Nick 9 (zweite Serie): Großalarm - Thomas Newton - E-Book

Nick 9 (zweite Serie): Großalarm E-Book

Thomas Newton

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Beschreibung

Diese werkgetreue Umsetzung als Roman umfasst den Inhalt des zehnten und letzten Abenteuers aus den Großband-Comicheften 113-121 mit dem verkürzten Abschluss der Serie, sowie den alternativen Abschluss aus den Hethke Großband-Comicheften 192 und 193 von Hansrudi Wäscher. Während Nick im Dschungel der Venus auf Rettung harrt, kommt es auf der Erde zu unerklärlichen Vorkommnissen. Gewaltige Ungetüme, die einem Monsterfilm entsprungen zu sein scheinen, verbreiten Angst und Schrecken. Und die irdischen Streitkräfte sind gezwungen, immer stärkere Waffen einsetzen, um sie noch zu bezwingen. Als Nick zurückkehrt und erfährt, dass er wie Tom Brucks und Xutl vollkommen rehabilitiert ist, bittet ihn die Weltsicherheitsbehörde, wegen der Vorkommnisse zu ermitteln. Doch auch Nick kann sich der Ungeheuer kaum erwehren – bis ihm ein entscheidendes Detail auffällt, das nur einen Schluss zulässt: die Monster werden von Außerirdischen gezielt eingesetzt, um eine Invasion der Erde vorzubereiten …

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Seitenzahl: 193

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Impressum

 

Originalausgabe Februar 2023

Charakter und Zeichnung: Nick © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Thomas Newton

Copyright © 2023 der E-Book-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Minden

 

Korrektorat: Andrea Velten, Factor 7

Redaktionelle Betreuung: Ingraban Ewald

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © Karelin Dimitriy – fotolia.com

 

ISBN ePub 978-3-86305-313-0

 

www.verlag-peter-hopf.com

 

Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

 

Der Nachdruck, auch auszugsweise, die Verarbeitung und die Verbreitung des Werkes in jedweder Form, insbesondere zu Zwecken der Vervielfältigung auf fotomechanischem, digitalem oder sonstigem Weg, sowie die Nutzung im Internet dürfen nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages erfolgen.

 

Inhalt

VORWORT

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

 

 

THOMAS NEWTON

Großalarm

 

 

Nick Großband 9

 

 

 

VORWORT

 

Auch die erste und für lange Zeit einzige deutsche SF-Comic-Serie, die sich über Jahre erfolgreich am Markt behaupten konnte, fand im Lehning Verlag schließlich »ein schnelles Ende«: Nick-Schöpfer Hansrudi Wäscher hatte Heft 121 der Großband-Reihe seines Helden bereits komplett gezeichnet, als das überraschende, abrupte Aus für die Serie kam. Wäscher hatte nur noch die Möglichkeit, die letzten fünf Seiten kurzfristig abzuändern und die laufende Story so wenigstens mehr schlecht als recht zu einem provisorischen Abschluss zu bringen. Ein nicht nur schnelles, sondern auch unwürdiges Ende für diese großartige Serie, wie unzählige Nick-Fans bis heute finden.

Als dann im Lauf der 1970er Jahre die ursprünglich vorgesehenen fünf letzten Seiten von Großband 121, mit einem überaus spannenden Cliffhanger und dem Verweis auf das geplante Folgeheft der Öffentlichkeit zugänglich wurden, heizte das die Sehnsucht der treuen Nick-Leser weiter an: Wie wäre es wohl im Großband 122, der den Titel »Der Stützpunkt« getragen hätte, weitergegangen? Welche weiteren Gefahren hätten Nick und seine Freunde bis zu ihrem Sieg über die unheimlichen Invasoren noch bestehen müssen? Würde Hansrudi Wäscher uns dies jemals verraten?

Doch es sollte insgesamt 40 Jahre dauern, bis all diese Fragen tatsächlich noch eine Antwort fanden: Als nämlich 2006 Norbert Hethke, Wäschers damaliger Verleger und der Mann, der den Freunden klassischer Comics so viele Wünsche erfüllte, mit seinem Nachdruck der Nick-Serie bei Großband 191 angelangt war (da der Hethke-Nachdruck mit den Piccolos beginnt, bringt er es auf 70 Nummern mehr als die Lehning-Original-Großbände), wurde die Handlung wahrhaftig auf die Hefte 192 und 193 ausgeweitet, für die Altmeister Wäscher insgesamt mehr als 40 neue Comicseiten schuf. Was lange währt, wird endlich gut!

Bei der vorliegenden Romanfassung der fraglichen Geschichte hat Autor Thomas Newton wieder einmal beide Versionen berücksichtigt: Nachdem er zunächst in 9 Kapiteln die Fassung aus den Lehning-Originalen adaptiert hat, folgt in einem Anhang, an Kapitel 8 anschließend mit vier neuen Kapiteln 9 bis 12, der veränderte und erweiterte Hethke-Abschluss.

Dabei beachtet Thomas auch die feinen Nuancen und Unterschiede, mit denen Wäscher die beiden Varianten ausgestattet hat, und erlaubt so den Lesern einen interessanten Vergleich.

Vielen Dank, lieber Thomas, für dein tolles Engagement für diesen Roman und die ganze Serie!

Ja, und mit dem vorliegenden Buch ist nun diese Reihe mit Adaptionen aller klassischen Nick-Abenteuer nach insgesamt 19 Bänden abgeschlossen. Aber die neuen Romane von Fred Hartmann sowie weiterhin erscheinende Comics zeigen es überdeutlich: Nick lebt und bereist mit seinen Freunden auch in Zukunft die Weiten des Weltraums!

 

Ingraban Ewald

November 2022

 

 

 

EINS

 

Nick sah dem Ballon nach, bis er hinter dem Grat des Gebirgszugs verschwunden war. Trotz der Zuversicht, die er seinen Kameraden gegenüber ausstrahlte, war ihm bewusst, wie sehr ihr Überleben davon abhing, dass ihnen das Glück auch weiterhin gewogen war.

»Hoffen wir, dass Sergeant Burk wohlbehalten sein Ziel erreicht«, wandte er sich an die Männer um ihn herum. »Für uns kommt es jetzt darauf an, dass wir die nächsten drei oder vier Tage überleben. Früher ist keine Hilfe von der Station zu erwarten. Diese Wartezeit wird uns auf eine harte Probe stellen …«

»… zumal wir nicht wissen, ob nach Ablauf dieser Frist auch wirklich Hilfe kommt«, warf Xutl ein. Der Marsianer blickte Nick mit einem angespannten Gesicht an.

»Wir müssen daran glauben!«, erwiderte der Weltraumfahrer mit Nachdruck. »Burk ist unsere letzte Hoffnung.«

»Das kann man wohl sagen«, ließ sich Xutl nicht beirren. »Zu Fuß erreichen wir die Station nie. Das Gebirge ist unüberwindlich.«

Nick sah seinen Freund nachdenklich an und nickte kurz. »Kommt«, forderte er die Männer auf. »Wir suchen uns einen geschützten Lagerplatz.«

»Nein, wartet!«, rief Ralph Moth, die ehemalige rechte Hand von Harry Cates, und schüttelte vehement den Kopf. Ihm perlte wie allen unter der drückenden Hitze der Venus der Schweiß von der Stirn. »Wir können nicht von hier fort. Man wird uns sonst nicht finden!«

»Unsinn, Moth«, entgegnete Nick. Er wies auf die Felswand des hoch aufragenden Gebirges. »Wir schlagen unser Lager weiter oben in einer Höhle auf. Glauben Sie, wir sehen das Suchflugzeug von dort nicht?«

Davon ließ sich Moth nicht überzeugen. »Nein, nein!«, antwortete er mit sich überschlagender Stimme. »Ich rühre mich nicht …«

Der Rest seiner Worte ging in einem dröhnenden Stampfen unter. Unter ihren Füßen erzitterte die Erde. Aus dem Augenwinkel sah Nick einen gewaltigen Schatten und zuckte zusammen. »Alle zu Boden!«, forderte er die Männer auf. »Schnell!«

Sie sahen ihn überrascht an, wie er zwischen den dicht wachsenden Grasbüscheln Schutz suchte. Während Tom und Xutl seiner Anweisung folgten, blieben die anderen stehen und sahen sich verwirrt um.

Ein wütendes Grollen erfüllte die Luft, als der gedrungene Körper einer riesigen Echse aus dem Dschungel brach. Ihr Kopf fuhr suchend umher, wobei die beiden Hörner, die aus der Stirnplatte wuchsen, wie Speerspitzen durch die Luft fuhren.

Die Echse schnaubte kurz, dann richtete sie ihre blutunterlaufenen Augen auf die Gruppe Männer, die nur wenige Meter von ihr entfernt standen.

Jetzt warfen sich auch die anderen Männer zu Boden, doch der Saurier scharrte bereits mit einem Bein.

»Zu spät!«, presste Nick hervor. »Das Untier hat uns gesehen. Bleibt liegen!«, rief er seinen Kameraden zu. »Ich lenke es ab. Lauft zu den Höhlen, sobald das Tier außer Sicht ist.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang er auf, schrie und wedelte mit den Armen. Der Saurier, der gerade noch dabei war, auf die Gruppe zuzupreschen, hielt in seinem Lauf inne und richtete den Kopf auf den Weltraumfahrer.

»Halt, Nick!«, rief Xutl und hob den Arm, um ihn aufzuhalten.

Nick jedoch hatte keine andere Wahl mehr, als vor dem Ungetüm davonzulaufen, das nun auf seinen kurzen, stämmigen Beinen auf ihn zurannte. Er wusste, dass er auf der Lichtung keine Chance gegen den Saurier hatte, dessen Schnauben mit jedem verstreichenden Augenblick immer näher kam.

Hastig sah er sich um. Selbst die Urwaldriesen würden ihm keinen Schutz bieten. Bevor er einen erklommen hatte, hatte ihn der Saurier längst erreicht. Und die kleineren würde er mit seinem massigen Leib wie Streichhölzer umknicken, ohne sich von ihnen aufhalten zu lassen.

Der Atem brannte in seinen Lungen, die Pilotenkombination klebte schweißdurchtränkt an seinem Körper. Nicks Augen fuhren suchend umher. Er war kurz davor, die Hoffnung aufzugeben, als er vor sich ein schlankes Gebilde erblickte, das wie ein filigraner Baum wirkte, dessen Äste im Wind wehten.

Doch es waren keine Äste, sondern Tentakel, die suchend durch die Luft fuhren, stets auf der Suche nach unvorsichtiger Beute, die in ihre Reichweite kam.

Diese fleischfressende Riesenpflanze war seine Chance! Er hielt darauf zu und konnte nur hoffen, dass der Saurier ihm blindlings folgte, ohne auf die drohende Gefahr zu achten.

Nick erreichte die ersten Fangarme. Sie bildeten ein solch dichtes Gewirr, dass er all seine Gewandtheit aufbieten musste, um ihnen zu entkommen. Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er einen von ihnen berührte. Sofort richteten sich mehrere Tentakel nach ihm aus und versuchten, nach ihm zu greifen.

 

 

Mit einem verzweifelten Hechtsprung brachte sich Nick in Sicherheit und rollte über den Boden. Er rechnete jeden Augenblick damit, dass ihn nun weitere Fangarme packen würden, solange er hilflos auf dem Boden lag.

Doch stattdessen hörte er ein wütendes Grollen und Brüllen, das rasch in einen klagenden Laut überging. Der gewaltige Saurier hatte seinen Lauf nicht mehr aufhalten können und hatte sich rettungslos in dem Gewirr der Pflanzenarme verfangen. Scheinbar mühelos warf ein Dutzend der taudicken Arme den Koloss auf die Seite, sodass er hilflos mit den Beinen strampelte.

Nick stützte sich auf die Hände und atmete auf. Der Saurier würde keine Bedrohung mehr für sie darstellen. Vorsichtig sah er sich um. Keiner der Fangarme schien noch nach ihm zu suchen. Die Pflanze musste all ihre Kraft aufwenden, um den tobenden Saurier in ihrer Umklammerung zu halten.

Vorsichtig erhob sich der Weltraumfahrer, um durch unachtsame Schritte nicht auf sich aufmerksam zu machen, und tauchte in den Dschungel ein.

 

*

Xutl machte sich schwere Vorwürfe.

Er hätte nicht zulassen dürfen, dass Nick den Saurier völlig auf sich gestellt ablenkte. Sollte ihm etwas zustoßen, wüssten sie nicht einmal, wo sie nach ihm suchen sollten.

Der Marsianer stand auf einem Vorsprung, auf dem die Gruppe Rast machte, und blickte auf das Tal unter sich. Er schirmte die Augen mit einer Hand vor der Sonne ab und achtete auf jede noch so kleine Bewegung.

Die Männer saßen um ihn herum am Boden. Vielen von ihnen waren die Erschöpfung und die Strapazen der vergangenen Wochen ins Gesicht geschrieben. Sie hielten sich nur noch durch den schieren Überlebenswillen aufrecht.

Neben sich hörte er das Knirschen von Sohlen auf dem Gestein. Er warf einen schnellen Blick zur Seite und erkannte Tom Brucks neben sich. Der Biologe sah ihn fragend an. Xutl schüttelte nur den Kopf und richtete seine Augen wieder aufs Tal. Die heiße Luft flimmerte zwischen den Bäumen, und so glaubte er zuerst, er hätte sich getäuscht, als er eine Bewegung wahrnahm. Doch als die Gestalt einen Arm hob und zu ihm hochwinkte, atmete der Marsianer erleichtert auf.

»Da kommt Nick!«, teilte er den anderen mit.

»Gott sei Dank!«, stieß Tom neben ihm aus. Er hob nun seinerseits die Hand und winkte zurück. »Hierher, Nick!«

Die übrigen Männer sahen gespannt zu, wie die kleine Gestalt den steil ansteigenden Hügel erklomm. Endlich hatte Nick die Gruppe erreicht und begrüßte die Männer mit einem schiefen Lächeln. Mit knappen Worten erzählte er, was geschehen war.

»Nun, Mister Moth«, schloss er, »sind Sie jetzt auch davon überzeugt, dass wir uns einen sicheren Unterschlupf suchen müssen?«

Ralph Moth rang sich ein gequältes Lächeln ab. »Das schon …«, er sah den Felsen empor und verzog den Mund. Wohl annähernd zehn Meter über ihm waren die Öffnungen im Gestein auszumachen. »… allerdings liegen die Höhlen für uns zu hoch im Felsen. Das konnte man von unten nicht sehen. Um hinaufzuklettern, ist die Felswand zu glatt.«

Nick besah sich das Gelände und musste Moth recht geben. »Holt Lianen«, wandte er sich an Xutl und Tom. »Inzwischen überzeugen wir uns, ob die Höhle unbewohnt ist.«

Er holte ein Feuerzeug hervor, das sie aus der Notausrüstung nach dem Absturz geborgen hatten, und überzeugte sich, dass es noch funktionierte. Er schnippte gegen das Rädchen, und eine Flamme zuckte empor.

»Vorher will ich aber ein Feuerchen machen, damit wir nicht unbewaffnet sind, falls es in der Höhle einen Mieter geben sollte, der nicht umziehen will!«

Er forderte die Männer auf, Zweige und Reisig zu sammeln und es zu einem Lagerfeuer aufzuschichten. Nur kurz darauf züngelten die ersten Flammen empor. Nick umwickelte einen dicken Ast an einem Ende mit abgestorbenen Pflanzenfasern und hielt ihn ins Feuer. Mit der provisorischen Fackel in der linken Hand hob er einen handlichen Stein auf.

Auffordernd sah er die Männer an, es ihm gleichzutun.

»So, nun werfen wir Steine in die Höhle.« Er wies mit der Fackel auf die Öffnung gut acht Meter direkt über ihnen.

Der erste Stein flog, dem rasch weitere folgten, die alle in der Höhlenöffnung verschwanden. Zuerst war nichts zu hören, doch dann drang ein Schaben und Kratzen wie ein Echo aus der Höhle. Mehrere der Männer keuchten entsetzt auf, als sich ihnen ein schmaler Kopf entgegenreckte, dessen Mandibeln aufgeregt schnappten.

»Himmel!«, entfuhr es Ben Jones, als der gewaltige Tausendfüßler sich mit raschen Bewegungen aus der Höhle schob.

»Tja, schön ist er nicht …«, kommentierte Nick den Anblick, während das riesige Insekt direkt auf ihn zuhielt. Kurz bevor es ihn erreicht hatte, fegte der Weltraumfahrer mit der brennenden Fackel durch die Luft.

Das Insekt hielt in seinen Schritten inne und wich zur Seite aus.

»… aber es hat Angst vor dem Feuer«, stellte er unbeeindruckt fest und trieb den Tausendfüßler, der gut zehn Meter an Länge betragen mochte, mit den Flammen vor sich her.

»Husch, weg!«, forderte Nick ihn auf. »Such dir eine andere Wohnung.«

Die Männer sahen ihm nur fassungslos zu, wie er mit scheinbar spielerischer Leichtigkeit das Insekt vertrieb, das sich über den Hang trollte und aus ihrem Blickfeld verschwand. Nick drehte sich zu seinen Begleitern um und zwinkerte ihnen zu.

Er war innerlich alles andere als gelassen, denn das Insekt stellte für einen unbewaffneten Mann eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Doch für die Männer, die nicht an die Schrecken der Venus gewohnt waren, war es entscheidend, dass sie ihre Zuversicht behielten und darauf vertrauten, dass sie die vor ihnen liegenden Tage meistern konnten.

»Hier sind Lianen«, hörte er Tom hinter sich. »Was sollen wir damit tun?«

Nick sah zufrieden das lange Seil, das sich der Biologe mehrfach um den Unterarm gewickelt hatte. »Binde sie dir um die Hüfte«, bat er seinen Freund, der der Aufforderung nachkam und zur Sicherheit einen doppelten Knoten setzte.

Nick wies die Felswand empor. »Ich bin der Untermann. Xutl, klettere du auf meine Schultern. Dann müsste Tom die Höhle erreichen können.«

»Okay, ich mache sie oben fest, und ihr klettert dann an ihr hinauf.«

Der Weltraumfahrer lehnte sich gegen den fast senkrecht ansteigenden Fels und stellte sich breitbeinig hin, um einen festen Stand zu haben. Er formte mit den Händen einen Steigbügel, an dem zuerst Xutl auf seine Schultern kletterte. Tom folgte, und der Marsianer zog ihn zu sich nach oben.

Das Gewicht der beiden Männer drückte auf seine Schultern, und Nick spürte, wie sich seine Beine unter der Belastung anspannten.

Voller Nervosität sahen ihnen die anderen Männer zu.

»Na, schaffst du es?«, meinte Xutl keuchend zu Tom.

»Nicht ganz«, stieß der Biologe aus. »Ich muss springen. Steht ihr fest?«

»Ja«, presste Nick hervor. »Los!«

Tom Brucks kaute auf seinen Lippen und warf einen raschen Blick nach unten, dann konzentrierte er sich auf die Felskante, die gut einen Meter über ihm lag und … sprang.

Der Jubel der Männer um ihn herum zeigte Nick, dass es sein Freund geschafft hatte, und der Weltraumfahrer war nicht nur wegen des nachlassenden Gewichts auf seinen Schultern wortwörtlich erleichtert. Nachdem Tom das Seil befestigt hatte, wies Nick die Männer an, Feuerholz und Nahrung zu sammeln, bevor sie sich in die Höhle zurückzogen. Gut eine Stunde später hatten sich alle Schiffbrüchigen in der Höhle eingerichtet. Sie war groß genug, um in ihr einen Schlafplatz zu finden und ihre wenigen Habseligkeiten zu lagern.

Nick schichtete am Eingang ein Lagerfeuer auf und entzündete es. Der Wind, der den Hang hinaufwehte, zog den Rauch in einer dünnen Fahne mit sich nach oben, ohne dass der Qualm in die Höhle drang.

»Es ist etwas eng hier, aber ganz gemütlich«, meinte Nick mit einem zuversichtlichen Lächeln. »Das Feuer am Eingang beschützt uns vor ungebetenen Gästen. Zu verhungern brauchen wir nicht. Wir haben genügend Früchte für die kommenden Tage gesammelt.« Er zuckte mit den Schultern. »Was wollen wir mehr?«

Tom Brucks, der Holz am Lagerfeuer nachlegte, warf einen Blick nach draußen. Unter sich im Tal konnte er sehen, wie der Tausendfüßler, den sie verscheucht hatten, einen Kampf mit einer schuppenbewehrten Echse ausfocht.

»Jetzt hängt alles von Sergeant Burk ab, ob wir dieses Abenteuer lebend überstehen«, murmelte er. »Wo mag er jetzt sein?«

»Hör auf zu grübeln«, antwortete Nick. »Das führt zu nichts.«

Doch Tom Brucks ließ sich in seinen Gedankengängen nicht aufhalten. »Vielleicht ist der Ballon im Gebirge an einem Grat hängen geblieben und zerfetzt. Ich …«

Er verstummte, als Nick ihm einen scharfen Blick zuwarf.

 

*

Immer wieder sah John Burk zu der zerbrechlich wirkenden Hülle über seinem Kopf, die vom Wind mitgetragen wurde.

Zwei Tage waren vergangen, seitdem er aufgebrochen war. Zwei Tage, in denen er kein Auge zugetan hatte. Bei jedem Knirschen oder Knacken hatte er befürchtet, die Hülle des Ballons würde aufreißen oder die Trageseile des Korbes gäben nach. Ihm war nichts anderes übrig geblieben, als auf die Launen der Gebirgswinde zu vertrauen, ihn in Richtung von Venus-Station IV zu wehen.

Ein weiterer Gebirgszug erhob sich vor ihm. Und wieder einmal torkelte der geflochtene Korb nur wenige Meter über die schroffen Steinklippen hinweg. Burk wagte sich nicht auszumalen, was geschehen würde, wenn der Wind einmal nachließ oder er in eine Turbulenz geriet.

Er rieb sich über das Gesicht. Ihm schwindelte vor Müdigkeit, und er sehnte sich das Ende seiner Reise herbei. Wie lange mochte seine Fahrt noch dauern? Die Winde hatten stärker geweht, als er erwartet hatte. Doch genauso wenig wusste er, wie weit sie ihn von seinem Ziel abtreiben mochten.

Der schmale Felsgrat aus eisenhaltigem Gestein blieb unter ihm zurück, und ein weiteres Mal breitete sich das unendlich scheinende Meer des venusianischen Dschungels unter ihm aus. Die dicht stehenden Baumwipfel reichten bis zum Horizont, nur vereinzelt unterbrochen von Hügelketten, aus denen Vulkane ragten, in deren Schlund es loderte.

Doch inmitten des Urwalds erkannte er nun eine Lichtung, und sie wirkte viel zu gleichmäßig, um natürlichen Ursprungs zu sein. Burk kniff die Augen zusammen und stützte sich auf den Rand des Korbes, als könne er so mehr Details erkennen.

Ein Krächzen löste sich aus seiner Kehle.

»Großer Himmel …«

Burk glaubte zuerst, seine Sinne narrten ihn. Die Lichtung kam immer näher und war nun noch vielleicht einen knappen Kilometer von ihm entfernt. Er konnte bereits einen Kontrollturm ausmachen, der sich zwischen den Bäumen erhob.

»Die Station …«, er wischte sie die Feuchtigkeit aus den Augen und stieß den Atem aus.

»Ich habe es geschafft!«, raunte er und wagte kaum, seinen eigenen Worten zu glauben. Doch die Lichtung, auf der Venus-Station IV errichtet worden war, blieb nach wie vor sichtbar und wirkte nun zum Greifen nahe.

Etwas jedoch erstaunte Burk. Er konnte keine Aktivitäten am Boden ausmachen. Auch keinen Aufklärer, der startete oder landete. Dabei musste man ihn doch längst geortet haben. Warum regte sich dort unten nichts?

Er zog die Strahlenpistole aus dem Holster und beschloss, mehrere Schüsse in die Luft abzugeben. Dann musste jemand in der Station auf ihn aufmerksam werden. Er zielte auf den freien Himmel und drückte drei Mal den Abzug durch.

Gleißend hell durchschnitten die Strahlen den blassblauen Himmel und verloschen.

Burk wartete mehrere Minuten lang. Noch immer war keine Aktivität am Boden auszumachen.

Nichts … schoss ihm die Erkenntnis durch den Kopf. Das ist doch …

Verzweiflung machte sich in ihm breit, als er noch etwas anderes bemerkte. Der Wind hatte sich gedreht. Langsam aber sicher begann der Ballon abzutreiben. Burk blieb nichts anderes übrig, als zu landen. Er zog die Reißleine, und die heiße Luft entwich mit einem Zischen.

Unkontrolliert ging der Ballon rasch tiefer. Der Korb streifte über die obersten Baumwipfel und kam ins Taumeln. John Burk hielt sich mit beiden Händen fest, um nicht herausgeschleudert zu werden. Als sich der Korb an einer Astgabel verfing und zur Seite kippte, machte der Sergeant einen weiten Sprung nach draußen und fing seinen Schwung mit aller Kraft an einem breiten Ast ab.

Der Ballon hielt der Belastung nicht mehr Stand. Der Korb brach knirschend auseinander, während die Hülle schlaff über zahlreichen Ästen lag.

Burk schnaufte und begann den Abstieg über den Ast. Kopfschüttelnd sah er in die Richtung, in der die Station lag.

Das hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich die letzte Strecke zu Fuß zurücklegen muss!

Er zog die Strahlenpistole. So kurz vor dem Ziel wollte er nicht das Opfer eines Raubsauriers werden …

 

*

Mit dem Ballon wären es nur wenige Minuten gewesen. Zu Fuß jedoch brauchte Sergeant Burk Stunden, um sich durch den Urwald zu kämpfen. Es war schon spät am Nachmittag, als er völlig entkräftet endlich die Lichtung erreichte, in der die Station eingebettet lag.

Die flachen Bauten lagen direkt vor ihm. Die Tore im Schutzzaun, die eigentlich versperrt sein sollten, standen offen. Ohne Mühe konnte Burk das Gelände betreten und sah sich um. Noch immer war keine Menschenseele zu sehen.

Die Station lag wie ausgestorben vor ihm.

»Hallo? Haaallllloooo?«, rief er und wedelte mit den Armen. Vergebens. Es erfolgte keine Antwort.

Seine Lippen zuckten. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah sich hastig nach allen Seiten um. Minutenlang stand er nur da, ohne zu wissen, was er machen sollte. Endlich löste er sich aus seiner Erstarrung und ging kurz entschlossen auf das Zentralgebäude zu.

Alles machte einen makellosen Eindruck. Die Gebäude wiesen weder Zeichen von Verwitterung noch von Zerstörung auf. Burk fiel es vor Müdigkeit zunehmend schwerer, sich zu konzentrieren.

Er betrat die Kommandozentrale der Station. Auch hier waren sämtliche Räume verlassen. Alle Apparaturen arbeiteten weiterhin einwandfrei. Kontrolllichter zeigten ihm an, dass die Anlage vollkommen funktionstüchtig war. Er suchte nach der Konsole, die die Stationssicherheit überwachte, und schaltete die Schutztore wieder ein, damit keine Raubtiere auf das Gelände vordringen konnten.

Dann machte er sich auf den Weg zu den Mannschaftsquartieren.

Er unterdrückte den Wunsch, sich einfach in ein Bett fallen zu lassen und so lange zu schlafen, bis alle Erschöpfung von seinen Gliedern abgefallen war. Dafür war die Anspannung in ihm viel zu groß. Er eilte durch die Räume der Besatzung und fand überall deutliche Zeichen eines überstürzten Aufbruchs. Schranktüren und Schubladen standen offen. In manchen Quartieren lag Kleidung wild auf dem Boden verteilt.

Es sah so aus, als sei die Besatzung geflohen. Aber wovor? Burk konnte weder hier noch in den Gebäuden, die er bereits betreten hatte, Anzeichen für einen Kampf entdecken.

Die verlassenen Gänge wirkten unheimlich, und Burk war, als spüre er unsichtbare Augen, die sich auf seinen Rücken richteten und jeden seiner Schritte beobachteten. Er rang die in ihm aufsteigende Angst nieder und hastete zum Hangar hinüber. Dabei warf er immer wieder einen Blick über die Schulter, als rechne er damit, von einem unbekannten Verfolger überrascht zu werden.

Das Hangartor lag verschlossen vor ihm. Burk hämmerte mit der flachen Hand gegen den Öffnungsschalter. Das schwere Rolltor glitt mit scheinbar aufreizender Langsamkeit nach oben, bis es endlich den Blick auf den Hangar freigab.

Burk keuchte erleichtert auf. Die Anspannung fiel etwas von ihm ab. Sämtliche Helicars waren noch hier.

Er verlor keine Zeit damit, Proviant zu sammeln oder sich ein wenig Ruhe zu gönnen. Sein einziger Gedanke galt den Männern, die er vor Tagen im Nirgendwo zurückgelassen hatte. Und mit einem Helicar konnte er die gesamte Strecke innerhalb kürzester Zeit zurücklegen.

Er steuerte einen der Flugwagen ins Freie und schoss mit Höchstgeschwindigkeit auf das Gebirge zu, das weit vor ihm am Horizont im Dunst verborgen lag.

 

 

 

ZWEI