeit“
Alternativlos gegen die Krise
Der Krieg der Rosen
Die Aktanten-Struktur: Neue Herausforderungen
Neoliberalisierung oder Rückkehr zum sozialdemokratischen Kern? Reaktionen auf die Wahl 1991
Ein Schritt in das nächste Jahrhundert
„Glaubt nicht, dass die Zeit der Veränderungen vorbei ist“
Zurück an der Macht
Neues Selbstbewusstsein
Die Aktanten-Struktur: Auf der Suche nach der alten Stärke
Ausblick und Fazit: Neue Herausforderungen
Die Niederlage 2006
Schlussgedanken
Literaturverzeichnis
Monografien und Aufsätze
Quellen
Danksagung

Vorwort:Von Sinnstiftungen,Leitbildern und Visionen.Umbauarbeiten amsozialdemokratischen Projekt

Robert Lorenz / Matthias Micus

Der Wunsch, eine kohärente, integrierende und mobilisierende programmatische Erzählung zu besitzen,dieSinn stiftet und die oftmals erratisch anmutenden Entscheidungen der Tagespolitik begründet, einbettet und verbindet, ist in sozialdemokratischen Kreisen traditionell weit verbreitet– wenngleich dieser Selbstanspruch in den letzten drei Jahrzehnten zwischenzeitlich zugunsten der Vorstellung verdrängt schien, eine Partei habe vor allem eine professionelle, undogmatische Anbieterin von Servicedienstleistungen zu sein.

Seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise erleben Anstrengungen, eine zeitgemäße Definition des eigenen politischen Ideenkerns auszubuchstabieren, in den europäischen Schwesterparteien der sozialdemokratischen Parteifamilie ein Revival. Einerseits, weil der Zusammenbruch des entfesselten Finanzkapitalismus das Unbehagen an einem unregulierten Kapitalismus drastisch verstärkt hat. Andererseits ließen sich am Ausgang des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts die fortschreitenden Ämter- und Wählerrückgänge nicht mehr ignorieren, desgleichen die Einbußen bei der politischen Themensetzung. Zu offensichtlich war die europaweite Verlustbilanz der nationalen sozialdemokratischen Parteien in allen Bereichen des „office seeking“, „vote seeking“ und „policy seeking“ geworden.[1]Während etwa Ende der 1990er Jahre elf von damals noch 15 Ländernder Europäischen Union von Sozialdemokraten regiert wurden, galt dies 2010 nur noch für deren fünf, jetzt wohlgemerkt in einer auf 27 Mitgliedsstaaten erweiterten EU.

Europaweiter Diskurs und britische Vorreiterrolle

Insofern beschäftigt sich Christoph Hoeft in seinem hier vorliegenden Buch mit einem brisanten und hochaktuellen Thema, wenn er den Wandel des Ideenhaushalts und Gesellschaftsbildes der Arbeiterpartei Schwedens (SAP) beschreibt; und anhand der sozialdemokratischen Erzählung vom Wohlfahrtsstaat der Frage nachgeht, wie sich in den letzten Dekaden – und insbesondere in der Zeit seit dem sogenannten „Dritten Weg“ – die Wertesysteme, Zukunftsentwürfe und Deutungshorizonte der langjährigen schwedischen Hegemonialpartei verschoben haben.[2]

Wasder Autorfür Schweden beschreibt, gilt allgemein für die sozialdemokratischen Parteien in Europa, mindestens in seinen westlichen, südwestlichen und nördlichen Teilen. So sehr von verschiedenen Autoren nationale kulturelle und institutionelle Besonderheiten und Pfadabhängigkeiten ins Feld geführt worden sind, um (Detail-)Differenzen zwischen den verschiedenen Länderparteien in ihrer Entwicklung in den vergangenen zwanzigJahren zu betonen, so sehr stimmen die meisten Beobachter und Interpretendochdarin überein, dass es gleichwohl die kongruente (Gesamt-)Entwicklung eines gemeinsamen „Dritten Weges“ gegeben hat. So spricht Donald Sassoon bezüglich der 1990er Jahre von einer „unprecedented, Europe-wide convergence of the parties of the Left“.[3]Auch Frank Vandenbroucke und Franz Walter postulieren eine Art Konvergenzprinzip, demzufolge erfolgreich angewandte Politikmodelle und durch Wahlerfolge geadelte inhaltliche Vorstellungen von anderen Länderparteien kopiert wurden.[4]Roland Sturm und Gerhard Hirscher wiederum verorten diese Entwicklung auf drei Ebenen: einer modernisierten Wahlkampfführung, programmatischen Neujustierungen und insbesondere einer durchaus neuartigen sozialdemokratischen Regierungspraxis.[5]

Ursprung und Vorbild des „Dritten Weges“, gewissermaßen der „Leuchtturm“ der sozialdemokratischen Modernisierer zum Ausgang des 20. Jahrhunderts, war zweifellos die britische Arbeitspartei. Der Wahlsieg Labours 1997, nach quälenden18Jahren der Oppositionszeit, war für Sozialdemokraten in ganz Europa ein Fanal, nachdem sie in den 1980er und zu Beginn der 1990er Jahre in vielen Ländern mit einem keynesianistischen und also staatsfixierten sowie nachfrageorientierten Wirtschaftskurs ins kulturelle Abseits zu geraten und den Anschluss an elementare Veränderungen bei der gesamtgesellschaftlichen Berufsstruktur wie auch bei den Interessen ihrer facharbeiterschaftlichen Stammklientel zu verlieren drohten.

Die Baisse der vorangegangenen anderthalb Jahrzehnte ebnete den Weg für eine moderne und bei Wahlen erfolgversprechende Neuausrichtung der sozialdemokratischen Landesparteien. Die Komponenten, mit denen – in unterschiedlicher Ausprägung, aber doch im Kern auf den gleichen Prämissen beruhend – eine solch zeitgemäße Selbstdefinition versucht wurde, waren europaweit ähnlich gelagert:Moderner und dynamischer sollte alles wirken, nicht auf vermeintlich überkommene und ökonomisch nach der Entzauberung des Keynesianismus nicht mehr tragfähige Konzepte einer umfassenden Umverteilung schielend, sondern auf Leistungsvermögen und Chancengerechtigkeit setzend, dies auf Kosten klassischer Staatsinterventionen. Der Empfang öffentlicher Leistungen wurde an ein gesteigertes Maß Eigenverantwortung und diverse Pflichten gekoppelt. Tony Blair – und in der Folge Gerhard Schröder – inszenierte seinen „Third Way“ als Korrektiv traditionssozialdemokratischer Starrheiten auf der einen und neoliberaler Übertreibungen unter Margaret Thatcher und Ronald Reagan auf der anderen Seite. Das Ganze garniert mit dem Versprechen, durch einen erfahrungsoffenen Pragmatismus keine erneuten Dogmen aufkommen zu lassen. Freilich: Der englische ebenso wie auch der deutsche Third Way waren letztendlich in ihrer Kombination aus politischer Idee, Parteivorstellung und Wahlvolkansprache ein „vollständiger Kotau vor den klassischen Interpretationen der ewigen Gegner der Sozialdemokraten“[6].

Fast sämtliche europäische Sozialdemokratien setzten in den 1990er Jahren – und beginnend teilweise bereits im Jahrzehnt davor – auf eine mehr oder weniger unkritische Akzeptanz der grundlegenden Funktionsweisen des bestehenden Wirtschaftssystems.[7]Dies geschah vor dem Hintergrund, dass man als sozialdemokratische Partei zum einen nicht mehr in der Lage war, mit den Wählerstimmen der Arbeiter und sozial Schwächeren Wahlen zu gewinnen, da der industrielle Sektor ebenso wie die Berufsgruppe der Arbeiter unaufhaltsam schrumpfte, wodurch die Industriearbeiterschaft von zwei Seiten her erodierte. Zum anderen drohte die programmatische Konzentration auf die defensive Abwehr kapitalistischer D

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