Neuland - Charles Fort - E-Book

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Charles Fort

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Beschreibung

Neuland - Betreten auf eigene Gefahr

In Neuland widmet sich Charles Fort ausschließlich den von der Astronomie »verdammten« Daten, die Beziehungen der Erde zu »anderen Welten« belegen. Von unerklärlichen UFO-Sichtungen über mysteriöses Verschwinden bis hin zu paranormalen Phänomenen. Charles Fort hat sie zusammengetragen und analysiert. Sie sprengen die Grenzen unserer Vorstellungskraft.

Er führt Fälle auf, bei denen das Erscheinen von Kometen oder Planeten berechnet wurde, die aber nie auftauchten. Er berichtet von Planeten, die zwischen Erde und Sonne entdeckt und nie verifiziert wurden. Er spricht von Sonnenfinsternissen, die trotz Vorhersage nicht stattfanden. Er listet Entdeckungen von Laien über neue Sterne auf, die von Astronomen nicht bemerkt wurden.

Als dieses Buch in Amerika 1923 erstmals erschien, konnte Booth Tarkington im Vorwort nur staunen: »Selbst die wildesten Erdbeben dieser Welt sind nur ein Sturm im Wasserglas verglichen mit den Visionen, die Charles Fort vor unseren Augen erschafft.«

Doch Neuland ist nicht nur ein Buch über mysteriöse Ereignisse, sondern auch eine Einladung zum Nachdenken. Fort regt dazu an, unsere gewohnten Denkmuster zu hinterfragen und offen für neue Möglichkeiten zu sein.

Neuland ist das Meisterwerk der fantastischen Spekulation - packend und tiefgründig. Jede Seite ist gespickt mit Forts intellektuellem Humor. Er schildert fremde Welten, exotische Städte am Himmel, Besucher aus dem Kosmos. Jeder Bericht ist genau dokumentiert und akribisch mit Quellen belegt. Denn er schlägt die Wissenschaft mit ihren eigenen Waffen: Alle Fakten stammen aus astronomischen Fachveröffentlichungen.

Damals wie heute ist Forts Achterbahnfahrt durchs Universum die beste Medizin gegen ein verkrustetes Denken. Geschrieben in dem ihm eigenen, brillanten Stil, der uns nicht ruhen lässt, bis wir zur letzten Seite gekommen sind.

»Fünf von sechs Menschen, die dieses Buch lesen, verlieren den Verstand.« Ben Hecht, Alfred Hitchcocks Drehbuchautor

 

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Seitenzahl: 452

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1. Auflage Oktober 2023

Titel der englischen Originalausgabe:New Lands

Copyright © 2023 für die deutschsprachige Ausgabe bei Kopp Verlag, Bertha-Benz-Straße 10, D-72108 Rottenburg

Alle Rechte vorbehalten

Übersetzung aus dem Englischen: Matthias Schulz Lektorat: Jorinde Reznikoff Covergestaltung: Nicole Lechner Satz und Layout: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh

ISBN E-Book 978-3-86445-967-2 eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Bertha-Benz-Straße 10 D-72108 Rottenburg E-Mail: [email protected] Tel.: (07472) 98 06-10 Fax: (07472) 98 06-11

Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter:www.kopp-verlag.de

Teil 1

Kapitel 1

Länder am Himmel –

Sie sind nahe –

Sie bewegen sich nicht.

Ich halte es für ein Prinzip, dass alles Sein in unendlichen Serien erfolgt, und dass alles, was war, mit kleinen Unterschieden, wieder sein wird …

Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts – Land im Westen!

In diesem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts – werden wir Enthüllungen erleben.

Es wird Daten geben. Es wird viele Daten geben. Hinter diesem Buch, das nicht in seiner Gesamtheit veröffentlicht wird beziehungsweise so angelegt ist, dass es im Hinterhalt seine Reserven auffüllt, verbergen sich Hunderte von weiteren Fakten. Unabhängig davon aber ist es für mich ein Prinzip, dass alle Existenz ein Hin- und Zurückfließen ist, bei dem Phasen der Expansion auf Phasen der Kontraktion folgen; dass in Zeiten der Enge nur wenige Menschen ihre Gedanken in die Weite schweifen lassen können, aber in Zeiten zunehmender Weite menschliche Einengungen das Ausdehnen von Gedanken und Leben, Unternehmungen und Eroberungen nicht verhindern können. Die Pracht ferner Küsten, die nach dem Jahr 1492 hinter unbeschriebenen Horizonten zum Vorschein kam, kann also im Laufe der Entwicklung nicht der einzige verblüffende Fall sein, in dem scheinbare Leere widerlegt wurde. Der Geist oder die Lebendigkeit, die Anregungen und die Bedürfnisse des 15. Jahrhunderts – sie alle werden wiederauftauchen, und sogar die damalige Vergeltung könnte zurückkehren –

Kriegsnachwirkungen, wie im Jahr 1492: Forderungen nach Korrekturen, eine dicht gedrängte, rastlose Bevölkerung, Revolten gegen Auflagen, untragbare Beschränkungen gegen Auswanderungen. Nicht länger werden junge Männer genötigt – oder sind nicht mehr geneigt –, westwärts zu ziehen. Sie wollen oder müssen aber irgendwohin. Reicht eine Himmelsrichtung als Einladung nicht mehr aus, so mag es sein, dass sie diese in anderen Dimensionen wahrnehmen. Viele Menschen glauben, ohne selbst nachgeforscht zu haben, beide Pole dieser Erde seien entdeckt worden. Zu viele Frauen bereisen in großem Luxus das »dunkelste Afrika«. Die Eskimos der Diskobucht in Grönland geben eine Zeitung heraus. Es muss ein Ventil geben, andernfalls droht eine Explosion –

Ventil, Einladung und Gelegenheit –

San Salvadors 1 im Himmel – ein Plymouth Rock, der am Himmel über Serbien hängt – eine unbekannte Küste, von der Stürme Material in die englische Stadt Birmingham getragen haben.

Sonst werden die geistig Frierenden oder Sterbenden ihre Verbote verschärfen, und ihre frostige Zensur wird unser Leben bis zur Ausrottung einengen, ein Leben, das ohne Sünde wie Materie ist, die der Möglichkeit beraubt wurde, sich zu bewegen. Ihr Ideal ist der Tod oder todesnahe Zustand, gelegentlich gerade so weit angewärmt, dass er von dekorativen, einförmigen Eiszapfen gesäumt ist. Wenn für die Lebendigen, die Sündigen und Abenteuerlustigen nicht irgendwo San Salvadors existieren, ein Plymouth Rock von umgekehrter Bedeutung oder Küsten von Himmelskontinenten, dann gibt es kein Entkommen.

Aber jegliches Bewusstsein, das wir von Bedürfnissen haben können, und alle Scharen, Abteilungen und Untersparten von Daten, die für eine mögliche Befriedigung dieser Bedürfnisse sprechen, treffen auf Widerstand – nicht vonseiten der gewöhnlichen Puritaner und ihrer Strenggläubigkeit, sondern vonseiten der Wissenschaftspuritaner und deren karger, entmutigender, eingetrockneter oder eingefrorener Lehrmeinung.

Inseln im All – siehe Science American, Band X, Seite Y – Berichte aus den Reports of the British Association for the Advancement of Science – aus Nature, et cetera 2  – von dem einen oder anderen Lapsus abgesehen wird man sich über unsere Quellen nicht mokieren. Und was unsere Auslegungen anbelangt, so erachte ich sie für meinen Teil eher als Vorschläge und Anregungen, ein Herantasten. Inseln im All und die Flüsse und Ozeane einer Extrageografie –

Bleiben Sie hier, und lassen sich von der Erlösung verdammen – oder klettern Sie auf einen Strahl der Aurora und paddeln vom Rigel zum Beteigeuze. Können Sie nicht akzeptieren, dass es jenseits unserer Erde derartige Flüsse und Ozeane gibt, dann bleiben Sie und fahren mit Dampfschiffen, auf deren Fahrplan Verlass ist, wo Mahlzeiten gut zubereitet und ordentlich serviert werden, wo auf Komfort geachtet wird – oder aber Sie besteigen eines Tages jenes Ding, das über der Stadt Marseille am 19. August 1887 gesichtet wurde, und gehen damit auf Reisen, nehmen Kurs auf den Mond, lassen alle Hoffnung fahren, bis Sie durch den Wirbel einer Strömung, von der niemand je zuvor gehört hatte, dem Zusammenprall entgehen.

Es gibt sie – oder gibt sie nicht –, Städte mit fremden Existenzen in unserer Nähe. Man hat sie gesehen – oder hat sie nicht gesehen –, als Spiegelung am Himmel über Schweden und Alaska. Ganz, wie man wünscht. Sei es akzeptabel oder zu absurd, um auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, unsere Daten sprechen von Scharen lebender Wesen, die am Himmel gesichtet wurden; auch von Prozessionen militärischer Wesen – von Monstern, die am Himmel leben und am Himmel sterben und unsere Erde mit ihrem roten Lebenssaft überziehen – von Schiffen aus fremden Welten, die von Millionen Einwohnern unserer Erde dabei beobachtet wurden, wie sie Nacht um Nacht den Himmel über Frankreich, England, Neuengland und Kanada erkundeten – von Signalen vom Mond, der Angaben aus namhaften Quellen zufolge möglicherweise nicht weiter von dieser Erde entfernt ist als New York von London – von zweifelsfrei gemeldeten und in einigen Fällen auch von vielen Augenzeugen bestätigten Ereignissen, die unser Widerstand mit Missachtung strafte –

Eine wissenschaftliche Priesterkaste –

»Du sollst nicht!« steht kristallklar in ihren eingefrorenen Textbüchern geschrieben.

Ich besitze Unmengen von Daten zu neuen Ländern, die nicht weit entfernt sind. Ich halte Erwartungen und Material für neue Hoffnungen bereit, für neue Verzweiflungen, neue Triumphe und neue Tragödien. Ich strecke meine Hände zum Himmel aus – doch es gibt, glaube ich, eine Hierarchie, die mir Fesseln anlegen will – es gibt eine dominante Kraft, die Gefängnisse verordnet, in denen es für solches Gedankengut Dogmen statt Mauern gibt. Mit ihren Formeln unterbindet sie alle Öffnungsversuche.

Doch es wurden Geräusche am Himmel gehört. Man hat sie gehört, und es ist nicht möglich, ihre Aufzeichnungen zu vernichten. Denn sie wurden gehört. In ihrem regelmäßigen und wiederholten, in Reihen und in Intervallen erfolgten Auftreten sollten wir vielleicht eine Sprache erkennen, die sich übersetzen lässt. Wolkensäulen, die bei Sonnenuntergang die Farbe wechselten, vibrierten zur Artillerie anderer Welten wie die Saiten einer kosmischen Harfe, und ich kann mir kein Insektensummen vorstellen, das je die Aufmerksamkeit von derart dramatischem Widerhall abzulenken vermag. Sprachelemente blitzten in den Dunkelzonen des Mondes auf: Lichtrufe, die im Mondkrater Kopernikus emporflackerten; die Eloquenz des sternenartigen Lichts auf dem Aristarchus; Licht- und Schattenhymnen, die auf Linné angestimmt wurden; die wildere, leuchtende Musik bei Plato –

Aber solange wir uns nicht mit dem Inkubus befassen, der bisher sogar Spekulationen im Keim erstickt hat, verfügen wir nicht über das nötige Freiheitsgefühl, um uns mit den am Himmel vernommenen Geräuschen zu befassen, mit all dem, was vom Himmel gefallen ist, mit all dem, was »nicht sein sollte«, aber dennoch am Himmel beobachtet wurde. Ich werde es herausfinden, und wer möchte, kann mich dabei begleiten. Ein Schiff aus einer fremden Welt segelt – oder segelt nicht – am Himmel unserer Erde. Es steht im Einklang mit dem, was Hunderttausende von Augenzeugen beobachtet haben. Und wenn der Zeitpunkt kommt, dass sich die Aeronautik auf unserer Erde nur noch geringfügig weiterentwickelt, mag sich dies als wichtiger Umstand erweisen, den es zu berücksichtigen gilt. Dennoch werden der gesamte Vorfall und jeder einzelne Begleitumstand totgeschwiegen. Wie soll man den vorliegenden Daten die ihnen gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringen, wenn man im Geist durch das (ganz und gar respektable) Bewusstsein abgelenkt wird, dass die Wissenschaftler erklären, es gebe außer den Planeten keine anderen physischen Welten, und diese seien Millionen Kilometer entfernt, eine Entfernung also, die von Gefährten, die wir uns vorstellen können, nicht überbrückt werden könnten.

Gerne würde ich als Eröffnungssalve die Daten zu den kleinen schwarzen Steinen abfeuern, die über einen Zeitraum von 11 Jahren hinweg wiederholt auf Birmingham herabfielen, offenkundig von einem stationären Punkt am Himmel aus, aber eine derartige Verkündung zum jetzigen Zeitpunkt wäre pure Verschwendung. Dergleichen muss vorbereitet werden. Momentan würde jeder bloß sagen, dass derartige Fixpunkte am Himmel doch gar nicht existieren. Und warum nicht? Weil Astronomen erklären, dass es sie nicht gibt.

Aber noch etwas anderes wird impliziert. Nämlich die allgemeine Mutmaßung, die Wissenschaft der Astronomie repräsentiere das, was innerhalb des menschlichen Denkens am akkuratesten, am genauesten, am akribischsten, am semi-religiösesten ist, und damit sei sie maßgeblich.

Wer nicht durchgemacht hat, was ich bei meinen Forschungen zu diesem Thema durchgemacht habe, würde die Frage stellen, was denn die Grundlagen der astronomischen Wissenschaft seien und worin ihre Qualität bestehe. Doch die erbärmlichen, aber gelegentlich auch amüsanten gedanklichen Verwirrungen, auf die ich auf diesem vermeintlichen Forschungsfeld stoße, veranlassen mich dazu, die Frage umzuformulieren: Wie ist es um ihre Würde bestellt oder auch nur um ihren Anstand?

Phantomdogmen, deren Schweife ins Leere greifen, winden sich um unsere Daten.

Die Schlangen des Pseudodenkens ersticken die Geschichte im Keim.

Sie zwingen der Weiterentwicklung ein »Du sollst nicht!« auf.

Neuland – und seine Schrecken, seine Lichter, seine Explosionen und seine Musik; es toben Höllenhunde und marschieren Militärengel. Doch dies Neuland ist das Gelobte Land, und zuerst müssen wir eine Wüste durchqueren. Vor uns liegt die Einöde der Parallaxen, Spektrogramme und Triangulationen. Es mag ermüden, sich durch einen Berg astronomischer Bestimmungen zu wühlen, aber es kommt darauf an –

Sollte es von einem trüben akademischen Zenit Belege für Hinfälligkeit, Torheit und Fälschung herabregnen, wäre das Manna für unsere Arglist und Heimtücke –

Oder sterile, kalte Beweisführungen werden durch unseren fröhlichen Zynismus erwärmt und in köstliche kleine Lügen verwandelt – Blüten und Früchte unerwarteter Oasen –

Felsen, auf die unser Verdacht stößt, und Strudel von Enthüllungen, die nur so überschäumen vor neuen Schlussfolgerungen.

Tyrannen, Drachen, Giganten – und wenn sie allesamt abgefertigt werden durch die Geschicklichkeit, die Stärke und den allen Widrigkeiten trotzenden, triumphierenden Helden, der seine Geschichte selbst erzählt –

Direkt am Eingang der Wüste höre ich eine bislang unentdeckte, groteske Kreatur dreimal schreien.

Kapitel 2

»Vorhersage bestätigt!«

»Ein weiterer Beweis!«

»Und eine dritte Bestätigung der Vorhersage!«

Seiner seit Langem etablierten Nüchternheit zum Trotz gerät das Journal of the Franklin Institute in den Bänden 106 und 107 unter dem Hochgefühl eines Astronomen dreimal ins Taumeln. Dieser mag jauchzen und schwelgen – normalerweise würde uns dies gar nicht tangieren, würden wir doch gerne alle Menschen glücklich wissen –, aber angesichts dieses dreifachen Hahnenschreis von Professor Pliny Chase müssen wir unsere Meinung kundtun, dass es apropos Methoden und Strategien keine augenscheinlichen Unterschiede zwischen Astrologen und Astronomen gibt, sondern beide tief im Mittelalter feststecken.

Lord Bacon erklärte, die Astrologen hätten sich Ansehen und Vergütung erschlichen, indem sie auf ein Ziel schossen, ihre Fehlschüsse ausblendeten und mit ungebührlicher Selbstbeweihräucherung nur ihre Treffer verkündeten. Im August 1878 erklärten die Professoren Swift und Watson, sie hätten während einer Sonnenfinsternis zwei leuchtende Körper beobachtet, bei denen es sich um Planeten gehandelt haben könnte, deren Umlaufbahn zwischen Merkur und Sonne verläuft. Daraufhin meldete sich Professor Chase zu Wort: Er habe vor 5 Jahren eine Prognose gemacht, die durch die Position dieser Himmelskörper bestätigt würde. Gleich dreimal verkündete er – je nach dem Feingefühl oder den Vorurteilen seines Gegenübers – lauthals oder markierte in Großbuchstaben, die Position der »neuen Planeten« entspräche exakt seinen Berechnungen. Vor seiner Zeit, schrieb Professor Chase, habe es zwei große Augenblicke gegeben, in denen astronomische Berechnungen bestätigt worden seien – die Entdeckung des Neptun und die Entdeckung des »Asteroidengürtels«, eine Behauptung, die unaufrichtig formuliert ist. Hätte es aber nach mathematischen oder sonstigen absoluten Grundsätzen jemals den Fall einer großen oder wenigstens kleinen astronomischen Entdeckung gegeben, die auf Berechnungen fußte, dann müssten wir verwirrt von unserer Eingangshaltung Abstand nehmen oder unsere Verantwortungslosigkeit zugeben und alles aus ihr Folgende zunichtemachen, postulieren wir doch, dass unsere Daten von einer Tyrannei falscher Ankündigungen unterdrückt werden und dass es niemals eine astronomische Entdeckung gab, die nicht auf Beobachtungen oder Zufall basierte.

In The Story of the Heavens3 vertritt Sir Robert Ball die Ansicht, die Entdeckung des Neptun stelle einen beispiellosen Erfolg in den Annalen der Wissenschaft dar. Überschwänglich schildert er den dramatischen Augenblick, in dem der große Astronom Leverrier, der sich monatelang in tiefgründige Meditationen vergraben hatte, von seinen Berechnungen aufschaut, gen Himmel weist und ausruft: »Sehet, ein neuer Planet ward gefunden!«

Mein Anliegen ist weniger, mich mit den einzelnen Betrügereien oder Wahnvorstellungen abzumühen, als vielmehr, aufzuzeigen, mit welchen Mitteln sich die Wissenschaft der Astronomie etabliert und behauptet hat:

Laut Leverrier gibt es jenseits von Uranus einen Planeten, laut Hansen sind es derer zwei, und Airy stellte infrage, dass »es überhaupt einen gibt«.

Nach Leverriers Berechnungen, über denen er lange gebrütet hatte, wurde also ein Planet entdeckt. Nehmen wir an, es wären zwei gewesen, so hätte dies die genialen Berechnungen Hansens bestätigt. Wäre gar keiner gefunden worden, o wie recht hätte dann der große Astronom Sir George Airy gehabt.

Leverrier errechnete, dass der hypothetische Planet in einer Entfernung von der Sonne zu finden sei, die dem 35–37,9-Fachen der Entfernung der Erde zur Sonne entspräche. Tatsächlich wurde er in einer Entfernung entdeckt, die der 30-fachen Distanz der Erde zur Sonne entsprechen soll. Die Diskrepanz war so groß, dass sich in den Vereinigten Staaten Astronomen weigerten, anzuerkennen, dass Neptun durch Berechnungen entdeckt worden sei. Siehe dazu Veröffentlichungen im American Journal of Science jener Tage. Am 29. August 1849 hielt Dr. Babinet vor der Académie Française einen Vortrag, in dem er zeigte, dass die Umlaufbahn des Neptun nach 3-jähriger Beobachtung mit 165 Erdjahren berechnet werden musste. Leverrier hingegen hatte in seine Kalkulationen einen Zeitraum von 207 bis 233 Jahren einbezogen. Zu derselben Zeit hatte in England John Adams Berechnungen angestellt. Nachdem Professor Challis mindestens einen Monat lang die Sterne der Region kartografiert hatte, auf die Adams Bezug nahm, informierte er Sir George Airy am 2. September 1846, dass er weitere 3 Monate benötige, was zeigt, wie umfangreich die von Adams anvisierte Region war.

Und was die Entdeckung der Asteroiden anbelangt beziehungsweise in der nicht sehr sorgfältigen Formulierung von Professor Chase die Entdeckung des »von der Titius-Bode-Reihe abgeleiteten Asteroidengürtels«, so erfahren wir, dass Baron von Zach eine Gesellschaft von 24 Astronomen gründete, die sich in Übereinstimmung mit der Titius-Bode-Reihe auf die Suche nach einem »Planeten« zwischen Jupiter und Mars machen sollte – also nicht nach »einer Gruppe« und nicht nach einem »Asteroidengürtel«. Die Astronomen organisierten sich, indem sie den Tierkreis in 24 Zonen auf- und jedem Astronomen eine von ihnen zuteilten. Dann machten sie sich auf die Suche. Sie fanden jedoch nicht nur einen Asteroiden, denn mittlerweile sind 700 oder 800 bekannt.

Im Philosophical Magazine, 12–62, steht zu lesen, dass Piazzi, der Entdecker des ersten Asteroiden, nicht nach einem aus der Titius-Bode-Reihe abgeleiteten hypothetischen Körper gesucht, sondern im Zuge seiner eigenen Forschungsarbeit in der Nacht des 1. Januar 1801 Sterne im Sternbild Stier kartografiert hatte. Dabei beobachtete er ein Licht, von dem er den Eindruck hatte, dass es sich bewegte. Da ihm aber Asteroiden und brillante Ableitungen völlig fremd waren, verkündete er, einen Kometen entdeckt zu haben.

Ein Beispiel für die raffinierte Art und Weise, in der ein paar Astronomen die Geschichte jetzt erzählen, ist Sir Robert Balls Story of the Heavens, Seite 230:

Er sagt über die Organisation der Astronomen von Lilienthal, ohne den leisesten Hinweis darauf, dass Piazzi gar nicht dazugehörte: »Die Suche nach einem kleinen Planeten wurde schon bald von einem Erfolg gekrönt, der den Abend des ersten Tages des 19. Jahrhunderts für die Geschichte der Astronomie unvergesslich machte.« Ball schildert die Art und Weise, wie Piazzi die Sterne kartografierte, so, als habe Piazzi diese Arbeiten durchgeführt, um deduktiv Asteroiden zu finden, was sich alsbald als erfolgreich erwies. Doch Piazzi hatte noch nie von einer derartigen Suche gehört und hätte einen Asteroiden gar nicht erkannt. »Dieser arbeitsame und versierte Astronom hatte ein raffiniertes System zur Erkundung des Himmels ersonnen, das vorzüglich dazu erdacht war, unter der Vielzahl der Lichter am Himmel einen Planeten auszumachen … schließlich brachten ihm all seine Mühen einen Erfolg ein, der ihn mehr als ausreichend entschädigte.«

Für Professor Chase sieht das so aus: Diese beiden Beispiele, die seiner Meinung nach die Entdeckung auf der Grundlage von Berechnungen, also mehr als bloße Entdeckungen illustrieren, führen zu der Annahme, auch er könne derart triumphalen Erfolg versprechende Berechnungen anstellen – die Verifizierung hing davon ab, wie präzise Professor Swift und Professor Watson die Position der von ihnen verkündeten Himmelskörper dokumentiert hatten …

Sidereal Messenger, 6–84: Professor Colbert, Leiter des Dearborn-Observatorium und Anführer jener Gruppe, der auch Professor Swift angehörte, erklärt, die von Swift und Watson angestellten Beobachtungen würden übereinstimmen, weil Swift dafür gesorgt hätte, dass seine Beobachtungen mit denen von Watson übereinstimmten. Demnach lautet der Vorwurf nicht, dass Swift fälschlich die Entdeckung zweier unbekannter Körper gemeldet hatte, sondern dass er seine Positionsangaben erst präzisierte, nachdem Watsons Feststellungen veröffentlicht worden waren.

Popular Astronomy, 7–13: Professor Asaph Hall schreibt, Professor Watson habe ihm mehrere Tage nach der Sonnenfinsternis gesagt, er habe »einen« leuchtenden Körper in Sonnennähe gesehen. Zwei unbekannte Körper gesehen zu haben, habe er erst erklärt, nachdem Swift davon Kenntnis bekommen hatte.

Professor Chase krähte sein fehlgeleitetes Entzücken also, auf zwei Täuschungen hockend, in die Welt hinaus. Die unbekannten Himmelskörper jedenfalls wurden nie wiedergesehen, insofern wissen wir auch nicht, ob sie sich jemals auf den von ihm berechneten Umlaufbahnen befunden haben.

Unserer Ansicht nach verhält es sich also so, dass ganze Heerscharen von Astronomen im Rechenwahn sind und rechnen und rechnen und rechnen, und zeigt einer auf einen Punkt, der (konventionell berechnet) 966000000 Kilometer von der Stelle entfernt liegt, wo man tatsächlich etwas findet, dann erklärt man ihn zum Leverrier der Lehrbücher. Die anderen gehören zur Sorte von Professor Chase und schaffen es nicht in die Lehrbücher.

Für die meisten unter uns stellen die Symbole der Infinitesimalrechnung eine Demütigung für das eigenständige Denken dar und werfen uns auf jene Art von Überzeugung zurück, die sich früher zwangsläufig aus den Blutstropfen einer Statue ergab. In den Wirren und Konflikten des täglichen Lebens ist eine derartige Beziehung zur Endgültigkeit ein erleichterndes Gefühl, sei es nun im religiösen oder im mathematischen Sinn. Wenn also der Anschein von Genauigkeit in der Astronomie entweder schändlich oder nachlässig und lächerlich durch eine Komplizenschaft entsteht, wie man sie Smith und Watson zum Vorwurf macht, und wenn das Ansehen der Astronomie nur auf gewaltigen Großbuchstaben und Ausrufezeichen beruht oder auf der Unverhältnismäßigkeit, einen einzigen Leverrier Hunderten von Chases gegenüberstellen zu müssen, dann ist es vielleicht gar nicht so gut für uns, das zu wissen. Denn so raubt man denjenigen unter uns, die im religiösen Sinn nichts haben, auf das sie sich verlassen können, auch noch das letzte verbliebene Scheinfundament, dieses vermeintliche Existieren von Exaktheit und Realem.

Aber – wenn es nahe gelegene Reiche am Himmel gibt und Wesen aus fremden Welten, die diese Erde aufsuchen, dann ist das ein großes Thema – und der Müll, der eine Epoche verstopft, muss beseitigt werden.

Nachdem unsere kleine Predigt über die Ungewissheit des menschlichen Triumphs ihren Höhepunkt erreicht hat, scheint jetzt ein guter Zeitpunkt zu sein, sie zu beenden. Dennoch wird uns das Thema »Triumph« weiterhin begleiten, und ich möchte nicht, dass man uns neben allem anderen auch noch Ineffizienz vorhält –

Die Entdeckung des Uranus.

Wir erwähnen diesen Stimulus für die Ekstase der Textbuchautoren, weil sich aus dem Phänomen des Planeten Uranus der »Neptun-Triumph« entwickelte. Wenn es Sie interessiert, wie Richard A. Proctor begründet, dass es sich nicht um eine zufällige Entdeckung handelt, lesen Sie in seinem Buch Old and New Astronomy auf Seite 646 nach sowie in Herschels »Bericht über einen am 13. März 1781 entdeckten Kometen« in Philosophical Transactions, Seite 71–492. Ein Jahr ging ins Land, und kein einziger Astronom auf der Welt erkannte, dass man es mit einem neuen Planeten zu tun hatte. Erst danach fand Lexell heraus, dass der vermeintliche Komet in Wahrheit ein Planet war.

Statuen, aus denen das Leben spendende Blut eines parasitischen Kults zu tropfen pflegte – Strukturen von Parabeln, die Gleichungen bluten –

Im weiteren Verlauf werden wir zu der Auffassung gelangen, dass es im Grunde genommen egal ist, ob Astronomen aus Bildern Blut zu quetschen versuchen oder Symbole zu Schlussfolgerungen verführen wollen, denn anwendbare Mathematik hat mit planetaren Interaktionen genauso wenig zu tun wie Heiligenstatuen. Sollte sich die Annahme durchsetzen, dass diese Berechnungen keinen Platz in der Gravitationsastronomie haben, verlieren die Astronomen ihren vermeintlichen Gott. Sie werden zu einer Priesterschaft ohne Ausrichtung. Ihr Durchhaltevermögen in Sachen Arroganz schwindet dahin. Wir beginnen mit dem quasi einfachsten Problem der Himmelsmechanik, nämlich der Formulierung der Interaktionen von Sonne, Mond und dieser Erde. Kann die höchste, die endgültige, geheiligte Mathematik dieses quasi einfachste Problem der sogenannten mathematischen Astronomie lösen?

Es lässt sich nicht lösen.

Alle naselang verkündet jemand, er habe das Dreikörperproblem gelöst, aber stets ist die Beweisführung unvollständig oder impressionistisch, eine Anhäufung von Abstraktionen, die die Zustände von Körpern im Weltraum ignoriert. Wieder und wieder werden sich vermeintliche Errungenschaften als Nullnummern erweisen, als ausgeklügelte Strukturen, die bloß Fantasien ohne jedwede Grundlage sind. Hier lernen wir, dass Astronomen nicht imstande sind, die Interaktionen von drei Körpern im Weltraum als Formel festzuhalten, was sie aber nicht daran hindert, trotzdem Berechnungen anzustellen und etwas zu veröffentlichen, was sie als Formel für die Interaktion eines Planeten mit tausend anderen Himmelskörpern ausgeben. Doch sie geben Erklärungen ab. Und wenn es um Astronomen geht, ist genau dies der nachhaltigste Eindruck: Sie finden immer wieder neue Erklärungen. Sie erklären in gewählter Sprache, dass sich die Effekte, die drei Planeten aufeinander haben, nicht bestimmen lassen, da die Macht der Sonne derart groß sei, dass man alle anderen Effekte vernachlässigen könne.

Vor der Entdeckung des Uranus gab es keine Möglichkeit, die Wunderwerke der Astromagier auf die Probe zu stellen. Sie verkündeten, ihre Formeln seien gültig, und sobald bei externen Nachfragen Formeln erwähnt wurden, kam Panik auf. Doch dann wurde der Uranus entdeckt, und die Magier wurden aufgefordert, seine Umlaufbahn zu berechnen. Das taten sie auch, und bewegte sich der Uranus auf einer regelmäßigen Umlaufbahn, so würde ich nicht behaupten, die mathematischen Fähigkeiten von Astronomen und Hochschulknaben reichten nicht aus, um etwas derart Einfaches zu bestimmen.

Sie berechneten also die Umlaufbahn des Uranus. Doch der schlug einen anderen Kurs ein.

Sie brachten Erklärungen vor. Stellten weitere Berechnungen an. Erklärten und rechneten weiter, Jahr um Jahr, doch der Planet Uranus bestand darauf, einen anderen Weg einzuschlagen. Dann ließen sie sich eine machtvolle Störkraft jenseits des Uranus einfallen – bei dieser Entfernung ist der Einfluss der Sonne offensichtlich nicht mehr so dominant, in welchem Fall die Auswirkungen von Saturn auf Uranus und von Uranus auf Saturn im Übrigen auch nicht unbedingt zu vernachlässigen sind –, und so gelangt man zu immer komplexeren Interaktionen, die sich unendlich überlagern und zu einer schwarzen Aussicht für das gesamte brillante System hochschaukeln. Die Paläo-Astronomen rechneten und zeigten über 50 Jahre lang auf unterschiedliche Punkte am Himmel.

Und schließlich wiesen zwei von ihnen, die sich über den allgemeinen Hintergrund des Uranus natürlich einig waren, auf Punkte, die konventionellen Schätzungen nach ungefähr 965600000 Kilometer von Neptun entfernt lagen. Und nun heißt es in religiösem – wenn nicht unverschämtem – Ton, die Entdeckung des Neptun sei kein Zufall gewesen.

Ob etwas Zufall ist oder nicht, lässt sich auch dadurch feststellen, dass es sich wiederholen lässt –

Jedem, der eine Hyperbel nicht von einem Kosinus unterscheiden kann, steht die Möglichkeit offen, herauszufinden, ob die Astronomen tagsüber einer Wolke aus Nonsens und des Nachts einer Säule aus Unsinn folgen.

Sollte es irgendeinem Astronomen gelungen sein, kraft seiner mathematischen Magie die Position des Neptun zu bestimmen, lasst ihn jene des Planeten hinter dem Neptun ausfindig machen.

Dieselbe Logik, die einen Planeten hinter dem Uranus vermuten lässt, kann auch zur Annahme eines Planeten hinter dem Neptun führen. Der Neptun weist ähnliche Störungen auf, wie sie beim Uranus zu beobachten waren.

Laut Professor Todd existiert ein derartiger Planet, und der umkreist innerhalb von 375 Erdenjahren einmal die Sonne. Professor Forbes sagt, es handle sich um zwei Planeten, einen mit einer Umlaufzeit von 1000 Jahren und einen mit einer Umlaufzeit von 5000 Jahren. Siehe Hector Macphersons A Century’s Progress in Astronomy. Er existiere, behauptet Dr. Eric Doolittle, und benötige 283 Jahre (Scientific American, 122–641). Laut Mister Hind 4 umkreist er innerhalb von 1600 Jahren einmal die Sonne (Smithsonian Miscellaneous Collections, 20–20).

Wir haben also einiges herausgefunden, und mit Blick auf die Unterdrückung vonseiten unserer Opposition sind diese Erkenntnisse beruhigend. Zugleich aber auch deprimierend, denn wenn es in dieser Existenz nichts Prestigeträchtigeres als die Wissenschaft der Astronomie gibt, und wenn dieses enorm scheinende Renommee nur durch eine Anhäufung von Luftblasen erreicht wurde, wie ist es dann um all das bestellt, was geringerer Leistung und von geringerem Ruf zeugt?

Lasst drei Körper interagieren. Es lässt sich keine Formel dafür erstellen, wie sie interagieren werden. Aber in diesem Sonnensystem – beziehungsweise dem, was wir als Sonnensystem vermuten – gibt es Tausende interagierende Körper, und wir stellen fest, dass das größte Prestige unserer Existenz auf den verworrenen Behauptungen beruht, es gebe Magier, die mit tausend, aber nicht mit drei Körpern rechnen können.

Und all die anderen sogenannten menschlichen Triumphe oder mäßigen Errungenschaften, Produkte menschlicher Denkprozesse und Anstrengungen – was ist mit ihnen, wenn über ihnen allen die akademischeren, strengeren, gründlicheren und exakteren Methoden und Verfahren der Astronomie thronen? Was soll man dann von unserer gesamten Existenz halten, ihrem Wesen und ihrer Bestimmung?

Dass unsere Existenz – ein Ding innerhalb eines tatsächlichen oder vermutlichen Sonnensystems – ein angeschlagenes Objekt ist, das durch das All taumelt und fähige, gesunde Systeme mit den Geschwüren auf seiner Sonne schockiert, mit seinen unheimlichen Monden, seinen Zivilisationen, die allesamt von Wissenschaften geplagt werden? Ein himmlischer Leprakranker, der tattrige Flächen ausstreckt, in die mitfühlende Systeme goldene Kometen fallen lassen? Deuten unsere Erkenntnisse tatsächlich auf dies lepröse Ding hin, so ermutigt uns nichts dazu, unsere Bemühungen fortzusetzen. Denn entdecken können wir nichts: bloß neue Symptome preisgeben. Gehöre ich zu einem derart kranken Ding, so kenne ich nichts als Krankheiten, Geschwüre und Lumpen: Meine Daten werden Pusteln sein, meine Deutungen Entzündungen …

Kapitel 3

Südstaatenplantagen und Neger 5 , die sich voller Panik auf den Boden warfen – Schreie in nördlichen Regionen und runde, weiße Gesichter, die in den Himmel starren – feurige Kugeln am Himmel – eine Studie mit schwarzen, weißen und goldenen Formationen in einer Atmosphäre allgemeinen Glanzes. In der Nacht vom 13. auf den 14. November 1833 trug sich das sensationellste Himmelsspektakel des 19. Jahrhunderts zu: 6 Stunden lang konnte man an der gesamten Atlantikküste der Vereinigten Staaten beobachten, wie feurige Meteore vom Himmel herabschossen.

Wir gehen davon aus, dass Astronomen sich weder panisch auf den Boden geworfen noch gekreischt haben, doch auch sie haben Gefühle. Es juckte sie in den Fingern, denn hier gab es Formeln zu berechnen. Hört ein Astronom von etwas Neuem und nicht Anzweifelbarem am Himmel, erkrankt er an schwer zu unterdrückenden Gleichungen. Symbole bedrängen ihn und suchen nach Ausdruck. Ihn befällt der Wahn eines Menschen, der Automobile, Eisenbahnen, Fahrräder, schlichtweg alle Dinge anhalten möchte, um sie zu vermessen; der Spatzen, Fliegen und allen Menschen, die an seiner Tür vorbeikommen, mit einer Messlatte hinterherläuft. Das soll wissenschaftlich sein, kann aber auch monomanisch sein. Am stärksten ausgeprägt könnten dieser Drang und diese Not bei Professor Olmstead gewesen sein. Er preschte als Erster mit einer Formel vor. Er »wies nach«, dass diese als Leoniden bekannten Meteore alle 6 Monate die Sonne umkreisten.

Taten sie aber nicht.

Dann »demonstrierte« Professor Newton, dass der Zeitraum in »Wirklichkeit« 33 Jahre und 3 Monate betrug. Doch dies geschah auf empirischem Weg, was nicht göttlich, ja nicht einmal aristokratisch ist. Also musste jemand das Ganze auf rationalem oder mathematischem Weg nachvollziehen, denn werden derartige Phänomene nicht einer mathematischen Behandlung mit Berücksichtigung der Schwerkraft unterzogen, befinden sich die Astronomen in einer schwierigen Lage. Ermutigt durch seine Erfahrung, ohne einen Punkt irgendwo in der Nachbarschaft des Neptun ausfindig machen zu müssen, von allen patriotischen Engländern als der wahre Entdecker des Neptun gepriesen zu werden, machte sich Dr. Adams daran, die »Erkenntnisse« von Professor Newton mathematisch zu »bestätigen«. Dr. Adams sagte voraus, dass die Leoniden im November 1866 und im November 1899 zurückkehren und in beiden Fällen mehrere Jahre benötigen würden, um den Orbit unserer Erde zu passieren.

In der Nacht vom 13. auf den 14. November 1866 tauchten tatsächlich Meteore auf. Ja sogar eine ganze Menge. Das ist Mitte November häufig der Fall. Sie glichen dem Spektakel von 1833 allerdings so wenig wie ein gewöhnlicher Schauer einem Wolkenbruch. Die »Beweisführung« erforderte jedoch ein Schauspiel von vergleichbarer Größe beziehungsweise ein – hinsichtlich einiger Aspekte – sogar noch größeres Schauspiel in der entsprechenden Nacht des Folgejahrs. Tatsächlich stellte sich ein angemessenes Schauspiel ein, nur am Himmel über den Vereinigten Staaten, währenddessen in England nichts dergleichen zu beobachten war. Und noch ein weiterer Vorfall wurde aus den Vereinigten Staaten gemeldet, doch auch der wies keinerlei Ähnlichkeit zu dem von 1833 auf.

Gemäß der herkömmlichen Theorie befand sich unsere Erde inmitten eines enormen, breiten Meteorstroms, sodass sie aufgrund ihrer Rotation nacheinander alle Regionen dem Beschuss aus dem All aussetzte. Richard Proctor stellte sich die Erde so lebhaft in dies Bombardement eingetaucht vor, dass er sich, als in England nichts zu beobachten war, in Erklärungen flüchtete. Er verbrachte den Großteil seines Lebens mit Erklärungen. In The Student’s Atlas6 , 2–254, schrieb er: »Wäre der Morgen des 14. November 1867 in England klar gewesen, hätten wir, wenn schon nicht den fulminanteren Teil, doch zumindest den Beginn des Schauspiels zu sehen bekommen.«

Wir haben so einige Erfahrung mit »Triumphen« von Astronomen und hegen einen gewissen Argwohn, was ihre landauf, landab gepriesene Akkuratesse betrifft. Wir werden schon noch selbst herausfinden, ob der Himmel am Morgen des 14. November 1867 in England klar genug war oder nicht. Unsere Vermutung nach war dieser Morgen in England ganz bezaubernd –

Monthly Noticesof the Royal Astronomical Society, 28–32: Bericht von E. J. Lowe, Highfield House, über die Nacht vom 13. auf den 14. November 1867: »Klar um 1:10 Uhr, hohe, dünne Kumuluswolken um 2:00 Uhr, Himmel aber vor 3:10 Uhr nicht bedeckt, und die Mondposition bis um 3:55 Uhr sichtbar; Himmel nicht bedeckt bis 5:50 Uhr.«

Auf eine Bestimmung der Orbitalperiode von 33 Jahren und 3 Monaten, aber mit einem Auftreten von Meteoriten alle 33 Jahre, kam Professor Newton, indem er alte Dokumente durchforstete und feststellte, dass es zwischen dem Jahr 902 und dem Jahr 1833 alle 33 Jahre ein außergewöhnliches Meteoritenschauspiel gegeben hatte. Er erinnert mich an einen Forscher, der alte Unterlagen nach dem Erscheinen des Halleyschen Kometen durchstöbert und dabei etwas entdeckt, das er als Halleyschen Kometen ausmacht und das seit dem Römischen Reich pünktlich wie ein Uhrwerk alle 75 Jahre erschienen ist. Siehe Edinburgh Review, Band 66. Ihm war wohl nicht bewusst, dass die Lehrmeinung dem Halleyschen Kometen keinen Zeitraum von exakt 75 Jahren zugestanden hatte. Trotzdem fand er das, wonach er gesucht hatte. Mir ist nicht danach, mich auf Kosten von Professor Newton lustig zu machen, denn auch wenn seine Methodik als bloß experimentell oder vorläufig erachtet werden mag, ist sie zweifelsohne durchaus legitim, allerdings ist zu vermuten, dass er für seine Auswahl sehr lockere Maßstäbe angelegt hat. Allerdings verkündete Dr. Adams, er sei auf mathematischem Wege zu derselben Schlussfolgerung gelangt.

Die Probe auf das Exempel: Die nächste Rückkehr der Leoniden wurde für den November 1899 vorhergesagt.

Memoirs of the British Astronomical Association, 9–6: »Noch nie zuvor hat ein Meteoritenereignis für derart umfassendes Interesse gesorgt oder derart bitter die Erwartungen enttäuscht.«

Es gab im November 1899 keine Leoniden.

Daraufhin erfolgte die Erklärung, man werde sie im Jahr darauf zu sehen bekommen.

Doch es gab auch im November 1900 keine Leoniden.

Erneut die Erklärung, man werde sie im Jahr darauf zu sehen bekommen.

Noch immer keine Leoniden.

Sich brüsten und aufblähen und mit den Symbolen der Infinitesimalrechnung herumstolzieren. Der Pomp von Vektoren und die Ehrfurcht, die Quaternionen umgibt. Aber wenn eine Koordinatenachse ihre Ausrichtung einbüßt und sich einer fragwürdigen Auswahl unterwirft, verwandeln sich disziplinierte Symbole in einen wilden Haufen. Die allergrößten Köpfe der Mathematik – und einer ihrer vermeintlichen Propheten zeigt zum Himmel. Weit entfernt von dem Punkt, auf den er deutet, wird etwas gefunden. Er zeigt auf ein Datum und – nichts geschieht.

Professor Serviss erklärt dies in Astronomy in a Nutshell7 . Dass die Leoniden nicht zu dem Zeitpunkt erschienen seien, an dem sie hätten erscheinen »sollen«, liege daran, dass Jupiter und Saturn ihre Umlaufbahn verschoben hätten.

Zur Zeit der Kreuzzüge hat nichts die Leoniden gestört. Und wenn Sie sich mit Daten besser auskennen als ich, lassen Sie sich ein paar weitere einfallen: An keinem von ihnen wurde die Umlaufbahn der Leoniden beeinflusst. Bei der Entdeckung Amerikas, der Spanischen Armada 1588 (dies Datum hat sich mir aus irgendeinem verrückten Grund unauslöschlich eingebrannt): keine Effekte vonseiten Jupiter und Saturn. Geht man weiter zur Französischen Revolution und bis ins Jahr 1866: noch immer keine Probleme mit den Leoniden. Aber sind sie erst einmal »entdeckt« und »identifiziert«, so ist es vorbei damit, und diese alten Dinge werden durch Jupiter und Saturn vom Kurs abgebracht, dabei sind sie mindestens genauso lang am Himmel unterwegs wie die Planeten. Wenn wir überhaupt irgendwelche Berechnungen zulassen wollen, sollte auch die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten Gehör finden. Nachdem ich zahlreiche Berichte über Novembermeteore gelesen habe, hier meine Meinung: Das Schauspiel von 1833 hat sich 1866 ganz entschieden nicht wiederholt. Ein falscher Priester hat gesündigt, und ein ebenso falscher Hohepriester hat ihm die Erlaubnis dazu erteilt.

Und die Tragödie geht als Komödie weiter. Allen guten Neo-Astronomen empfehle ich jene Gelassenheit, die ein Astronom an den Tag legte, ohne sich im Geringsten von dem berühren zu lassen, was seiner Wissenschaft im November 1899 und einigen folgenden Novembermonaten zustieß:

Bryant sagt nämlich in A History of Astronomy8 auf Seite 252, das Meteorenschauspiel von 1899 habe – »ganz, wie es von Dr. Downing und Dr. Johnstone Stoney vorhergesagt worden war« – nicht stattgefunden. Man beginnt, Gefallen an diesem Mummenschanz zu finden, wenn man daran denkt, dass nahezu sämtliche Astronomen der Welt die Rückkehr der Leoniden vorhergesagt hatten, Bryant aber zwei findet, die es nicht getan hatten, und dass er den Befund dieser zwei wie einen weiteren Triumph aussehen lässt. Doch wir können uns dafür bedanken, dass unser Misstrauen weiter angestachelt wurde, was sehr zu unserer Freude beiträgt –

Denn selbst diese beiden hatten nichts Rettendes gesagt –

Nature, 9. November 1899: Dr. Downing und Dr. Stoney sagen nämlich nicht voraus, dass die Leoniden nicht erscheinen würden, sondern empfehlen vielmehr, einige Stunden später als berechnet nach ihnen Ausschau zu halten.

Ich stelle mir das fiktive Paradies der Astronomen als eine Architektur vor, die schlecht konzipiert ist und auf fehlerhaften Gleichungen beruht. Gepflastert mit korrupten Symbolen. Mit vermeintlich reinen, weißen Brunnen voll förmlicher Eitelkeiten und Prahlereien, die aus verwesten Triumphen sprudeln. Schäbig möbliert mit angeschlagenen Kometen. Wir wenden uns dem Thema Kometen voller Erwartung oder voller Zynismus zu. Vielleicht sogar mit ausgemachter Boshaftigkeit. Doch durch die Ungewissheit unserer unterschiedlichen Gefühle zieht sich ein Motiv, welches die Essenz der Neo-Astronomie ausmacht: Für himmlische Phänomene gilt dasselbe wie für sämtliche anderen Forschungsbereiche, dass nämlich das Unregelmäßige, das Unformulierbare oder das Unfassbare mindestens genauso stark vertreten ist wie das Gleichförmige; dass nach den Vorgaben der Puristen jedes klare, eindeutige, scheinbar unveränderliche Ding am Himmel einhergehen muss mit etwas Übermütigem oder Unverantwortlichem, etwas Bizarrem und Unglaublichem. Die Wissenschaft der Astronomie befasst sich nur mit einem Aspekt der Existenz, denn natürlich kann es keine Wissenschaft der Kehrseite der Phänomene geben. Dies wiederum ist eine gute Entschuldigung dafür, dass man sich, insofern wir der Vorstellung anhängen müssen, dass es reale Wissenschaften gibt, derart darüber hinwegsetzt. Es zeigt aber auch, wie hoffnungslos positivistische Ansätze sind.

Jene Geschichte der Kometen, die im Buch von Mister Chambers 9 nicht erzählt wird, ist eine Geschichte, die in den Annalen der Erniedrigung nahezu beispiellos ist. Prognostiziert man die Rückkehr eines Kometen, bedeutet dies, dass man seinen Glauben in das Gesetz der Schwerkraft setzt. Gemäß Newtons Lehre befolgen Kometen genauso wie Planeten das Gesetz der Schwerkraft und bewegen sich in einem Kegelschnitt. Kehrt ein Komet nicht zu dem Zeitpunkt zurück, an dem er hätte zurückkehren »sollen«, kann sich ein Astronom nicht in die Ausrede flüchten, Planeten hätten ihn gestört, denn dann müsste er sich die Nachfrage gefallen lassen, warum er derartige Faktoren bei seinen Berechnungen nicht berücksichtigt habe, schließlich ließe sich dergleichen doch mathematisch berechnen. In seinem Buch meidet Mister Chambers vieles von dem, was von uns herzlich aufgenommen wird, oder tut, als habe er nie davon gehört. Was er allerdings veröffentlicht, ist eine Liste von Kometen, die nicht wie angekündigt zurückkehrten. Als er sein Buch 1909 schrieb, erwähnte er andere Kometen, für die er noch Hoffnung hegte:

Brooks’ erster periodischer Komet (1886, IV): »Wir müssen sehen, was die Jahre 1909 und 1910 hervorbringen.« Das ist eine ziemlich vage formulierte Erwartung – doch laut den Monthly Noticesof the Royal Astronomical Society10 haben die Jahre 1909 und 1910 nichts Dementsprechendes hervorgebracht. Der aufgezeichnete Brooks-Komet ist 16P/Brooks von 1889. 11 Giacobinis 12 zweiter periodischer Komet (1900, III) wurde 1907 nicht beobachtet – »insofern werden wir vor 1914 keine Gelegenheit haben, mehr darüber zu erfahren«. 1914 erfuhr man jedoch auch nicht mehr. Der Komet Borelly (1905, II): »Seine Rückkehr wird mit Interesse für 1911 oder 1912 erwartet.« Das ist ein ziemlich unbestimmtes Warten. Es heißt mittlerweile, dieser Komet sei am 19. September 1911 erneut aufgetaucht. 13 Dennings 14 zweiter periodischer Komet (1894, I) wurde 1909 erwartet, war aber zu dem Zeitpunkt, als Mister Chambers darüber schrieb, noch nicht erschienen. In den Monthly Notices findet sich keine Erwähnung. Swifts Komet vom 20. November 1894: »Muss als verloren erachtet werden, sofern er nicht noch im Dezember 1912 gefunden wird.« In den Monthly Notices findet sich auch hierzu keine Erwähnung.

Für 1913 war die Rückkehr von drei Kometen prognostiziert worden – nicht einer davon kehrte tatsächlich zurück (Monthly Notices, 74–326).

Vor langer Zeit machte ich mich einmal – mit einigen der pfiffigsten und neuartigsten Zynismen bewaffnet – im Magazine of Science auf die Jagd und stolperte dabei über einen Bericht, in dem es hieß, ein Komet sei für das Jahr 1848 erwartet worden. Ich vermute, das Ding war eindeutig prognostiziert worden, allem Anschein nach aber nicht aufgetaucht. Für derart schnöde Beute hatte ich damals kein Interesse, was mir allerdings auffiel, war die Spur von Schmach im Wort »Triumph«: »Sollte er erscheinen, käme das einem weiteren astronomischen Triumph gleich« (Magazine of Science, 1848–107). Die Astronomen hatten für das Jahr 1848 die Rückkehr eines großen Kometen vorhergesagt. In den Monthly Notices vom April 1847 sagt Mister Hind, das Ergebnis seiner Berechnungen lasse ihn in der Überzeugung zurück, dass die Identifizierung abgeschlossen sei und dass aller Wahrscheinlichkeit nach »der Komet sehr nahe sein muss«. Er übernahm die Bestimmungen von Professor Mädler und sagte voraus, dass der Komet gegen Ende Februar 1848 auf seine der Sonne nächstgelegene Position zurückkehren würde.

Kein Komet.

Die Astronomen kamen mit Erklärungen an. Ich weiß nicht, wie es im Kopf eines Astronomen aussieht, stelle mir dort aber ein Verpuffen vor, das von Ausflüchten umkreist wird. Mister Barber aus Etwell erklärt das hervorragend im American Journal of Science, 2–9–442. Offensichtlich hatte er sich, als der Komet nicht wiederauftauchte, die Berechnungen noch einmal vorgenommen und stellte fest, dass die uns vertraute Anziehung von Jupiter und Saturn zwischen 1556 und 1592 die Laufzeit des Kometen um 263 Tage verkürzte, dass aber etwas anderes eine Verlängerung um 751 Tage bewirkt hatte, sodass sich unter dem Strich eine Verzögerung um 488 Tage ergab. Eine derartige Magie würde sogar die Arterien der am heftigsten von Blutungen befallenen Heiligenstatue, die jemals Menschen zum Glauben brachte, mit Verdruss zum Versteinern bringen – hier reicht jemand durch 3 Jahrhunderte der Interaktionen zurück, die ohne göttliche Einsicht nach 3 Sekunden unvorstellbar sind …

Aber es gab keinen Kometen.

Die Astronomen suchten nach Erklärungen und stellten weitere Berechnungen an, mit denen sie auch 10 Jahre später noch beschäftigt waren. Siehe Recreative Science, 1860–139. Wäre dies nicht absolut wahnsinnig, so wäre es heroisch. Was los war mit Mister Barber aus Etwell und den intellektuellen Tentakeln, mit denen er sich durch die Jahrhunderte hindurchhangelte, geht aus den meisten zeitgenössischen Berichten nicht hervor, aber 1857 veröffentlichte Mister Hind ein Pamphlet und erklärte die Angelegenheit. Anscheinend bestätigte Littrow 15 im Zuge seiner Forschung einen Kurs, der für den Kometen errechnet worden war. Mit Mister Barber aus Etwell habe es überhaupt nichts auf sich, ihm hätten nur nicht ausreichend Daten zur Verfügung gestanden, aber das sei nunmehr korrigiert worden. Mister Hind stellte Vorhersagen an. Er zeigte in die Zukunft, doch wie jemand, der den Daumen einknickt und mit vier Fingern in eine Richtung zeigt. Mister Hind sagt, Halleys Berechnungen zufolge würde der Komet im Sommer 1865 zurückkehren. Da man jedoch eine Beschleunigung um 5 Jahre erkannt habe, würde als neuer Zeitpunkt August 1860 angegeben. Gemäß der von Mister Hind berechneten Umlaufbahn könnte der Komet zwar auch im Sommer 1864 zurückkehren, berücksichtige man nun allerdings die Beschleunigung, »wird man den Kometen Anfang August 1858 ausmachen«.

Dann machte sich Bomme ans Rechnen. Er sagte vorher, dass der Komet am 2. August 1858 zurückkehren werde.

Es erschien aber kein Komet.

Die Astronomen rechneten weiter. Nun sollte der Komet am 22. August 1860 zurückkehren.

Weiterhin kein Komet.

Ich glaube, wir können uns zum Luxus eine Prise Mitleid gönnen. Uns bleibt ohnehin nur die Wahl zwischen Nachsicht oder Monotonie. Um der Abwechslung willen wenden wir uns von einem Kometen, der nicht erschien, einem zu, der erschien. In der Nacht des 30. Juni 1861 tauchte am Himmel ein strahlendes Objekt der Beschämung auf. Eine der am hellsten strahlenden Leuchterscheinungen der Moderne erschien so plötzlich, als sei sie durch die Hülle unseres Sonnensystems hindurchgefallen – wenn es sich denn um ein Sonnensystem handelt. Die Tageszeitungen druckten Briefe ab: Die Leser fragten nach, warum die Astronomen dieses außergewöhnliche Objekt nicht hatten kommen sehen. Mister Hind hatte die Erklärung parat, bei dem Kometen handle es sich um ein Objekt von geringer Größe, weswegen die Astronomen ihn nicht hatten kommen sehen können. Niemand konnte bestreiten, wie großartig der Komet war, dennoch verkündete Mister Hind, er sei sehr klein und wirke nur deshalb so groß, weil er der Erde so nahe war. Inzwischen lautet die Rechtfertigung allerdings, der Komet sei am südlichen Himmel beobachtet worden. Dabei waren sich alle zeitgenössischen Astronomen einig, dass der Komet vom Norden gekommen war, und nicht einer kam auf den Gedanken zu behaupten, der Komet sei unsichtbar, weil er sich im Süden aufgehalten habe. Etwas Helles mit einem Nebel darum, allem Anschein nach so groß wie der Mond, war schlagartig auf der Bildfläche erschienen. In Recreative Science, 3–143, sagt Webb, Vergleichbares habe man seit dem Jahr 1860 nicht mehr gesehen. Und dennoch verkündete das orthodoxe Lager, das Objekt sei klein und werde genauso rasch verschwinden, wie es aufgetaucht war. Siehe Athenaeum, 6. Juli 1861: »Ein derart kleines Objekt wird rasch wieder aus dem Blickfeld verschwinden.« (Hind)

Die Popular Science Review, 1–513, berichtet aber, dass das Objekt noch im April 1862 sichtbar war.

Etwas anderes, das unter Umständen gesehen wurde, die nicht als triumphal betrachtet werden können: Am 28. November 1872 suchte Professor Klinkerfues 16 aus Göttingen nach dem Kometen Biela, als er auf der Bahn des erwarteten Kometen Meteore entdeckte. Er sandte Pogson 17 in Madras ein Telegramm, er möge in der Nähe des Sterns Menkent schauen, dort werde er den Kometen finden. Ich möchte nicht behaupten, dass wir es hier mit Magie zu tun haben, aber es erscheint doch nahezu perfekt. Ein dramatisches Telegramm wie dieses rüttelt die Gläubigen auf – ein Astronom im Norden weist einen Astronomen tief im Süden an, wo er zu suchen habe, und erwähnt dabei ausdrücklich einen besonderen kleinen Stern, der am nördlichen Nachthimmel nicht zu sehen ist. Pogson schaute, wohin er schauen sollte, und verkündete, er habe gesehen, was er zu sehen angewiesen worden war.

Aber auf Treffen der Royal Astronomical Society von Januar bis zum 14. März 1873 wies Captain Tupman 18 darauf hin, dass der Komet Biela, selbst wenn er erschienen wäre, nicht einmal ansatzweise in der Nähe dieses Sterns zu sehen gewesen wäre.

Unter unseren nachmaligen Empfindungen wird sich Empörung über all die Astronomen ausfindig machen lassen, die behaupten zu wissen, ob Sterne näher kommen oder sich von uns entfernen. Und bei diesem Thema wird es ganz besonders die Präzision der Astronomen sein, die uns über alle Maße aufbringt. Wir verweisen an dieser Stelle darauf, dass es deutlich weniger schwierig ist, zu bestimmen, ob ein relativ naher Komet kommt oder geht. Am 6. November 1892 entdeckte Edwin Holmes 19 einen Kometen. Im Journal of the British Astronomical Association, 3–182, schreibt Holmes, verschiedene Astronomen hätten eine Entfernung von 32 Millionen bis zu 320 Millionen Kilometern errechnet und kämen auf einen Durchmesser von 43000 Kilometern bis zu 480000 Kilometern.

Professor Young 20 erklärte, der Komet käme näher. Professor Parkhurst schrieb lediglich, man habe den Eindruck, dass sich der Komet der Erde annähere. Professor Berberich (English Mechanic, 56–316) wiederum erklärte, am 6. November sei Holmes’ Komet 58 Millionen Kilometer von der Erde entfernt gewesen, am 16. seien es noch 9,5 Millionen Kilometer gewesen und die Annäherung erfolge dermaßen rasch, dass der Komet am 21. unsere Erde berühren werde.

Doch der Komet, der sich von der Erde entfernt hatte, entfernte sich immer weiter.

Kapitel 4

Und trotzdem hege ich gelegentlich Zweifel, dass sich Astronomen durch besondere Inkompetenz hervorheben. Zu sehr erinnern sie mich an Lastenträger und Krämer, an Philanthropen, ausgefuchste Buchhalter, Verfasser von Verträgen, Teilnehmer an internationalen Konferenzen, Erforscher des Übersinnlichen und Biologen. Astronomen wirken auf mich, wie es Kapitalisten offensichtlich auf Sozialisten tun, Sozialisten auf Kapitalisten oder Presbyterianer auf Baptisten, Demokraten auf Republikaner oder Künstler der einen Schule auf Künstler der anderen Schule. Lassen sich die grundlegenden Irrtümer oder das Fehlen einer Grundlage einer jeden gedanklichen Spezialisierung erkennen, wenn man sie durch die Linse der Gegenseite betrachtet, so wird auch deutlich, dass sämtliche vermeintlichen Grundlagen unserer gesamten Existenz nichts als Mythen sind. Alle Diskussionen und vermeintlichen Fortschritte sind Phantomkonflikte, bei dem ein neuer Trugschluss einen alten Trugschluss vom Sockel stößt. Und dennoch suche ich nach einer wie auch immer gearteten umfassenderen Haltung, die uns alle Vernunft beibringt, denn ich schätze, dass das, was wir Irrationalität nennen, darauf zurückzuführen ist, dass wir nur Teile und Funktionen ohne Bezug zu einem großen Ganzen sehen – einem fundamentalen Etwas, das seine Entwicklung in Form von Planeten, Säuren und Käfern, von Flüssen, Gewerkschaften und Zyklonen und von Politikern, Inseln und Astronomen ausarbeitet.

Vielleicht stellen wir uns ein Basisgeflecht vor, innerhalb dessen sämtliche Dinge in unserer Existenz unterschiedliche Manifestationen sind – zerrissen von ihren Wirbelstürmen und erschüttert von den Kämpfen der Arbeit gegen das Kapital, woraufhin sie dann, um des Gleichgewichts willen, der Entspannung bedürfen. Doch diese unsere Existenz hat auch gröbere Scherze parat, und manche Affen und Priester, Philosophen und Warzenschweine haben nur Unfug im Kopf. Die Astronomen allerdings sind Garant für die Ironie der weniger bäuerlichen Augenblicke – oder die Köstlichkeit, so zu tun, als wisse man, ob ein weit entfernter Stern näher kommt oder sich entfernt, während man gleichzeitig sehr präzise vorhersagt, wann ein Komet in unserer Nähe seine Annäherung abgeschlossen haben wird, wiewohl er sich in Wahrheit gerade wieder von uns entfernt. Das ist kosmische Spielerei. Dank derartiger Scherze gelingt es der Existenz, ihre Katastrophen zu ertragen. Zerschlagene Kometen, angewiderte Nationen und die Wasserstoffqualen der Sonne – allein schon um der Entspannung willen muss es Astronomen geben.

Es ist uns wichtig, zu betonen, dass die Astronomen mit ihren Ankündigungen zu den Bewegungen der Sterne nicht weniger Pech hatten als in anderer Hinsicht. Ganz besonders stoßen wir uns an der Doktrin, Sterne seien variabel, weil dunkle Begleiter sie umkreisen. Wir verweisen darauf, dass halbwegs erwachsenen Köpfen bisher noch nichts Geeignetes an Sternen präsentiert wurde, die von hellen Begleitern eingekreist oder umlaufen werden. Ist Schweigen die einzig wahre Philosophie und jeder Eindeutigkeitsversuch ein Mythos, so sollten unsere negativen Präferenzen problemlos auf ihre Kosten kommen.

Professor Otto Struve zählte zu den größten astronomischen Koryphäen, und die Gläubigen schreiben ihm Triumphe zu. Am 19. März 1873 verkündete Professor Struve, er habe einen Begleiter des Sterns Prokyon entdeckt. Eine interessante Beobachtung, aber das war noch nicht der Anlass für den Triumph. Professor Auwers 21 , so gutgläubig, wenn nicht gar so witzig wie Newton, Leverrier und Adams, hatte einige Zeit zuvor die Umlaufbahn für einen hypothetischen Begleiter Prokyons berechnet. Auf einer Sternenkarte hatte er einen Kreis um Prokyon gezogen. Dieser Orbit wurde in Begriffen der Gravitation berechnet, und eines unserer wiederkehrenden Themen besagt, dass alle derartigen Berechnungen nur ideell sind und mit Sternen und Planeten oder dergleichen genauso wenig zu tun haben, wie es die makellosen Theorien mit Ereignissen haben, die als Schmutzflecken in dem einen großen Fleck der Existenz auftreten. Doch wir möchten insbesondere diesen »Triumph« von Struve und Auwers diskreditieren, wobei wir grundsätzlich an unserer Auffassung festhalten, dass sämtliche Nutzungen der Infinitesimalrechnung für die Himmelsmechanik falsche Anwendungen sind und dass dieses Thema einzig dem ästhetischen Genuss dient und in der Wissenschaft der Astronomie keinen Platz hat, wenn denn jemand tatsächlich glaubt, dass es eine derartige Wissenschaft gibt.

Nach mühevoller Arbeit oder beträchtlichem Vergnügen zog Auwers also einen Kreis um Prokyon und verkündete, es handle sich um die Umlaufbahn eines Begleitsterns. An exakt dem Punkt, an dem er sein »sollte«, sah Struve am 19. März 1873 diesen Lichtpunkt, den früher oder später vermutlich jemand anderes gesehen hätte. Laut Agnes Clerke (System of the Stars, Seite 173) beobachtete Struve wieder und wieder den Lichtpunkt und überzeugte sich davon, dass er sich bewegte, wie er sich bewegen »sollte«, nämlich exakt in der berechneten Umlaufbahn. Professor Newcomb erzählt die Geschichte in Reminiscences of an Astronomer22 , Seite 138. Ihm zufolge bestätigte daraufhin ein amerikanischer Astronom Struves Beobachtungen, konnte aber den vermeintlichen Begleitstern nicht nur sehen, sondern auch genau vermessen.

Schließlich stieß man auf einen Defekt zwischen den Linsen von Struves Teleskop: Durch dieses Teleskop hindurch sah man bei jedem großen Stern in etwa 25 Zentimetern Entfernung einen ähnlichen »Begleiter«. Es stellte sich heraus, dass die mehr als »bestätigenden« Ermittlungen des amerikanischen Astronomen an einem »seit langem wohlbekannten Stern« (Newcomb) vorgenommen worden waren.