Neustart (Der dunkle Paladin Buch #3): LitRPG-Serie - Vasily Mahanenko - E-Book

Neustart (Der dunkle Paladin Buch #3): LitRPG-Serie E-Book

Vasily Mahanenko

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Beschreibung

Das Spiel ist in Aufruhr. Alle Kräfte und Ressourcen der Spieler werden in die Vorbereitung auf den Neustart investiert: Nur 20 Prozent der Spieler werden es in die nächste Ära schaffen. Morde sind an der Tagesordnung, Bestechung und Vetternwirtschaft sind auf dem absoluten Höhepunkt. Verrat wird zu einem festen Bestandteil des täglichen Miteinanders. Das Spiel hat seinen perfiden Einfluss bis in die entlegensten Winkel des Universums ausgebreitet und beeinflusst jedes bewusste Wesen. Wird der Dunkle Richter das richtige Urteil fällen? Wird er bis zum Ende an den Idealen seiner Klasse festhalten, oder wird er sie verwerfen und ein gewöhnlicher Spieler werden? Yaropolk muss eine schicksalhafte Entscheidung treffen: Er ist der Spielleiter. Derjenige, der den Neustart herbeiführen wird.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1. Der Vortag

Kapitel 2. Tag Eins

Kapitel 3. Tag Zwei

Kapitel 4. Tag Drei

Kapitel 5. Tag Vier

Kapitel 6. Tag Fünf

Kapitel 7. Tag Sechs

Kapitel 8. Tag Sieben

Kapitel 9. Tag Acht

Kapitel 10. Tag Neun

Epilog

Über den Autor

Neustart

Ein Roman

von Vasily Mahanenko

Der dunkle Paladin

Buch 3

Magic Dome Books

Neustart

Der dunkle Paladin, Buch 3

Originaltitel: Restart (The Dark Paladin, Book #3)

Copyright ©V. Mahanenko, 2018

Covergestaltung © Vladimir Manyukhin 2018

Deutsche Übersetzung © Ruben Zumstrull, 2023

Lektor: Youndercover Autorenservice

Erschienen 2023 bei Magic Dome Books

Anschrift: Podkovářská 933/3, Vysočany, 190 00

Praha 9 Czech Republic IC: 28203127

Alle Rechte vorbehalten

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Kapitel 1. Der Vortag

„PALADIN YAROPOLK!“, kündigte der Herold mich an, und vor mir öffneten sich die breiten Doppeltüren. Ich versuchte, mir nicht allzu große Sorgen zu machen, und betrat den Saal, in dem die offiziellen Zeremonien der Residenz des Koordinators von Sektor 446, des Grafen Bernard Kalran, abgehalten wurden. Mein Oberherr hatte Madonna freundlicherweise seinen „bescheidenen“ Wohnsitz zur Verfügung gestellt, und Vertreter aller Spielwelten eilten nun herbei, um der Großen ihre Aufwartung zu machen. Der Saal mochte noch so geräumig sein - es war unwahrscheinlich, dass sich alle hier versammelten Kreaturen wohlfühlen würden, denn sie konnten sich kaum bewegen. Mit anderen Worten: Der Saal war zum Bersten voll. Alle hatten es eilig, die wiedergeborene Madonna zu sehen. Aber wen wollte ich hier täuschen? Wer wollte denn einfach nur einen Blick auf die Große werfen? Sie waren alle von dem Rummel angelockt worden, der mit solchen Ereignissen unweigerlich einherging. Wo sonst könnte man der immer wieder auftretenden Angewohnheit der Schöpfer beiwohnen, die Unverdienten zu belohnen und die Unschuldigen zu bestrafen?

Ich stand am Eingang der Halle und war nicht bereit, mich weiterzubewegen. In meinem Kopf kreisten die Gedanken. Was würde es für mich sein, Lohn oder Strafe? Alle anderen fragten sich wohl das Gleiche — sie machten sich nicht einmal die Mühe, Seitenblicke und Geflüster zu verbergen. Niemand hatte versucht, die, die vor mir kamen, in Schuldige und Würdige einzuteilen, sodass unser Erscheinen und Madonnas Reaktion für den Rest der Gäste einige Spannung boten. Da ich der Letzte in der Reihe der Glücklichen (oder Unglücklichen) war, wusste ich bereits, dass Archibald für die Probleme, die bei Madonnas Rückkehr aufgetreten waren, für schuldig erklärt worden war. Er war für vogelfrei erklärt, aller Ränge beraubt und zur Vergessenheit verurteilt worden. Die Gäste waren darüber sehr amüsiert gewesen. Danach war es etwas langweilig geworden: Auf den Moment der Aufregung war die übliche Prozedur gefolgt, Belohnungen aus den Händen der Großen zu erhalten. Einige hatten sogar gewagt zu schnauben, wenn sie die Belohnung für nutzlos oder unbedeutend hielten. Die NPCs hatten uns das alles sehr anschaulich geschildert, als sie zurückgekommen waren, um den Nächsten in der Reihe zu holen. Das Oberhaupt des Paladinordens, Gerhard van Brast, war vor mir gesehen worden, und die Menge war zum zweiten Mal an diesem Abend erstaunt gewesen, aber diesmal über die Höhe der Belohnung. Während ich meiner Begleitung auf dem Weg zur Halle zugehört hatte, hatte ich mir erlaubte, von einer persönlichen Welt mit Millionen von Sklaven zu träumen. Schließlich war ich derjenige, der die meiste Arbeit geleistet hatte, um die Rückkehr der Großen zu gewährleisten.

Ich warf einen verständnisvollen Blick auf die tuschelnden Gäste und machte mich schließlich auf den Weg zum Thron. Die Menge teilte sich wie erwartet, und ich konnte die Strecke hinuntergehen, an deren Ende die mächtige und exzentrische Große auf mich wartete. Madonna hatte Bernard mühelos zur Seite geschoben und den Thron des Gastgebers besetzt. In der Zwischenzeit hatte sich der Koordinator in der Nähe gehalten: Er stand rechts vom Thron wie ein ergebener Diener und zeigte nicht den geringsten Unmut über seine aktuelle Situation. Im Gegenteil: Er war witzig und tat alles, um seiner Herrin, dem Ehrengast, zu dienen. Dafür gab es einen Grund. Der Koordinator eines abgelegenen Sektors wurde im Handumdrehen zu einer wichtigen Figur in der Spielwelt, und er wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen. Ich hatte die ganze Woche vor der Zeremonie in der Residenz meines Oberherrn verbracht und reichlich Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie Bernard sich in der Aufmerksamkeit anderer Koordinatoren und einflussreicher Spieler gesonnt hatte. Er hatte ihre Geschenke und Bitten, bei der Großen ein Wort für sie einzulegen, herablassend angenommen. Madonna hatten die Räumlichkeiten, die ihr von den Priestern zur Verfügung gestellt worden waren, nicht gefallen, und so war sie stattdessen bei dem Koordinator geblieben und hatte ihn zum Ersten unter Seinesgleichen gemacht.

Die Große neigte ihren Kopf zu Bernard hinunter und hörte ihm mit einem flüchtigen Lächeln zu, wobei sie ab und zu etwas antwortete. Ihre Augen folgten jedoch unbeirrt meiner Annäherung. Obwohl ich genug Zeit gehabt hatte, mich auf diese Begegnung vorzubereiten, geriet ich dennoch aus dem Tritt. Madonna bemerkte das und wandte mit einem zufriedenen Lächeln den Blick ab. Der Feind war besiegt und konnte nun vergessen werden. Ich wusste nicht, ob das der Fall war, aber wenigstens konnte ich in Ruhe weitergehen.

Übrigens ignorierte mein Meister ebenso demonstrativ meine Annäherung, wie er sich in der Aufmerksamkeit der Schöpferin sonnte. Das war leicht zu erklären. Erstens gab es keine Möglichkeit, mein zukünftiges Schicksal zu erfahren, und zweitens hielt Bernard immer noch an seinem Irrglauben fest, dass ich aufgrund des aktivierten Buches von Lumpen unter seiner vollen mentalen Kontrolle stand. Aus diesem Grund war ich in seiner Auflistung von belebtem und unbelebtem Eigentum seit langer Zeit der weniger wertvollen Kategorie zugeordnet. Obwohl ich als Sklave ohne Rechte galt, wusste ich dennoch, dass man sich an mich erinnerte: Bevor die Zeremonie begonnen hatte, hatte Bernards treuer Wächter, der Vampir Malturion, mir eine Anti-Grav-Schleife mit Lichtquelle überreicht, damit die lieben Gäste nicht mit meinem Level 100 der Dunkelheit belästigt würden.

Ich hatte mein Ziel fast erreicht, als ich eine völlig unmögliche Kreatur bemerkte - der Nekromant Lumpen war in der Halle für offizielle Zeremonien anwesend. Natürlich nicht in Person: Sein Status als „Feind allen Lebens“ half ihm nicht, sich frei auf der Erde zu bewegen. Selbst das Refugium würde ihn nicht vollständig vor Angriffen anderer Spieler schützen. Nein, Lumpen war in Form eines Hologramms zu dem Treffen erschienen, das von einem Gerät projiziert wurde, das dicht über dem Boden schwebte. Das schreckliche Dunkle Gespenst schwebte über den anderen Spielern, und obwohl der Saal brechend voll war, gab es fast einen Meter leeren Raum um Lumpen herum. Nur der Vizeimperator leistete dem Nekromanten Gesellschaft, und nun unterhielten sich die beiden leise, aber eindringlich, und ignorierten die Zeremonie. Madonna war der Welt bereits vorgestellt worden, der größte Teil der Zeremonie lag hinter uns, also konnte man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern, ohne seine Zeit mit den Unwürdigen zu verplempern.

„Paladin Yaropolk!“ Ich kniete nieder, und Madonnas Augen richteten sich wieder auf mich. Das Brummen in der Halle verstummte. Neugier ist keine Sünde, wie man so schön sagt, aber unbefriedigte Neugier bereitet große Kopfschmerzen. Mein peripheres Blickfeld schien darauf hinzuweisen, dass sogar Lumpen und der Vizeimperator ihr Gespräch unterbrachen, um das Ergebnis abzuwarten. „Wir kennen alle Fakten, da du an den jüngsten Ereignissen beteiligt warst. Nach Abwägung all deiner Taten, die du um unserer Rückkehr willen unternommen hast, und unter Berücksichtigung der äußeren Anzeichen wollen wir dir in vollem Umfang gewähren, was dir zusteht, und...“

Madonna hielt inne und blickte Bernard an. Der Koordinator wartete teilnahmslos auf den Abschluss der Erklärung, während die Umstehenden gelegentlich einen beklagenswerten Mangel an Zurückhaltung an den Tag legten. Die Frau hatte es nicht eilig und genoss die wenigen angespannten Momente, in denen alle schwiegen. Ihr Gespür für Timing ließ sie jedoch nicht im Stich. Ohne die Pause zu sehr zu verlängern und den Moment zu ruinieren, wandte sie sich wieder mir zu und schloss:

„Wir erklären dich für schuldig!“

Der Satz schien mich am Boden festzunageln. Was sollte das heißen — „schuldig“?! Und weswegen?!

„Durch deine dummen und anmaßenden Handlungen hast du unsere Reinkarnation gefährdet. Du hast den erfahrenen Spielern den Aktivierungsprozess heimtückisch aus den Händen gerissen.“ Offenbar war das ein Hinweis auf Zangar und seinen Lehrer. Madonna wurde mit jeder neuen Anschuldigung immer verärgerter. „Du hast Zeit verschwendet, was unsere Wiederauferstehung verzögert hat, und Hilfe verschmäht. Du hast Lumpen in diese Welt zurückgebracht!“ An dieser Stelle sprang die Frau auf, ganz und gar nicht königlich, und zeigte anklagend in Richtung des Hologramms des Nekromanten, was ihren Worten noch mehr Ausdruck verlieh. Alle beeilten sich, ihre Blicke auf Lumpen zu richten, der nun als sichtbare Illustration meiner Schande diente.

Ich ignorierte den Moment des Ruhms des Nekromanten und starrte Madonna erwartungsvoll an. Wenn meine Augen mich nicht täuschten, hatte soeben ein flüchtiges kokettes Lächeln das Gesicht der „Großen“ geziert, und es war für den „Feind allen Lebens“ bestimmt gewesen! Was war das für ein Zirkus? Ich wurde öffentlich ausgepeitscht, weil ich ihn auferweckt hatte, während sie mit ihm flirtete? Was war das denn für eine Schöpferin? Oder versuchte sie nur, sich ein Sicherheitsnetz zu schaffen? Trotz seines Spielstatus war Lumpen eine sehr interessante und vor allem sehr mächtige Figur. In dem bevorstehenden Krieg würde er ausgezeichnete Chancen haben, zu gewinnen. Offenbar war ich nicht der Einzige, der so dachte...

„Ich konnte nur durch reines Glück wiederauferstehen“, sagte Madonna, beruhigte sich und kehrte auf den Thron zurück. „Wir sind unzufrieden mit dir, Paladin Yaropolk! Wir sind der Meinung, dass du eine sehr harte Strafe verdienst. Aber...“, an dieser Stelle wandte sie sich Bernard zu und lächelte ihn offen und gönnerhaft an, „… wir schätzen Diener, die uns gegenüber loyal sind, und nehmen die Bitte unseres freundlichen Koordinators an. Das bedeutet aber nicht, dass du einer Bestrafung entgehen wirst! Wir gewähren dir einen Monat, um zum Wohle aller zu dienen, und dann wirst du die gerechte Strafe durch unsere Hand erleiden! Wir verkünden der gesamten Spielgemeinschaft: Wir wären äußerst verärgert, wenn der Schuldige aufgrund irgendjemandes Dummheit nicht lange genug leben würde, um seine Strafe anzutreten.“

Der Saal brummte zustimmend.

Madonna winkte angewidert mit der Hand. „Schafft ihn mir aus den Augen!“

Sofort materialisierten sich ein paar Geister neben mir, die mich an den Armen packten und aus dem Saal zerrten, als wäre ich ein ungezogenes Kätzchen. Sie teleportierten mich nicht und begleiteten mich auch nicht, sondern zerrten mich hinaus. Sie nahmen mir die Möglichkeit, den Saal aus eigener Kraft zu verlassen und meine Ehre und Würde zu bewahren. Der gesamten Spielgemeinschaft wurde gezeigt, dass niemand etwas mit mir zu tun haben sollte. Die Geister zerrten mich hinter die Tür, und die Welt um mich herum wirbelte in einem Portal. Mehrfarbige Linien begannen vor meinen Augen herumzuspringen. Allmählich beruhigten sich die Farben und zeigten mir ein kleines Büro. Die helle Abendsonne durchflutete den Raum durch die großen Fenstertüren. Für ein paar Sekunden war ich geblendet.

„Der Paladin ist geliefert worden!“, dröhnte einer meiner Begleiter. Ich wurde losgelassen und vorsichtig in einen weichen Sessel geschoben.

„Guten Tag, Monsieur Yaropolk“, sagte eine andere, freundliche ruhige Stimme.

Ich blinzelte gegen das Licht an und sah mich im Raum um, konnte aber niemanden sehen. Mein Assistent Steve, der meine Verwirrung spürte, eilte mir zu Hilfe und markierte in roter Farbe ein kleines Wesen an der gegenüberliegenden Wand. Der Fremde fügte sich so gut in seine Umgebung ein, dass ich ihn im Geiste sofort „Chamäleon“ nannte. Wäre Steve nicht gewesen, hätte ich die Tarnung des Wesens nicht durchschauen können, egal wie genau ich hingesehen hätte.

„Hm … Sie sind sehr aufmerksam. Gut für Sie, Monsieur!“ Das Wesen spürte sofort, dass seine Anwesenheit und sein Standort für mich kein Geheimnis mehr waren, und machte mir mit verärgerter Stimme ein Kompliment. Es löste sich von der Wand und bewegte sich auf den Schreibtisch zu. Es veränderte ständig seine Form und Farbe, während es gleichzeitig die Lichtbrechung meisterhaft nutzte. Es war unmöglich, die wahre Gestalt des Besitzers dieses Büros zu erkennen, und es war auch nicht leicht, ihn lange zu betrachten.

Ich blinzelte und versuchte, zumindest einzelne Körperteile auszumachen oder zu identifizieren, da ich nicht in der Lage war, das gesamte Bild zu sehen. Irgendwann kam es mir sogar so vor, als ob sich die wahre Gestalt des Wesens gar nicht so sehr von einem tatsächlich auf der Erde existierenden Chamäleon unterscheiden würde. Schließlich gab ich es auf und ließ den Profi seine Arbeit machen. Steve bearbeitete die Bilder und zeigte mir dieses Wunder in seiner ganzen Pracht.

Das Chamäleon gluckste zufrieden. „Machen Sie sich keine Mühe. Ich bin daran gewöhnt — Angehörige deiner Spezies haben es schwer, uns anzuschauen.“ Die Kreatur ließ sich in einem Sessel vor mir nieder und kam zur Sache: „Monsieur Yaropolk, Sie sind hier, um zu verstehen, welche Rolle Sie bei den kommenden Ereignissen spielen sollen. Mein Name ist Delcatran de Lure, und ich bin der persönliche Assistent der Großen.“

Das Chamäleon sah mich erwartungsvoll an, doch aufgrund der jüngsten Ereignisse war ich nicht in der Lage, eine andere Reaktion als Misstrauen und ein tiefes Grunzen hervorzubringen. Das Wesen schien das als Anlass zu nehmen, mir ein Angebot zu unterbreiten:

„Darf ich Sie für ein Glas Cartanischen Likörs begeistern?“

Zwei Gläser mit bedrohlich roter Flüssigkeit erschienen auf dem kleinen Tisch. Mein müdes Hirn hielt das für ein schlechtes Zeichen, aber ich ließ mir die Gelegenheit zur Entspannung nicht entgehen. De Lure gesellte sich zu mir. Einige Minuten vergingen schweigend, während wir das starke Getränk genossen. Ich war nicht um mein Leben besorgt. Der Zustand des Refugiums war beruhigend — außerdem hätte Madonna sich, wenn sie mich hätte töten wollen, nicht die Mühe gemacht, den ganzen Schnickschnack zu veranstalten und persönliche Assistenten ins Spiel zu bringen. Ich zweifelte allerdings nicht daran, dass ich in einem weiteren Monat entweder schmerzhaft ausgelöscht oder von der Großen persönlich gefoltert werden würde. Außerdem könnte sie sich dazu herablassen, nicht nur die Regie zu führen, sondern persönlich ihre „Große Hand“ anzulegen. Oder ihren Fuß. Das würde mich nicht überraschen. Diese neuen Gedanken, die in meinem Kopf auftauchten, zeigten mir, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, mich zu entspannen. Ich hatte diesen Likör wirklich gebraucht, um wieder ich selbst zu werden. Das Chamäleon hatte recht gehabt.

„Was für ein grrroßartiges Zeug!“ Ich rollte das „r“ ausgiebig, räusperte mich und übernahm die Kontrolle über das Thema. „Von welcher Rolle reden Sie denn? Die Große Madonna hat mir sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht würdig bin, ihre Weisungen zu erfüllen.“ Es kostete mich große Mühe, den Sarkasmus aus meiner Stimme herauszuhalten.

„Es ist nicht an uns, über die Worte und Taten der Großen zu urteilen“, unterbrach das Chamäleon mich. „Die Große Herrin ist unzufrieden mit Ihrem Verhalten während der Vorbereitung auf ihre Rückkehr. Und das aus gutem Grund — Sie haben fast alles verpfuscht! Und dennoch haben Sie als Spielleiter gewisse Verpflichtungen gegenüber der gesamten Spielgemeinschaft. Aber bis jetzt haben Sie nicht Ihr Bestes getan, um sie zu erfüllen. Das war der Grund für ihren Unmut. Aber sie ist sehr gütig. Und wie sich herausstellt, haben Sie würdige Beschützer. Darüber dürfen Sie sich freuen! Sie haben jetzt die Chance, alles richtig zu machen und Ihre Kompetenz und Loyalität für die große Sache zu beweisen! Verstehen Sie, was ich meine, Monsieur Yaropolk?“

„Reden wir davon, Merlin und den Namenlosen zu finden?“, wagte ich eine Vermutung.

„Nur Merlin“, beeilte Delcatran sich zu antworten — offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass irgendein niederer Mensch etwas über den dritten Teilnehmer des Neustarts wissen würde. Die Finger seiner rechten Hand setzten sich in Bewegung, worauf Steve mich sofort hinwies. Das schlaue Chamäleon tippte schnell eine Nachricht auf der Tastatur, die in die Armlehne des Stuhls eingebaut war! Leider waren weder Steve noch ich in der Lage, die Nachricht zu lesen.

„Das macht nichts. Ich weiß sowieso nichts über sie.“ Ich versuchte, nachlässig zu wirken, doch innerlich schimpfte ich mit mir selbst. Was für ein Idiot ich doch war! Wie hatte ich mich nur entspannen können? Das Letzte, was ich brauchte, war, dass Gerhard sich Sorgen machte, was ich über den Namenlosen wissen könnte. Diejenigen, die zu viel wussten, blieben nicht lange im Spiel, selbst wenn sie dreimal die Spielleiter waren! Ich beauftragte Steve sofort mit der Ausarbeitung einer plausiblen Erklärung dafür, wie Zangar mir von dem dritten Teilnehmer des Neustarts erzählt hatte. Ich musste alle möglichen Szenarien für zukünftige Entwicklungen abdecken.

„Genau darum geht es hier — dass Sie keine Informationen haben.“ Das Chamäleon nickte erfreut. „Die Aufgabe des Spielleiters ist es, alle Teilnehmer des Neustarts zusammenzubringen. Wie wollen Sie das tun, wenn Sie Merlin noch nicht identifiziert haben? Das ist im Moment die höchste Priorität für Sie — der Sinn Ihrer Existenz!“

Die Logik des Gesprächs verlangte von mir, einer bescheidenen, erbärmlichen Kreatur, dass ich mich selbst zurücknehmen würde, und ich beeilte mich, mich als solche zu präsentieren, wobei ich die ganze Zeit über nickte. Niemand verlangte viel von dummen Menschen. Zumal ich ja schon den richtigen Ruf hatte. Also los, den eingeschlagenen Weg weitergehen und dafür sorgen, dass der Gesprächspartner sich an den Effekt erinnern würde, den er von Anfang an hatte sehen wollen.

„Da haben Sie recht — mein Fehler. Aber ich habe eine Ausrede — meine Ausbildung ist schief gegangen, ich wurde nicht wie die anderen ausgebildet. Archibald...“ Ich seufzte und machte ein schuldbewusstes Gesicht, in der Hoffnung, dass ich es nicht zu sehr übertrieben hatte. Aber auch Delcatran wurde von dem Likör beeinflusst. Meine Zerknirschung und meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit beflügelten ihn. Das Chamäleon lehnte sich sogar in seinem Stuhl zurück und hatte das Gefühl, die Situation im Griff zu haben.

„Wir wissen um die Lücken in Ihrer Ausbildung und sind bereit zu helfen.“ Das Chamäleon ersetzte nun „ich“ durch „wir“ und kopierte damit die Sprechweise seiner Herrin. „Aber nur im Rahmen Ihres Auftrags.“

„Madonnas Großzügigkeit kennt keine...“ Ich verbarg meinen Sarkasmus nicht einmal mehr, aber Delcatran unterbrach mich so barsch, dass ich einen Moment lang befürchtete, er hätte es durchschaut.

„Die Große Madonna. Sie müssen unsere Herrin mit Respekt behandeln.“

„Muss ich nur Merlin finden, oder auch etwas anderes?“ Der Zirkus langweilte mich langsam. Ich wollte es schnell beenden und herausfinden, was Madonna von mir wollte.

Eigentlich war ich in der letzten Woche von ihrer „Grandeur“ und ihren „heiligen Taten“ ziemlich beeindruckt gewesen. Eine hysterische Frau, die sich in ihrer eigenen Kraft und Macht suhlte. Eine Frau, die Belohnungen und Strafen verteilte, ohne dass es dafür einen vernünftigen Grund gab. Der heutige Empfang war nicht die einzige Demonstration ihrer Gnade gewesen. Am Tag zuvor hatte sie die Oberhäupter von Klerikern und Priestern degradiert, die irgendwie nicht genug um ihre Gunst geworben hatten, einige Spieler ins Exil geschickt, wie sie es mit Archibald getan hatte, und sie ihrer Klasse und ihres Ranges beraubt... sie mischte sich aktiv in das Spiel auf der Erde ein, ohne sich die Mühe zu machen, sich mit den aktuellen Problemen vertraut zu machen. In der Masse der Spieler wuchs die Unzufriedenheit, aber sie fand keine Linderung. Alle schwiegen, um nicht in die Schusslinie zu geraten.

„Sie haben den Auftrag, innerhalb eines Monats das Wesen zu finden, in das Merlin reinkarniert ist.“ Das Chamäleon nahm nun ebenfalls eine geschäftsmäßige Gesprächsweise an. „Es würde genügen, herauszufinden, wer er ist, und der Herrin Bericht zu erstatten. Dann wäre Ihr Auftrag erfüllt.“

„Ihn einfach finden?“ Ich war aufrichtig überrascht. „Ich muss ihn nicht in die Kommandozentrale bringen?“

„Kommandozentrale?“ Das Chamäleon grinste und richtete seine beiden wunderlichen Augen auf mich. „Vielleicht wissen Sie zufällig, wo sie sich befindet?“

„Was meinen Sie mit ‚wo‘?“, murmelte ich. Ich musste mir einfach eingestehen, dass ich nicht nur so tat, als wäre ich ein Idiot — ich war tatsächlich einer. „Ich glaube, dass sie hier ist, auf der Erde. Ich kann mich natürlich irren, aber es erscheint mir logisch.“

„Sie wissen es also nicht sicher?“ Mein Gesprächspartner fragte mich weiter aus. Daraufhin zuckte ich wieder nur mit den Schultern und nickte. „Warum finden Sie das logisch?“

Ich dachte mir, dass ich nichts verlieren würde, wenn ich ihm meine Überlegungen mitteilen würde, und klärte ihn auf: „Die Kommandozentrale ist ein Standardmerkmal in praktisch allen Spielen. Es wäre logisch anzunehmen, dass es das auch hier gibt. Würden Sie dem zustimmen? Alle bekannten Schlüsselfiguren sind auf der Erde reinkarniert: der Spielleiter, die Schlüsselmeisterin, die Große Madonna. Außerdem ist sie sich sicher, dass man auch in unserer Welt nach Merlin suchen sollte. Daraus ergibt sich eine berechtigte Frage: Warum? Was hat die Erde getan, um eine solche Ehre zu verdienen? Vielleicht liegt die Antwort darin, dass sich auf ihr die Kommandozentrale befindet.“

„Das könnte sein, das könnte sein...“, bemerkte Madonnas persönlicher Assistent nachdenklich. „Aber das spielt keine Rolle, Monsieur Yaropolk. Wir sind hier Realisten, und wir ziehen es vor, den Spielern das aufzutragen, wozu sie fähig sind. Also, finden Sie Merlin und erstatten Sie mir Meldung. Wir verlangen nicht mehr von Ihnen. Meine Nummer wurde Ihnen bereits mitgeteilt. Wenn Sie es schaffen, erhalten Sie eine beträchtliche Belohnung von der Herrin. Wenn nicht, verlieren Sie den Status des Spielleiters, und ich bin sicher, dass Sie die Konsequenzen einschätzen können.“

So einfach und klar wies er mich also in meine Schranken. Ich stellte mir die Konsequenzen schnell und lebhaft vor.

„Kann ich auf irgendeine Hilfe zählen?“ Da „die Realisten“ ja hier versammelt waren, konnte ich vielleicht auf ein paar Vergünstigungen und zusätzliche Boni hoffen.

„Wir haben alles Nötige in die Wege geleitet, um die Suche zu beginnen. Die Spieler sind gewarnt worden, dass es keine gute Idee ist, Sie anzugreifen. Was die Exzentriker und anderen Verrückten angeht, die sich für Messiasse halten, so müssen Sie sich selbst gegen sie zur Wehr setzen. Aber davon gibt es auf dieser Welt nicht viele.“ Ich war nicht sonderlich verärgert. Fairerweise musste man sagen, dass ein zusätzlicher Lebensmonat an und für sich schon ein fettes Plus war.

„Wo soll ich mit der Suche beginnen?“

Das Chamäleon enttäuschte mich erneut. „Da kann ich wirklich nichts für Sie tun. Sie sollten das besser wissen. Vertrauen Sie auf Ihre Intuition. Ihr essenzieller Aspekt wird Sie wissen lassen, wo der Weg ist, der Sie zu Merlin führt. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie einen Monat Zeit haben. Sie sollten nun gehen!“

Der Assistent hob die Hand, und die mittlerweile vertrauten Geister hoben mich aus dem Sessel. Eine weitere Portalreise, und ich befand mich in der Zitadelle der Paladine. Das Ziel dieser Reise war für mich unerwartet, aber alles wurde sofort geklärt:

„Das Oberhaupt erwartet dich, Bruder Yaropolk. Folge mir.“ Sofort erschien ein Paladin-Ork neben mir. Eskorten und Wachen wurden durch andere Eskorten und Wachen ersetzt. Das war bedrückend. Wir bewegten uns vorwärts und hatten bereits zwei oder drei Hallen passiert, als mir ein verspäteter Gedanke kam: Soweit ich das anhand der 3D-Projektion der Zitadelle erkennen konnte, entfernten wir uns vom Empfang. Ich drehte verwirrt den Kopf und versuchte herauszufinden, was ich tun sollte, was meinem Begleiter nicht unbemerkt blieb.

„Wir können nicht durch die Rezeption gehen. Du bist jetzt ein Geächteter, Bruder. Gerhard kann dich nicht offen sehen. Also...“

Der Ork ließ den Satz bedeutungsvoll ausklingen und seufzte ein paarmal. Das gab mir das Gefühl, dass mir Unrecht getan wurde. Dennoch ging ich weiter, jetzt ruhiger. Wir liefen noch eine Minute weiter, bevor ich herausfand, was mich störte. Gerhard! Kein einziger Paladin von der Erde würde so lässig über das Oberhaupt sprechen. Nur Außenseiter würden so etwas tun! Dieser Ork war nicht von unserer Welt!

Ich drehte mich um, aktivierte alle meine Verteidigungen und auch mein Artefakt.

„Deine Schuld ist beglichen, Sharnadan.“ Ein Schatten in der hinteren Ecke des Raumes verwandelte sich in ein Wesen, das ich kurzzeitig vergessen hatte. Das war wirklich ein schlechtes Timing von Garlion, um seine Rachegelüste zu befriedigen. Im Eifer des Gefechts hatte ich die beiden egoistischen Elfen bereits vergessen: Nartalim, den ich getötet hatte, und seinen fiesen Vater.

„Ich übernehme jetzt.“ Ohne mich aus den Augen zu lassen, deutete Garlion dem Ork mit einer Geste an, dass dieser gehen konnte. Gleichzeitig setzten sich die beiden etwa 1,80 Meter großen Gremlin-Statuen, die neben der Tür standen, in Bewegung und holten einige Netze hervor.

„Nichts Persönliches, Bruder Yaropolk“, dröhnte der Ork, dem mein Schicksal inzwischen gleichgültig war. „Ich musste nur eine Schuld begleichen.“

Einer der Gremlins ließ den Ork ungehindert den Raum verlassen. Dann stand er regungslos vor der Tür und versperrte mit seinem massigen Körper den Eingang. Ein silbriges Netz pfiff durch die Luft und versuchte, mich zu fesseln, aber die Rolle der Beute gefiel mir nicht. Ich kam seiner Bewegung zuvor und wich zur Seite aus, ließ das Netz über meinem Kopf vorbeisausen und hielt den Kobold zwischen Garlion und mir. Der Elf machte es nicht so wie die Bösewichte aus diversen Filmen, die eine halbe Stunde brauchten, um allen von ihren bösartigen Taten zu erzählen. Er griff lautlos, aber bösartig an. Blaue Blitze zuckten aus seiner Hand, und ich rannte aus der Schusslinie und sprang herum wie eine Bergziege. An der Stelle, die ich gerade verlassen hatte, explodierte der Boden mit Steinsplittern. Blitze dieser Stärke von einem Paladin bereiteten mir ziemliche Sorgen. Steve offenbarte mir sofort den Grund für die Ungereimtheit: Der Elf benutzte einen kleinen Stab, der diese Blitze erzeugte.

Der steinerne Kobold betrachtete traurig sein leeres Netz, dann beeilte er sich, soweit es ihm möglich war, einen weiteren Versuch zu unternehmen. Ich war nur froh, dass die Puppe mindestens ein paar Minuten brauchen würde, um sich auf den nächsten Wurf vorzubereiten, manchmal sogar noch länger — auf diese Weise musste ich mich nicht zu sehr von meinem Hauptgegner ablenken lassen. Ich bemerkte meinen Fehler zu spät, als die silbernen Fäden mich bereits von Kopf bis Fuß bedeckten. Ich hatte den anderen Gremlin an der Tür vergessen und ihm den Rücken zugewandt. Mein Artefakt war gegen das Netz machtlos — nur Funken erhellten die Luft jedes Mal, wenn ich den „Schlag des Templers“ einsetzte.

Garlion kam näher, immer noch schweigend, ohne den Stab zu senken, der nach wie vor auf mich gerichtet war. Er schaute mir direkt in die Augen, und ich wusste genau, dass Worte nichts ändern würden. Ich zählte im Geiste die Sekunden und wartete darauf, dass ich zum Respawn gehen würde, ohne die Augen zu schließen. Mein Feind wartete vergeblich auf Angst in ihnen. Alles, was da war, war die Frustration über diese ganze Situation und der Wunsch, dass sie sich schnell auflösen möge.

Blitze zuckten, aber im Grunde änderte sich nichts. Im ersten Moment verstand ich nicht einmal, was passiert war. Ich machte mich auf Schmerzen gefasst, aber stattdessen verlor ich das Gefühl in meinen Beinen. Ich starrte den Elfen fassungslos an und versuchte zu verstehen, was er damit bezwecken wollte. Aber alles, was ich bekam, war ein böses Grinsen und ein weiterer Blitz. Das machte seine Absichten deutlich: Mit jedem neuen Blitz wurde mein Körper mehr und mehr gefroren und taub. Garlion machte mich bewegungsunfähig, und das Atmen fiel mir schwer. Ich versuchte, die Luft anzuhalten, um einen Respawn auszulösen, aber meine Reflexe funktionierten leider zu gut: Ich schnappte röchelnd nach Luft, während der Elf über mich lachte.

Nachdem er diesen Anblick meiner Demütigung genossen hatte, begann Garlion schließlich zu sprechen: „Verlass dich nicht auf den Respawn, Bruder Yaropolk.“ Seine Stimme triefte vor Hass. „Das wäre zu einfach. Ich habe etwas anderes für dich auf Lager. Ich werde dich an einen Ort sperren, an dem dich niemand jemals finden wird! Du wirst Jahrtausende in der Gefangenschaft verbringen, bewegungslos: Das einzige Geräusch, das du hören wirst, wird das Geräusch von tropfendem Wasser sein! Tröpfeln! Tröpfeln! Tröpfeln! Es wird tropfen, Sekunde für Sekunde, Minute für Minute, Tag für Tag, deine wertlose Existenz abzählend und dich in den Wahnsinn treibend! Eine Unendlichkeit in Dunkelheit und Einsamkeit, ohne jede Hoffnung auf willkommene Bewusstlosigkeit! Wäre das nicht eine würdige Strafe für den Tod meines Sohnes?“

Der Elf war so in seine Rachefantasien vertieft, dass er ein Klopfen an der Tür erst hörte, als es immer lauter wurde.

„Lasst niemanden herein!“, befahl Garlion den Gremlins. Gehorsam steuerten die Schwachköpfe auf die Tür zu und dachten an nichts Besseres, als sich direkt auf den Boden zu setzen und eine steinerne Türsperre zu errichten. Aber der Besucher hatte es offensichtlich satt, sich friedlich Zutritt zu verschaffen, und ging aktiv zum Angriff über. Wer auch immer die Tür stürmte - für ihn waren weder die Türen selbst noch ein paar monumentale Attrappen ein besonderes Hindernis. Mit einem donnernden Schlag, der wie ein Kanonenschuss klang, zersplitterten die Türen, und die Gremlins zerfielen in winzige Steinchen. Noch bevor sich der Staub gelegt hatte, betrat Sharda in voller Kampfmontur den Raum. Sein Kampfhammer leuchtete so hell, dass es aussah, als würde die Sonne aus dem Morgennebel aufsteigen.

Garlion verschwendete keine Zeit mit Ausreden und griff den unwillkommenen Gast sofort mit Blitzen an. Der Gnom schnappte sich einen riesigen Schild aus der Luft, an dem die Blitze nur leckten und harmlos verpufften. Sharda konnte dem Bibliothekar offensichtlich noch etwas Neues zeigen. Ein paar weitere Blitze leuchteten auf, mit ähnlichem Ergebnis. Der Gnom teleportierte sich sofort direkt neben Garlion. Ein täuschend leichter Schwung des Hammers, und der in zwei Hälften zerbrochene Stab des Elfen flog in eine unbekannte Ecke. Die Hand des Elfen hing nun leblos verdreht herunter, während Garlion hoffnungslos jammernd Gelenk festhielt. Der Feind war besiegt. Es war ein Vergnügen, einem echten Paladin bei der Arbeit zuzusehen: schnell, präzise und auf den Punkt. Ich hatte noch viel zu lernen.

„Ich habe dich gewarnt, Bruder Garlion“, sagte Sharda ruhig, nachdem er sich vergewissert hatte, dass Garlion seinen ganzen Kampfeswillen verloren hatte.

Sharda schnalzte mit der Zunge, extrahierte einen Elfentrank und bot ihn dem Elfen an. Die Vorsicht des Gnoms konnte einen in die Irre führen, aber seine Augen verhießen nichts Gutes für den nun ruhigen Bibliothekar.

„Ich bin im Recht! Er hat meinen Sohn getötet!“, zischte Garlion, als wollte er sein Handeln rechtfertigen.

Sharda unterbrach ihn entschlossen und erhob seine Stimme. „Du bist nur ein alter und böser Elf! Hätte Nartalim die Akademie überlebt, hättest du ihn selbst töten müssen! Er hat seine Brüder in der Akademie verraten! Er hat aufgehört, ein Paladin zu sein! Bruder Yaropolk hat dich vor der Schande bewahrt, Garlion. Du bist derjenige, der seinen Sohn auf diese Weise erzogen hat!“

Entrüstet öffnete und schloss Garlion immer wieder den Mund, unfähig, dem Gnom etwas zu erwidern, und schlurfte nur unbeholfen auf seinem Platz herum.

Sharda atmete geräuschvoll aus, fuhr aber nach wenigen Augenblicken mit ruhiger und müder Stimme fort. „Geh zurück in deine Bibliothek, Bruder. Ich werde das Oberhaupt über dein Verhalten informieren.“

Sharda sah die Sache als erledigt an, packte mich am Genick und zerrte mich aus dem Raum. Auf dem Flur stand ein Team von fünf Paladinen mit Waffen bereit, das auf die Rückkehr des Gnoms wartete. Das Unterstützungsteam war bereit gewesen, dem Bruder jeden Moment zu Hilfe zu kommen, aber als sie gesehen hatten, wie die Dinge sich entwickelt hatten, hatten die Paladine ihre Waffen weggesteckt.

Sharda trat an sein Team heran und übergab mich an den größten Krieger. Der warf sich meinen Körper über die Schulter wie eine Trophäe, die man nur ungern wegwerfen würde, die aber ziemlich schwer zu tragen war. So machten wir uns also auf den Weg durch die Gänge und Hallen, die lauter Echos erzeugten. Die Brüder scherzten gutmütig über mein Bukephalos. Der Krieger lachte mit ihnen über die Scherze, ohne beleidigt zu sein, antwortete aber nicht. Endlich sah ich statt der Steinplatten einen regelmäßig gemusterten Holzfußboden — dann war ich von der Notwendigkeit befreit, auf den Hintern meines starken und geduldigen „Rosses“ zu starren.

„Bruder Shardangabat, dein Timing ist immer tadellos. Ich habe eine höchst merkwürdige Pflanze gefunden...“ Ich hörte den örtlichen Arzt zuerst, ehe ich ihn einige Momente später auch sehen konnte. Wie ein wahrer Krieger des Hippokrates wandte der Heiler seine Aufmerksamkeit sofort dem neuen Patienten zu. „Was ist mit ihm passiert?“

„Er wurde vom Blitz getroffen, Bruder Dragore“, erklärte Sharda. „Er ist bei Bewusstsein und atmet noch. Wie lange?“

„Wenn wir von Zeit sprechen, dann sind es drei bis vier Stunden. Wir müssen die gefrorenen Muskeln wiederherstellen. Ich kann ihn doch nicht zum Respawn schicken, oder?“

„Vorzugsweise nicht. Bruder Yaropolk hat den Ankerpunkt geändert, und es ist unklar, wie lange er für die Rückkehr brauchen würde. Aber es muss schnell gehen, das Oberhaupt wartet auf ihn.“

„Schnell?“ Der Arzt kratzte sich nachdenklich am Bart und begann, die vielen kleinen Fläschchen in seinem Regal durchzugehen, wobei er vor sich hinmurmelte: „Was haben wir denn hier? Nein, das geht nicht... Oder vielleicht... Nein, riskieren wir nicht zu viel... Oh, hier ist es... Moment, es könnte eine starke negative Wirkung auf das Verdauungssystem haben... Was ist das...? Oh, das würde die Persönlichkeit auslöschen... das geht überhaupt nicht — nein, Sir! Oh! Endlich! Das ist es, was wir brauchen. Schnell, einfach und sehr schmerzhaft. Na ja, was soll's — es geht ja ums Ergebnis. Und das Ergebnis ist in 30 Minuten garantiert! Aber danach, spätestens in vier Stunden, musst du ihn lange schlafen lassen.“

„Nur zu. Bruder Yaropolk wird sich an alles erinnern. Er wird jetzt durchhalten und später schlafen.“

Eine halbe Stunde später saß ich im Wartezimmer von Gerhard van Brast und versuchte, mich vom Zittern abzuhalten. Das war nicht leicht — manchmal schienen meine Beine ein Eigenleben zu entwickeln und begannen so stark zu zittern, dass ich sie mit den Händen festhalten musste. Der Arzt hatte nicht gelogen. Es war wirklich schmerzhaft gewesen. Mehrmals war ich während des Eingriffs ohnmächtig geworden, als mein Körper versucht hatte, der Folter zu entkommen, aber ich war sofort wieder geweckt worden, denn die Methode hatte erfordert, dass ich die ganze Zeit bei Bewusstsein blieb.

Sharda saß neben mir im Raum und beobachtete jede meiner Bewegungen. Der Gnom hatte kein Wort gesagt, während er mich dorthin getragen hatte. Sharda schien ganz anders zu sein als der Gnom, den ich früher gekannt hatte. Er war mürrisch und schweigsam. Er hatte keine ironischen Bemerkungen oder Scherze gemacht. Er starrte stechend unter seinen Augenbrauen hervor. Meine Laune hatte sich wirklich verschlechtert, und ich versuchte, ein Gespräch anzufangen, indem ich nach Themen suchte, die ihn interessieren würden.

„Hast du etwas über den dritten Teilnehmer herausfinden können?“

Shardas linkes Augenlid zuckte, aber das war die einzige Reaktion, die ich bekam.

„Hat Archibald dich angerufen?“

Weiter Stille. Vielleicht war das ein Zeichen für mich, den Mund zu halten, aber sein Schweigen irritierte mich so sehr, dass ich nicht aufhören konnte.

„Ich konnte herausfinden, dass sie den dritten Teilnehmer den Namenlosen nennen. Er löscht alle Informationen über sich selbst. Wer das sein könnte, weiß nur noch...“

„Genug!“, unterbrach Sharda mich scharf. „Ich will nichts über den Namenlosen wissen, auch nicht über den Neustart. Du hast schon zu viel gesagt. Wie oft muss ich dir noch sagen, du Schwachkopf, dass auch Wände Ohren haben?“

Ich krümmte mich merklich und erkannte, dass der Vorwurf berechtigt war. Doch das war seine eigene Schuld. Er hätte mit mir sprechen können — sagen wir, über das Wetter. Ich war gerade bis ins Gehirn durchgefroren. Apropos Einfrieren und dessen Folgen …

„Was wird mit Garlion passieren? Er...“

„Vergiss die Bibliothek.“ Sharda unterbrach mich erneut. Offensichtlich verließ er sich nicht mehr auf meine Geschicklichkeit. „Du wirst dort nicht hineingelangen können, Punkt. Das Thema ist abgeschlossen. Halt die Klappe und setz dich still hin!“

Sharda kauerte sich zusammen wie ein Sperling auf einer Stange. Jetzt hatte der Gnom wirklich all meine Gesprächsbereitschaft zerstört und den Gedanken vertrieben, dass sein Zustand etwas mit mir zu tun hatte. Und warum? Ganz einfach, weil er mir beim Thema Neustart das Wort abgeschnitten und mich mit dem Vorwurf, ich würde zu viel reden, zum Schweigen gebracht hatte. Auch hier hatte er das letzte Wort gehabt, wie der Mentor von unendlich vielen dummen Schülern. Nein, Ich hatte nicht das Zeug dazu, die Ursache für Shardas große Kopfschmerzen zu sein. Die einzige vernünftige Erklärung für dieses Verhalten war, dass Archibald in Ungnade gefallen war. Der Gnom und der Catorianer hatten sich nahegestanden, und die Verbannung des Letzteren und die Aberkennung seiner Klasse und seines Ranges musste Sharda ziemlich verärgern. Ein indirekter Beweis für meine Vermutung hatte im Tonfall des Gnoms gelegen, als er das Thema Neustart angesprochen hatte. Hätten sie sich nicht bis über beide Ohren in diese ganze Neustart-Sache verstrickt, wäre der Catorianer mit dem Oberhaupt vielleicht noch gut gestellt gewesen. Hm... Das war's! Sharda fühlte sich schuldig! Und die Dinge, die ich gesagt hatte, hatten dieses Gefühl nur noch verschlimmert.

„Wenn ich meinen Lehrer in naher Zukunft sehen würde, was sollte ich ihm dann sagen?“, fragte ich und hielt dem strengen Blick des Gnomen stand.

Das Schweigen dauerte lange an, bis Sharda schließlich leise sagte: „Delra kan rog. Nimm es auf Video auf, sonst vergisst du es noch, du Trottel!“

„Delra kan rog“, wiederholte ich und nickte. „Ich werde es ihm sagen.“

Sharda blies die Backen auf - anscheinend wollte er noch etwas sagen -, aber in diesem Moment wurde die Tür zu Gerhards Büro geöffnet, und ich wurde hereingebeten. Allein. Ich ging schnell durch die Zone der Sicherheits- und Sanitäranlagen, und es wurden gerade mal drei Wanzen auf Signale hin entfernt. Ich akzeptierte die Nachricht, dass ich nun völlig sauber sei, und stand schließlich vor dem Chef. In der Woche, die seit Madonnas Erscheinen vergangen war, hatte Gerhard sich verändert, aber nicht zum Besseren. Vielleicht war das nur meine subjektive Meinung, und ich hatte einfach Mitleid mit dem Mann, dessen Puppe so ein Miststück war. Ich hatte den Eindruck, dass sein Gesicht gezeichnet war, seine Wangen hohl, seine Augen rot. Ja, generell sahen alle seine Gesichtszüge spitz aus. Gerhard sah aus wie jemand, der sich vor mehreren Neustarts das letzte Mal ausgeruht hatte. Dennoch begrüßte er mich wie immer: mit einem väterlichen Lächeln und Weisheit in seinen müden Augen.

„Du hattest eine lange und schwierige Woche, Bruder Yaropolk.“ Mit diesem einfachen Satz zeigte Gerhard, dass er sich all meiner Schwierigkeiten bewusst war und auch der Gründe, warum ich mich nicht früher für die Ausbildung bei ihm hatte melden können. Unmittelbar nach Madonnas Rückkehr hatte Bernard mich auf sein Anwesen gebracht und mich bis zur Zeremonie nicht mehr herausgelassen. Ich war mir sicher, dass auch der Vorfall mit Garlion bereits dem Direktor gemeldet worden war.

„Das könnten viele Leute von sich behaupten“, erwiderte ich. „Aber ich gebe Ihnen recht, Ruhe und Langeweile sind in meinem Leben tatsächlich Mangelware.“

Gerhard lächelte mich aufmunternd an.

„Hast du dich für eine Fähigkeit entschieden, die du lernen möchtest?“

„Die diamantene Schutzkuppel.“ Obwohl ich eine Woche unter Hausarrest verbracht hatte, hatte ich einige der Paladin-Fähigkeiten studieren können. Dank Alard, der einen Bruder in schweren Zeiten nicht im Stich gelassen hatte. Jetzt wusste ich genau, was ich wollte. Der absolute Schutz, den Gerhard für mich während des Kampfes in der Nähe des Lecleur-Anwesens errichtet hatte, erforderte eine enorme Menge an Energie. Selbst wenn mein Kristall voll aufgeladen gewesen wäre, hätte ich diese Art von Schild nur etwa zehn Minuten aufrechterhalten können. Was meine Angriffsfähigkeiten betraf, war alles mehr oder weniger klar: In meinem Inventar befanden sich mehrere hundert Schriftrollen mit dem Schlag des Templers, für den Fall, dass es hart auf hart kommen würde. Aber meine Verteidigung ließ sehr zu wünschen übrig. Mein Kampf mit Garlion hatte dies deutlich gezeigt: Der Elf hatte sich nicht einmal anstrengen müssen, um durchzubrechen. Die Diamantkuppel war natürlich keine Universalmethode, aber gegen Garlion hätte sie geholfen. Wahrscheinlich.

„Gute Wahl“, lobte Gerhard. Er suchte eine Weile nach einem sauberen Blatt Papier auf seinem Schreibtisch, zeichnete dann schnell ein paar Symbole darauf und holte ein Glas mit goldenem Pulver aus der obersten Schublade. Er bedeckte die noch feuchte Inschrift damit und schüttelte das überschüssige Pulver vorsichtig ab. Zufrieden mit dem Ergebnis, reichte er mir das Papier. Sobald meine Finger das Blatt berührten und seine das Papier verließen, hob das Spiel die Nachricht hervor, dass ich eine neue Fähigkeit erhalten hatte. Die Schriftrolle blitzte im magischen Feuer auf und verschwand, ohne auch nur eine Spur von Asche an meinen Fingern zu hinterlassen. Meine Ausbildung war abgeschlossen.

„Du wirst nach Moskau gehen“, sagte Gerhard, ohne Zeit zu verlieren. „Versuche, dich ruhig zu verhalten und von niemand Unerwünschtem bemerkt zu werden. Arbeite an den Erkundungsaufgaben: Laufe durch die Stadt, beobachte, wie Spieler unter normalen Bedingungen mit NPCs interagieren. Es wird einige Zeit dauern, bis sich alles wieder normalisiert hat. Madonnas Ungnade wird nicht ewig andauern, denn Frauen haben ein kurzes Gedächtnis.“

Ich hatte den subtilen Hinweis verstanden, aber ich konnte dem Oberhaupt nicht zustimmen. Solche machtgierigen Wesen hatten tatsächlich die Neigung, lange Zeit einen Groll zu hegen. Aber natürlich sagte ich das nicht laut. Ich schüttelte nur den Kopf und brachte ein anderes wichtiges Problem zur Sprache.

„Moskau ist voll von Kirchen.“ Gerhard hatte versprochen, mir beizubringen, wie man Lichtquellen blockierte. Es war höchste Zeit, daran zu arbeiten.

„Ja, die Kleriker lieben diese Stadt. Russland ist im Allgemeinen ein äußerst seltsames Land. Unter bestimmten Umständen sind die Menschen in der Lage, eine Idee aufzugreifen und sie mit der Selbstaufopferung echter Fanatiker umzusetzen. Es gab zum Beispiel eine Zeit, in der die Machthaber des Landes beschlossen, den Atheismus in der Bevölkerung zu fördern, sodass sofort alle Merkmale und äußeren Zeichen eines Glaubens von den Behörden und den Massenmedien aktiv verurteilt wurden. Alle Kirchen und Religionsgemeinschaften wurden ausgerottet. Dann änderte die Regierung ihre Meinung, und sofort war das ganze Land von Reue erfüllt und bereitete sich auf die Ankunft des nächsten Messias vor. In diesem Land gibt es nur Schwarz und Weiß, keine Grautöne. Wobei das auch der Grund ist, warum es alle seine Kriege gegen äußere Aggressoren gewinnt. Der mutigste Soldat ist ein Fanatiker, der bereit ist, alles für sein Land zu opfern. Andere sind dazu nicht fähig.“

„Da bin ich anderer Meinung.“ Ich war nie ein eifriger Patriot gewesen, aber seine Aussagen weckten väterliche Gefühle für mein Land in mir. „Es ist nicht richtig, Patrioten mit aufopferungsvollen Fanatikern gleichzusetzen! Außerdem: Was den Glauben angeht …“

„Ich habe sie nicht gleichgesetzt. Ich habe auch keine Wertaussagen darüber gemacht, ob das gut oder schlecht ist.“ Gerhard grinste, was mich verstummen ließ. „Ich habe nur Tatsachen ausgesprochen. Ich halte diese Eigenschaft des russischen Volkes für amüsant. Mehr nicht. Aber du hast recht: Russland ist derzeit voll von Lichtquellen, also brauchst du Schutz. Fangen wir mit der Theorie an.“

Der Unterschied zwischen den Hellen und den Dunklen lag lediglich im Mechanismus der Energiegewinnung. Die Dunklen konnten sie direkt aus ihrer Umgebung beziehen, während die Hellen einen Vermittler brauchten, der die Energie in sich ansammelte. Die sogenannte „Quelle des Lichts“, die alle freien Emotionen um sich herum zerstörte. Das war eigentlich das Hauptproblem der Dunklen: Sie saugten ständig verfügbare freie Emotionen aus ihrer Umgebung auf. Wenn es keine freien Emotionen gab, wie es auf der Erde sehr häufig der Fall war, da alle Emotionen auf bestimmte Gottheiten ausgerichtet waren, mussten sie alles absorbieren, was verfügbar war. In diesem Fall wäre das Energie, die mit Licht durchdrungen war, und das war für die Dunklen ziemlich schädlich.

„Welche Schlussfolgerung ziehst du aus all dem?“ Gerhard wollte es mir nicht auf dem Silbertablett präsentieren, sondern beteiligte mich aktiv am Lernprozess.

„Um sich in der Nähe einer Lichtquelle aufhalten zu können, muss man die Absorption von Emotionen aus dem umgebenden Raum zu... zum Beispiel...“ Das machte mich stutzig. Zu sich selbst? Aber das war physikalisch unmöglich. Zu einem Akkumulator? Das würde auch nicht funktionieren, weil er keine Emotionen erzeugen konnte. Normalerweise waren die einzigen Quellen von Emotionen Lebewesen, aber man konnte nicht ständig ein... Ich hatte eine Idee!

„Ein Haustier!“ Ich atmete stolz aus und wurde von meinem Lehrer mit einem anerkennenden Nicken belohnt. Das Geschenk des Kanzlers der Akademie hatte es in sich gehabt!

„Ein Haustier, das in der Lage ist, Emotionen zu empfinden. Ob sie nun negativ oder positiv sind, ist ganz dir überlassen. Wichtig ist nur, dass das Haustier in der Nähe ist und starke Emotionen empfindet, um die Auswirkungen einer Lichtquelle in einer gewissen Nähe zu überwinden. Je stärker die Quelle ist, desto lebhafter müssen seine Gefühle sein. Andernfalls spürst du die Auswirkungen des Lichts immer noch. Leider sind Haustiere zu starken positiven Gefühlen nicht fähig. Und ganz gleich, wie edel die Absichten der Dunklen sind - früher oder später wählen wir den einfacheren Weg, um unser Ziel zu erreichen. Der Selbsterhaltungstrieb siegt. Mein Rat an dich lautet also: Gewöhn dich nicht an Haustiere. Manche Gefühle sollten sofort unterbunden werden, sonst machen sie uns schwach. Und das verzeiht niemand.“

„Haustiere leben nicht sehr lange, stimmt's?“ Die schreckliche Erkenntnis dämmerte mir.

„Ein Jahr, manchmal auch zwei, wenn man hart daran arbeitet, die Quellen zu meiden. Auf der Auktion kann man spezielle Käfige und Geräte erwerben, die die Umgebung nach Lichtquellen absuchen und den Folterprozess automatisch einleiten. Der Dunkle muss dann nur noch die Überreste aus dem Käfig nehmen und sie durch ein neues Haustier ersetzen. Es gibt keinen Grund, sich die Mühe zu machen, sie zu füttern.“

Es würde wahrscheinlich einige Zeit dauern, sich daran zu gewöhnen, dass diese Dinge alltäglich waren. Es war einfacher, Menschen zu quälen, meistens bettelten sie geradezu darum, und zumindest theoretisch waren sie in der gleichen Liga wie man selbst. Man müsste tatsächlich eine neue Denkweise annehmen, um eine hilflose Kreatur zu foltern. Aber Gerhard hatte recht - aufgrund meines Selbsterhaltungstriebes würde ich mich auch daran schnell gewöhnen.

Das Oberhaupt gab mir ein paar Minuten Zeit, um über die neuen Informationen nachzudenken, und vergewisserte sich, dass ich alles, was mit dem Blockieren der Lichtquellen zu tun hatte, richtig verstanden hatte. So oder so - die Dunkelheit war nun einmal, was sie war. Man durfte nichts anderes erwarten als Ozeane von Blut und Leid. Ich hatte gewusst, worauf ich mich einlassen würde.

„Bruder Alard hat um die Erlaubnis gebeten, dich zu begleiten“, sagte Gerhard, als er merkte, dass ich keine Fragen stellen würde. „Orks aus Zagransh haben ihre eigenen Vorstellungen von Ehre und Würde, und ich sehe keinen Grund, ihm diese Bitte zu verweigern. Ich habe seine Versetzung nach Moskau bereits genehmigt, alle logistischen Probleme werden gerade gelöst.“

Wenn ein Wesen auf dem Level von Gerhard van Brast entschied, dass ich in Moskau von der Anwesenheit von Bruder Alard profitieren würde, dann sollte es so sein. Dabei konnte ich mich ganz auf das Oberhaupt verlassen. Der Ork würde mir auch dann nützlich sein, wenn er eine andere Weisung hätte, ob ich sie nun kannte oder nicht. Als Spion wäre der Paladin nicht geeignet, und so war ich im Großen und Ganzen ganz erfreut über die Nachricht. So erfreut, dass ich trotz meiner anfänglichen Absicht, nicht der Erste zu sein, der Madonnas Aufgabe ansprechen würde, nun dennoch beschloss, um Rat zu fragen.

„Sir Gerhard, ich brauche Ihre Hilfe oder Ihren Rat. Ich denke, Sie wissen, dass Madonna mir aufgetragen hat, Merlin innerhalb eines Monats zu finden. Sollte ich scheitern, wäre ich nicht mehr der Spielleiter. Ebenfalls scheint es unwahrscheinlich, dass ich Paladin Yaropolk bleibe, es sei denn, Madonnas Zorn lässt nach. Aber ich werde alles tun, was in meiner Macht steht. Ich bitte Sie um Erlaubnis, die geheime Abteilung der Bibliothek zu besuchen. Archibald war sich sicher, dass man dort Hinweise auf Merlins Tagebuch finden könnte, oder besser gesagt, Hinweise darauf, wo man es suchen sollte. Vielleicht wissen Sie, was mein Lehrer vorhatte. Ich brauche im Grunde nicht einmal einen Zugang, sondern nur Informationen. Bitte verzeihen Sie meine Ungeduld, aber ein Monat ist eine zu kurze Zeit, um sich nur auf die eigenen Fähigkeiten zu verlassen.“

Gerhard war einen Moment lang verblüfft, weil er eine so direkte Ansprache von mir nicht erwartet hatte. Aber er war ja nicht umsonst das Oberhaupt der Klasse und wusste, wie man mit etwas Unerwartetem umzugehen hatte.

„Ich werde darüber nachdenken, wie ich dir helfen kann. Die Ausgabe von Büchern oder Kopien davon, insbesondere aus der Rubrik ‚Verschlusssachen‘, wird streng kontrolliert, und selbst ich bin nicht in der Lage, dies zu ändern. Es wird Zeit brauchen. Geh jetzt. Bruder Demitre wird dich zur Auktion und zurück begleiten.“

Gerhard drückte einen Knopf auf seinem Schreibtisch, und sofort betrat ein stämmiger Paladin den Raum. Bruder Demitre, der neue Leiter des Kampfflügels, der den verdrängten Iven ersetzt hatte, erwies sich als interessante Persönlichkeit. Er war ein typischer rauer Krieger, einer von denen, die jeden Versuch zu sprechen mit einem furchterregenden Zusammenkneifen der Augen und donnerndem Bellen abfing: „Ruhe! Feind hört mit!“ Aber dieser Mann entwickelte diese Fähigkeit noch weiter. Zuerst hatte er genickt und mir sofort mit einer Geste den Weg zur Tür gewiesen, als er sich seine Befehle schweigend angehört hatte, was ich für cool und lakonisch hielt. Aber während unseres Ausflugs hörte ich nicht nur kein einziges Wort von ihm, sondern konnte auch in seinem Gesicht keinerlei Emotionen wahrnehmen. Alle Informationen wurden mir mit sehr sparsamen Gesten übermittelt, die sich im Wesentlichen auf die Befehle „Stopp“ oder „Los“ beschränkten.

Auf dem Flur gesellten sich sechs weitere Brüder zu uns, die mich in einer quadratischen Formation vollständig umringten. Es war ein Glücksfall, dass Gerhard für meine Sicherheit sorgte. Meine neuen Wächter waren wie ihr Kommandant, nur dass sie tatsächlich ein paar unterschiedliche Gesichtsausdrücke im Repertoire hatten. Zumindest waren sie in der Lage, die Stirn zu runzeln und gelegentlich auch zu lächeln.

Im Refugium fuhr einer der Paladine einen langen Fühler aus, mit dem er den Raum weit vor sich untersuchte. Ich versuchte, den Namen dieses seltsamen Geräts herauszufinden, aber alle sechs drehten ihre Köpfe zu mir und warfen mir Blicke zu, dass mir jede Lust auf Kommunikation verging. So bewegten wir uns schweigend weiter bis zu unserem Ziel. Die NPCs bemerkten uns nicht, andere Spieler versuchten, so schnell wie möglich aus dem Weg zu gehen, und so erreichten wir unser Ziel ohne Verzögerung. Es gab nur einen Moment, in dem der Paladin mit dem Fühler zurückwich, nämlich als ein Portal vor ihm aufblitzte. Der Fühler entfernte sich in eine unbekannte Richtung, und der Paladin runzelte nur verärgert die Stirn und nahm einen anderen heraus. Das seltsame Portal deutete darauf hin, dass mir in absehbarer Zeit eine unabsehbare Reise bevorstehen würde. Sobald ich das Refugium verlassen haben würde, würden mich auch diese schweigsamen Paladine verlassen, und in Moskau würde ich meine Probleme allein lösen müssen.

Ich mochte die Auktion. Doch der Prozess des Erwerbs von Gegenständen war nicht das, was mich am meisten reizte. Eine Unmenge von Zahlen und Bildern, Beschreibungen und generell Berge von eintönigen Informationen... Was mir gefiel, war etwas anderes: Mit jedem geprüften Gegenstand stieg mein Artefakt-Erfahrungslevel widerwillig um ein Hundertstel Prozent an. Hätte ich mehr Zeit gehabt, hätte ich die Auktion zu meinem zweiten Zuhause gemacht.

Als der Hass meiner Leibwächter einen Grad erreicht hatte, den ich körperlich spüren konnte, hörte ich auf, ziellos durch die Katalogseiten zu blättern, und ging zu den tatsächlichen Käufen über: ein Käfig, ein paar Foltergeräte, ein paar andere kleine Gegenstände. Das schaffte ich in Rekordzeit: fünf Minuten. Als ich den Stahlkäfig mit seinen schrecklichen Vorrichtungen in den Händen hielt, wurde mir klar, dass ich den kleinen pelzigen Rragr darin nicht unterbringen konnte. Nachdem ich das begriffen und akzeptiert hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem neuen Haustier für mich, vorzugsweise etwas, das sowohl vom Charakter als auch vom Aussehen her ekelhaft war. Ich musste nicht lange suchen: Da war ein fieser Fellklops mit Reißzähnen und Krallen. Er verströmte einen fürchterlichen Gestank und sabberte grünen Schleim. Gerade als ich den Kauf des Tieres bestätigen wollte, bemerkte ich eine Systemwarnung. Es stellte sich heraus, dass die Spielregeln die Anzahl der Haustiere für alle Spieler mit Ausnahme von Jägern auf ein Haustiter begrenzten. Würde ein Spieler den Kauf dennoch bestätigen, während er bereits im Besitz eines Haustieres war, so würde das Geld nicht zurückerstattet werden. Ich musste innehalten und den Status von Rragr überprüfen. Mein Assistent prüfte die Frage nach dem Besitz meines pelzigen Haustiers und beruhigte mich. Zu diesem Zeitpunkt war das Haustier als Eigentum meiner Puppe eingetragen, und der Prozess der Eigentumsübertragung war erfolgreich abgeschlossen. Nur im Falle von Helens Tod würde Rragr wieder zu meinem Haustier werden. Mit dieser willkommenen Information schloss ich den Kauf des „Kanonenfutters“ ab.

Nachdem ich auf der Auktion fertig war, besuchte ich die Bank. Aus dem unendlichen Strom von Angestellten tauchte sofort ein Kobold mit einer „D“-Lizenz auf und erstarrte erwartungsvoll.

„Herr Yaropolk, unsere Bank steht zu Ihren Diensten.“ Der Kobold zeigte sich völlig unbeeindruckt von der Anwesenheit des stahlharten Demitre, der nur ein paar Meter hinter mir folgte. Übrigens war es nicht einfach gewesen, den schweigsamen Paladin dazu zu bringen, bei der Bank anzuhalten. Es war schwer, um etwas zu bitten, wenn man den Eindruck hatte, dass man völlig ignoriert wurde. Am Ende hatte ich damit gedroht, mich bei Gerhard zu beschweren. Das hatte funktioniert.

„Nur heute haben wir Sonderangebote für Einlagen zu äußerst günstigen Konditionen. Ich bin sicher, dass Sie das sehr interessiert...“

„Nein!“, unterbrach ich den Angestellten und seinen Wortschwall auf unhöfliche Weise. Ich zog es vor, so wenig wie möglich mit diesem Berufsstand zu reden. Sonst würde man ihm, ehe man sich versah, sein ganzes Geld „zu sehr günstigen Konditionen“ überlassen und wäre ihm obendrein noch etwas schuldig. Genau wie die Hausierer aus meinem Leben, als ich noch ein NPC gewesen war. „Ich brauche ein normales Konto und den Umtausch von einem Granis in Gold, mit anschließendem Umtausch in Euro. Das ist alles.“

„Sicher, sicher, was immer Sie bevorzugen.“ Die Ohren des Goblins zuckten, aber seine professionelle Ausbildung kam zum Tragen. Der Kobold loggte sich schnell in die nächstgelegene Maschine ein, erfüllte meine Bitte und machte dann einen unerwarteten Vorschlag: „Ich empfehle Ihnen, anstelle von Euros US-Dollar und Rubel im Verhältnis zwei zu eins zu nehmen. Das wäre praktischer für Sie.“

„Okay“, stimmte ich zu und sah den Kobold misstrauisch an.

Er beeilte sich zu erklären: „Die Bank ist über Ihren Einsatzort informiert, Herr Yaropolk. In Moskau bevorzugen die einfachen Leute Dollar und Rubel. Sie müssten Ihre Euros wieder umtauschen, und dann würden Sie Geld verlieren, wenn Sie Provisionen zahlen. Es tut mir leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe. Sind Sie bereits mit dem Verfahren zum Einlösen von Granis vertraut?“

Meine ablehnende Kopfbewegung wurde von dem Kobold begrüßt, der mir die Methode kurz erläuterte. Wie sich herausstellte, war in Bezug auf den Umgang mit Geld im Spiel nicht alles so transparent, wie ich zunächst gedacht hatte. Nur weil ein Spieler Granis in Spielmünzen, Gold, Wertpapiere oder Devisen umtauschte, änderte sich sein Granis-Guthaben im Spiel nicht. Das Spiel berechnete es automatisch, unabhängig vom Umtausch. Zu jeder Zeit wurde alles in Granis berechnet, und das Spiel überwachte dies sehr genau. Sobald man die Anzahl der Basisgranis überschritt, aktivierte es den „Terror“-Modus. Man konnte den Terror-Modus also nicht umgehen, indem man Granis in Gold umwandelte: Das würde nicht funktionieren.

Ohne die Formalitäten in die Länge zu ziehen, unterschrieb ich ein paar Verträge und erhielt schließlich zwei Plastikkarten. Das auf diesen Konten verfügbare Geld würde für ein anständiges Leben reichen, selbst in Moskau, das seit einigen Spieljahren teuer war. Aber eines wurde mir klar: Ich musste dringend die Zahl der mir zur Verfügung stehenden Basisgranis erhöhen. Sobald ich mit den Aufgaben des Entdeckers fertig wäre, würde ich an den Dungeons arbeiten. Von allen Möglichkeiten, die ich kannte, um etwas Geld zu verdienen, war das die effektivste.

Moskau begrüßte mich mit schönem Wetter, was an und für sich schon verdächtig war. Die Stadt, die ich als wolkenverhangen und staubig in Erinnerung hatte, war zu meiner Überraschung ein Aushängeschild für eine großartige Infrastruktur geworden. Mein Blick stolperte immer wieder über perfekt sauberes Kopfsteinpflaster, während ich meine Nase angesichts der erstaunlich frisch riechenden Luft rümpfte. Der Kontrast zu dem Moskau, das ich kannte, war so groß, dass ich erst einmal vor dem stationären Portal in der Mitte des Roten Platzes stehen blieb. Ich stand einfach nur da und staunte und stellte mich den neu ankommenden Spielern in den Weg.

„Paladin Yaropolk?“ Der Spieler, der mir entgegenkam, musste mir auf die Schulter tippen, um meine Aufmerksamkeit zu erregen. Anstatt die Begrüßung zu erwidern, drehte ich mich um und starrte auf eine luxuriöse Limousine in der Nähe,. Eine Limousine. Eine Regierungslimousine, nicht weniger. Eine bekannte Marke. Genau im Zentrum des Roten Platzes. Der für Fahrzeuge gesperrt war.

Der Begrüßer räusperte sich ein paarmal, um sicherzugehen, dass ich mich ihm zuwandte, und winkte dann achtlos in Richtung der Limousine, ohne sich vorzustellen.

„Steigen Sie ein — das Treffen ist in 30 Minuten. Ich hasse es, zu spät zu kommen.“

Mit eingeschaltetem Blinklicht rasten wir über den Platz und fuhren bis zum Eingang des Kremls. Die Tore öffneten sich, als wir uns näherten, und ein ganzes Dutzend Wachen, sowohl NPCs als auch Spieler, salutierten vor unserem Gefolge. Der Wagen hielt am Haupteingang des Großen Kremlpalastes. Mehrere NPCs rollten auf der Treppe einen roten Teppich bis zur Limousine aus. Soldaten der Kreml-Garde reihten sich an den Seiten auf und sahen sehr adrett aus, und ein Orchester in der Nähe spielte einen Willkommensmarsch. Die Augen aller Menschen leuchteten vor Aufregung und Anbiederung. Alles war so feierlich, dass ich am liebsten einen riesigen Besen genommen hätte, um all diesen idiotischen Firlefanz zum nächsten Müllcontainer zu schrubben und allen für ihre sklavische Haltung und ihr ständiges Streben nach Gunst eine Ohrfeige zu verpassen. Es war so traurig, dass die Menschen das edle Konzept des Dienens nur allzu oft in eine Farce der Unterwürfigkeit verwandelten.

Die Wachen öffneten die Türen der Limousine, und mein Begleiter stieg königlich aus. Die Wachen standen in voller Aufmerksamkeit und mit noch mehr Eifer da. Keiner zeigte irgendein Interesse an mir. Der Herr begann langsam und pompös die Treppe hinaufzusteigen. Ich schaute dem Spieler hinterher, als er zwischen den beiden Reihen der Wachen hindurchging, aber ich hatte es nicht eilig, ihm zu folgen. Wer war es also, der sich dazu herabließ, mich zu treffen?

Ein kleinerer Kerl stürzte aus der Menge und schob mich ein wenig vorwärts, um mich zu ermutigen, dem großen Boss zu folgen. Der war inzwischen oben auf der Treppe angekommen und küsste herzlich das junge Mädchen, das das runde Brot zur Begrüßung hielt. Erst danach bemerkte er, dass ich nicht an seiner Seite war. Er blickte zurück und fragte erstaunt:

„Wo bleibst du denn? Komm schon, ich muss dich noch anmelden! Bleib in meiner Nähe!“

Dann war es also der Registrierbeamte selbst, der mir die Ehre erwies und mich persönlich begrüßte. Nicht schlecht! Unmittelbar nach dem Eingang wurde ich mehrmals auf verbotene Gegenstände untersucht. Ich war gezwungen, mein Maschinengewehr abzugeben — das zeigte, dass der Inhalt des persönlichen Inventars des Spielers kein Geheimnis war. Eine ganze Zeit lang schürzten die Wachen ihre Lippen über mein Buch des Wissens und diskutierten mit mir darüber, ob ich es auch abgeben sollte. Nur das Eingreifen meines Begleiters bewahrte mich davor, mich völlig nackt fühlen zu müssen. Das Laster des Registrierbeamten bei all dem war, dass er sich herablassend und lax verhielt. Als wäre er ein Himmelsbewohner, der sich dazu herabließ, von seinem offiziellen Olymp herabzusteigen, um die Probleme eines einfachen Sterblichen zu lösen.

Unsere Reise endete in einem riesigen Büro. Im Vorraum sah ich einige Spieler, die darauf warteten, an die Reihe zu kommen, aber sie hatten weit weniger Glück als ich. Im Büro angekommen, nahm der Registrierbeamte in einem luxuriösen Sessel am Kopfende des Schreibtisches Platz und öffnete eine glänzende Ledermappe, die im Voraus vorbereitet worden war. Ich verbrachte einige Minuten in Stille und wartete darauf, dass der Registrierbeamte seine Lektüre beenden und das Wort ergreifen würde. Auffallend war, dass es in dem Raum keinerlei Sitzgelegenheiten für Besucher gab. Entweder, weil sein Inhaber es vorzog, über seine Sekretärin zu kommunizieren, oder weil sich die Besucher in diesem Büro ihres niedrigen Standes bewusst bleiben sollten.