Nibelungenentzündung - Petra Hofmann - E-Book

Nibelungenentzündung E-Book

Petra Hofmann

0,0

Beschreibung

44 Zwischendurchgeschichten aus dem mehr oder weniger wahren Leben … Augenzwinkernd erzählt Petra Hofmann von den vielen großen und kleinen Katastrophen des Alltags – von einem Date mit dem eigenen Zahnarzt, bei dem ausgerechnet die Zähne nicht mitspielen, von nächtlichen Vampirbesuchen, heiligem Wasser aus dem Keller der Tante, Pflegemaßnahmen für die Haare auf dem Kopf oder gegen die Haare an den Beinen (jeweils mit maximalem Misserfolg), Dualseelenstress auf Parshit, Begegnungen mit wild gewordenen Frettchen oder mit allerlei Wesen im Kanalschacht, widerborstigen Haushaltsgeräten, hormongesteuerten Studenten … und nicht nur einmal fragt man sich als Leser, was in diesen Geschichten denn nun eigentlich erfunden ist und was nicht. Vielleicht will man es auch lieber gar nicht so genau wissen. Eines jedenfalls ist garantiert: beste Unterhaltung mit Lachanfällen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 160

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nibelungenentzündung

Das Leben hat einen Marderschaden

44 Zwischendurchgeschichten von Petra Hofmann

Copyright © 2017 Petra Hofmann und Jörg Starkmuth

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt und darf – auch auszugsweise – nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Autorin und des Verlegers vervielfältigt oder kommerziell genutzt werden. Ausgenommen sind kurze Zitate mit Quellenangabe.

E-Book basierend auf der 2. gedruckten Auflage, 2017

Starkmuth Publishing, Hennef – www.starkmuth.deLektorat und Cover-Design: Jörg Starkmuth

ISBN: 978-3-9813592-8-2ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-9813592-9-9

Für meine Familie

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zwar gewollt, aber eher unwahrscheinlich.

Die Autorin:

Petra Hofmann, im früheren Leben Vermessungsingenieurin, heute Heilpraktikerin aus Leidenschaft. Sie lebt mit ihrer Familie zu Hause und fährt ab und zu Auto.

Inhaltsverzeichnis
Schlimmer geht immer
Spirituell unanständig
Containerschiff Emma Maersk
Tage wie diese
Das Medium
Wohngemeinschaft
Liebeskummer
Besuch bei Bob dem Baumeister
Zu Gast bei echten Baumeistern
Tic Tac Toe
Date mit Bob
Auf Beerdigung
Tag der offenen Tür
Halloween
Parshit
Kellerassel
Theaterbesuch mit Bob
Henna
Fuck You Mitte
Nibelungenentzündung
Der Kanalaal
Parshit, Teil 2
Die Frettchenstudie
Polsprung
Studentenfutter
Schneegestöber
Besuch aus Transsilvanien
Wallfahrt nach Lourdes
Besuch bei der alten Dame
Besuch bei der alten Dame, Teil 2
Die Dorferneuerung
Der Sensenmann
Silvester-Aufstellung
Parshit, Teil 3 – oder: Wie man sich eine negative Kopplung gestaltet
Aus Tradition
Frauenbewegung
Samurainachtszeit
Wenn man mit Mitte vierzig noch mal Kind seiner Eltern ist
Das Pornosofa
Im Urlaub
Ameisenpause
Der Hund von Baskerville
Ein Tag am Meer
Sonnenstich
Danksagung
Empfehlungen aus unserem Verlagsprogramm

Schlimmer geht immer

Es gibt ja so Tage, wo man der wahnwitzigen Meinung ist, man könnte durch Handeln irgendeine Situation verbessern.

Diese Tage gibt es aber nur noch, damit man ganz schnell wieder davon abkommt, um sich voller Motivation der einzig wahren Realitätsgestaltung zu widmen: Die Energie folgt der Aufmerksamkeit. Und aus der Energie entsteht Realität. 

Heute ist einer dieser Tage. Ich spiele mit dem Gedanken, meinen Haaren etwas Gutes zu tun. Das wunderbare Buch meiner Oma „Schönheitsmittel aus der Natur für jedermann, so einfach, dass man’s lernen kann“ rät mir für prachtvolles Haar zu einer Haarkur, bestehend aus Eigelb, Bier und – jetzt kommt’s – Rizinusöl.

Hätte ich geahnt, welche Folgen das nach sich ziehen würde, hätte ich es gelassen.

Ich trenne das Eigelb vom Eiweiß. Ersteres verkleppere ich mit Bier und Rizinusöl und Letzteres bekommt der Hund. Ich muss die doppelte Menge herstellen, weil ich so lange Haare habe. So! Bis hierher gibt es auch noch keine Probleme. Auch Auftragen, Einwirkenlassen und Abspülen verlaufen ganz wunderbar.

Gut, ich hätte das Eigelb sorgfältiger vom Eiweiß trennen können. Beim Durchkämmen stoße ich auf kleine, geronnene Eiweißstückchen. Mein Durchschnittskamm ist dieser Herausforderung nicht gewachsen. Ich suche im Haus nach dem Läusekamm. Puh. Mein rechter Arm findet es schon ein wenig anstrengend. Gleich habe ich Sprechstunde. Während ich meine Haare föhne, fluche ich leise vor mich hin, dass ich das nicht gestern Abend gemacht habe statt morgens vor der Sprechstunde. Irgendetwas stimmt nicht. Meine Haare müssten längst trocken sein. Sie hängen in fettigen Strähnen an mir herunter. Ich sehe aus wie ein neugeborenes Kälbchen. Also alles noch mal. Waschen, durchkämmen, föhnen. Mist, keine Veränderung. Mir läuft die Zeit davon. Meine erste Patientin kommt von weiter her und ist bestimmt schon auf dem Weg. Und ihre Handynummer habe ich nicht. Absagen geht nicht mehr.

Ich knäule die Haare zu einem Dutt zusammen. Einem fettigen Dutt. Ich muss an meine Uroma denken. Die sah auch immer so aus. Vielleicht sollte ich mir einen Turban umbinden und behaupten, ich hätte Yoga gemacht? Verflixt. Ich brauche umgehend eine Mütze. Auf die Schnelle finde ich leider nur eine Pudelmütze und keinen modischen Boshi. Ich sag einfach, ich hätte Ohrenschmerzen und – jaaa – wenn ich ihre Handynummer gehabt hätte, dann – ja dann – hätte ich natürlich abgesagt! 

Ein paar fettige Haarsträhnen blitzen trotzdem noch raus. Was mach ich denn jetzt? Ablenkung, genau. Ich betone einfach irgendetwas anderes an mir so stark, dass die Aufmerksamkeit von meinen Haaren und der Mütze abgelenkt wird. Smoked eyes – gut betonte Augen werden es schon richten. 

Da ich mich mit dem Schminken so überhaupt nicht auskenne, muss ich erst mal nach einer Anleitung auf YouTube suchen. Ich schnappe mir meinen Rechner und die Schminkpalette meiner Tochter. Was haben wir hier denn alles? Die hübsche Frau im Video rät, mit dem Lidschatten zu beginnen. Zum Schluss kommen der Kajal und die Wimperntusche. 

Der Kajal war der größte Fehler. Ich sehe aus, als hätte ich mir mit Edding das Auge umrandet. Das kann so nicht bleiben. Ich versuche die Farbe mit Wasser abzuwaschen. Das gelingt mir in etwa so gut wie das Entfernen des Rizinusöls. Ich probiere es mit Kokosöl. Mein Auge ist ordentlich gerötet und leicht geschwollen. Es tränt. Ob ich das andere Auge vielleicht auch noch schnell misshandeln sollte, damit sie zusammenpassen?

Ich koche schnell einen Kräutertee. Es klingelt. Ich öffne der Frau die Tür. Mit Mütze, gerötetem Auge und einer Tasse Tee. Demonstrativ zeige ich auf das Schildchen des Teebeutels: Erkältungstee. Es gibt keine weiteren Fragen.

Spirituell unanständig

Ich bin eingeladen, an einer homöopathischen C4-Verreibung teilzunehmen. Dabei geht es um die Weiterentwicklung in der modernen Homöopathie. Ein tieferes Verständnis der zerriebenen Substanz soll dabei das Ziel sein. 

Die Leitung hat ein ziemlich gut aussehender Homöopath mit einem Blick, der andere Dimensionen widerzuspiegeln scheint. Normalerweise geht es um die kollektive Heilung bei einer C4-Verreibung, aber heute bringt irgendwie jeder was anderes mit. Ich möchte mein Eigenblut verreiben. Vielleicht versteh ich mich dann endlich mal selbst.

Beim Blick in die Mörser der anderen wird mir etwas schlecht. Von getrockneter Plazenta über Nabelschnurblut bis hin zu Kindspech ist alles dabei. Ich habe leichte Zweifel, ob was Brauchbares dabei rauskommt, wenn man die Kacke eines Neugeborenen verreibt. Es riecht zumindest nicht nach Erfolg.

Der Milchzucker ist bereits in meinem Schälchen. Fehlt nur noch ein Tropfen Blut. Mit der Lanzette in der einen Hand versuche ich, ein Loch in den Finger der anderen Hand zu stechen. Ich krieg’s nicht hin. Immer kurz bevor die Spitze der Lanzette meinen Finger erreicht, bricht mir der Schweiß aus und ich bekomme einen Schwächeanfall im rechten Arm. So wird das nichts. 

Der sympathische Kursleiter sieht meine Verzweiflung und kommt zu mir rübergeschwebt. Ob er das mit dem Stechen mal übernehmen soll, fragt er mich und schaut mir dabei tief in die Seele. „Von mir aus“, antworte ich ihm und versuche mich auf sein drittes Auge zu konzentrieren. Der Augenblick scheint endlos. Schließlich nimmt er meinen verschwitzten Finger in seine schon fast durchsichtige Hand, ohne dabei den Augenkontakt zu unterbrechen. 

Ich werde etwas nervös, als er nach der Lanzette greift. Mein Finger zuckt. Er stöhnt auf. Puh – heiß hier drinnen. Vielleicht sollte ich was ausziehen? „Kann mal jemand ein Fenster öffnen?“, bitte ich die anderen. Aber die reiben sich gerade in Ekstase und sind nicht ansprechbar. 

Optisch scheint mein Finger blutleer zu sein, was den Kursleiter dazu veranlasst, ihn zu reiben – meine Augen fest im Griff. Ich muss schlucken. Zum Glück sind die anderen so vertieft in ihre Arbeit. 

Mein Finger wird ganz rosig. Und dann sticht er zu. Ich schreie kurz auf. Die anderen erschrecken sich, fallen aber sogleich wieder in ihren Trancezustand zurück.

Er kommt nicht. Also, der Finger kommt nicht. Ich meine, das Blut kommt einfach nicht. Trotz der ganzen Reiberei. Mein Kursleiter gibt nicht auf. Er zieht sich den Pullover aus und kümmert sich weiterhin liebevoll um meinen Finger. Es tut schon ein bisschen weh, finde ich. „Da – jetzt kommt’s“, ruft er entzückt. An meiner Fingerspitze perlt ein dunkelroter Blutstropfen. Dem Kursleiter steht der Schweiß auf der Stirn, aber er strahlt. „Viel ist das aber nicht“, bemängelt er die Ausbeute. Für die Verreibung wird es reichen. 

Die Frau mit der Plazenta im Mörser springt vor Begeisterung auf. Ihr Mutterkuchen spricht mit ihr. Ich überlege, ob ich es mir vielleicht noch mal anders überlegen sollte mit meiner Eigenblutverreibung.

Der Kursleiter liest anscheinend meine Gedanken und schwebt erneut zu mir rüber. Von hinten umgreift er meine Hände, die den Stößel umklammern, und versucht, Rhythmus in meine Bewegungen zu bringen. Diesmal sind die anderen alle hellwach und starren uns an. Die Frau mit dem Kindspech meint, sie bräuchte auch ganz dringend Hilfe. Ob er sich gleich auch mal um sie kümmern könnte, will sie wissen. Er kommt gleich, sagt er. „Ich auch“, denke ich. 

Hätte nicht gedacht, dass eine C4-Verreibung so befriedigend sein kann.

Containerschiff Emma Maersk

Ich sitze am Küchentisch und schreibe endlich mal Rechnungen. Meine Tochter leistet mir Gesellschaft und macht Hausaufgaben.

„Mama, kannst du mir hier mal helfen?“, fragt sie mich und hält mir ein Aufgabenblatt mit den Mathehausaufgaben vor die Nase. 

„Das Containerschiff Emma Maersk ist mit 14.300 Standardcontainern (Länge, Breite, Höhe) voll beladen. Das Schiff ist quaderförmig gebaut und bla bla bla. Die Container sind in Reihen und Lagen und so weiter angeordnet. Berechne dies und das und dann alles noch mal in umgekehrter Reihenfolge. Unteraufgaben a) bis e).“

Das Containerschiff Emma Maersk – hört sich nordisch an. Ich muss an einen kalten Novembertag denken, irgendwo im hohen Norden an einem zugigen und rauen Frachthafen. Es sind eisige minus fünf Grad Celsius. Wind pfeift zwischen den Containern hindurch. Riesige Kräne beladen die gefrorenen Schiffsplattformen. Die Männer vor Ort sind in dicke, gelbe Jacken gepackt, tragen Handschuhe, die ihre Hände zu Pranken formen. Die Mützen tief ins Gesicht gezogen. 

„Mama?“, reißt mich mein Kind aus meinen Vorstellungen. Also, um die Aufgabe rauszubekommen, müssen wir hier erst mal die entsprechenden Voraussetzungen schaffen. In der warmen Küche geht das jedenfalls nicht. Ich bringe meiner Tochter eine warme Winterjacke, Handschuhe, einen Schal und ihre Mütze und schiebe sie raus über den Hof in die Kühlkammer. „So, jetzt lies noch mal die Aufgabe vor“, fordere ich meine Tochter auf. Sie klappert mit den Zähnen, ihre Lippen laufen blau an. Das Blatt zittert in ihren Händen so stark, dass sie ständig in den Zeilen verrutscht. Wir gehen wieder rein.

Ich mache uns einen Kakao und lege Holz im Kaminofen nach. 

Noch mal von vorne. Mein Kind liest mir vor: „Das Containerschiff …“ Ich drifte wieder ab. Ich bin unterwegs mit dem Kreuzfahrtschiff AIDA, irgendwo vor der Küste Südafrikas. Warmer Wind bläst mir um die Nase. Das Schiff hat 2000 Betten. Wie viele Passagiere haben Platz? Jaaa, das ist mal ’ne Aufgabe. Ich stehe an der Reling. Das Meer ist tiefblau. Delfine begleiten uns. Die Küste mit Palmenstrand ist in Sicht. Wir legen gleich an.

Neben mich gesellt sich ein großer, junger Mann mit Achtzigerjahre-Blondmähne und stützt sich auf der Reling auf. Ich spüre, wie er mich anlächelt, und wende mich ihm zu. Sascha Hehn. Oh Gott – was ist denn mit mir los? Ich versuche auf die Schnelle, meine Fantasie zu korrigieren. Einen anderen Mann, los, irgendein anderer Mann. Im letzten Augenblick schafft es meine linke Hirnhälfte, meinen Tagtraum zu retten. Sascha Hehn geht über und Keanu Reeves kommt an Bord. So wird’s gehen, denke ich mir und versuche die Aufgabe weiter zu lösen. 

Keanu beugt sich zu mir rüber, schaut mir tief in die Augen und unsere Lippen sind im Begriff, sich aufeinander zuzubewegen. „Mama!“ – „Nicht jetzt!“. „Geht das nicht etwas schneller? Ich hab noch mehr Hausaufgaben auf“, jammert mein Kind. Ich versuche, das mit dem Kuss zu beschleunigen, aber Keanu kann so nicht.

„Lies es mir noch mal vor“, sage ich zu meinem wieder erwärmten, aber mittlerweile sehr genervten Kind. „Bei der nächsten Fahrt werden 800 weitere Container mit vollkommen anderen Maßen dazu geladen …“, fährt es fort. 

800 Container. Was ist da überhaupt drin? Lebensmittel? Oder etwa illegale Waffen? Am Ende noch Flüchtlinge? Oh Gott. Und so was rechnet ihr in der Schule? Ich sollte wen anrufen. Die Lehrerin? Den Kultusminister? Am besten gleich den Verteidigungsminister. Wer ist denn dafür überhaupt zuständig? Ich bin aufgebracht. Die Aufgabe ist unmöglich und absolut nicht kindgerecht. Die schreiben wir jetzt um!

Mein Kind nimmt mir den Zettel aus der Hand und geht. Ich winke Keanu noch ein letztes Mal zu und schreibe die nächste Rechnung.

Tage wie diese

Der Tag fängt schon gut an. Ich schwinge mich aus dem Bett, schlüpfe in meine Hausschuhe und stehe gleich mitten in Katzenpipi. Minka hat punktgenau in meinen Schuh gepisst, ohne eine Pfütze drumherum zu hinterlassen. Alles im Schuh. Und mein Fuß mittendrin.

Ich hüpfe auf einem Bein die Treppe runter ins Bad. Je mehr ich mich bemühe, das Katzenpipi beisammen zu halten, desto weniger gelingt mir das. Mir bleibt wohl heute nichts anderes übrig als zu putzen. Ich deute dies als Zeichen der Matrix und gehe vorsichtig mit dem Gedanken in Kontakt, mich auch um den restlichen Haushalt zu kümmern.

Die vollgesogene Katzenpipisocke kommt gleich in die Waschmaschine, zusammen mit dem Berg an Buntwäsche im Keller. Mir wird schnell klar, dass das ein bisschen zu viel Wäsche für zu wenig Waschmaschine war. Das Programm ist halb durchgelaufen, da kann sie nicht mehr. Das Wasser läuft nicht ab. 

Ich überlasse die Maschine erst mal sich selbst und schaue, was es in der Küche zu tun gibt. Die volle Spülmaschine will angestellt werden, teilt mir aber nach der Hälfte des Durchlaufs ebenfalls mit, dass es nicht weitergeht. Alle Lämpchen leuchten. Ich fülle alles nach, was sie verlangt, aber sie brummt nur. Mhm. 

Ich lasse die Spülmaschine links liegen und greife nach dem Staubsauger. Meine Große legt gerade Holz im Kaminofen nach. Etwas Kohle fällt dabei auf den Boden. Und ehe ich reagieren kann, hat der Staubsauger das glühende Stückchen doch glatt aufgesaugt. Aus dem Affekt heraus. Auf dem Herd kocht mir gerade meine Pilzsuppe über und die Postfrau will ein Paket zustellen. 

Wieder zurück in der Küche, steigt dicker Qualm aus dem Staubsauger. Ich nehme es als wissenschaftliches Ergebnis meines langjährigen Forschungsprojektes, ob Staub brennen kann: Ja, er kann. Ich versuche mit zugehaltenen Ohren, den Rauchmelder zu beruhigen, aber er ist sehr aufgebracht. Mein Nachbar steht bereits mit dem Feuerlöscher in der Hand in der Haustür. Ich reiße den Rauchmelder von der Decke und lösche den brennenden Staubsauger. Da ist nichts mehr zu machen. Ein letzter Versuch, ihn mit Mund-zu-Mund-Beatmung zu retten, scheitert. Die Pilzsuppe brennt derweil auf dem Ceranfeld fest.

Welche Handlung ist wohl jetzt am sinnvollsten? Ein neuer Staubsauger muss her. Meine Große kommt mit. Im Auto riecht es so komisch. Schon länger, stelle ich gerade fest. Ich lasse den Motor an und es riecht noch etwas komischer. Mein Kind hält sich die Nase zu und öffnet das Fenster. 

Wir haben gerade die halbe Wegstrecke zurückgelegt, da qualmt es aus der Motorhaube. Zum Glück hat das Auto keinen Rauchmelder. Ich habe noch immer einen Tinnitus von eben.

Wir halten am nächsten Waldweg an, nachdem ich vor lauter Rauch den Smiley an der Ortseinfahrt nicht richtig erkennen konnte.

Ich könnte schwören, dass er gelächelt hat, aber meine Tochter ist der Meinung, dass er nicht nur die Mundwinkel weit nach unten zog, sondern ihm auch noch Tränen übers Schild gelaufen seien.

Ich öffne die Motorhaube, und die Ursache für den Qualm wird schnell klar. „Ich glaube, der Marder hat ’nen Autoschaden“, diagnostiziert mein Kind.

Ich versuche den Kadaver zu entfernen, möglichst ohne ihn zu berühren und mit angehaltenem Atem.

Das mit dem Haushalt ist einfach nichts für mich, obwohl mir meine Freunde zum letzten Geburtstag Bücher wie „Warum ein ordentlicher Haushalt glücklich macht“ geschenkt haben.

Das Medium

Heute bin ich auf Hausbesuch bei einer älteren Dame, die wegen mehrerer chronischer Beschwerden das Haus nur schlecht verlassen kann.

Ich betrete die Wohnung wie üblich durch die Terrassentür, damit sie sich nicht bis zur Haustür quälen muss, und stehe gleich mitten im Wohnzimmer.

Es riecht, wie es bei alten Leuten oft riecht. Ein latenter Geruch von Pipi und Muff.

Sie ist nicht allein. Ein älterer Herr scheint zu Besuch zu sein. Er hat es sich in dem Sessel auf der anderen Tischseite bequem gemacht. Meine Patientin sitzt zwischen dicken Kissen auf dem Sofa. „Ah, da kommt sie ja“, begrüßt sie mich. „Wir haben schon auf Sie gewartet“, strahlt sie mich an und weist mit dem Kopf leicht in Richtung des älteren Herrn.

Ich bin etwas verwirrt, aber nun gut, das bin ich ja eigentlich immer. Ich hole mein Notebook und etwas zu Schreiben aus meiner Tasche und will mich nach ihren Beschwerden erkundigen. „Das ist Dr. Kleinmann“, stellt sie mir ihren Gast vor. Er reicht mir die Hand und schaut mich verheißungsvoll an. In meinem Hirn rattert es. Es muss sich um den Neurologen handeln, von dem sie mir immer erzählt. Er behandelt sie schon seit über dreißig Jahren. Er hat auch schon ihre verstorbene Mutter und ihren ebenfalls verstorbenen Sohn medizinisch betreut. Seit geraumer Zeit berichtet meine Patientin davon, dass Mutter und Sohn ihr nachts erscheinen würden und Botschaften für sie hätten.

„Und Herr Kleinmann sieht sie ebenfalls“, sagt sie zu mir, als hätte sie gerade meine Gedanken gelesen. „So?“ Ich bin etwas irritiert. Aber nun gut, das bin ich eigentlich immer. „Sie hat diese Augen, sehen Sie?“, raunt meine Patientin dem älteren Herrn mit einem Seitenblick auf mich zu, und er nickt noch verheißungsvoller. Ich spüre einen latenten Fluchtimpuls.

„Ist vielleicht noch wer anwesend?“, frage ich mehr spaßeshalber. Beide nicken. Mutter und Sohn seien ebenfalls zu Besuch. Ich kriege eine Gänsehaut. Ob der Neurologe vielleicht etwas zu viel von seinen Medikamenten genascht hat? 

Prompt drehen beide ihren Kopf in meine Richtung und schauen mich ernst an. Hier muss man aufpassen, was man denkt, denke ich und versuche den Gedanken gleich wieder rückgängig zu machen. Ich versuche, nicht mehr zu denken, und lenke mich ab, indem ich auf den Tisch starre. Zwischen Zeitschriften steht ein Körbchen mit bunten Tabletten. Daneben eine Tasse mit gelber Flüssigkeit. Ich weiß jetzt, wo der Geruch herkommt. „Ach ja“, sagt meine Patientin. „Ich dachte, sie wollen vielleicht mal einen Blick auf meinen Urin werfen, der ist heute wieder so dunkel.“ Will ich das? Mir ist etwas übel. „Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee?“, fragt mich der Neurologe. Ich lehne würgend ab.

„Gut, dann können wir ja eigentlich anfangen, oder?“, beschließt Dr. Kleinmann. Genau, also fangen wir mal mit den aktuellen Beschwerden an, will ich loslegen. Aber der Arzt holt eine Art Brett unter dem Tisch hervor. Er legt das Ding auf den Tisch und berührt es mit den Fingerspitzen. Meine Patientin macht es ihm nach. 

Mit welcher Ausrede komme ich hier jetzt schnellstmöglich wieder raus? Wieder sehen mich beide streng an. Ich muss im falschen Film sein. Draußen scheint die Sonne und ich sitze hier mit zwei Verrückten und soll Tischrücken spielen.

Wenn Blicke töten könnten. Schwarze Gewitterwolken verdunkeln aus dem Nichts heraus den gerade noch blauen Himmel. Ich lächle gequält.

„Sie müssen ihre Hände auch auf das Brett legen“, weist mich meine Patientin an. Vielleicht habe ich ja Glück und ich bin bis zum Mittagessen hier wieder raus. „Hier geht’s erst raus, wenn wir fertig sind“, beantwortet der Neurologe meinen Gedanken. Mir wird heiß und kalt gleichzeitig.

Ich ergebe mich und lege beide Hände auf das Brett. „Augen zu“, sagt der Neurologe streng zu mir. Ich wehre mich nicht mehr. Meine Gedanken beruhigen sich. Ich lasse mich ein auf alles, was jetzt kommen mag. Das Leben ist ein Geschenk und jeder Moment verdient Aufmerksamkeit. Nur Bekloppte hier.