Nexus - Ramez Naam - E-Book

Nexus E-Book

Ramez Naam

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Beschreibung

Zwischen Freiheit und Sicherheit

Die nahe Zukunft: Die Nano-Droge Nexus ermöglicht es den Menschen, die Grenzen der eigenen Wahrnehmung zu überschreiten und mit dem Bewusstsein anderer in Verbindung zu treten – ein gewaltiger Schritt in der Evolution des Menschen. Als jedoch eine Gruppe skrupelloser Wissenschaftler Nexus für ihre eigenen Zwecke missbraucht, zwingt die US-Regierung den jungen Nano-Techniker Kade Lane, sich in die Organisation einzuschleusen, um ihrem Treiben ein Ende zu bereiten. Lane gerät in einen Strudel aus Machtgier, Korruption und Mord ...

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Seitenzahl: 650

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Das Buch

In naher Zukunft ermöglicht es uns die Nano-Droge Nexus unsere eigenen Grenzen zu überschreiten. Karatemeister werden, ohne sich dem anstrengenden Training zu unterziehen? Fließend Französisch sprechen, ohne sich monatelang mit Vokabeln und Grammatik abmühen zu müssen? Dank Nexus kein Problem. Eine Dosis der Superdroge, und der Konsument wächst förmlich über sich hinaus. Der Mensch 2.0 sozusagen … Doch damit nicht genug: Nexus ermöglicht es den Menschen auch, sich mit dem Bewusstsein eines anderen zu verbinden und diesen so zu kontrollieren. Eine großartige Chance für die Menschheit, finden Wissenschaftler. Eine großartige Chance für die Menschheit, finden aber auch kriminelle Organisationen, schließlich kann man mithilfe von Nexus einen Menschen mir nichts, dir nichts in eine willenlose Killermaschine verwandeln. Die Regierung der USA und die Homeland Security arbeiten deshalb an einem dauerhaften Verbot der Droge, und jeder, der damit herumexperimentiert, wird schwer bestraft. Kade Lane ist einer der brillantesten jungen Wissenschaftler auf dem Gebiet der Nanotechnologie. Er findet, Nexus sollte jedermann zugänglich sein, und arbeitet im Geheimen daran, die Droge zu verbessern. Natürlich wird er erwischt und von der Regierung gezwungen, sich als Spion in kriminelle Kreise einzuschleusen, um herauszufinden, was diese mit der Droge vorhaben. Kade gerät in einen gefährlichen Strudel aus Gier, Macht und politischen Intrigen – und schon bald weiß er selbst nicht mehr, wer eigentlich die Guten sind und wer die Bösen …

Der Autor

Ramez Naam wurde in Kairo, Ägypten, geboren und kam im Alter von drei Jahren nach Amerika. Er ist Computerspezialist, Futurist und mehrfach ausgezeichneter Autor verschiedener Sachbücher. Nexus ist sein erster Roman. Der Autor lebt und arbeitet in Seattle.

Mehr zu Ramez Naam und Nexus erfahren Sie unter:

RAMEZ NAAM

ROMAN

Aus dem Amerikanischen vonBernhard Kempen

Deutsche Erstausgabe

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

NEXUS

Deutsche Erstausgabe 08/2014

Redaktion: Ralf-Oliver Dürr

Copyright © 2013 by Ramez Naam

Copyright © 2014 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München

Satz: Schaber Datentechnik, Wels

ISBN: 978-3-641-13138-8

www.diezukunft.de

Für meine Eltern,die mich auf diese Welt gebracht, mich aufgezogenund bei jedem Schritt unterstützt haben

[ 1 ]    Das Don-Juan-Protokoll

Freitag, 17. 2. 2040, 22.55 Uhr

Die Frau, die sich Samantha Cataranes nannte, stieg aus dem Taxi und lief zum Haus an der 23rd Street. Als die Tür aufging, drangen Licht, Musik und Stimmen hinaus in die Nacht. Zwei junge Frauen traten nach draußen, Arm in Arm, in ein Gespräch vertieft. Sie lächelten Sam an, als sie an ihnen vorbeiging, und Sam lächelte zurück. Die Gesichtserkennung identifizierte sie und blendete auf den taktischen Kontaktlinsen schwach leuchtend ihre Namen, ihr Alter und ihre Gefahreneinstufung in Sams Sichtfeld ein. Alles in Grün. Zivilisten. Keine bekannte Verbindung zu ihrer Mission.

Sam ließ den Blick über die Fassade des Hauses schweifen. In ihrem Sichtfeld tauchten Bauelemente, Strom- und Datenleitungen, mögliche Zu- und Ausgänge durch Türen, Fenster und Schwachstellen in den Wänden auf. Sie blinzelte es weg. Das alles nützte ihr heute Nacht gar nichts.

Sie spürte einen Stich im linken Knie, als sie die Treppe hinaufstieg. Eine Erinnerung an die verhängnisvolle Schießerei bei Sari. Als könnte sie diese Nacht jemals vergessen. Ihr Gesicht fühlte sich angespannt an. Ihre Lippen waren übervoll, die Wangen straff, der Unterkiefer seltsam angewinkelt. Ihre Nerven protestierten unter der Belastung ihres angestrengten Gesichtsausdrucks. Es wäre eine Erleichterung, die Muskeln zu entspannen und wieder ihre eigene Miene zeigen zu können.

Bruchstücke der Einsatzbesprechung für diese Mission blitzten ungebeten in ihrem Geist auf. Ein gesprengtes Gebäude, überall verstreute Leichen. Religiöse Anführer, die von alten Vertrauten ermordet wurden. Politiker, die plötzlich und nicht nachvollziehbar ihre Meinung änderten. All die Selbstmordattentate, die Erschießungen, die politischen Umstürze, die gesichtslosen Firmen mit unmenschlich loyalen Supersoldaten, die nicht nachdachten und keine Fragen stellten. Und hinter allen stand die übliche Bedrohung: die neue Nötigungstechnologie aus Beijing. Eine Technologie, die sie mithilfe dieser Zielperson vielleicht ein wenig besser verstehen und abwehren konnten.

Sam öffnete die Tür und tauchte in die Party ein, mit einem breiten Lächeln auf dem falschen Gesicht. Dröhnend laute Flux-Musik schlug ihr entgegen. Die Gerüche zahlreicher Körper überfluteten ihre geschärften Sinne. Identitäten schwammen über dem Meer der Gesichter. Irgendwo in diesem Haus würde sie ihren Mann finden.

Freitag, 17. 2. 2040, 23.10 Uhr

»Tanzt du?«, fragte das Mädchen. Sie beugte sich vor, nahe genug, um sich im Lärm der Party verständlich zu machen, nahe genug für einen Kuss.

Kaden Lane beobachtete mit klinischer Sorgfalt, wie Don Juan seine körperlichen Reaktionen anpasste. Ein leichtes Lächeln. Freisetzung von Oxytocin. Erweiterung der Kapillargefäße in den Wangen. Eine Mischung aus Zuversicht und Erwartung. Optionale Antworten schossen ihm durch den Kopf, ansatzweise von seinen Lippen gebildet, während das Konversationspaket der Software die Möglichkeiten durchging:

[Ja, ich tanze sehr gern.]

[Klar! Welche Musik magst du am liebsten?]

[Mit einem so hübschen Mädchen wie dir immer.]

Signale verbreiteten sich durch das im hohen Maße modifizierte Netz der Nexus-Knoten in seinem Gehirn. Die Nanostrukturen der Droge evaluierten Daten, verarbeiteten sie, transformierten sie. Innerhalb von Millisekunden traf Don Juan eine Entscheidung. Der Input erreichte die Nexus-Knoten, die mit Neuronen in den Sprachzentren seiner Stirn- und Schläfenlappen verbunden waren. Nervenimpulse rasten von den Sprachzentren zum Motorkortex und von dort zu den Muskeln seiner Zunge und seines Kiefers, seiner Lippen und seines Zwerchfells. Einen Sekundenbruchteil nachdem er das Mädchen hatte sprechen hören, zogen sich diese Muskeln zusammen, um seine Antwort zu formulieren.

»Ja, ich tanze sehr gern«, hörte Kade sich sagen.

Wer schreibt nur so lahme Dialogzeilen?, fragte er sich.

»Wollen wir mal sehen, ob es heute Nacht etwas Gutes gibt?«, fragte sie.

Frances. Ihr Name war Frances. Vor zwanzig Minuten waren sie sich in diesem Korridor begegnet. Sie war 26 Jahre alt, Sternzeichen Jungfrau, und sie arbeitete als Grafikdesignerin. Frances roch gut, berührte ihn gern, wenn sie sich unterhielten, und sie sah ziemlich sexy in ihrer engen Hose und dem tief ausgeschnittenen Top aus. Sie mochte Acro-Yoga, laute Tanzmusik, Reisen nach Mittelamerika und ihre zwei Katzen.

Noch nie hatte Kade jemanden nach seinem Sternbild gefragt. Und wahrscheinlich hatte er es in gewisser Weise auch jetzt gar nicht getan. Die Software hatte es mit seinem Mund und seinen Lungen gemacht. Zählte das?

Der ganze Test sollte demonstrieren, dass die Software ihr Interface auf Nexus-Basis dazu benutzen konnte, Sprache und Gehör in einer realen Umgebung zu kontrollieren. Es war Rangan gewesen, der darauf bestanden hatte, diese Dating-App zum Test der Plattform zu verwenden und dass Kade das Versuchskaninchen sein sollte. Du wirst rauskommen und etwas Spaß haben, Kumpel, hatte er gesagt. Du hängst nur deprimiert rum. Ein Flirt mit ein paar Mädchen ist genau das, was du brauchst.

Nächstes Mal, dachte er, kann Rangan den Feldtest selbst machen.

»Klar. Schauen wir mal, was los ist«, antwortete Don Juan.

Kade zog sein Telefon hervor und befestigte es an der Wand. Don Juan sprach hinein: »Die heutigen Tanzpartys in der Bay Area. Volle Projektion für zwei.«

Frances wandte sich der Kamera zu. Ein Partygast rempelte sie an, als er durch den Korridor an ihr vorbeirannte. Sie drückte sich gegen Kade, schmiegte sich an ihn. Ihr Körper fühlte sich wirklich warm und verlockend an, wie er sich eingestehen musste. Er legte einen Arm um ihre Hüfte, als das Telefon seine Anfrage beantwortete. Vielleicht hatte Rangan gar nicht so unrecht gehabt …

Netzhautprojektoren suchten nach ihren Augen. Gerichtete Akustik zielte auf ihre Ohren. Die Events rollten durch ihr gemeinsames Sichtfeld.

SEROTONIN OVERLOAD IV

Ein kurzer Werbespot für die Party überflutete ihre Sinne: pulsierende Musik, synkopiertes Licht, warmes Lächeln, Tanzende, die sich umarmten und im Gleichtakt bewegten.

Frances verzog das Gesicht. »Etwas zu ernst für mich.«

Kade gluckste. »Nächste.«

CYGNUS EXPRESS – FUNDRAISING FÜR PROJEKT ODYSSEUS

Die Weiten des Alls, Planeten, die um ferne Sonnen kreisen, Partygäste in schimmernden Nachbildungen von Druckanzügen, piepende Erstkontaktsignale im statischen kosmischen Hintergrundrauschen, überlagert von einem treibenden Trance-Rhythmus.

Frances schüttelte den Kopf. Verdammt, es fühlte sich gut an, wenn sie sich an ihn schmiegte.

»Im Weltraum«, sagte sie, »kann dich niemand tanzen hören.«

Kade zuckte mit den Schultern. »Nächste.«

CARE BARE von UNITED SKEINS OF SEXY

Neue Bilder und Klänge: sich windende, fast nackte Körper, Haut berührte Haut, stöhnende pulsierende Töne, aufblitzende Münder, Beine und Brüste.

Frances bewegte ganz leicht ihre Hüfte an ihm. »Also, das sieht ziemlich heiß aus. Oder?«

Kade lachte laut. An jedem anderen Abend hätte er nicht den Mut gehabt, sich in eine solche Szene hinauszuwagen. Aber zum Teufel! Er hatte die Aufgabe, die Plattform, die sie auf die Nanobereich-Elemente von Nexus aufgesetzt hatten, bis an die Grenzen auszureizen.

Das wird ein wunderbarer Testfall, sagte er sich. Ich mache das alles nur für die Wissenschaft.

Don Juan antwortete für ihn. »Vielleicht. Hast du vor, mit mir zu flirten?«

Kade ließ ihn machen, ließ ihn mit dem Auge zwinkern.

Frances grinste, zog eine Augenbraue hoch und wandte sich ihm zu, während sie sich immer noch gegen seinen Körper drückte. »Das würde dir gefallen, nicht wahr?«

Mit einem Aufschlag ihrer hübschen grünen Augen blickte sie zu ihm auf.

»Ach, ich glaube, die Freude wäre ganz auf deiner Seite«, erwiderte Don Juan. Kade legte auch den anderen Arm um ihre Hüfte und hielt sie fest, während er tief in ihre Augen blickte.

Frances biss sich auf die Unterlippe.

»Beweis es.«

Kade hätte vielleicht gestottert, wäre vielleicht errötet, aber jetzt hatte eine berechnendere Logik die Kontrolle übernommen. »Zu mir oder zu dir?«

Sie küssten sich im Stehen, Kade mit dem Rücken gegen die Wand des Raums, in den sie sich geschlichen hatten. Frances kicherte ständig. Sie machte es mit einem Spaß und einer Begeisterung, die Kade als ansteckend empfand. Sie küssten und küssten sich, sie kicherten und flüsterten. Kades klinische Distanziertheit schwand. Jemand öffnete die Tür zum Raum, sah sie und zog sich mit einer Entschuldigung schnell zurück. Wieder Kichern. Wieder Küssen. Kichern ging in Seufzen über. Seufzen in Reiben. Tastende Hände. Die Hitze ihrer Körper steigerte sich. Frances’ Atem ging kurz und schwer. Genauso wie seiner.

Die Dialoge sind sauschlecht, aber über das Resultat kann ich mich nicht beklagen, dachte Kade. Es gab noch einen weiteren Test, dessen Durchführung er Rangan versprochen hatte. Nun zum kinästhetischen Interface …

Er hielt die Augen geschlossen, als er sie küsste und ins Nexus-Betriebssystem eintauchte, das er und Rangan auf die vielen Hundert Millionen Nano-Strukturen der Droge aufgesetzt hatten, mit der ihre Gehirne gesättigt waren.

Sanft schimmernde Zahlen rollten durch den unteren Bereich seines Sichtfelds. Rechts hing eine Säule aus Symbolen. Ein Fenster mit den Feldtestnotizen seiner Forschungsprotokolldatei war bis auf den Titelbalken komprimiert. Das gedämpfte Dröhnen der Party rauschte immer noch in seinen Ohren. Kades innerer Blick checkte den Puls, die Atemfrequenz, die neuro-elektrische Aktivität, den Interface-Status, die Werte der Neurotransmitter und der Nerven-Hormon-Systeme. Alles grün. Er konnte das Don-Juan-Programm sehen, das Rangan raubkopiert hatte, wie es die Situation modellierte, sich anständig benahm und nur die Ressourcen nutzte, die ihm zugewiesen worden waren. Er sprang weiter, suchte ein anderes Programm, das Rangan aus einem Cyber-Porno geklaut hatte, um es zu hacken und den Output an ihre Körperkontrollsoftware zu schicken. Peter North.

[Aktivieren: Peter_North – Modus: volle_Interaktion – Priorität: 1 – Schmutz-Level: 2]

Frances drückte sich noch begieriger an ihn. Jetzt kicherte sie nicht mehr. Ihre Lippen streiften sein Kinn, zupften feucht an seinem Mund. Heiß glühte ihr Körper unter seinen Händen. Ihre enge Hose war glatt und schlüpfrig und schmiegte sich vollkommen an ihren Hintern. Sie spreizte leicht die Schenkel, lehnte sich mit der Hüfte gegen ihn und rieb ihren Schritt an seinem Bein, während sie sich küssten. Ihr leises lustvolles Stöhnen drang direkt bis zu einem urtümlichen Teil seines Gehirns vor. Immer noch schwebten Zahlen und Symbole in seinem Sichtfeld.

Kade ignorierte eine Abfolge von Reizen und ließ sich von einer anderen mitreißen.

Peter North hatte jetzt das Kommando übernommen, ein Cyber-Porno-Bot, den Rangan aus dem Netz geklaut und an ihr Nexus-Betriebssystem angepasst hatte, um ihre kinästhetischen Interfaces zu testen. Das Programm spuckte Bewegungen von Gliedmaßen und Vektoren von Muskeln und Gelenken aus. Die Nexus-Knoten in Kades Gehirn leuchteten auf, Signale rasten vom Motorkortex zu den Armen und Beinen, und Kades Körper reagierte.

Frances stöhnte leise, bewegte ihren Hintern an seiner Hand, rieb sich an seiner Hüfte. Peter North ließ Kades Hand über ihren Rücken gleiten, über den Stoff ihres Tops und hinunter auf die glatte straffe Rückseite ihrer Hose. Die Hand drückte eine perfekte Pobacke, hob sich empor und fuhr mit einem satten Klatschen nieder.

»Ooooh«, murmelte Frances. Dann biss sie in seine Unterlippe, nicht allzu fest, und zerrte daran. Ihr Finger rieb über seine Brust, spielte mit einer Brustwarze. Zeigefinger und Daumen kamen zusammen und kniffen, immerhin so fest, dass es diesmal schmerzte.

Verdammt, dachte Kade. Wie konnte ich jemals glauben, dass dies eine schlechte Idee sein könnte?

Peter North packte Frances an den Hüften, dirigierte sie zur Couch und drückte sie auf das Polster. Die Software ließ seinen Körper über ihr niederknien, ein Bein zwischen ihren Schenkeln. Kades Hände hoben sich, wühlten sich in ihr Haar und ballten sich zu Fäusten. Peter North zerrte, zog ihren Kopf zurück, zwang sie, ihn anzusehen, wartete, bis sie die Augen öffnete und in seine starrte, wartete noch einen kleinen Moment länger und legte dann seinen Mund auf ihren.

Danke, danke, danke, Rangan, dachte er, dass du mich gezwungen hast, hierherzukommen und etwas Spaß zu haben.

Frances reagierte mit Fingernägeln auf seinem Rücken, scharf und selbst durch das Hemd schmerzhaft. Sie schob die Hüften auf der Sitzfläche vor, drückte sich noch fester gegen sein Knie, presste die Schenkel um sein Bein und schnurrte in seinen Mund, während ihre Hände seinen Gürtel fanden und sich unter sein Hemd drängten. Um nach Haut zu suchen, um ihn bluten zu lassen.

Kade bemühte sich um mehr Konzentration. Er zwang sich, weitere Notizen in seiner Protokolldatei zu machen. Schließlich war er immer noch Wissenschaftler, verdammt.

[Problemlose Muskelkontrolle. Feedback-Systeme exzellent. Möglicherweise unzulängliche Schmerzreaktion.]

Draußen ließ Peter North ihn eine Hand um eine Brust legen, die andere weiterhin in ihrem Haar verknäuelt. Sein Hemd war nicht mehr da. Frances biss sich über seine Brust und seinen Bauch nach unten.

[Eindeutig unzulängliche Schmerzreaktion.]

Jetzt lag ihre Hand an seinem Schritt. Kade war hart, so hart, wie die Sicherheitsgrenzwerte erlaubten, die er und Rangan im Interface codiert hatten. Frances schien es zu gefallen. Sie lächelte verführerisch, als ihre Hand ihn durch den Stoff seiner Hose drückte und sich bewegte, im gleichen Rhythmus, mit dem sie sich an seinem Unterschenkel rieb …

Kade machte sich keine entsprechende Notiz. Das Erektionsmodul hatte er bereits ausgiebig getestet.

Mit einem koketten Lächeln blickte Frances zu ihm auf und drückte ihn lang und fest. »Ist der für mich?«

Sie leckte sich lasziv über die Lippen.

In Kades Vorstellung erschien ein Bild von dem, was geschehen würde. Sein Herz setzte vorfreudig für einen Schlag aus. Er öffnete den Mund zu einer Antwort.

[Interface-Warnung – Signalmaximum pro Sekunde > Parameter]

[Interface-Warnung – Paket verloren an Verbindung 0XE439A4B]

[Interface-FEHLER – Anschluss nicht gefunden OXA27881E]

[Interface-FEHLER – Anschluss nicht gefunden OXA27881E]

[Interface-Warnung …]

Scheiße, dachte er.

Fehlermeldungen und Warnungen überfluteten Kades Sichtfeld. Die Parameter-Anzeigen schossen in den gelben und roten Bereich. Die intrakortikale Bandweite war gesättigt. Pakete wurden fallen gelassen. Die CPU-Zyklen wurden massiv von Fehlersuch- und Fehlerkorrekturpaketen beansprucht, die sich gegenseitig behinderten, während sie hektisch die Probleme zu beheben versuchten.

Draußen hatte weder Peter North noch Kade die Kontrolle über seinen Körper. Seine Hüften zuckten krampfartig vor und zurück, immer wieder. Seine Hände hielten Frances’ Kopf fest gepackt. Sein immer noch bekleideter Schritt schlug ihr bei jedem Hüftstoß ins Gesicht. Sein Mund stand weit offen, sein Blick war unfokussiert. Inkohärente Laute drangen aus seiner Kehle.

»Ug. Ug. Ug.«

[Interface-Warnung: Signalmaximum pro Sekunde > Parameter]

[Interface-Warnung: Signalmaximum pro Sekunde > Parameter]

[Interface-FEHLER …]

Scheiße scheiße scheiße!

[System anhalten], befahl er.

Nichts.

[System anhalten], wiederholte er.

Nichts.

[System anhalten] [System anhalten] [Scheiß-System anhalten!]

Die neuro-muskuläre Stimulation hörte auf. Kades interne Displays verschwanden. Seine Muskeln entspannten sich. Die Hüften stellten die Bewegung ein. Die Hände ließen Frances’ Kopf los. Erfolg!

Kade schnappte nach Luft.

Dann zog ein weiterer heftiger Krampf sämtliche Muskeln seines Körpers zusammen … und noch einer … und noch einer …

Was? Ach du Scheiße!

Kade ejakulierte.

Er warf sich von Frances herunter und brach auf dem Bett hinter ihm zusammen. Sein Rücken bog sich durch, und seine Zehen verkrampften sich, als irgendeine Nebenwirkung der Stimulation ihm eine Ganzkörperekstase verschaffte. Lachen platzte aus ihm heraus. Tränen liefen ihm über das Gesicht. Er drehte sich auf die Seite, erfüllt von Wonne, Verwirrung, Ausgelassenheit und einem tiefen, warmen, schläfrigen Gefühl des Friedens. Ahhhh.

»Was zum Teufel war das?« Frances war aufgesprungen und brüllte ihn an. Eine Hand lag an ihrem Gesicht. »Was zum Henker ist los mit dir?«

Kade rollte sich benommen herum, öffnete den Mund, um sich zu entschuldigen, sich zu erklären, und versuchte sich aufzurappeln. »Frances …«

»Du bleibst hier, Wichser!« Sie richtete einen anklagenden Finger auf ihn. »Ich werde jetzt diesen Raum verlassen, und wenn du es wagst, auch nur einen kleinen Finger zu rühren, werde ich schreiend um Hilfe rufen!«

Sie zog sich zur Tür zurück.

»Hey, warte, es tut mir leid. Ich wollte nicht … ähmm …«

»Halt die Klappe! Blödes Arschloch! Schnellschusswunder! Wenn du das nächste Mal eine harte Nummer durchziehen willst, solltest du vorher fragen, Idiot …«

Sie riss die Tür auf und schlug sie hinter sich zu. Von draußen hörte er sie sagen: »Hey, da drinnen ist irgend so ein kranker Irrer …«

Nun ja, dachte er, das ist nicht so gut gelaufen.

Freitag, 17. 2. 2040, 23.47 Uhr

Sie kamen, um ihn zu holen. Das Corps. Seine Brüder. Er konnte die Hubschrauber und das Feuer aus kleinen Waffen hören. Sie hatten den Ort gefunden, zu dem man ihn gebracht hatte, wo man ihn festgehalten hatte, wo er einen langen und deutlichen Blick in die Tiefen der Hölle geworfen hatte. Niemals ließen sie einen von ihnen zurück. Sie kamen, um ihn zu holen, und nur Gott konnte denen helfen, die sich ihnen in den Weg stellten.

Watson Cole schreckte aus dem Schlaf hoch, in Schweiß gebadet, mit pochendem Herzen und einem Kloß in der Kehle. Er saß aufrecht auf dem Bett und hatte einen schweren dunkelhäutigen Arm erhoben, als wollte er einen Schlag abwehren. Er zitterte.

Scheiße. Nur ein Traum. Nur ein weiterer Albtraum.

»Licht«, sagte er laut.

Das kleine Zimmer erhellte sich. Das Licht drängte den Schrecken zurück. Das hier war nicht Kasachstan. Das hier war nicht jener Krieg. Das hier war sein Apartment in San Francisco.

Er ließ sich wieder auf die Matratze sinken. Die Laken waren feucht von seinem Nachtschweiß.

Atmen. Entspannen. Atmen.

Diesmal war es die Rettungsaktion gewesen. Die Rettungsaktion und das Mädchen. Lunara. Er hatte von ihnen allen geträumt. Arman, Nurzhan, Temir. Und hauptsächlich von Lunara. Von denen, die ihn gefangen genommen hatten. Von denen, die die Droge namens Nexus benutzt hatten, um seinen Geist zu öffnen, damit sie und so viele andere sich hineinzwängen konnten. Von denen, die seinen Kopf mit den höllischen Erinnerungen an die Opfer jenes Krieges vollgestopft hatten. Es war schon zwei Jahre her, aber er träumte immer noch von ihnen. Er träumte immer noch ihre Leben.

Warum ich? Warum ausgerechnet ich?

Er war zu falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Ganz einfach. Wenn er nicht dort gewesen wäre …

Dann wäre ich immer noch da draußen. Um für mein Land zu töten. Zu morden. Unwissend. Blind. Glücklich.

Und jemand anderer hätte diese Hölle in sich.

Atmen. Den Körper entspannen. Atmen.

Sein Herz schlug jetzt langsamer. Das Zittern hatte beinahe aufgehört. Er warf einen Blick auf die Uhr neben dem Bett. Noch nicht einmal Mitternacht. Er hatte nur eine Stunde lang geschlafen. Sein Blick wanderte zum Nachtschrank, er dachte an die Packung mit den Pillen in der obersten Schublade. Er konnte sich eine medikamentöse traumlose Bewusstlosigkeit verschaffen. Aber es wurde mit jedem Mal schwerer. Er brauchte immer höhere Dosen.

Er hatte nicht um diese Hölle gebeten, aber sie war trotzdem zu ihm gekommen. Er hatte nicht darum gebeten, dass ihm die Augen geöffnet wurden, aber so war es geschehen. Er hatte nicht darum gebeten, erlöst zu werden, aber man hatte ihm die Chance angeboten. In Gestalt dieser jungen, idealistischen Kinder, die ihn zu einem Teil ihrer Familie gemacht hatten. In Gestalt ihrer Modifikationen und Verbesserungen an Nexus, wodurch es zu einem noch mächtigeren Werkzeug geworden war, mit dem sich die Gedanken und Herzen anderer berühren ließen.

Nexus hatte ihn verändert. Es hatte ihm seine Handlungen durch die Augen von anderen gezeigt. Es hatte ihm das Böse gezeigt, das er und all die anderen Männer, die wie er waren, angerichtet hatten. Es hatte ihm den Drang verliehen, eine bessere Möglichkeit zu finden, eine bessere Welt zu gestalten. Und wenn es all das für ihn getan hatte, den härtesten aller Männer, was konnte es dann für andere tun?

Watson Cole stand auf und zog seine Laufsachen an. Er wollte seinen übermenschlich fitten Körper bis zur Erschöpfung antreiben. Er wollte sich nicht der Abhängigkeit von Medikamenten ergeben. Er würde dafür sorgen, dass er fit und hart blieb. Er musste noch einige Dinge erledigen, bevor er für seine Verbrechen bezahlte.

Die Droge, die ihn transformiert hatte, konnte die ganze Welt transformieren. Er würde dafür sorgen, dass das geschah.

Freitag, 17. 2. 2040, 23.55 Uhr

Verdammt, dachte Kade. Ein schlechter Moment für einen Programmfehler. Im Bad spritzte er sich Wasser ins Gesicht und versuchte sich zu sammeln. Es wurde Zeit, von hier zu verschwinden und zu versuchen, den Programmabsturz in Ordnung zu bringen.

Er verließ das Bad und trat wieder hinaus in die überfüllte Party. Die Hintertür war zweifellos der sicherste Weg nach draußen. Er hatte bereits die Hälfte der Strecke zurückgelegt und sich bemüht, jeden Blickkontakt zu vermeiden, als er hörte, wie jemand seinen Namen rief und eine Hand auf seine Schulter legte.

»Hey, Kade!« Es war Dominique, die Gastgeberin. Verdammt!

»Kade, ich möchte dir jemanden vorstellen«, fuhr Dominique fort. »Das ist Samara. Sam, das ist Kaden Lane. Kade, das ist Samara Chavez. Sam erzählte mir von einem Artikel, den sie gelesen hat, was mich an deine Arbeit erinnert hat.«

Sam war Mitte oder Ende zwanzig, hatte olivfarbene Haut und glattes schwarzes Haar, das ihr bis zu den Schultern reichte. Sie trug modische schwarze Slacks und einen eng anliegenden grauen Sweater. Unter dem Stoff spannten sich Muskeln. Sie hatte den Körperbau einer Schwimmerin.

»Freut mich, dich kennenzulernen, Kade. Dominique sagte mir, dass du Doktorand bist und an Gehirn-Computer-Kommunikation arbeitest.«

Kade warf einen Blick zur Hintertür. So nahe … »Ja. Im Sanchez Lab an der UCSF. Was war das für ein Artikel?«

»Über zwei Affen, deren Gehirne man teilweise drahtlos verbunden hatte. Der eine konnte durch die Augen des anderen sehen.«

Warwick und Michelson. Natürlich hatte sich die Presse darauf gestürzt.

»Ja, das war ein guter Artikel«, sagte er. »Gelegentlich arbeite ich mit den beiden zusammen. Sie sitzen drüben in Berkeley.«

»Cool«, sagte Sam. »Forschst du auch auf diesem Gebiet?«

Dominique wandte sich mit einem Lächeln ab.

Kade scharrte ein wenig mit den Füßen, während er sich sehr deutlich des Flecks in seiner Hose bewusst war.

»Ein großer Teil unserer Forschungsmittel wird für Interfaces zur Kontrolle von Körperfunktionen verwendet – Muskelkontrolle und solche Sachen.«

In Kades Erinnerung blitzte ein Bild auf, wie seine Hüften unkontrolliert in Frances’ Gesicht stießen. Hastig fuhr er fort.

»Du weißt schon, um gelähmten Menschen zu helfen, damit sie sich wieder bewegen können. In meiner Dissertation geht es um höhere Gehirnfunktionen. Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Wissensrepräsentation.«

Kade hielt inne, da er sich nicht sicher war, wie viel sie hören wollte.

Sam nahm den Faden auf. »Interessant. Hast du von dem Experiment gehört, wo man einer Maus beigebracht hat, den Weg durch ein Labyrinth zu finden, und dann haben es auch andere Mäuse gelernt, wenn man sie nur mit dem Gehirn der ersten Maus verbunden hat?«

Kade gluckste. »Das war mein Experiment. Der erste Artikel, den ich als Doktorand geschrieben habe. Niemand hat geglaubt, dass wir es schaffen würden.«

Sam zog eine Augenbraue hoch. »Im Ernst. Das war sehr beeindruckend. In welche Richtung forschst du weiter? Hältst du es für möglich …?«

Zu seiner Überraschung war Sam sehr an Neurowissenschaft interessiert. Sie löcherte ihn mit Fragen über das Gehirn, seine Arbeit, über seine nächsten Vorhaben. Kade stellte fest, dass er das Fiasko, das er soeben erlebt hatte, und seinen Fluchtplan vergessen hatte. Und nebenbei erfuhr er auch einige Dinge über sie. Sam arbeitete als Datenarchäologin. Sie half Firmen, fehlende Informationen aus alten oder gestörten Systemen zu bergen. Sie lebte in New York und war wegen eines Auftrags für die nächsten paar Monate in San Francisco. Sie war erst vor Kurzem angekommen und versuchte nun, hier neue Freunde zu finden. Sie war witzig, intelligent und attraktiv. Sie lachte über seine Witze. Und es stellte sich heraus, dass sie ein gemeinsames Interesse hatten.

»Also bist du ein Hirnforscher. Hast du schon von Nexus, dieser Droge gehört?«, fragte sie.

Kade nickte vorsichtig. »Ja, ich habe davon gehört.«

»Man sagt, dass es irgendeine Nanostruktur und eigentlich gar keine Droge ist. Und dass sie Gehirne miteinander verbindet. Ist so etwas möglich?«

Kade zuckte mit den Schultern. »Wir können es mit Drähten und per Funk machen. Warum also nicht mit etwas, das man schluckt? Hauptsache, es gelangt irgendwie ins Gehirn …«

»Ja, aber funktioniert es wirklich?«

»Ich habe gehört, dass es funktioniert«, erwiderte Kade.

»Du hast es niemals ausprobiert?«

Er grinste. »Das wäre illegal.«

Sam grinste zurück.

»Hast du es ausprobiert?«, fragte er sie.

Sie schüttelte den Kopf. »Letztes Jahr in New York hätte ich die Gelegenheit gehabt, aber ich habe sie mir durch die Lappen gehen lassen. An der Ostküste sind alle Quellen versiegt.«

Eine Anfängerin, dachte Kade. Wir könnten für die Studie noch einige weibliche Anfänger gebrauchen …

Er zögerte. »Sie sind auch hier versiegt. In letzter Zeit gab es viele Festnahmen.«

Sam nickte.

Kade hörte nicht, was sie als Nächstes sagte. Aus dem Augenwinkel hatte er etwas gesehen. Jemanden. Frances.

Ach du Scheiße.

»… absolutes Arschloch. Er war ziemlich grob.«

Sie stand mit dem Rücken zu ihm. Sie hatte ihn noch nicht gesehen.

»… Anfall oder so was. Er braucht Hilfe. Professionelle Hilfe.«

Die Hintertür. Er bewegte sich langsam darauf zu.

»Kade? Alles in Ordnung?«

Sam. Er sah sie an. »Ich muss jetzt gehen. Tut mir leid. Ich hoffe, wir sehen uns wieder.«

Er ließ sie stehen und verschwand durch die Tür nach draußen.

Samantha Cataranes beobachtete, wie Kaden Lane fluchtartig die Party verließ.

Habe ich ihn erschreckt?, fragte sie sich. Anscheinend.

Ihr Blick zuckte zu einer Anzeige am Rand ihres taktischen Displays. Sie leuchtete rot. Extrem rot. Der Sensor in ihrer Halskette hatte eindeutige Nexus-Signale empfangen. Ganz gleich, was Kaden Lane gesagt hatte, er hatte Nexus nicht nur bereits ausprobiert, sondern er hatte es an diesem Abend benutzt, in weit höherer Menge, als sie jemals bei irgendeinem anderen Menschen erlebt hatte.

Wie seltsam, dass er diese Droge hier benutzte, wo es sonst niemand tat. Was nützte es, Nexus zu nehmen, ohne dass ein weiterer Nexus-Konsument anwesend war, mit dem man eine Verbindung hätte herstellen können?

Die Zukunft würde es zeigen. Sam würde einen anderen Weg in ihren kleinen Zirkel finden. Vielleicht über Rangan Shankari.

Sie drehte sich um und suchte nach einem anderen Gesprächspartner. Ihre Tarnung verlangte es so.

Kade schwebte durch ein dreidimensionales Labyrinth aus Neuronen und Nanomaschinen. Antennen aus Nanofilamenten knisterten angeregt, als Nexus-Knoten Daten sendeten und empfingen. Enorme Energien sammelten sich in neuronalen Zellkörpern, erreichten kritische Grenzwerte, rasten durch lange Axonen, um in tausend weiteren Neuronen zu pulsieren. Offene Fenster um ihn herum zeigten die Veränderungen der Werte. Er beobachtete die Bewegungen der Parameter.

Nach dem Debakel auf der Party war es eine Erlösung, die Fehlercodes in seinem Gehirn zu beseitigen. Sein Körper lag sicher in seinem Bett. Sein Geist frohlockte in der Nexus-Entwicklungsumgebung und verfolgte die Spuren, die zum Fehler geführt hatten. Hier war er ganz in seinem Element.

Er rekonstruierte die Ereignisse der Nacht mithilfe der Protokolldateien und der Impulse der Nexus-Knoten und Neuronen in seinem Gehirn, bis er die Stelle fand, an der das Nexus-Betriebssystem abgestürzt war. Er verfolgte die Systemparameter rückwärts durch die Zeit, bis er verstand, was geschehen war. Als Reaktion auf die aufgeregten Neuronen waren die Nexus-Knoten überaktiv geworden und hatten eine unkontrollierte Kettenreaktion ausgelöst. Die Grenzwerte mussten strenger reguliert werden. Die Lösung war ganz einfach. Der Programmcode öffnete sich für ihn und änderte sich entsprechend seinen Gedanken. Er kompilierte den Code, testete ihn, reparierte einen neuen Fehler, den er eingebaut hatte, und wiederholte das Ganze, bis es funktionierte.

Widerstrebend verließ er die Welt seines Geistes und kehrte in die Sinneswelt seines Körpers zurück. Erst dann erinnerte er sich an das andere Mädchen. Samara.

Sie konnten trotzdem eine andere Anfängerin als Versuchsperson gebrauchen, um für das morgige Experiment die Veränderungen zu testen, die sie an der Kalibrierung vorgenommen hatten. Sie hatten das Minimum an Tests durchgeführt, aber ein weiterer konnte nicht schaden. Wäre sie geeignet? Ja. War es eine dumme Idee? Vielleicht. Aber sie konnten wirklich eine weitere Anfängerin gebrauchen …

Außerdem war sie zufällig klug und witzig und sah gut aus …

Er zog sein Slate hervor, projizierte es an die Wand und bezahlte einen Reputationsbot, um alles herauszusuchen, was sich über Samara Chavez aus New York City finden ließ.

Da war sie. Samara A. Chavez. Reputationswert grün.

Er vertiefte sich in die Details. Zwei Bekanntschaftsgrade von Kade getrennt. Eine Adresse in Brooklyn. Mehrere Tausend Fotos von ihr im Netz. Namentliche Erwähnungen bei verschiedenen Konferenzen über Datenarchäologie und in Online-Foren. Als private Beraterin ins Geschäftsregister eingetragen. Keine Erwähnung auf Drogenseiten. Keine Übereinstimmung mit den Gesichtern mutmaßlicher Drogenkonsumenten. Der Bot stellte ihr ein sauberes und anständiges Zeugnis aus.

Benutze immer eine zweite Quelle, hatte Wats gesagt.

Er bezahlte einen Kreditprüfungsdienst, den er ebenfalls auf Samara ansetzte. Er bekam dieselbe Adresse, eine Telefonnummer, die mit der übereinstimmte, die sie online angegeben hatte, ihre Kreditwürdigkeit war bestens, keine Vorstrafen, keine Lücken im beruflichen und schulischen Lebenslauf. Alles war stimmig.

Kade gähnte und blickte auf die Uhr. Es war fast zwei Uhr früh. Gab es noch irgendetwas anderes zu überprüfen? Ihm fiel nichts mehr ein.

Er schickte eine Einladung an Sams öffentliche Adresse. Ob sie gern zu einer Party am Samstagabend kommen würde? Zu einer Party, auf der sie vielleicht das fand, wonach sie gefragt hatte? Er konnte ihr nicht sagen, wo sie stattfinden würde, aber er wäre bereit, sie abzuholen.

Noch einmal lesen. Abschicken.

Dann zog er sich aus und ließ sich ins Bett fallen.

Sam trat, blockierte, schlug, duckte sich, trat noch einmal zu. Imaginäre Feinde gingen zu Boden.

Auf der anderen Seite des Raums ertönte ein Nachrichtensignal. Das programmierte Signal gehörte zu Kaden Lane.

Sam ignorierte es und setzte ihren rasend schnellen Weg durch die 108 Stufen der Kata-Übung fort. Ihre Gliedmaßen bewegten sich mit übermenschlicher Anmut und Präzision, als sie eine 400 Jahre alte Abfolge von Schlägen, Paraden und Ausweichmanövern durchging.

Konzentrieren, hatte Nakamura sie gelehrt. Gehe ganz in deiner Aufgabe auf. Blende alles andere aus.

Sie ließ die Nachricht warten, während sie die Kata weiterführte. Erst als sie damit fertig war und sich vor dem leeren Raum verbeugt hatte, drehte sie sich um, mit leicht zitternden Gliedern und Schweißperlen auf der Stirn, um ihr Slate aufzufordern, ihr die Nachricht zu zeigen.

Sie erschien vor ihr in der Luft. Eine Nachricht an Samara Chavez. Eine Einladung zu einer Party. Wo sie, wie er andeutete, Nexus ausprobieren konnte.

Anscheinend habe ich ihn doch nicht so furchtbar erschreckt, dachte Sam.

Sie winkte die Slate-Projektion weg, und die Darstellung löste sich auf. Sie würde morgen zu einer angemessenen Uhrzeit antworten.

Samantha Cataranes wandte sich wieder der Mitte des Raums zu, verbeugte sich erneut und begann mit der nächsten Kata.

Info

transhuman, Transhumane/r

1. Ein Mensch, dessen Fähigkeiten in einem solchen Ausmaß verbessert wurden, dass sie die normalen menschlichen Maxima in einem oder mehreren wichtigen Aspekten übersteigen.

2. Ein Fortschritt im Rahmen der menschlichen Evolution.

posthuman, Posthumane/r

1. Ein Wesen, das durch technologische Mittel so radikal transformiert wurde, dass es den transhumanen Status hinter sich gelassen hat und nicht mehr als menschlich bezeichnet werden kann.

2. Jedes Mitglied einer Spezies, die auf die Menschheit folgt, unabhängig davon, ob sie sich aus der Menschheit entwickelt hat oder nicht.

3. Der nächste große Schritt in der menschlichen Evolution.

Weltwörterbuch, Ausgabe 2036

[ 2 ]    Tür schließen, Geist öffnen

Samstag, 18. 2. 2040, 6.12 Uhr

Die Schwellung an seinem Unterarm war gerötet und entzündet. Deutlich hob sie sich von seiner dunklen Haut ab. Sie fühlte sich hart und warm an. Hautfetzen lösten sich unter seinen Fingern. Darunter trat Blut hervor. Er musterte den freigelegten Tumor. Tief drinnen konnte er fast die zerrissenen DNS-Stränge sehen, seine zerfransten Chromosomen, die den Krebs auslösten, der ihn auffressen würde. Ein weiterer Knoten weckte seine Aufmerksamkeit. Und noch einer. Sein Handgelenk war voll davon. Seine Hände. Sein ganzer Arm. Entsetzt riss er sein Hemd auf. Rote Geschwülste wuchsen auf seinem Brustkorb, auf seinem Bauch. Er konnte zusehen, wie sie größer wurden, sich ausbreiteten, an seinem gesamten Körper …

Wats schreckte aus dem Schlaf hoch.

Atmen. Atmen. Frühes Morgenlicht sickerte durch die Fenster herein.

Kein Krebs! Noch nicht.

Er blickte auf seine Arme. Sie waren glatt und unversehrt.

»Licht!«

Er schwang sich aus dem Bett und betrachtete seinen Körper.

Nichts.

Atmen. Die Augen schließen. Atmen. Reißen Sie sich zusammen, Sergeant Cole!

Er war schon sehr lange nicht mehr Sergeant Cole gewesen.

Wats ging zum Waschbecken und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. Die Reste des Albtraums abwaschen. Er nahm sich einen Einwegtester und schob einen Finger hinein. Ein kurzer, scharfer Stich. Ein Tropfen seines Blutes wurde in die Mikrofluidkanäle gesaugt. Das Gerät summte leise, während es arbeitete. Zytometer untersuchten jede einzelne Zelle mit Lasern und suchten nach verräterischen Schwellungen der Zellkerne, nach erhöhten Hormonwerten und abnormalen Chromosomen. Die Proteine und DNS geplatzter Zellen wurden daraufhin analysiert, ob sie krebsverdächtige Spuren enthielten.

Wats starrte auf das Gerät, während es die Untersuchungen durchführte. Er wollte, dass es Grün zeigte. Er wollte, dass es fertig wurde. Er wollte, dass es ihm genug Zeit gab, das zu tun, was getan werden musste.

Das Gerät piepte. Die Anzeige wurde grün. Kein Hinweis auf Krebs. Noch nicht.

Erleichtert stieß Wats den Atem aus und warf den Tester in den Müll. Eines Tages würde er für seine Verbrechen bezahlen. Aber noch nicht heute.

Samstag, 18. 2. 2040, 21.08 Uhr

Kade holte Sam um kurz nach neun in einem Autotaxi von Siemens ab. Der kleine Wagen aus Kunststoff und Karbonfaser brachte sie nach Süden und Osten über die 101, vorbei am SFO, an San Mateo, Menlo Park, Palo Alto, Stanford und dem globalen Zentrum des Risikokapitals. Sam verwickelte Kade in ein Gespräch. Sie fragte ihn nach seiner Arbeit, seinen Freunden, der Party, der Musik, die er gern hörte, und wann er zum ersten Mal Nexus ausprobiert hatte. Er beantwortete alle Fragen, nur nicht die nach Nexus, und wollte dann mehr über sie und ihr Leben wissen, über New York und ihre Arbeit als Datenarchäologin. Sie ging ganz in ihrer Rolle auf und antwortete genau so, wie es die fiktive Samara Chavez tun würde. Nach so vielen Jahren fiel ihr das Lügen leicht. Er lachte sich sogar schief über Samaras Missgeschicke in der Datenarchäologie.

Das Taxi fuhr sie nach Simonyi Field, dem ehemaligen Standort des Ames Research Center der NASA, und setzte sie vor dem riesigen Hangar 3 ab. Die Halle ragte hoch vor ihnen auf, länger als ein Footballfeld, höher als ein siebenstöckiges Gebäude.

Kade grinste. »Willkommen in unserer Party-Location.«

Sam nickte anerkennend. »Beeindruckend. Wie bist du dazu gekommen?«

»Unser Labor hat es für Experimente gemietet. Und das hier ist sozusagen ein Experiment.«

Sam zog eine Augenbraue hoch.

»Du wirst schon sehen.«

Kade führte sie durch eine Hintertür in den Hangar. Er klopfte dreimal in schneller Folge an, dann wurde die Tür geöffnet.

Dahinter war ein Korridor zu sehen, und auf einem großen Schild stand: »Willkommen! Bitte alle Telefone, Slates, Schreibstifte, Uhren, Brillen, Ringe etc. abschalten. Keine aktiven Datenverbindungen und Sender, bitte!«

Darunter hing ein zweites Schild: »Beim Eintreten Tür schließen und Geist öffnen.«

Rechts von ihnen stand der Mann, der ihnen die Tür geöffnet hatte. Eins achtzig, schwarz, muskulös und schlank, mit kahl geschorenem Kopf und in entspannter Haltung. Watson Cole. Daten rollten in pulsierendem Rot über ihre taktischen Kontaktlinsen. Gefahrenstufe: hoch.

Watson »Wats« Cole (2009–)

Sergeant 1st Class, US Marine (seit 2038 a. D.)

Einsätze: Iran (2035), Birma (2036–37), Kasachstan (2037–28) (…)

Spezialisierungen: Spionageabwehr, Nahkampf

Modifikationen: Kampf- und Genesungsverstärkung (2036, 2037, 2038)

Mit äußerster Vorsicht begegnen!

Cole schüttelte Kade die Hand. »Kade.«

»Freut mich, dich wiederzusehen, Wats«, antwortete Kade. »Das ist meine Freundin Sam. Sie müsste inzwischen auf der Liste stehen.«

Wats runzelte die Stirn, ohne den Blick von Kade abzuwenden. Dann nickte er langsam. Er schaute sie mit ruhigen, dunklen Augen an. »Samara Chavez. Du stehst auf der Liste. Ich bin Wats.« Er streckte ihr seine große braunhäutige Hand entgegen.

Sam hatte Coles Lebenslauf bereits gelesen. Ein Flüchtling aus den Kriegswirren Haitis, von einem Marine, der seine Mutter geheiratet hatte, in die USA gebracht. Mit achtzehn Jahren hatte sich Cole für das Corps verpflichtet, sich bei Missionen rund um den Globus hervorgetan und war auf persönliche Empfehlungen hin modifiziert und befördert worden. Dann war er in Kasachstan von Rebellen gefangen genommen worden. Es war ein anderer Mann gewesen, der nach den monatelangen Torturen zurückgekehrt war. Ein Friedensaktivist. Ein Buddhist. Ein Pazifist. Hatte die Gefangenschaft ihn verändert? Oder steckte mehr dahinter?

Sam schüttelte ihm die Hand. »Freut mich, dich kennenzulernen, Wats.«

Sein Griff war fest, aber nicht brutal. Doch diese Hände konnten Stahl brechen. Sie hatten auf zwei Kontinenten Menschen getötet. Selbst mit ihren neueren, streng geheimen Verbesserungen der vierten Generation war sich Sam nicht sicher, ob sie sich mit Watson Cole anlegen wollte.

»Bitte schaltet alle Sender ab«, sagte er.

Warum?

»Klar«, antwortete sie.

Sie nahm ihr offizielles Telefon aus der Jackentasche, schaltete es auf Stand-by und überspielte mit den Bewegungen, wie sie die Überwachungsausrüstung an ihrem Körper mit einem Blinzeln in den passiven Modus versetzte.

Kade steckte sein Telefon in eine Tasche. Er drehte sich um und lächelte. »Möchtest du die Halle sehen? Wir sind etwas zu früh eingetroffen.«

»Auf jeden Fall«, sagte sie. »Nach dir.«

Kade führte sie durch eine große schwere Tür, die für Sam so aussah, als wäre sie elektromagnetisch abgeschirmt, und schloss sie hinter ihnen. Auf der anderen Seite war ein Korridor. Kade öffnete die Tür am Ende, und sie traten in eine große Halle, den eigentlichen Innenraum des ursprünglichen Hangars. Er war mindestens siebzig Meter breit und hatte eine etwa 25 Meter hohe gewölbte Decke. Hier konnte man mühelos eine 747 unterbringen. An einer Seite des Hangars hatte man einen Kreis aus Sofas aufgestellt. An der Wand gab es eine Bar. Dort liefen ein Dutzend Leute herum, die anscheinend die Party vorbereiteten. Am anderen Ende sah sie eine DJ-Bühne mit vier großen Bildschirmen. Dahinter stand der DJ, ein dunkelhäutiger Mann mit gebleichtem blondem Haar und in vielfarbigem Sufi-Gewand.

Daten rollten in Gelb über ihr Sichtfeld. Eine Person von besonderem Interesse.

Rangan Shankari (2012–) alias »Axon« (Künstlername)

Doktorand in Neurowissenschaft im Sanchez Lab, UCSF

Technologische und wissenschaftliche Gefahrenstufe: mittel [humane Intelligenzverstärkung]

Rangan winkte sie heran. »Hallo, Kade, könntest du mir mal helfen?«, rief er herüber. »Ich hab hier einen komischen Defekt in den Verstärkern.«

Kade nickte. »Klar. Einen Moment.«

Er führte Sam in eine andere Richtung, auf eine Gruppe von Leuten zu.

»Hallo, Ilya!«, rief er.

Eine Frau russischer Abstammung mit ernster Miene blickte auf, als sie ihren Namen hörte. Dunkles Haar, große nachdenkliche Augen, ein einfaches grünes Kleid, das durch ein hauchdünnes purpurrotes Halstuch betont wurde. Sie begrüßte Kade mit einem charmanten Lächeln, als sie sich ihr näherten.

Ilyana »Ilya« Alexander (2014–)

Postdoktoralstipendiatin, Janus Lab, System-Neurowissenschaft, UCSF (2039–)

Veröffentlichungen: Arbeiten über Meta- und Gruppenintelligenz

Technologische und wissenschaftliche Gefahrenstufe: mittel [post-/nonhumane Intelligenz]

Ilyana Alexander. Ein weiteres Mitglied der kleinen Gruppe. Vor den Säuberungsaktionen von Pudowkin im Jahr 2027 aus ihrer russischen Heimat geflüchtet. Eine theoretische Neurowissenschaftlerin, die sich auf Erkenntnisprozesse in Gruppen und Netzwerken spezialisiert hatte.

Alexander umarmte Kade zur Begrüßung. »Hallo, Kade!«

Kade lächelte. »Sam, das ist Ilyana Alexander oder kurz Ilya. Ilya, könntest du Sam bei den Vorbereitungen helfen? Rangan braucht mich wegen irgendwas.«

Kade berührte Sams Arm. »Wir haben eine Dosis für dich. Ilya wird dir helfen. Ich werde bald zurück sein.«

»Danke«, antwortete Sam. »Bis später.«

Kade machte sich auf den Weg zum DJ-Pult.

Ilya führte Sam aus der Haupthalle durch eine Tür mit der Aufschrift »Personal« und weiter zu einem gemütlichen Entspannungsraum.

Sie setzten sich nebeneinander auf ein Sofa. Aus ihrer Handtasche zog Ilya ein kleines Glasfläschchen. Darin befand sich eine dunkle, silbrige Flüssigkeit.

Sam spürte, wie ihr Puls schneller ging.

»Du hast noch nie zuvor Nexus benutzt?«, fragte Ilya.

»Nie«, log Sam. Nur während der Ausbildung, dachte sie.

»Das ist Nexus 5.«

Nexus 5?

Nexus 3 war die häufigste Nexus-Rezeptur auf den Straßen. Nexus 4 war ein kurzlebiger Fehlschlag eines Labors in Santa Fe gewesen und im Rahmen einer konzertierten Aktion des ERD und der DEA aus dem Verkehr gezogen worden. Nexus 5 war etwas, das Gerüchten zufolge existierte, die jedoch bis jetzt nie bestätigt werden konnten.

»Woher habt ihr das bekommen?«, fragte sie Ilya.

Ilya zögerte ein klein wenig zu lange. »Wir haben einen Freund an der Ostküste, der es uns besorgt.«

Sie lügt, dachte Sam.

»Du hast Erfahrung mit psychedelischen Drogen?«, fragte Ilya.

»Die üblichen Experimente am College. Aber nicht regelmäßig.«

»Wie gut verträgst du sie?«

»Gut. Es hat Spaß gemacht. Aber es ist nichts, was ich allzu oft haben muss.«

Ilya nickte. »Gut. Erfahrung mit psychedelischen Drogen macht die Sache einfacher. Wenn man Nexus zum ersten Mal probiert, kann es etwas desorientierend sein, vor allem während der ersten Stunde. Dein Gehirn muss erst lernen, wie es mit der Droge und anderen Gehirnen interagiert. Und wenn sich gleich mehrere Leute auf einmal in deinen Geist drängen, wird es noch viel intensiver.«

Sam runzelte die Stirn. »Ich dachte, Nexus funktioniert nur über kurze Distanz, auf Armeslänge oder so.«

»Normalerweise ja.« Für einen kurzen Moment wandte Ilya den Blick ab. »Aber es gibt Möglichkeiten, die Reichweite zu vergrößern.«

In Sams Kopf setzten sich die Puzzleteile zusammen. Das Verbot von aktiven Sendern. Die Verstärker, die Rangan erwähnt hatte. Diese Leute hatten es geschafft, die Signalstärke von Nexus zu erhöhen.

Gütiger Himmel!

»Klingt toll«, sagte sie. »Ich bin bereit.«

Ihr Herz schlug jetzt schneller. Ihr Magen hatte sich verkrampft.

Ilya zog den Stöpsel aus dem Fläschchen. Sam erhaschte einen Blick auf eine metallische Flüssigkeit, die darin schwappte. Die Brown’sche Bewegung vermischte Fäden aus Grau und Silber. Für einen Moment hatte sie den Eindruck, dass die Droge ein Lebewesen war, etwas Bewusstes, Empfindendes, Zielstrebiges.

Der Moment ging vorbei. Ilya reichte ihr das Fläschchen, dann ein Glas Saft, das sie vom Tisch nahm.

Sam schluckte die Droge. Die Flüssigkeit schmeckte sehr metallisch und leicht bitter. Sie fühlte sich schwer auf ihrer Zunge an, dann ölig, als sie ihre Kehle hinabrann. Sie trank vom Saft. Es war Orange und Guava. Die Früchte überlagerten sofort den Geschmack und das Gefühl von Nexus und hinterließen in ihrem Mund ein süßes, leicht säuerliches, tropisches Aroma.

Nun zum nächsten Teil, den ich nicht leiden kann.

Samantha Cataranes schloss die Augen, rezitierte das Mantra, das Teile ihres Gedächtnisses neu arrangieren würde, das sie davon überzeugen würde, jemand anderes zu sein.

Elefant. Wolkenkratzer. Ahorn.

Sie sah diese Dinge, während sie die Worte dachte, die sich gegenseitig überlagerten. Mentale Sperren rasteten ein und blockierten Wissen, das nicht in ihr Bewusstsein dringen sollte. Fiktionen wurden zu Realität.

Samara Chavez öffnete die Augen.

[ 3 ]    Kalibrierung

Samstag, 18. 2. 2040, 23.14 Uhr

Samara Chavez flog. Mit geschlossenen Augen lag sie auf dem Sofa und schwebte über einer Landschaft aus Formen und Emotionen, Empfindungen und Erfahrungen. Unter ihr brandete ein pulsierendes rotes Meer der Erregung gegen ein scharfes, glänzend schwarzes Ufer der Mathematik, das in grüne und braune Hügel aus Spanisch, Mandarin und Englisch überging. Sie tauchte in diese Hügel ein, ließ sich vom Boden aufnehmen und weiterleiten, grub sich in die Erde, schmeckte Laute, Verben und Konjugierungen, spürte die Form von Buchstaben, Wörtern, Zeichen und fühlte, wie sich ihre Bedeutungen miteinander verschmolzen. Es war ein fantastisches Gefühl.

Sam war sich bewusst, dass sie high war. Dieser Trip war intensiver als alles, was sie erlebt hatte, seit … seit … Und gleichzeitig war sie völlig klar im Kopf. Jede Empfindung war eindringlich. Alles passte perfekt zusammen. Sie verstand, wo sie war und was vor sich ging.

Nexus bringt mir etwas bei, dachte sie. Das hier ist die Kalibrierungsphase.

Sie drang durch den dichten Erdboden der Sprachen und gelangte in eine Höhle der Abstraktion, erfüllt von einer hoch aufragenden, strahlend hellen Stadt der Begriffe. Breite Straßen der Zeit und des Raums teilten die Stadt in Viertel. Eine Glocke schlug in einem der Türme des Tempels des Ichs aus Kristall und Stahl im Zentrum der Stadt. Der Klang der Glocke enthielt den Klang all dessen, was sie jemals zu kommunizieren versucht hatte. Er pulsierte in der Luft, fast greifbar, und breitete sich in konzentrischen Wellen aus, die sie sehen konnte. Sie traten in Resonanz mit den Gebäuden der Stadt, wo Ideen zusammenstießen. Öffentliche Plätze der Kontemplation, friedliche Parks und elegante philharmonische Hallen des Gleichklangs und der Synthese, ausgebombte Ruinen der Zwietracht, der Verwirrung und des Missverständnisses. Ihre Gedanken breiteten sich in die Vorstädte voller Erinnerungen aus und darüber hinaus in die dunklen Wälder des anderen, das die Stadt umhüllte, sie isolierte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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