Nick 1 (zweite Serie): Unternehmen Gluthölle - Thomas Newton - E-Book

Nick 1 (zweite Serie): Unternehmen Gluthölle E-Book

Thomas Newton

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Beschreibung

Diese werkgetreue Umsetzung als Roman umfasst den Inhalt des ersten Abenteuers aus den Großband-Comicheften 1-8 von Hansrudi Wäscher. - Die beiden Wissenschaftler Dr. Caryll und Dr. Gray wollen den Merkur als Energiequelle für die Menschheit erschließen. Niemandem ist es bisher gelungen, auf dem lebensfeindlichen Planeten zu landen. Nick wagt das Abenteuer und gerät selbst in höchste Lebensgefahr, als er in einer Höhle verschüttet völlig auf sich selbst gestellt um sein Überleben kämpfen muss. Und dabei tief unter der Oberfläche auf ein Geheimnis stößt, das er nie für möglich gehalten hätte. Dieser Roman enthält neben den Großbänden auch das alternative Ende aus dem Nick Sonderband 1 von 1966!

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Seitenzahl: 156

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Originalausgabe Juni 2016

Charakter und Zeichnung: Tibor © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Thomas Newton

Copyright © 2017 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen

 

Lektorat: Katja Kollig

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die Autoren-Manufaktur

 

ISBN ePub 978-3-86305-249-2

 

www.verlag-peter-hopf.de

 

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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

Inhalt

VORWORT

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

VORWORT ZUM ALTERNATIVEN ENDE

THOMAS NEWTON

Unternehmen Gluthölle

 

 

VORWORT

von Ingraban Ewald

 

Die Großband-Reihen der bekannten Helden von Hansrudi Wäscher im Walter Lehning Verlag enthielten in aller Regel zunächst nur Nachdrucke aus den Piccolos. Erst viel später kamen auch neue, exklusiv für dieses Format gezeichnete Abenteuer hinzu. So war es bei Sigurd und Falk, während Tibor bis zum Verlagsende gar nicht über die Nachdruckphase hinauskam.

Ganz anders Nick: Hier starteten bereits im Januar 1959, also nicht einmal ein Jahr nach den Piccolos, auch Großbände, die von Anfang an ganz neue Storys enthielten, sodass beide Reihen knapp zwei Jahre lang parallel erschienen. (Welch eine Arbeitsbelastung für Hansrudi Wäscher – dessen Geschichten trotzdem immer spannend und auf hohem Niveau blieben!)

Nun sind die Großbände zwar chronologisch eindeutig nach den Piccolos verortet: Es gibt Anspielungen auf diverse Ereignisse dort, wie etwa auf die Katastrophe auf dem Mars, die erste Begegnung mit Jane Lee oder die Teleportationsbogen. Dennoch merkt man gerade den ersten Großband-Abenteuern an, dass sie zu einer Zeit entstanden sind, als Nicks Universum sich auch in den Piccolos noch nicht auf den interstellaren Raum ausgeweitet hatte: Noch reisen die Helden in kultigen »Zigarren-Raumschiffen« und ihre Ziele sind die Planeten unseres Sonnensystems, erst einmal der Merkur und dann noch einmal der Mars …

Aus diesen Gründen hat Peter Hopf beschlossen, auch bei seinen Romanadaptionen eine Ausnahme zu machen und eine zweite Reihe mit den Geschichten aus den Großbänden noch vor Beendigung der Piccolo-Abenteuer zu beginnen. Autor ist diesmal nicht Achim Mehnert, sondern der auf SF-Stories spezialisierte Thomas Newton. Ich, der ich wie immer die Ehre und das Vergnügen hatte, den vorliegenden ersten Roman vorab zu lesen, finde, dass auch Newton den speziellen »Wäscher-Ton« bestens trifft und dem ganzen Projekt darüber hinaus eine zusätzliche, interessante Note hinzufügt.

Also genießen wir es, eine Zeit lang Nick-Romane nach gleich zwei Kultreihen des großen HRW parallel lesen zu können – eben genauso wie damals, in der »guten alten Zeit«!

 

 

 

EINS

 

Im Licht der Sonne glänzte der silberfarbene Rumpf und hob sich damit vom unergründlichen Schwarz des Weltalls ab. Vom Planeten Venus kommend, raste Nicks Raumschiff auf die Erde zu. Das Haupttriebwerk arbeitete auf Hochtouren. Ein langer Feuerschweif folgte der Flugbahn der Rakete.

Unter ihr erstreckte sich die grün-blau schimmernde Oberfläche des Planeten. Doch für diese wunderschöne Aussicht hatte der Mann an den Kontrollen in diesem Moment keinen Blick übrig. Hoch konzentriert bediente er die Kontrollelemente, um die Rakete auf Kurs zu halten.

Nick sah auf. Weit über dem Horizont zeichnete sich der Umriss einer gewaltigen Konstruktion ab. Die kugelförmige Raumstation war von einem wuchtigen Außenring umgeben. An einem Antennenmast auf der Unterseite waren zahlreiche Satellitenschüsseln angebracht. Er aktivierte die Sprechverbindung.

»Achtung, Achtung! Hier spricht Nick, Raumschiff Venus 3! Wir gehen auf Kreisbahn«, gab er durch. »Bitte um Einweisung!«

Wenige Sekunden lang blieb es still, dann erklang eine Stimme aus dem Lautsprecher.

»Hier Raumstation I«, folgte die knappe Antwort. »Landen Sie im Raumhafen Antarktis! Order des Kommandanten! Ende!«

Nick öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, als ihm ein Knacken im Lautsprecher anzeigte, dass die Gegenseite die Sprechverbindung unterbrochen hatte. Er runzelte die Stirn und drehte sich in seinem Konturensitz nach links. Seine Augen sahen den Mann im Kopilotensessel mit einem gespielt resignierten Blick an.

»Du lieber Himmel!«, sagte er. »Das bedeutet, dass wir bald wieder starten sollen, Tom!«

Tom Brucks, Biologe und Nicks bester Freund, beugte sich zu ihm herüber und schürzte die Lippen. »Hm … dabei hatte ich mich auf einen längeren Urlaub auf der Erde gefreut!« Er lehnte sich zurück und betrachtete den großen Hauptbildschirm. »Ich möchte nur wissen, was die Weltregierung dieses Mal mit uns vorhat«, sinnierte er.

Nick zuckte mit den Schultern und schmunzelte. »Das werden wir noch früh genug erfahren.«

Er wies Tom an, die neuen Koordinaten in den Bordcomputer einzugeben. Nick bremste das Raumschiff langsam ab, damit es in den dichteren Luftschichten nicht durch die Reibungshitze verglühte. Dennoch leuchteten die Außenkanten der Struktur in einem Feuerschein auf, als die Rakete tiefer ging. Leichte Vibrationen erfassten die Hülle.

Unter ihnen breitete sich nun eine große Landmasse aus. Es war ein klarer, wolkenloser Tag, der ungehinderte Sicht zuließ. Nick wandte sich zu Tom um. »Hast du die Position vom Elektronengehirn ausrechnen lassen?«, fragte er.

Sein Freund sah von den Anzeigen auf und warf ihm über die Schulter einen Blick zu. »Ja«, erwiderte er. »In fünfundzwanzig Sekunden musst du auf senkrechten Flug umschalten. Die Stoppuhr läuft.«

Nick erwiderte nichts, sondern konzentrierte sich auf die Steuerungselemente. Auch wenn er dieses Flugmanöver schon Dutzende Male durchgeführt hatte, war es auf jedem Raumflug doch wieder einer der kritischen Momente. Wurde die Rakete unsachgemäß ausgerichtet, konnten die Hebelkräfte den Rumpf bis aufs Äußerste beanspruchen oder gar bersten lassen.

Nick betätigte die Regler für die Steuertriebwerke. Dabei behielt er den Zeitmesser im Auge. Ein leichter Ruck ging durch den Raketenrumpf. Unmerklich richtete sich der schlanke stählerne Leib neu aus. Das Heulen der zusammengepressten Luftmassen drang nun immer lauter durch die Hülle.

Davon ließ sich Nick nicht aus der Ruhe bringen. Überlegt schob er den Drehregler für den Kreiselkompass in den vorgesehenen Winkel. Die Rakete sackte nun für einen Augenblick im freien Fall zur Erde. Nick richtete die Schwenkdüsen der Steuertriebwerke aus und fuhr das Haupttriebwerk hoch. Der Motor röhrte in den Tiefen des Raumschiffs.

Hinter sich hörte Nick seinen Freund laut atmen. Er sagte nichts und lächelte nur leicht. Ein Blick auf die Koordinatenanzeige bestätigte ihm, dass sich die Rakete genau auf dem vorgegebenen Kurs befand.

Nick holte das Bild der Außenkameras auf den Hauptbildschirm. Das kalt funkelnde ewige Eis der Antarktis nahm die gesamte Fläche des Monitors ein.

 

*

Die Rakete befand sich nur noch wenige Kilometer über der Eislandschaft. Auf dem Bildschirm konnte Nick bereits die weitläufige Anlage ausmachen. Große Hangars und Lagerhallen erstreckten sich entlang der gewaltigen Landefläche.

Nick schaltete den Beschleunigungshebel für das Haupttriebwerk auf volle Schubleistung, um die Fallgeschwindigkeit der Rakete zu verringern. Er legte den Schalter für den Sprechfunk um. »Achtung, Raumhafen! Venus 3 setzt in zwei Minuten auf!«, gab er durch.

»Verstanden!«, folgte prompt die Bestätigung.

Das Elektronengehirn des Antarktis-Raumhafens überspielte nun fortlaufend Mess- und Kontrolldaten. Nick blieb auf Empfang, um jederzeit auf weitere Anweisungen der Bodenkontrolle reagieren zu können. Ein Blick auf die Anzeigen zeigte ihm, dass alle Werte im grünen Bereich waren. Auch wenn solch eine Landung nach all seinen Flügen für ihn zur Routine geworden war, blieb er jede Sekunde konzentriert und erlaubte sich keine Nachlässigkeiten.

Er zog den Schubregler zu sich heran. Das Heulen des Antriebs ließ nach. Langsam schwebte das mächtige Raumschiff auf die Landebahn herab. Die Spitzen der umstehenden Raketen schoben sich auf dem Monitor nun in sein Blickfeld. Die Landung erfolgte so sanft, dass der Bodenkontakt kaum zu spüren war. Leise heulten die Triebwerke noch einmal auf und verstummten dann.

Nick betrachtete den Monitor. Auf der Antarktis-Station herrschte reges Treiben. Frachtraketen wurden unablässig be- und entladen. Hoch aufragende Ladekräne fuhren mit Nutzlast zwischen den Schiffen hin und her und transportierten ihre Ladung an den wuchtigen Tanks mit Flüssigtreibstoff vorbei zu ihrem Ziel.

»Gratuliere!«, klang es aus dem Lautsprecher. »Das war eine mustergültige Landung!«

Nick neigte den Kopf, ohne etwas zu erwidern. Er stützte seine Hände auf die Lehnen des Sessels und drehte sich zu Tom um. »Einen Vorteil hat die Landung auf diesem Raumhafen«, meinte er zu dem Biologen. »Der Boden unter dem Schiff kühlt schnell ab.«

»Das ist aber auch der einzige Vorteil«, seufzte Tom und wies auf die Anzeigentafel vor sich. »Das Außenthermometer zeigt dreißig Grad unter Null an.«

Nick klopfte seinem Freund aufmunternd auf die Schulter und machte sich auf den Weg zur Außenschleuse.

 

*

Dampfwolken stiegen von den noch immer glühend heißen Seitentriebwerken auf. Sie hingen einen Augenblick in der klaren Luft und wurden dann vom Wind zerstreut. Die Stimmen von Technikern hallten über das Landefeld. Mehrere Männer näherten sich bereits der Rakete, um sie ohne größeren Zeitverlust auf den nächsten Start vorzubereiten.

Nick hatte seinen Pilotenkoffer unter den linken Arm geklemmt. Die Kälte der Bodenplatten aus gehärtetem Stahlplast drang binnen weniger Sekunden durch seine isolierten Stiefel. Er warf Tom einen Blick zu. Seinem Freund war nur allzu deutlich anzumerken, dass ihm die Temperaturen alles andere als behagten.

Ein Jeep näherte sich ihrer Position und hielt knapp vor der ausgefahrenen Außenleiter des Raumschiffs. Ein Uniformierter sprang aus dem offenen Fahrzeug und kam mit schnellen Schritten auf sie zu. Er reichte Nick die Hand.

»Hallo, Nick, hallo, Tom!«, begrüßte er die beiden Männer und warf ihnen einen freundlichen Blick zu. »Willkommen auf der Erde!«

Nick erwiderte den festen Händedruck. »Freut mich, Sie zu sehen, Perkins«, antwortete er dem Adjutanten des Stationskommandanten. »Wissen Sie, warum man uns in diesen Eisschrank dirigiert hat?«

Der Mann schüttelte den Kopf und wies auf den bereitstehenden Jeep. »Steigen Sie ein!«, lud er die beiden Raumfahrer ein. »Der Kommandant wird es Ihnen sagen.«

Nick ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken und folgte der Einladung. Er setzte sich auf den Beifahrersitz, während sich Tom auf die schmale Rückbank quetschte. Perkins schwang sich auf den Fahrersitz und startete den Jeep.

»Geben Sie Gas!«, beschwerte sich Tom lauthals und übertönte damit sogar den Motor. »Ich friere schon am Sitz fest!«

 

*

Kurz darauf standen Nick und Tom dem Kommandanten gegenüber. Der erfahrene Offizier rieb über seinen geschwungenen Schnauzer und ließ den beiden Männern Zeit, sich in seinem spartanisch eingerichteten, aber beheizten Büro aufzuwärmen.

»Sie wundern sich sicher, warum ich Sie hierher gebeten habe, Nick und Tom?«, fragte er.

»Allerdings«, antwortete Nick und sah den Kommandanten erwartungsvoll an.

Für einen Moment zögerte der Offizier. »Ich habe einen Auftrag für Sie«, eröffnete er.

Nick sah, dass sein Freund Tom ein Lächeln nicht unterdrücken konnte. Sie hatten ja beide schon mit so etwas gerechnet. »Schießen Sie los«!«, forderte er den Offizier auf.

Der Blick des Mannes wurde ernster. »Zwei Forscher haben es sich in den Kopf gesetzt, den Planeten Merkur zu untersuchen«, erklärte er und atmete bei seinen eigenen Worten tief durch. »Wenn es jemandem gelingt, ein Raumschiff nach dem Merkur und wieder zurück zu fliegen, dann sind Sie es!«

»Nach dem Merkur?«, echote Tom Brucks und sah den Kommandanten fassungslos an.

Dieser nickte. »Ich weiß, dass das Unternehmen sehr gewagt ist!«, antwortete er. »Sie können den Auftrag selbstverständlich ablehnen.« Sein Blick machte deutlich, dass er vollstes Verständnis dafür gehabt hätte.

Nick runzelte die Stirn. »Hm … Der Merkur hat schon zwei Raumschiffbesatzungen das Leben gekostet«, erinnerte er sich an die Berichte, die jeder in Raumfahrerkreisen verfolgte. Er verschränkte die Arme vor der Brust und warf seinem Freund einen kurzen Blick zu, bevor er sich an den Offizier wandte. »Ich bitte, uns Bedenkzeit zu geben«, gab er unumwunden zu.

Der Kommandant wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick wurde die Tür zum Nachbarraum aufgestoßen. Eine junge Frau betrat das Zimmer. Ihre pechschwarzen Haare wippten bei jedem ihrer forschen Schritte, mit denen sie auf die Männer zuging, und ihre Augen schienen förmlich Funken zu sprühen. »Der berühmte Raumpionier bittet um Bedenkzeit!«, rief sie mit keckem Blick. »Sie haben wohl Angst?«

Nick warf den Kopf herum. Er war für einen Moment durch diesen Auftritt völlig überrascht. Im Hintergrund bemerkte er einen schlaksigen Mann, der sich vorsorglich zurückzuhalten schien und mit einigen Schritten Abstand folgte.

»Wer sind Sie denn?«, wandte Nick sich der jungen Frau zu.

Bevor sie antworten konnte, meldete sich der Kommandant zu Wort. Er schien sichtlich bemüht, wieder die Oberhand über die Situation zu gewinnen. »Ich hatte Sie doch gebeten, das Ergebnis der Unterredung abzuwarten, Frau Doktor«, sprach er mit leisen Worten auf sie ein.

Sie rümpfte die Nase und wedelte mit der Hand. »Ach was!«, entgegnete sie und winkte mit einer herrischen Bewegung den Mann im Hintergrund zu sich. Sein graumeliertes Haar zeigte, dass er deutlich älter war als sie, der Aufforderung aber umgehend nachkam, als wagte er nicht zu widersprechen. Er rückte sich die Brille zurecht und lächelte verlegen.

Die Frau wartete nicht, bis sie die Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte. »Ich bin Dr. May Caryll«, stellte sie sich vor und zeigte auf den Mann an ihrer Seite. »Und dies ist mein Kollege Dr. Gray!«

»Ach!«, entgegnete Nick. »Dann wollen Sie also auf den Merkur?« Er betonte die Worte dabei in einer Weise, um keinen Zweifel daran zu lassen, wie ernst er den Auftritt gerade nahm.

Das schien auch May Caryll nicht zu entgehen, denn sie wurde prompt eine Spur lauter. »Ganz recht!«, folgte ihre Antwort. »Und wenn Sie dieses Schiff nicht führen wollen, werden wir schon einen anderen Piloten finden!«

Sie machte einen Schritt auf Nick zu. Der Kommandant trat an sie heran und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Ich bitte Sie, Dr. Caryll«, war er nach wie vor darum bemüht, das Temperamentsbündel in den Griff zu bekommen. »Sämtliche Raumpiloten haben den Auftrag abgelehnt!«

Nick dachte gar nicht daran, mit seinem Grinsen aufzuhören, und behielt die junge Frau vor sich genau im Blick. »Ich nehme den Auftrag an, Kommandant!«, sagte er schließlich. »Schon darum, weil ich erleben möchte, wie Dr. Caryll bei der ersten wirklichen Gefahr ihren Hochmut verliert!«

May Caryll schnappte nach Luft und ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten. »Ich habe niemals Angst. Merken Sie sich das, Nick!«, fuhr sie ihn an. Sie richtete ihren Zeigefinger auf ihn. »Ich bin eine ausgezeichnete Fliegerin, nur ein Raumschiff kann ich leider nicht steuern.« Es war nicht zu übersehen, wie sehr sie das wurmte.

»Dafür steuern Sie Ihr Mundwerk ganz ausgezeichnet«, entgegnete Nick und lachte laut auf.

Einen Moment lang blieb May Caryll still, dann brach es aus ihr heraus. »Ich werde Ihnen zeigen, wie ich fliegen kann, Sie Flegel!«, schnappte sie und eilte an ihrem Kollegen vorbei. Sie riss die Tür zum Hauptgang auf und stürmte nach draußen.

Nick sah ihr nach. »Junge, Junge, ist das ein Mädchen!«, kommentierte er ihren Auftritt und blickte die anderen Männer an. »Was hat sie vor?«

»Halten Sie sie auf«, rief der Kommandant verärgert. »Sie will bestimmt ihre Flugkünste demonstrieren!«

Der Tonfall ließ keinen Zweifel daran, wie ernst es dem Offizier mit seiner Aufforderung war. Die Männer sahen sich kurz an und eilten aus dem Büro. In diesem Augenblick stieß Dr. Caryll bereits die Flügeltüren zur Landebahn auf.

 

*

Dr. May Caryll rauschte an den Mitarbeitern der Antarktis-Station vorbei ins Freie. Sie sah sich kurz um und lächelte grimmig. Ihren Blick hatte sie auf ein einstrahliges Düsenflugzeug gerichtet, das unweit von ihr startbereit auf dem Landefeld stand. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, steuerte sie direkt auf die Stiegen zu, die zur Pilotenkanzel führten.

Ein Techniker stellte sich ihr in den Weg und bedeutete der Wissenschaftlerin, stehen zu bleiben. »Halt!«, rief er. »Das Flugzeug ist für den Meteorologen startbereit gemacht worden!«

May Caryll musterte den schlaksigen Mann und wischte dann mit dem Arm durch die Luft. »Gehen Sie zur Seite!«, forderte sie ihn auf und drückte den Techniker trotz ihrer zierlichen Statur mühelos von sich.

 

 

Der Mann verlor prompt das Gleichgewicht und taumelte rücklings zu Boden. Ungläubig sah er zu, wie die junge Frau die Stiegen emporeilte und sich auf den Pilotensitz setzte. Nur wenige Sekunden später schloss sich das Plexiglasdach.

Der Techniker rappelte sich auf und machte eine hilflose Handbewegung. »Aber …«, entfuhr es ihm, als er auch schon das Starten des Triebwerks vernahm.

 

*

Nick beobachtete wie seine Begleiter die Vorgänge auf dem Startfeld aus der Distanz. Sie hatten gerade erst das Hauptgebäude verlassen und zugesehen, wie sich die junge Wissenschaftlerin durchsetzte.

Nick konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Langsam gefällt mir Dr. Caryll doch«, musste er eingestehen. Er sah auch Toms amüsierten Blick. Doch die finstere Miene des Kommandanten direkt hinter ihm sprach Bände. Der Offizier nahm den Vorfall alles andere als auf die leichte Schulter. Sein Mienenspiel änderte sich binnen weniger Sekunden von verärgert auf entsetzt. Das lauter werdende Dröhnen des Düsenmotors heulte über den Platz.

»Himmel, sie startet!«, rief der Kommandant und konnte nur ohnmächtig dabei zusehen, wie Dr. Caryll den kleinen Jet aus dem Stand heraus voll beschleunigte und in die Höhe riss. Mehrere Mitarbeiter der Bodencrew konnten sich nur durch einen beherzten Sprung in Sicherheit bringen.

Das Düsenflugzeug schraubte sich in den wolkenlosen Himmel und erreichte eine Höhe von mehreren Hundert Metern, bevor die Maschine in einem Bogen zur Seite kippte und in engen Kurven eine Acht flog.

»Alle Achtung!«, kommentierte Nick das Flugmanöver. »Sie hat Mut!«

Tom neben ihm brummte unterdrückt auf. »Wollen wir wirklich nach dem Merkur fliegen, Nick?«

Nick lächelte seinem Freund zu, ohne die Augen von dem Düsenflugzeug zu lassen. »Ich auf jeden Fall!«, antwortete er.

Tom seufzte und rang sich ein Grinsen ab. »Na schön«, meinte er. »Dann komme ich mit. Allein wirst du mit Dr. Caryll ja doch nicht fertig.«

Nick setzte zu einer passenden Antwort an, als das Flugzeug mit einem Mal seine Richtung änderte und in einen Sturzflug überging.

»Was macht sie denn jetzt?«, stieß er aus und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Tom stöhnte auf. Das Düsenflugzeug hielt in wenigen Metern Höhe auf die Männer zu.

»Zu Boden, schnell!«, rief Nick seinen Begleitern zu und warf sich trotz der eisigen Temperaturen auf das Landefeld. Die Männer sprengten auseinander. Tom schrie um Hilfe und tat es seinem Freund gleich. Die Maschine rauschte so knapp über sie hinweg, dass das Heulen des Triebwerks in ihren Ohren dröhnte. Die Bodenplatten vibrierten unter der Druckwelle, die die Maschine erzeugte. Keine Sekunde später war sie über sie hinweggejagt und gewann wieder an Höhe.

»Junge, Junge«, schnaufte Tom und hob den Kopf vorsichtig an.

Nick stützte sich auf und sah dem Flugzeug nach. »Schade, dass Dr. Caryll kein Mann ist«, löste es sich von seinen Lippen. »Sonst wüsste ich, wie ich auf diesen ›Scherz‹ antworten würde!« Er erhob sich und eilte zu der Maschine hinüber, die unweit von ihm weich auf der Landebahn aufsetzte.