Narzisstische Störung - Claas-Hinrich Lammers - E-Book

Narzisstische Störung E-Book

Claas-Hinrich Lammers

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Beschreibung

Narzisstische Patient:innen sind bei Therapeut:innen nicht nur unbeliebt, sondern sehen sich häufig auch mit einem unzureichend auf ihre Störung ausgerichteten Therapieangebot konfrontiert. Nicht selten kommt es zu einem schwierigen Therapieverlauf oder gar einem frühzeitigen Therapieabbruch. Dabei kann gerade die Arbeit mit diesen schwierigen Patient:innen nicht nur erfolgreich, sondern auch interessant und befriedigend sein, wenn Therapeut:innen über das notwendige Wissen und die praktischen Kompetenzen im Umgang mit ihnen verfügen. Der Band bringt die wesentlichen Aspekte der Therapie auf den Punkt und gibt Antworten auf die häufigsten Fragen und Probleme. Zum tieferen Verständnis der narzisstischen Erlebnis- und Verhaltensweisen werden zunächst zentrale Aspekte der narzisstischen Selbstwertregulation erläutert, welche von grundlegender Bedeutung für die therapeutischen Interventionen sind. Da viele Therapieversuche an der schwierigen Beziehungsgestaltung mit den Patient:innen scheitern, vermittelt das Buch spezifische Beziehungskonzepte, die einerseits die Bereitschaft der Patient:innen zur Zusammenarbeit unterstützen sollen, andererseits aber auch der direkten Bearbeitung ihres narzisstischen Konfliktes in der therapeutischen Beziehung dienen. Weiterhin stellt der Band spezifische Techniken vor, wie z.B. die Arbeit an dysfunktionalen Schemata, die Analyse und Bearbeitung interaktioneller Konflikte, das Training von Empathie und kommunikativen Fertigkeiten sowie den Aufbau prosozialer Verhaltensweisen. Schließlich wird die Arbeit an dem häufig vorhandenen Gefühl der inneren Leere und Sinnlosigkeit thematisiert, dem mit Ansätzen der existenziellen Psychotherapie begegnet werden kann.

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Claas-Hinrich Lammers

Narzisstische Störung

Fortschritte der Psychotherapie

Band 90

Narzisstische Störung

Claas-Hinrich Lammers

Die Reihe wird herausgegeben von:

Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Tania Lincoln, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief, Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier

Die Reihe wurde begründet von:

Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl

Prof. Dr. med. Claas-Hinrich Lammers, geb. 1962. 1983–1990 Studium der Medizin in Hamburg. 1990 Promotion. 1990–1992 Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. 1992–1994 Centre Paul Broca, l’INSERM, Paris, Frankreich. 1994–1996 Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. 1996–1999 Genetic Pharmacology Unit, Experimental Therapeutic Branch, NINDS, NIH, Bethesda, USA. 1992 Habilitation. 1999–2000 Klinik für Neurologie, Phillips-Universität, Marburg. 2000–2001 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Medizinische Hochschule zu Lübeck. 2001–2006 Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Charité Berlin. Seit 2006 Ärztlicher Direktor und Chefarzt der I. Klinik für Affektive Störungen und der III. Klinik für Akutpsychiatrie und Psychose, Asklepios Klinik Nord-Ochsenzoll, Hamburg.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Fax +49 551 999 50 111

[email protected]

www.hogrefe.de

Satz: Matthias Lenke, Weimar

Format: EPUB

1. Auflage 2023

© 2023 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-3206-9; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-3206-0)

ISBN 978-3-8017-3206-6

https://doi.org/10.1026/03206-000

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1  Beschreibung der Störung

1.1  Historische Entwicklung und aktuelle Verwendung des Begriffes

1.2  Der klinisch relevante Narzissmus

1.2.1  Scham, Ärger, Wut, Neid

1.2.2  Innere Leere, Langeweile und Sinnlosigkeit

1.2.3  Suizidalität

1.2.4  Grandioser und vulnerabler Narzissmus

1.2.5  Maligner Narzissmus

1.3  Diagnostische Kriterien der narzisstischen Persönlichkeitsstörung

1.4  Epidemiologische Daten

1.5  Verlauf und Prognose

1.6  Differenzialdiagnosen

1.7  Komorbidität

1.8  Diagnostische Verfahren und Dokumentationshilfen

2  Störungstheorien und Entstehungsmodelle

2.1  Neurobiologie

2.2  Soziale Einflussfaktoren

2.3  Psychologische Erklärungsmodelle

2.3.1  Empathiearme, invalidierende, vernachlässigende Eltern

2.3.2  Idealisierung, Bewunderung und Verwöhnung

2.4  Handlungs- und Selbstwertregulation

2.5  Schematheoretisches Konzept

3  Diagnostik und Indikation

3.1  Allgemeine Gesprächs- und Beziehungsaspekte

3.2  Eingangsdiagnostik

3.3  Ausführliche Exploration der Symptomatik

3.4  Indikation

4  Behandlung und Interventionen

4.1  Therapeutische Beziehungsgestaltung

4.1.1  Therapeutische Allianz

4.1.2  Kooperative Beziehung

4.1.3  Komplementäre Beziehungsgestaltung

4.1.4  Empathische Konfrontation

4.1.5  Kontingente persönliche Rückmeldung

4.1.6  Therapeutische Selbstenthüllung

4.1.7  Umgang mit Beziehungstests

4.1.8  Therapeutische Arbeit mit der Übertragung

4.2  Krisenintervention und Bearbeitung aktueller Konflikte

4.3  Schemaarbeit

4.3.1  Schemaklärung

4.3.2  Schemabearbeitung

4.3.3  Arbeit an Grundannahmen und primären Emotionen

4.3.4  Arbeit an den bedingten Annahmen

4.3.5  Arbeit am Verhalten

4.4  Interaktionelle Arbeit

4.4.1  Interaktionsanalyse

4.4.2  Training der kognitiven Empathie

4.4.3  Soziales Kompetenztraining (SKT)

4.5  Reduktion der Anspruchshaltung und Förderung der Leistungsfähigkeit

4.6  Förderung intrinsisch motivierter Interessen

4.6.1  Die Klärung der Identitätsdiffusion

4.6.2  Reduktion des Ablenkungs- und Vermeidungsverhaltens

4.6.3  Die Suche nach intrinsisch motivierten Interessen und Hobbys

4.7  Existenzielle Perspektive

5  Effektivität und Prognose

5.1  Empirische Evidenzen

5.2  Gescheiterte und erfolglose narzisstische Patient:innen

6  Probleme bei der Durchführung

6.1  Individuelle Gestaltung des Therapieangebotes

6.2  Persönliche Reaktion der:des Therapeut:in

6.3  Mangelnde Motivation, Krisen und Therapieabbruch

6.4  Lügen

6.5  Grenzüberschreitendes Verhalten

6.6  Einbezug der:des Partner:in

7  Weiterführende Literatur

8  Literatur

9  Kompetenzziele und Lernkontrollfragen

Karten

Fallkonzepte

Fragen für die Erstuntersuchung (Stunde 1 bis 4)

Hinweise zu den Karten

|1|1  Beschreibung der Störung

Patient:innen mit einer narzisstischen Störung gelten nicht zu Unrecht als schwer therapierbar und werden von nicht wenigen Therapeut:innen offen oder verdeckt abgelehnt. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass typische narzisstische Persönlichkeitseigenschaften (das sogenannte grandiose Selbst) wie Arroganz, Selbstidealisierung, konkurrierendes Verhalten, Streben nach Dominanz sowie Empathiearmut, kaum Sympathie und Mitgefühl wachrufen. Wenn man sich jedoch auf narzisstische Patient:innen einlässt, wird man eine ganz andere Seite von ihnen kennenlernen, eine verletzliche, unsichere und bedürftige Seite, welche auch als vulnerables Selbst bezeichnet wird. Dieses vulnerable Selbst und das Leiden an vielfältigen Konflikten mit anderen Menschen beziehungsweise dem Scheitern privater und beruflicher Lebensentwürfe wird bei Therapeut:innen mit der Zeit die notwendige Sympathie und auch Mitgefühl aufkommen lassen. Dies ist die Grundlage, um mit narzisstischen Patient:innen erfolgreich zusammenzuarbeiten. Aber natürlich bedarf es auch einer genauen Kenntnis der Entstehungs- und Bedingungsfaktoren der narzisstischen Störung im Sinne der pathologischen Selbstwertregulation, eines Wissens um psychotherapeutische Techniken und Strategien sowie insbesondere spezifischer Kompetenzen in der Beziehungsgestaltung. Dieses Buch soll eine Übersicht dieser Aspekte geben und Therapeut:innen zur Arbeit mit narzisstischen Patient:innen ermutigen.

1.1  Historische Entwicklung und aktuelle Verwendung des Begriffes

Der Begriff Narzissmus als Bezeichnung für selbstbezogene und selbstüberschätzende Persönlichkeitseigenschaften wurde erstmals 1898 von Havelock Ellis für einen Mann mit ausgeprägten autoerotischen Verhaltensweisen benutzt. Im Anschluss an Ellis verknüpfte Otto Rank diesen Begriff mit der Funktion grandioser Selbstanteile als Abwehrstrategie gegen problematische bzw. konfliktäre Selbstanteile (was heutzutage als vulnerables Selbst bezeichnet wird). Sigmund Freud schließlich verwendete den Begriff des Narzissmus für eine Phase der normalen kindlichen Entwicklung vom Autoerotismus zur Objektliebe, wobei er narzisstische Eigenschaften als dimensionales Konzept mit normalen und krankhaften Ausprägungen verstand.

|2|Dieses dimensionale Konzept des Narzissmus als eine Variante der hohen Selbstwertschätzung, welches aber erst ab einer gewissen Ausprägung als problematisch oder sogar als gestört bezeichnet werden kann, hat sich bis in die Gegenwart gehalten.

In der Folge waren es Otto Kernberg (1978) und Heinz Kohut (1976), welche weiterführende Definitionen sowie ätiopathogenetische und psychotherapeutische Konzepte zum Narzissmus entwickelten. Sie subsumierten unter diesem Begriff Patient:innen, die u. a. ein Muster von eigener Großartigkeit und Selbstidealisierung haben, ein übermäßiges Bedürfnis nach Bewunderung durch andere Menschen aufweisen, im Kontakt häufig arrogant und überheblich sind und einen Mangel an Einfühlungsvermögen (Empathie) in andere Personen aufweisen. Kohut war der Erste, der dann im Verlauf von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) sprach. Er und Kernberg legten die Grundlagen für die spätere Konzeption der NPS im amerikanischen Diagnostic and Statistical Manual (DSM-III; American Psychiatric Association [APA], 1980), wodurch diese sich als eine klinisch zu diagnostizierende Störung einbürgerte. Mittlerweile wird inoffiziell dieser grandiose Typ der NPS von einem vulnerablen Typ unterschieden. Während beim grandiosen Typ die narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften deutlich nach außen sichtbar sind, verbergen sich diese Eigenschaften beim vulnerablen Typ hinter einer auf den ersten Blick unauffälligen bzw. mitunter sogar selbstunsicheren Fassade (vgl. Kap. 1.2.4).

Die Sozial- bzw. Persönlichkeitspsychologie griff parallel zu dieser Entwicklung die Idee der Dimensionalität des Narzissmus auf und führte diesen Begriff für die Variante einer hohen Selbstwertschätzung bei gesunden Menschen ein (Lammers & Doering, 2018). Hierunter werden bei gesunden bzw. normalen Menschen Eigenschaften wie Autorität, Selbstsuffizienz, Streben nach Erfolg und Überlegenheit, Eitelkeit und Anspruchsdenken u. Ä. gezählt. Diese Persönlichkeitseigenschaften können bis zu einer gewissen Ausprägung adaptiv und von Vorteil für die betreffende Person sein. So korrelieren sie mit

einem stabilen Selbstwertgefühl bzw. Selbstbewusstsein,

einer hohen Leistungsbereitschaft,

einem Stolz auf reale Leistungen,

Mut für Entscheidungen,

die Bereitschaft zur Übernahme von neuen Aufgaben und Herausforderungen,

einem selbstwertstabilisierenden Umgang mit Misserfolgen (z. B. durch externale Attribuierung von Misserfolgen und internale Attribuierung von Erfolgen),

sozialer Kompetenz.

|3|Narzisstische Eigenschaften tragen bis zu einer gewissen Ausprägung auch zur psychischen Gesundheit bei. Personen mit eher gering ausgeprägten narzisstischen Eigenschaften weisen höhere Werte für Depression, Angst oder auch Einsamkeit und ein geringeres Wohlbefinden auf (Ritter & Lammers, 2007). Dies ist u. a. auf ein gering ausgeprägtes Selbstwertgefühl und nicht selbstwertdienliche Verhaltensweisen, wie z. B. eine internale Attribuierung von Misserfolgen (z. B. „Das ist, wie immer, meine Schuld“) im Gegensatz zur externalen Attribuierung (z. B. „Die Umstände waren ungünstig“), zurückzuführen.

Merke

„Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“, besagt ein bekanntes Sprichwort, und diese Annahme wird durch entsprechende Studien zu narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften bei gesunden Personen gestützt. Deshalb ist der bekannte menschliche Hang zur Selbstüberschätzung (sog. „self-enhancement bias“) bis zu einer gewissen Ausprägung auch eher förderlich, denn er gibt einer Person Selbstvertrauen und Mut.

Eine zunehmende Ausprägung narzisstischer Persönlichkeitseigenschaften, wie z. B.

eine unrealistischen Anspruchshaltung,

ein hartnäckiges Streben nach Anerkennung und Bewunderung,

das Gefühl, stets im Recht zu sein,

ein ausgeprägter konkurrierender Ehrgeiz mit sogenannten antagonistischen Verhaltensweisen und

eine reduzierte Empathie,

markieren den Übergang von einem gesunden, adaptiven Narzissmus zu einem problematischen, maladaptiven Narzissmus und letztlich zur narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS). Bei der problematischen Form des Narzissmus ist der Leidensdruck oftmals auf Seiten der Umwelt zu suchen, da das Streben nach Selbstwert der Betreffenden auf Kosten der anderen Menschen geht. Während narzisstische Personen deshalb zwar oftmals unangenehm und sozial unverträglich sind, darf man sie aber lege artis (d. h. nach den diagnostischen Systemen) nicht als psychisch gestört bezeichnen bzw. ihnen eine NPS diagnostizieren. Hierzu fehlt allein schon der persönliche Leidensdruck der narzisstischen Person, die sich zudem auch häufig in ihrer Anpassung an verschiedene Lebenskontexte flexibel und damit adaptiv verhalten kann.

Der Unterschied zwischen sozial verträglichen und sozial unverträglichen narzisstischen Persönlichkeitseigenschaften wird in der Tabelle 1 dargestellt.

|4|Tabelle 1:  Sozial verträgliche und sozial unverträgliche Persönlichkeitseigenschaften

Sozial verträgliche Eigenschaften

Sozial unverträgliche Eigenschaften

Selbstbewusstsein

Man ist von seinen eigenen Qualitäten und Fähigkeiten überzeugt und ist grundsätzlich mit sich zufrieden.

Man reagiert auf Kritik gelassen, hinterfragt diese sachlich und hält ihr seine eigene Ansicht entgegen bzw. kann dem anderen auch Recht geben.

Selbstüberschätzung

Man hält sich grundsätzlich für besser als die anderen.

Man reagiert auf Kritik gekränkt bzw. beantwortet diese u. a. mit Arroganz und Abwertung. Dem anderen Recht zu geben, kommt selten vor.

Erfolgsorientierung

Man hat klare berufliche Ziele und arbeitet hart, um diese zu erreichen.

Man kann einen Erfolg mit anderen teilen bzw. die Erfolge anderer anerkennen.

Streben nach Überlegenheit

Man muss in allen Bereichen der Beste sein und dies den anderen auch deutlich zeigen.

Man beansprucht den Erfolg immer nur für sich.

Gesunder Egoismus

Man behält die eigenen Bedürfnisse und Ziele im Blick und lässt sich nicht übervorteilen.

Rücksichtslosigkeit

Man will immer mehr als andere haben. Man nutzt andere Menschen für die eigenen Ziele aus.

Normaler Anspruch

Man erwartet dieselbe respektvolle und hilfsbereite Behandlung, welche man selbst auch anderen Menschen zukommen lässt.

Übertriebene Anspruchshaltung

Man erwartet eine bevorzugte Behandlung und dass die eigenen Wünsche immer unverzüglich erfüllt werden, auch auf Kosten anderer.

Durchsetzungsvermögen

Man kann seine Wünsche und Ziele freundlich, aber bestimmt vertreten.

Autoritätsanspruch

Man versucht, die eigenen Wünsche und Ziele mit einem autoritären Verhalten durchzusetzen.

Selbstbezogenheit

Man ist sich seiner eigenen Gefühle und Bedürfnisse bewusst. Dabei kann man die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen wahrnehmen und respektieren.

Empathiearmut

Man nimmt die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen nicht wahr. Man versucht nicht, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und diese zu verstehen.

Selbstdarstellung

Man kann sich und seine Fähigkeiten angemessen positiv darstellen und das Interesse anderer wecken.

Geltungssucht

Man drängt sich immer in den Mittelpunkt und verlangt ständige Beachtung und Bewunderung.

|5|Merke

Eine bekannte These besagt, dass narzisstische Menschen im Verborgenen grundsätzlich ein niedriges Selbstwertgefühl haben, welches sie durch ihre narzisstischen Verhaltensweisen zu kompensieren versuchen. Dies konnte jedoch für gesunde narzisstische Menschen nicht bestätigt werden (Mota et al., 2020), sodass man diese These zu der langen Liste der Irrtümer der Alltagspsychologie hinzufügen muss.