Never Kiss your Enemy - Paris Sanders - E-Book

Never Kiss your Enemy E-Book

Paris Sanders

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Beschreibung

Carmen ist so ziemlich die einzige Frau auf diesem Planeten, in die ich mich nicht verlieben sollte. Vor allem weil ich im Moment am meisten damit beschäftigt bin, der Polizei und ihren Fragen aus dem Weg zu gehen - und Carmen ist eine Polizistin! Niemand darf erfahren, was tatsächlich bei dem Überfall auf die Sea Shadow gelaufen ist, am allerwenigsten sie - oder Tyler, mein Boss. Also gehe ich Carmen aus dem Weg oder versuche es zumindest, denn einfach ist das nicht. Die Frau ist nicht nur heiß wie die Hölle, sie trainiert auch noch im gleichen Box Club wie ich. Was bedeutet, dass wir uns des Öfteren sehen. Und jedes Mal rauscht mein verdammtes Blut nach Süden … Teil 3 der "Never Kiss" Reihe von Paris Sanders & Juli Larsson. Alle Bücher der Reihe sind in sich abgeschlossene Romane und können unabhängig voneinander gelesen werden! WICHTIGER HINWEIS: Komplett überarbeitete Neuauflage des Romans "Faithless Love", den die Autorinnen unter dem gemeinsamen Pseudonym Jana Reeds geschrieben haben.

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Seitenzahl: 320

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NEVER KISS YOUR ENEMY

PARIS SANDERS

JULI LARSSON

IMPRESSUM

Nachdruck, Vervielfältigung und Veröffentlichung - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages!

Im Buch vorkommende Personen und Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden und jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Copyright © 2023 dieser Ausgabe Obo e-Books Verlag,

alle Rechte vorbehalten.

ist ein Label der

OBO Management Ltd.

36, St Dminka Street

Victoria, Gozo

VCT 9030 Malta

INHALT

1. Carmen

2. Juan

3. Carmen

4. Juan

5. Carmen

6. Juan

7. Carmen

8. Juan

9. Carmen

10. Juan

11. Carmen

12. Juan

13. Carmen

14. Juan

15. Carmen

16. Juan

17. Carmen

18. Juan

19. Carmen

20. Juan

21. Carmen

22. Juan

23. Carmen

24. Juan

25. Carmen

26. Juan

27. Carmen

28. Juan

29. Carmen

30. Juan

31. Carmen

32. Juan

33. Carmen

34. Juan

35. Carmen

36. Juan

37. Carmen

38. Juan

39. Carmen

40. Juan

41. Carmen

42. Juan

Epilog

Bücher der „Never Kiss“ Reihe

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1

CARMEN

Wie hypnotisiert starrte ich auf das Wasserglas, in dem sich sprudelnd die dringend benötigte Kopfschmerztablette auflöste. Ein leichter, künstlicher Zitrusduft stieg davon auf, der mir Übelkeit verursachte.

„Hey, Carmencita, alles klar?“ Carlos schlug mir kameradschaftlich auf die Schulter, während er diesen Gruß quasi in mein Ohr brüllte. Zumindest fühlte sich seine tiefe Stimme in meinem Kopf so an, als würde er brüllen. Ich zuckte zusammen und hob meine Hand automatisch zu meinem pochenden Schädel.

„Boah, Carlos, schrei doch nicht so, ich bin nicht taub.“

„Carmen ist heute noch übellauniger als sonst“, mischte sich nun auch Paco ein.

Ich rollte mit den Augen. „Nur weil ich keinen Bock auf dein ständiges Gebagger habe, nennst du mich übellaunig. Halt einfach die Klappe, Paco, und mach deine Arbeit.“ Grinsend verzog mein Kollege sich in den hinteren Teil des Großraumbüros an seinen Schreibtisch.

„Du siehst aber echt scheiße aus, falls ich das mal so sagen darf.“

„Ja, weil ihr mir auf die Nerven geht!“, gab ich genervt zurück und stürzte die mittlerweile aufgelöste Brausetablette in einem Zug hinunter. Hoffentlich half sie bald, dieses unerträgliche Pochen in meinem Kopf zur Ruhe zu bringen. Dankbar schaute ich auf den Stapel Akten, der sich auf meinem Tisch türmte. Ich war froh, dass ich mich erst mal dahinter vergraben konnte. Normalerweise hasste ich es, Berichte zu schreiben. Ich wollte lieber raus aufs Meer und aktiv sein. Doch heute kam mir die langweilige Schreibtischarbeit gerade recht.

„Ich vermute ja eher, das hat etwas mit den geschätzten drei Litern Sangria zu tun, die du dir gestern Abend reingepfiffen hast.“

Allein bei dem Wort Sangria machte mein Magen schon einen unangenehmen Hüpfer. Ich zuckte nur mit den Schultern. Was sollte ich auch sagen? Carlos war dabei gewesen, er wusste also über den gestrigen Abend genau Bescheid.

„Na ja, tröste dich“, fügte er hinzu. „Es war eine echt coole Party!“

„Danke!“, murmelte ich und schloss kurz die Augen. Ja, er hatte recht. Die Party war wirklich cool gewesen. Ausgelassen hatten wir bis spät in die Nacht gefeiert. Im Nachhinein war es sicher nicht die beste Idee gewesen, meinen Geburtstag zu feiern, wenn ich am nächsten Tag arbeiten musste. Aber es konnte ja niemand ahnen, dass das Ganze derart aus dem Ruder laufen würde. Ein kleiner Umtrunk mit ein paar Freunden, Tapas und Sangria – mehr hatte es nicht werden sollen. Doch dann hatte irgendjemand die alten CDs meiner Jugend gefunden und auf einmal wurde aus dem gemütlichen Sit-in eine wilde Party, und wir alle tanzten und grölten die alten Lieder, bis die Sonne schon fast wieder aufging. Und ich bekam gerade die Quittung dafür …

Seufzend griff ich nach der ersten Fallakte und vertiefte mich darin, einen Bericht zu verfassen. Gar nicht so leicht, mit einem solchen Kater vernünftige Sätze zu formulieren, stellte ich fest. Vielleicht sollte ich mich krankmelden und nach Hause gehen. Mich auf meine Dachterrasse in die Sonne legen und meinen unerwünschten Gast ausbrennen.

O ja … das wäre jetzt perfekt!

Zwei Stunden später saß ich gerade an dem dritten Bericht, als Leon, der die Rettungszentrale besetzte, hereinkam, sein Headset-Mikro zuhielt und rief: „Leute, Einsatz. Mann über Bord.“ Dann hielt er einen Zettel mit den Koordinaten hoch. Carlos war als Erster bei ihm und nahm das Papier an sich.

„Schon wieder Migranten?“, fragte Paco und klang bereits ziemlich genervt.

„Ich gebe euch gleich alle Infos über Funk durch“, erwiderte Leon. Wir schnappten uns unsere Notfalltaschen und stürmten aus der Wache zum Anleger.

Die weißen Boote mit der Aufschrift „Guardia Civil“ schaukelten sanft auf den Wellen. Das Sonnenlicht ließ sie funkeln wie Perlen. Der Anblick war so friedlich. Jedes Mal fühlte es sich wie ein krasser Widerspruch an, dass diese schönen Schiffe, die so gemütlich am Pier vor sich hin dümpelten, im nächsten Augenblick mit knapp fünfzig Knoten über das Meer schossen, um Menschenleben zu retten oder Verbrecher zu verfolgen. Ich fühlte den Stolz in mir, der Grup Servicio Marítimo – der SEMAR – anzugehören. Seit meiner Kindheit hatte ich davon geträumt, die Uniform der Küstenwache tragen zu dürfen, und mir diesen Traum zu erfüllen, hatte mich viel gekostet. Ich musste eine innere Stärke finden, von der ich nie gedacht hätte, sie zu besitzen.

„Ey, es ist immer dasselbe. Die wollen doch gar nicht hierher. Wir dürfen jetzt wieder diese Scheißflüchtlinge aus dem Wasser fischen, haben die ganze Arbeit und riskieren unser eigenes Leben – und anstatt auch nur ein bisschen Dankbarkeit zu zeigen, hauen sie ab, weil sie eh alle nur nach Deutschland wollen“, motzte Paco, während wir an Bord gingen.

„Halt die Fresse und setz dich!“, stutzte Carlos ihn zurecht und startete den Motor.

Ich kochte bei Pacos Worten innerlich – die Flüchtlinge, die in den letzten Monaten zu Hunderten bei uns landeten, waren ein ewiges Streitthema zwischen uns. Mir taten die armen Menschen leid, ich wollte sie alle aufnehmen und ihnen helfen, sich ein besseres und vor allem sicheres Leben aufzubauen. Sie kamen aus Kriegsgebieten, in denen Zustände herrschten, die wir uns nicht einmal in unseren schlimmsten Albträumen vorstellen konnten. Doch Paco würde sie am liebsten ersaufen lassen. Er hielt es nicht für unsere Aufgabe und meinte, sie kämen nur, um in Europa Geld durch Sozialleistungen abzugreifen und sich davon ein schönes Leben zu machen.

Ich schwieg, während wir aus dem Hafen fuhren, dann gab Carlos Gas und wir flogen regelrecht über die Wellen dahin. Normalerweise war ich absolut seefest, nicht einmal der schlimmste Sturm konnte mir etwas anhaben. Doch heute spürte ich die geringste Welle direkt in meinem Magen. Ich konnte nur hoffen, dass mein Kater Mitleid gelten ließ. Wenn ich mich hier vor meinen Kollegen erbrach, würden sie innerhalb weniger Minuten jedes bisschen Respekt vor mir verlieren. Respekt, den ich mir in den letzten Jahren hart erarbeiten musste. Zu hart, um ihn einfach so wegen zu viel Alkohol aufs Spiel zu setzen.

„Ist alles okay?“, fragte Carlos und schaute mich von der Seite her an. Ich saß neben ihm und starrte stur nach vorn auf den Horizont, anstatt mich wie sonst mit ihm zu unterhalten.

„Ja, klar, alles okay“, gab ich zurück und atmete tief in den Bauch. Als ein sonores Schnarren erklang und Leons Stimme ertönte, griff ich nach dem Funkgerät.

„Alter, ihr werdet es nicht glauben!“, sagte er.

„Was? Wie viele sind es denn diesmal?“, fragte Paco hinter mir. Ich warf ihm einen wütenden Blick über die Schulter zu und fuhr mit meinen Fingern in einer eindeutigen Geste an meinem Hals entlang, um ihn zum Schweigen zu bringen.

„Nichts da! Keine Flüchtlinge. Ein reicher Ami und seine Crew wurden von Piraten gekapert. Es gab wohl einen Kampf, weil die sich gewehrt haben, und dabei ist einer über Bord gegangen. Juan Alvarez. Er hat eine Bauchschusswunde und müsste seit ungefähr einer Stunde im Wasser sein. Die Koordinaten sind die, wo das Schiff zu dem Zeitpunkt war. Es ist eine großräumige Suche veranlasst und weitere Boote sind unterwegs.“

„Verarschst du uns? Piraten? Hier? Nicht dein Ernst, oder?“, fragte Carlos ungläubig. Wir schauten uns an, mein Magen war vergessen, als das Adrenalin durch meine Adern schoss.

„Echt, ohne Scheiß! Da war von irgendwelchen Tauchern die Rede, keine Ahnung, was die Piraten bei denen gesucht haben.“

Carlos warf mir einen alarmierten Blick zu und schob den Gashebel noch ein wenig höher. Das Boot machte einen Satz. Ich schaute ihn von der Seite an, seine Wangen wirkten zum Zerreißen gespannt, die Kiefer mahlten aufeinander, während er das Boot sicher über die Wellen steuerte. Ich konnte es noch immer nicht so recht glauben, versuchte, die Infos zu verarbeiten.

Angeschossen und seit einer Stunde im Wasser.

Hoffentlich fanden wir ihn.

Lebend.

2

JUAN

Schwarze Haare. Grüne Augen. In diesem Türkis, wie man es nur in der Karibik sieht. Volle, rote Lippen. Eine gerunzelte Stirn. Ein prüfender Blick.

„Er ist wieder da“, sagte sie an einen Typen gerichtet, dessen Umrisse ich hinter ihrem Körper sehen konnte. Ich hörte seine Antwort nicht, weil ich anfing, zu husten.

Ich hustete mir meine verdammte Lunge aus dem Leib. Versuchte, ächzend und keuchend damit aufzuhören, denn es zerriss mich innerlich.

Überall Schmerz.

Nichts als stechender, pochender Schmerz.

Gut, dass mich die Dunkelheit wieder umhüllte, in ihre schützenden Arme nahm und von dort wegholte.

War ja klar. Jeder, absolut jeder, der aus einer Ohnmacht erwachte, berichtete von einem engelsgleichen Wesen, das sich über ihn beugte. Und ich?

Ich konnte mich sehr gut daran erinnern, dass ich mit ein paar schallenden Ohrfeigen zurückgeholt wurde. Als ich die Augen öffnete, sah ich sie. Dunkle Haare. Türkisgrüne Iriden. Ich wusste sogar noch, dass ich ziemlich benommen gewesen war, null Orientierung hatte und nicht wusste, warum sich diese Frau über mich beugte, die mir zuvor ins Gesicht geschlagen hatte.

Ihr Gesicht, von pechschwarzen Haaren umrahmt, war auf jeden Fall ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass es sich bei ihr nicht um einen Engel gehandelt hatte.

Kein Wunder. Bei mir würde der liebe Gott wahrscheinlich eher den Teufel schicken – oder eine seiner Gehilfinnen. Ich drehte den Kopf, um zu überprüfen, ob meine Erinnerung richtig war und ich mich tatsächlich in einem verfickten Krankenhaus befand.

Uuund. Richtig. Die weißen Wände, der Zugang in meiner Hand und die Monitore. All das zeigte, dass ich recht hatte.

Scheiße!

Ich hasste Krankenhäuser. Andererseits kannte ich niemanden, der sie mochte, von daher war es wohl nicht allzu verwunderlich, dass ich am liebsten gleich aufgesprungen wäre, um zu verschwinden. Das Blöde war nur, dass ich total müde war. Um mich davon abzulenken und nicht sofort wieder einzuschlafen, schaute ich zu dem Typen, der neben meinem Bett saß. Tyler, mein Boss, hatte seine Beine lang von sich gestreckt, sein Kinn lag auf seiner Brust und tiefe Atemzüge hoben und senkten seine Brust.

Schlief der etwa?

„Hey, Tyler!“, krächzte ich. Normalerweise hätte ich ihn etwas höflicher angeredet, aber ich war mir ziemlich sicher, in meinem Zustand so was wie Narrenfreiheit zu haben.

Mit einem Ruck fuhr sein Kopf nach oben, er setzte sich auf und starrte mich an, als hätte er noch nie einen Typen im Krankenhaus gesehen.

„Du bist wach!“

„Ja, ich bin wach. Gut erkannt“, murmelte ich sarkastisch und räusperte mich. Meine Stimme war total eingerostet. Außerdem war ich noch immer hundemüde. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich bereits in diesem Bett lag. In den letzten Stunden war ich ständig wieder eingeschlafen, kurz aufgewacht, nur um sofort erneut in einen tiefen Schlaf zu fallen.

Die Sache mit der Orientierungslosigkeit hatte ich wenigstens schon hinter mir. Ich war ja nicht blöd, auch wenn ich in den letzten Tagen die meiste Zeit in einer Art Dämmerzustand verbracht hatte, so war ich in Gedanken aktiv gewesen. Hatte in jeder wachen Minute versucht, mir ins Gedächtnis zu rufen, was genau geschehen war. Ich wollte wissen, weshalb ich im Krankenhaus lag, bevor ich mit jemandem sprach. Und das war mir gelungen. Wie ein Puzzle hatte ich meine Erinnerungen zusammengesetzt. Die schwarzhaarige Frau, die kein Engel war, aber ein Gesicht hatte, das … Egal. Viel wichtiger als sie waren die anderen Geschehnisse.

Der Überfall der Piraten.

Der Vorfall an Deck, als sie Lou erschießen wollten.

Die Kugel, die mich erwischte, mein Sturz über Bord und meine Anstrengungen, mich über Wasser zu halten, nicht unterzugehen und erbärmlich zu ertrinken.

All das war Stoff für einen Albtraum und doch nicht einmal das Schlimmste, was mir durch den Kopf ging.

„Was machst du hier?“, fragte ich ihn. Tyler zu nerven, war besser, als meinen Gedanken nachzuhängen.

„Ich habe gewartet, dass du aufwachst. Was denkst du denn?“

„Und warum?“

„Warum?“

„Ja. Kann dir doch egal sein, wann ich aufwache.“

Tyler schüttelte den Kopf. „Du bist echt ein Idiot. Wir haben uns Sorgen um dich gemacht. Oder glaubst du, wir lassen dich fast abkratzen und machen danach weiter, als wäre nie was geschehen?“

„Na ja, weißt du denn nicht …“ Ich stockte. Scheiße. Beinahe hätte ich mich verraten, und dass Tyler hier war und normal mit mir redete, konnte ja nur eines bedeuten. Er wusste von nichts. Niemand wusste was. Bevor sich das änderte, musste ich von hier weg. Blöderweise schlief ich wohl wieder ein, ohne diese tolle Idee in die Tat umzusetzen. Überhaupt schlief ich viel zu viel, und wenn ich das mal nicht tat, konnte ich mich kaum rühren, so am Arsch war mein Körper. Außerdem war ich nie allein. Jedes Mal, wenn ich meine verdammten Augen öffnete, saß ein anderer von der Crew an meinem Bett. Dylan, dann wieder Lou oder Marli. Selbst Fabio und Logan tauchten auf. Allmählich hatte ich den Eindruck, die hatten alle nichts zu tun und waren froh, wenn sie bei mir im Krankenhaus die Zeit totschlagen konnten.

Wie zur Hölle sollte ich unauffällig verschwinden, wenn ich niemals allein war? Und wenn noch immer etliche Schläuche aus mir heraushingen? Scheiße, ich fühlte mich, als sei ich eine verdammte Steckdose. Und dann war nicht ein einziges Mal die Polizei hier gewesen. Niemand, der mir unangenehme Fragen stellte. Ich sollte mich wohl darüber freuen, aber so richtig wollte mir das nicht gelingen. Außerdem war ich extrem genervt. Tagelang im Bett zu liegen, mich scheiße zu fühlen und nicht wegzukönnen, ging mir ganz schön auf den Geist. Ich brauchte körperliche Betätigung; wenn ich nicht tauchte oder auf einen Boxsack einprügelte, machte ich Krafttraining, joggte. Jetzt lag ich nur noch da wie ein nasser Sack und schlief die meiste Zeit. Ich fühlte meinen Körper nicht mal, so zugeknallt war ich mit Schmerzmitteln. Da kam mir Dylan gerade recht. Der schlenderte nämlich in diesem Moment zu mir herein und gab Marli, seiner Verlobten, einen Kuss, der verdammt lange andauerte.

„Hey, nehmt euch gefälligst ein Zimmer“, murrte ich, nachdem es so aussah, als wolle er seinen Mund nie wieder von ihrem lösen.

„Schlecht gelaunt?“

„Nein, mir geht’s blendend. Aber du knutschst die Frau ab, als wolltest du sie gleich hier auf meinem Bett vögeln. Ich bin nicht so fürs Zusehen, ich habe lieber selbst …“

„Halt die Klappe, Juan“, sagte Dylan.

„Machs gut, mein Schatz.“ Marli grinste mich an, gab mir einen Luftkuss und tänzelte zur Tür. Das tat sie garantiert nur, um Dylan eifersüchtig zu machen.

„Mein Schatz? Du nennst ihn Schatz?“, rief er ihr hinterher.

„Er hat es sich verdient.“ Die Tür fiel hinter ihr zu.

„Ich gebe ihr den besten Kuss, den sie je bekommen hat, und sie sagt, du hättest es verdient, so genannt zu werden?“ Dylan, der Idiot, ließ sich auf den Stuhl neben meinem Bett fallen.

„Sie wollte dich eifersüchtig machen und es hat funktioniert.“

„Glaubst du?“

Statt einer Antwort schüttelte ich nur den Kopf und rollte mit den Augen. Ich wusste, dass ich mich wie ein Teenager benahm, aber manchmal schaffte er es, meine pubertäre Seite hervorzuholen.

„Was tust du hier? Du warst gestern erst da. Jetzt nervst du mich schon wieder. Hast du nichts Besseres zu tun?“ Okay. Ich klang wie ein Arschloch, aber allmählich nervte mich diese Besuchsorgie, die meine Kollegen und mein Boss hier abzogen. Und wenn es mich nicht ärgerte, wurde mir ganz warm ums Herz, was ich noch weniger gebrauchen konnte.

„Nein, ich habe nichts Besseres zu tun. Außerdem ist es auf der Jacht ziemlich langweilig.“

„So, so. Ihr seid also wieder auf der Jacht. Da habt ihr ja Pech gehabt“, murmelte ich sarkastisch.

„Ja, nicht wahr?“ Dylan grinste mich an, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er sah aus wie jemand, der nicht so schnell gehen wollte.

„Und warum seid ihr nicht auf der Sea Shadow? Ich meine, da unten auf dem Meeresboden liegt ein verdammter Schatz rum, der geborgen werden will, und ihr geht in Cadiz vor Anker und langweilt euch?“

„Wir dürfen nichts tun, solange Tyler mit der Regierung verhandelt. Die Spanier wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Dank der Piraten wissen sie jetzt, was wir hier so treiben. Die Fundstelle befindet sich zwar außerhalb der Drei-Meilen-Zone und damit nicht in spanischen Gewässern, aber anscheinend ist das egal, wenn es um dreistellige Millionenbeträge geht.“

„Oh.“

„Ja, oh. Also sitzen wir hier rum, drehen Däumchen und langweilen uns.“

„Na, mir würde da bestimmt was einfallen, wenn ich mir so eine Frau wie Marli geangelt hätte.“

„Tja, das ist Pech, denn sie gehört mir.“ Dylans Grinsen wurde noch breiter. Und warum auch nicht, der Arsch hatte mich dazu verpflichtet, bei seiner Hochzeit den Trauzeugen zu spielen. Seitdem sah ich meiner Genesung mit gemischten Gefühlen entgegen. Eigentlich hatte ich vorgehabt, sofort abzuhauen, sobald die mich endlich von den blöden Schläuchen abmachten und mich nach Hause schickten. Aber jetzt?

Die Vorstellung, auf der Jacht aufzutauchen und all meine Kollegen zu sehen, um bei der Hochzeit von Dylan und Marli eine wichtige Rolle zu spielen, ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Andererseits brachte ich es auch nicht über mich, Dylan im Stich zu lassen. Genauso wenig wie Marli.

Immerhin besuchten sie mich jeden Tag im Krankenhaus. Hielten mich für einen Helden, weil ich die Kugel abgefangen hatte, die für Lou, Dylans Schwester, bestimmt gewesen war und …

Scheiße.

Die ganze Situation war total verfahren. Also schloss ich die Augen und tat das, was ich am besten konnte. Schlafen.

3

CARMEN

Mit geschlossenen Augen lehnte ich mich in meinem Schreibtischstuhl zurück und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen, während ich über die gerade gelesenen Berichte nachdachte.

„Hey, nicht einpennen!“, riss Paco mich nach kurzer Zeit aus meinen Überlegungen. Ich öffnete die Augen und schaute zu ihm auf. Er saß auf meiner Schreibtischkante und grinste auf mich herab. „Oh, hab ich dich etwa geweckt?“, fragte er ironisch und ich rollte mit den Augen.

„Nein, hast du nicht. Aber trotzdem, danke, dass du mir einen Kaffee mitgebracht hast.“ Bevor er reagieren konnte, nahm ich ihm seine Tasse aus der Hand und nippte an dem heißen Getränk.

„Ey, das war meiner! Hol dir selbst einen“, protestierte er.

Nun war ich es, die breit grinste. „Stimmt, aber die Betonung liegt auf ‚war‘.“

„Wie die kleinen Kinder, bis einer heult“, mischte sich nun Carlos ein und gesellte sich zu uns. „Ihr solltet euch lieber mal um die Piraten kümmern. Seht zu, dass ihr was aus denen rauskriegt. Bisher schweigen sie alle standhaft.“

Ich nahm noch einen Schluck von dem gemopsten Kaffee, dann stellte ich die Tasse auf den Tisch und griff nach den aufgeschlagenen Berichten zu dem Überfall auf diesen reichen Amerikaner.

„Mal ernsthaft, Jungs. Glaubt ihr echt, dass wir es hier mit Piraterie zu tun haben? Irgendwas passt da doch nicht.“ Ich hieb mit dem Finger auf den Stapel protokollierter Aussagen der Crew. „Das kommt mir alles irgendwie komisch vor. Euch etwa nicht?“

Paco zuckte mit den Schultern, unser Geplänkel von eben war vergessen, jetzt waren wir beide wieder im Ermittler-Modus.

„Ich verstehe nicht, worauf du hinauswillst“, meinte er. „Was passt dir daran nicht?“

„Ich kann es nicht genau sagen, es ist ein Bauchgefühl. Irgendwie ergibt das Ganze für mich kein schlüssiges Bild. Ich meine – Piraterie? Hier? Das ist schon mal das Erste, worüber ich stolpere.“ Ich nickte zu der Wand im hinteren Teil des Büros, an dem mehrere Fotos mit Fahndungsaufrufen hingen. „Wir haben es hier mit Menschenhändlern zu tun, mit Schleuserbanden, die Flüchtlinge ins Land bringen, aber Piraten? Hat einer von euch schon mal davon gehört, dass es hier einen Überfall durch Piraten gab?“

Carlos holte Luft und setzte zum Sprechen an, doch ich ahnte, was kommen würde, und unterbrach ihn sofort. „Ich meinte in diesem Jahrtausend, Carlos. Nicht die Geschichten, die dir dein Großvater zum Einschlafen erzählt hat.“

„Was soll denn das heißen? Mein Großvater stammte nachweislich von einem der größten Piraten des achtzehnten Jahrhunderts ab.“ Empört schaute er mich an.

„Alter, das sind irgendwelche Kindermärchen. Du glaubst das doch nicht immer noch?“, fragte Paco und warf mir einen amüsierten Blick zu, den ich kichernd erwiderte.

„Doch, Carlos ist fest davon überzeugt, dass er Freibeuterblut in den Adern hat.“

„Ja, lacht ihr ruhig. Ist mir egal. Ich glaube meinem Großvater. Punkt!“ Ärgerlich, weil wir uns über ihn lustig machten, verzog er das Gesicht. „Wir sollten uns lieber um den Fall kümmern.“

„Wir waren gerade dabei, als du uns mit den Geschichten deines Opas unterhalten wolltest. Also, zurück zum Thema. Dein Bauchgefühl, Carmen. Sprich weiter.“ Paco schaute mich auffordernd an.

„Richtig … Die Tatsache, dass es hier bisher niemals Piraten gegeben hat, macht mich stutzig. Außerdem … Ich frage mich, wie sie ausgerechnet auf diese Schatztaucher gestoßen sind. Woher wussten sie, dass der alte Fischkutter in Wahrheit ein getarntes Bergungsschiff ist?“

Paco nickte nachdenklich, aber Carlos schien nicht zu begreifen, warum ich der Sache nicht so recht traute.

„Das haben die Leute von der Crew doch selbst erklärt. Sie hatten Besuch von Paparazzi. Irgendjemand ist auf die Jacht und den reichen Amerikaner aufmerksam geworden, der hier auf den High-Society-Events aufgetaucht ist. Die wollten mehr über diesen Tyler erfahren und haben dabei durch Zufall den Tauchroboter entdeckt. Entweder einer der Fotografen hat diese Infos weiterverkauft oder selbst ein paar Leute angeheuert.“

Langsam schüttelte Paco den Kopf und kratzte sich nachdenklich am Unterkiefer.

„Das passt nicht. Du hast recht, Carmen, da stimmt was nicht. Mann, dass wir da nicht früher drüber gefallen sind.“ Er rollte mit den Augen, als wäre er genervt, dass er so blind gewesen war. „Der Tauchroboter war an der Jacht – überfallen wurde hingegen der Fischkutter. Woher sollte der Fotograf – oder sonst jemand – gewusst haben, dass diesem Tyler zwei Schiffe gehören? Das konnte niemand wissen, außer …“

Nun ging anscheinend auch Carlos ein Licht auf. „… außer er gehörte zur Crew.“

Einen Moment schauten wir uns nur schweigend an.

„Okay, ich werde die Befragungen noch einmal durchgehen, womöglich fällt mir irgendwo eine Ungereimtheit auf“, sagte Carlos. „Paco, du knöpfst dir die Jungs in den Zellen vor, vielleicht schaffst du es, sie zum Plaudern zu bringen.“

„Soll ich dann ins Krankenhaus und diesen Juan befragen?“, fragte ich.

„Meinst du, der ist schon vernehmungsfähig? Und kann er sich überhaupt an irgendwas erinnern? Der Kerl ist nur knapp mit dem Leben davongekommen. Denk mal dran, wie wir ihn aus dem Wasser gefischt haben.“

Ich zuckte mit den Schultern. Okay, ganz Unrecht hatte Carlos nicht, der Typ war mehr tot als lebendig gewesen. Selbst nach meiner nicht unbedingt sanften Ohrfeige hatte er bloß kurz die Augen geöffnet, nur um danach direkt wieder in der Bewusstlosigkeit zu versinken. Noch immer sah ich sein Blut an meinen Händen, sah mich selbst, wie ich verzweifelt versuchte, die Blutung seiner Bauchwunde zu stillen. Sah, wie blass der Mann unter mir war, wie schlaff sein trainierter Körper.

Bis heute wusste ich nicht, woran es lag, doch dieser Fall beschäftigte mich mehr als jeder andere zuvor. War es, weil ich das erste Mal mit Piraterie zu tun hatte? Ich konnte mir diese Frage nicht beantworten. Juan Alvarez war nicht der Erste, den ich vor dem Ertrinken gerettet und bewusstlos aus dem Wasser gefischt hatte. Unzählige Flüchtlingsboote kenterten in der Meerenge vor Cadiz, regelmäßig bargen wir Menschen, die kaum mehr atmeten, Kinder, die nach ihren Müttern schrien. Leichen.

Jedes Menschenleben, das verloren ging, war eines zu viel. Ich nahm immer ein Stück davon mit nach Hause und brauchte oft Tage, um einzelne Schicksale zu verdauen. Doch dieses Mal … Irgendetwas war anders. Ich träumte von den Piraten, vom Überfall, als wäre ich selbst an Bord gewesen, als wäre ich diejenige, die den Schuss abfing. Ich spürte die Wunde, die ich bei Juan erstversorgt hatte, als wäre es meine. Jeden Morgen erwachte ich schweißgebadet und schaffte es erst nach einer langen, heißen Dusche und einem Kaffee auf meinem Balkon in der Morgensonne, die Spuren der Nacht abzuschütteln.

Es war bisher noch niemals vorgekommen, doch bei diesem Fall fehlte mir zum ersten Mal in meiner Karriere die innere Distanz.

Und das war nicht gut!

Eines der ersten Dinge, die ich in der Ausbildung gelernt hatte, war, dass man immer einen gewissen Abstand wahren musste, ansonsten ging man in diesem Job kaputt. Und diesen Abstand musste ich unbedingt wiederfinden. Dazu sah ich nur noch eine Möglichkeit – die direkte Konfrontation.

„Das werden wir dann ja sehen, ob er sich erinnert. Auf jeden Fall denke ich, er hat genug Zeit gehabt, sich auszuruhen. Und ein paar Fragen werden seiner Genesung schon nicht im Wege stehen.“ Ich zuckte gleichmütig die Schultern, doch Carlos wirkte noch immer zweifelnd.

„Ich fahre dahin und schaue, was ich aus ihm rauskriegen kann“, betonte ich erneut. Zur Bekräftigung stand ich auf, holte meine Collegetasche aus der untersten Schublade meines Schreibtisches und packte alles ein, was ich für die Vernehmung brauchen würde.

Zögernd nickte Carlos. „Okay, na gut. Aber reiß ihm nicht gleich den Kopf ab!“

Ich hob stirnrunzelnd den Blick. „Was soll das denn heißen? Natürlich bin ich nett zu ihm.“

Paco gluckste leise. „Ja, genau!“

Ich warf ihm nur einen scharfen Blick zu, schnappte mir meine Jacke und verließ das Büro.

Innerlich grinste ich jedoch. Natürlich wusste ich, wie die Männer des Reviers mich hinter meinem Rücken nannten. Gottesanbeterin. Zwar fraß ich keine Männer, aber ich hatte im Laufe der Jahre durchaus gelernt, mich ihnen gegenüber durchzusetzen. Und dass ich damit erfolgreich war, erkannte ich an diesem Spitznamen. Für mich war es ein Zeichen der Anerkennung und bedeutete, dass meine männlichen Kollegen Respekt vor mir hatten. Fröhlich vor mich hin summend, stieg ich vor der Wache in mein Auto und machte mich auf den Weg zum Krankenhaus.

4

JUAN

Die Tür zu meinem Zimmer wurde geöffnet. Genervt schaute ich über den Rand meines Wasserglases hinüber. Da war ich einmal allein, ohne Kollegen, die stundenlang neben meinem Bett saßen, und was geschah? Irgendeine nervige Krankenschwester meinte wahrscheinlich, ausgerechnet jetzt meinen Puls messen zu müssen.

Dann aber sah ich, wer eintrat.

Und verschluckte mich prompt.

Hustend und nach Luft schnappend, röchelte ich wie ein verdammter Vollidiot.

Mierda.

Wenn ich mich richtig erinnerte, war unser erstes Treffen genauso verlaufen. Nur die Ohrfeige fehlte, aber die konnte ja noch kommen.

„Guten Morgen, Señor Alvarez. Wie geht es Ihnen?“, fragte die schwarzhaarige Schönheit, die Gott mir statt eines Engels geschickt hatte, und trat an mein Bett.

„Scheiße“, war meine Antwort auf ihre Frage, als ich endlich wieder Luft bekam. Innerlich fluchte ich weiter. Welcher Mann will schon in einem Krankenhausbett liegen, wenn er einer Frau begegnet, die er gerne vögeln würde?

Keiner.

Erstens sah ich aus wie ein Grufti. Ich bin nicht besonders eitel, aber nach ein paar Tagen hatte ich einen Blick in den Spiegel gewagt. Meine normalerweise dunkle Haut hatte einen grauen Schimmer. Die Schatten unter meinen Augen waren tiefschwarz und so groß wie Untertassen. Ich sah aus, als sei ich gestorben, vergraben und dann wieder ausgebuddelt worden. Genau so fühlte ich mich auch.

„Das tut mir leid. Ich hatte gehofft, es geht Ihnen schon besser.“

„Oh, da könnten Sie mir helfen. Hüpfen Sie einfach mit rein.“ Ich hob meine Bettdecke ein wenig an und klopfte einladend auf die Matratze.

Ein Schatten zog über ihr Gesicht. Genau so, wie ich es geplant hatte. Es gab kaum einen besseren Trick, um eine Frau schleunigst wieder loszuwerden, als sie so richtig blöd anzumachen. Und selbst wenn ich sie tatsächlich in meinem Bett haben wollte, dann garantiert nicht an einem Tag wie heute.

„Danke, kein Bedarf.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Mein Name ist Carmen Rojas, ich bin Polizisten der Guardia Zivil. Ich bin hier, um Ihnen ein paar Fragen zu stellen.“

Ihr Tonfall könnte die Sahara zum Gefrieren bringen. Wenn ich einen Ständer gehabt hätte, wäre der jetzt garantiert in sich zusammengefallen. Aber auch so wirkten ihre Worte wie eine kalte Dusche. Die Polizei hatte mich bisher in Ruhe gelassen. Ich hatte angenommen, dass die mich nicht mehr belästigen würden. Immerhin hatte die gesamte Crew schon ausgesagt. Jeder hatte gesehen, wie ich die Kugel abbekam, die für Lou bestimmt gewesen war. Jeder wusste, dass ich ein verdammter Held war.

Aber ich ließ mir nichts anmerken. Schüttelte ihre Hand, als hätte ich sie nicht gerade in mein Bett eingeladen. Schenkte ihr ein falsches Lächeln und sagte: „Dann fragen Sie mal los. Ich habe nichts zu verbergen.“ Und weil ich so tolle Manieren hatte, deutete ich auch noch auf den Stuhl, der neben meinem Bett stand. „Setzen Sie sich, machen Sie es sich bequem. Ich habe eh nichts Besseres zu tun, als mich mit einer schönen Frau zu unterhalten.“ Der letzten Bemerkung schickte ich ein anzügliches Grinsen hinterher, nur um sie wissen zu lassen, dass ich doch nicht so gute Manieren hatte.

„Wie schön für Sie.“ Carmen blieb natürlich stehen. War ja klar, eine Frau wie sie kam einer solchen Aufforderung nicht nach. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich. Wahrscheinlich dachte sie, mich so einschüchtern zu können, aber da kannte sie mich schlecht.

„Ich bin nur froh, dass Sie mich heute nicht mit einer Ohrfeige begrüßen“, sagte ich, um das Schweigen zu unterbrechen. Denn irgendwie störte es mich schon, diese Musterung. Die zusammengezogenen Augenbrauen. Die Gedanken, die hinter diesen wunderschönen Augen lauerten.

„Ach, daran erinnern Sie sich?“

„Ja, und daran, dass ich etwas frustriert war. Jeder, der aus einer Bewusstlosigkeit erwacht, sieht einen zauberhaften Engel. Und was bekomme ich? Eine dunkelhaarige Furie, die mich schlägt.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Und auf Schläge stehe ich nun mal nicht. Wenn Ihre Neigungen in diese Richtung gehen, muss ich mein Angebot von vorhin wieder zurückziehen.“

Treffer.

Versenkt.

Ich sah es ihr an. Sie war kurz davor, umzudrehen und davonzurauschen.

Ich zumindest hätte es getan. So einen Scheiß würde ich mir von niemandem bieten lassen.

„Nach meiner Erfahrung haben die Männer mit der größten Klappe einen extrem kleinen Penis. Deshalb, danke. Ich muss das großzügige Angebot leider ablehnen.“ Sie lehnte sich nach vorn und nagelte mich mit ihrem Blick fest. „Wenn Sie noch mal so was zu mir sagen, schleife ich Ihren Arsch hier raus und werfe ihn in die nächste Zelle wegen Beamtenbeleidigung.“

Mierda.

Treffer für sie.

„Schön, dass wir das klären konnten“, sagte sie, als ich ausnahmsweise mal die Klappe hielt. „Und jetzt zu dem, was auf der Sea Shadow passiert ist. Sie wurden am fünfzehnten August überfallen. Ist das korrekt?“

„Ich denke schon. Sie wissen das wahrscheinlich besser als ich; mir irgendwelche Daten zu merken, ist nicht so mein Ding. Wenn Sie also meine Aussage dazu wollen, dann kann ich Ihnen nur mitteilen, dass die uns irgendwann im August angegriffen haben. Könnte der fünfzehnte gewesen sein oder der vierzehnte. Meinetwegen auch der sechzehnte oder der siebzehnte. Moment mal.“ Ich tat so, als würde ich nachdenken. „Der achtzehnte käme genauso infrage.“

Diese Carmen schaute mich genervt an, aber ich war so schlau, mir ein Grinsen zu verkneifen. Kein Gesetz besagte, dass ich mich an irgendwas erinnern musste. Vor allem, nachdem ich angeschossen worden war, stundenlang im eiskalten Wasser rumpaddelte wie ein verdammter Seehund und dann von der Guardia Civil rausgefischt wurde. Diese Carmen konnte froh sein, dass ich meinen eigenen Namen wusste.

„Gut. Dann erzählen Sie mal der Reihe nach, was passiert ist“, sagte sie. Ihrer Stimme konnte ich anhören, wie sie sich um einen neutralen Tonfall bemühte.

„Die Typen kamen mitten in der Nacht. Sie haben mich und Dylan aus dem Schlaf gerissen. Zwei Piraten, beide mit Sturmhauben und Gewehren. Sie haben uns in eine andere Kabine gebracht, wo wir mit Tyler, Fabio und Logan eingesperrt wurden. Tyler haben sie irgendwann befragt und zusammengeschlagen, weil er nicht verraten wollte, wo sich Lou und Marli versteckt hatten. Aber auch ohne Tylers Mithilfe fanden sie die beiden Frauen. Kurz darauf mussten wir alle an Deck, weil Tyler mal wieder nicht kooperieren wollte. Dieses Mal ging es um die Kombination von seinem Safe. Was dort oben passiert ist, wissen Sie ja.“

„Oh, ich wusste auch schon, was davor geschah. Interessant ist nur, dass Sie jetzt nicht mehr weiterreden wollen.“

„Wer sagt, dass ich das nicht will?“

„Sie. Bis zu diesem Punkt haben Sie mir alles erzählt. Oder zumindest eine Kurzversion der Ereignisse, doch den Rest? Da wollten Sie sich rauswinden. Warum ist das so?“

„Warum das so ist? Sind Sie schon mal angeschossen worden und danach fast ertrunken?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Es ist verdammt traumatisch. Deshalb will ich nicht drüber reden.“

„Interessant. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein harter Kerl aus einer Kugel und ein bisschen kaltem Meerwasser ein Drama macht.“

Ich richtete mich auf und stach mit dem Zeigefinger in ihre Richtung. „Sie haben ja keine Ahnung. Ich bin da fast abgesoffen. Vielleicht waren Sie zu sehr damit beschäftigt, mir Ohrfeigen zu verpassen, um es zu bemerken, aber meine Scheißhände waren gefesselt, was bedeutet, dass ich stundenlang mit den Füßen gestrampelt habe wie ein Scheißsäugling, nur um nicht unterzugehen. Während die Guardia Civil damit beschäftigt war, ihre Köpfe aus dem Arsch zu ziehen und dann auch irgendwann mal zu erscheinen.“ Mierda! Mein Ausbruch hatte mich total erschöpft. Wie eine verdammte Pussy legte ich mich in die Kissen und schloss die Augen. Ich brauchte eine Pause. Musste nicht mal lang sein. Ein paar Wochen würden schon reichen. Am besten wäre es, wenn diese Carmen ihren hübschen Arsch wieder aus meinem Zimmer bewegte und mich nicht an Sachen erinnerte, die ich lieber vergessen wollte.

„Wissen Sie eigentlich, dass bei einer ersten Befragung einige der Crewmitglieder aussagten, sie hätten gehört, wie Sie einen der Piraten mit Namen ansprachen?“

„Und welcher Name soll das gewesen sein?“ Ich drehte den Kopf und schaute sie an. „Vielleicht Arschloch oder Motherfucker?“

„Nein. Es war Diomiro.“

„Señorita, ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben. In der Guardia ist man wahrscheinlich mit vielen wichtigen Dingen beschäftigt. Zum Beispiel damit, Bleistifte anzuspitzen oder mit einem Lineal den Schreibtisch zu vermessen. Auf jeden Fall zu beschäftigt, um zu bemerken, dass es an dem Tag ziemlich windig war. Dazu kam noch, dass plötzlich alle rumgeschrien haben. Tyler wollte den Typen davon abhalten, seine Verlobte abzuknallen. Dylan rief ebenfalls etwas. Und ich habe mich, dämlich wie ich bin, dazwischengeworfen. Irgendwas hab ich gesagt, Dios mio oder, keine Ahnung, vielleicht auch was anderes. Aber Diomiro? Welcher Pirat, der was auf sich hält, hat so einen Pussynamen?“

„Also streiten Sie ab, einen der Piraten zu kennen?“

„Ja, verdammt noch mal, das tue ich. Außerdem hatten die Arschlöcher die ganze Zeit über Masken auf. Selbst wenn mein Bruder dabei gewesen wäre, hätte ich ihn nicht erkannt.“

„Sie sagen also, Ihr Bruder könnte dabei gewesen sein?“

„Señorita, verdrehen Sie nicht meine Worte. Das habe ich nicht gesagt, es war nur ein Vergleich, um zu zeigen, wie …“ Ich stockte, strich das Wort „dämlich“ aus dem Satz und ersetzte es mit: „… haltlos Ihre Anschuldigungen sind. Noch mal zur Erinnerung. Ich habe die Kugel abgefangen, die für Lou bestimmt war. Bei der Sache hätte ich draufgehen können.“

„Ja, das mag sein.“

„Es mag nicht nur sein, es ist auch so“, knurrte ich. „Und jetzt bin ich müde. Wie wäre es, wenn Sie Ihre Fragen nehmen und jemand anderen damit nerven.“

„Oh, das tue ich, keine Angst, denn irgendwas ist hier faul, und ich werde herausfinden, was es ist.“

„Viel Spaß dabei.“

„Danke.“ Sie strahlte mich an. Ich wusste, das Lächeln sollte mich ärgern, aber es brachte nur mein Herz dazu, einen Schlag auszusetzen und meinen Schwanz … Egal. Carmen mochte wunderschön sein, einen geilen Arsch haben und sensationelle Titten. Trotzdem würde ich nicht auf sie reinfallen. Der Frau würde ich in Zukunft fernbleiben.

5

CARMEN

Ich kochte noch immer vor Wut, als ich durch die Straßen der Stadt zurück zur Wache fuhr. Am liebsten hätte ich die Abzweigung zur Autobahn genommen und das Gaspedal meines Schätzchens bis zum Anschlag durchgetreten, um mich ein wenig abzureagieren. Ich liebte es, das gleichmäßige Schnurren des Motors zu hören, die Vibration zu spüren und den Wind durch meine langen Haare wehen zu lassen, während die Umgebung an mir vorbeizog. Ich liebte die Geschwindigkeit, und gerade wenn ich aufgewühlt war, half es mir, mich zu erden. Leider hatte ich keine Zeit für eine Spritztour mit meinem Cabrio, denn im Büro wartete ein Schreibtisch voller Akten auf mich und auch die Vernehmung eben musste zu Papier gebracht werden. Seufzend versuchte ich, langsam und bewusst zu atmen, wie ich es für meinen Sport gelernt hatte. Tief ließ ich die Luft in meine Lungen strömen und lenkte meinen Fokus auf einen anderen Punkt. Bloß nicht an diesen Juan Alvarez denken, ansonsten würde ich explodieren.

Ich schaffte es tatsächlich, mich zu beruhigen. Allerdings nur so lange, bis ich das Büro betrat und Paco mich mit einem breiten Grinsen empfing.

„Hey, Carmencita, wie war es im Krankenhaus? Hat Señor Alvarez dir neue Erkenntnisse gebracht?“

Sofort kehrten meine Gedanken zu unserem Gespräch zurück – was zur Folge hatte, dass mein Blut innerhalb von Sekunden erneut kochte.

„Nichts hat er! Angeblich kann er sich an keinerlei Details des Überfalls mehr erinnern. Abgesehen von den Dingen, die wir eh schon wissen. Und an meine Ohrfeige konnte er sich auch noch sehr gut erinnern! So ein Idiot!“

Ich ging zu meinem Schreibtisch hinüber, holte meine Notizen und mein Handy aus meiner Tasche und legte sie dann zurück in die Schublade. Als ich mich aufrichtete, stand Paco vor mir, den Kopf schief gelegt, und schaute mich fragend an.

„Okay, raus mit der Sprache. Worüber regst du dich so auf?“

„Ich rege mich nicht …“ Ich merkte selbst, wie ich meine Stimme erhob und verstummte.

„Ah, Carmen, du bist zurück. Ich hoffe, du hattest mehr Erfolg als Paco? Die Piratenschweine schweigen, als hätte man ihnen die Lippen zugenäht. Was hast du im Krankenhaus rausbekommen?“

„Nichts“, antwortete ich und ließ mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen.