Nick Sonderband - Markus Kastenholz - E-Book

Nick Sonderband E-Book

Markus Kastenholz

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Beschreibung

Bei Comiclesern der ersten "goldenen" Generation sind sie bis heute unvergessen: Die Piccolo-Sonderbände, herrliche vierfarbige Großbände, in denen der Walter Lehning Verlag ab 1954 abgeschlossene Abenteuer fast all seiner Piccolo-Helden veröffentlichte. In der Endphase der Reihe kamen 1958 auch noch drei Hefte zu den Abenteuern des Weltraumhelden NICK heraus, mit deren Veröffentlichung kurz zuvor begonnen worden war – natürlich alle ersonnen und gezeichnet von nimmermüden Hansrudi Wäscher. Der vorliegende Sonderband bringt nun die Romanadaptionen jener drei Geschichten und stellt damit die unverzichtbare Ergänzung unserer regulären NICK-Buchreihe dar. JAGD AUF R3, SCHIFFBRUCH IM WELTRAUM, ANGRIFFAUS DEM WELTALL – drei weitere Trips in eine Zeit, in der dem menschlichen Forschergeist in den unendlichen Weiten des Alls keine Grenzen gesetzt zu sein schienen … Diese werkgetreue Umsetzung umfasst den Inhalt der drei Piccolo-Sonderbände 29, 32 und 33 von Hansrudi Wäscher.

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Seitenzahl: 209

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Originalausgabe September 2014

Charakter und Zeichnung: Nick © Hansrudi Wäscher / becker-illustrators

Text © Achim Mehnert

Copyright © 2016 der eBook-Ausgabe Verlag Peter Hopf, Petershagen

Lektorat: Edelgard Mank

Umschlaggestaltung: etageeins, Jörg Jaroschewitz

Hintergrundillustration Umschlag: © Karelin Dimitriy – fotolia.com

E-Book-Konvertierung: Thomas Knip | Die Autoren-Manufaktur

ISBN ePub 978-3-86305-198-3

www.verlag-peter-hopf.de

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Hansrudi Wäscher wird vertreten von Becker-Illustrators,

Eduardstraße 48, 20257 Hamburg

www.hansrudi-waescher.de

Alle Rechte vorbehalten

Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse sind rein fiktiv.

Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Begebenheiten, mit lebenden oder verstorbenen Personen wäre rein zufällig und unbeabsichtigt.

Inhalt

JAGD AUF R 3

EINS

ZWEI

DREI

SCHIFFBRUCH IM WELTRAUM

EINS

ZWEI

DREI

ANGRIFF AUS DEM WELTALL

MARKUS KASTENHOLZ

Vorwort zum Nick-Sonderband

Kinder und Jugendliche sind heute für die Werbung eine begehrte Zielgruppe. Sie verfügen über eine erstaunliche Kaufkraft und haben fast unbegrenzten Zugang zu allen modernen Medien.

In den 1950er Jahren war das ganz anders: Das Taschengeld, so es denn überhaupt eines gab, bewegte sich oftmals im Pfennig-Bereich. Kaum ein Haushalt hatte schon einen Fernseher. Und selbst der Besuch des örtlichen »Flohkinos« für den »Sonntagnachmittags-Western« war für den Nachwuchs jener Jahre zumeist unerschwinglich.

Eine Gelegenheit aber gab es, dem tristen Alltagsgrau Nachkriegsdeutschlands zumindest für eine kurze Zeit zu entrinnen und sich in ferne, abenteuerliche Welten zu träumen: die Piccolos, jene legendären Comichefte im Streifenformat, die vor allem der Walter Lehning Verlag seit 1953 mit großem Erfolg publizierte. Mit 32 Seiten Umfang, in Schwarz-Weiß günstig produziert und zum Preis von 20 Pfennig erhältlich, waren sie wie geschaffen für die Bedürfnisse und Möglichkeiten der kindlichen, überwiegend männlichen Leserschaft.

Von Zeit zu Zeit freilich gab es auch deutlich höherpreisige, besondere Glanzpunkte im selben Verlag: die Piccolo-Sonderbände, abgeschlossene Geschichten mit den Helden der Streifenhefte, im Großbandformat und vollständig vierfarbig, in einer Kolorierung, von der eine ganze Generation bis heute schwärmt. Ein solches Schmankerl zum schwindelerregenden Preis von 60 Pfennig bekam man damals allerdings in der Regel nur zwischen die Finger, wenn man es sich zum Geburtstag oder ähnlichen Anlässen schenken ließ oder infolge einer guten Tat oder einer Eins im Schulzeugnis einmal einen so unerhörten Geldbetrag als Belohnung erhielt …

Kam bei diesen Sonderbänden anfangs noch italienisches Lizenzmaterial zum Einsatz, so war es schnell auch hier nur noch Lehnings »Hauszeichner« Hansrudi Wäscher, der für die Gestaltung der Hefte verantwortlich war. Ja, selbst zu Importen aus Italien wie Fulgor oder Raka steuerte der beliebte Künstler Sonderbände bei!

So erschienen in den Piccolo-Sonderbänden und den Bildabenteuern, der Nachfolgereihe in den 1960ern, auch eine ganze Anzahl abgeschlossener Abenteuer mit den Helden Nick, Tibor und Falk, deren Erlebnisse gerade im Verlag Peter Hopf als Romane adaptiert werden. Peter hat sich nun entschlossen, sich auch dieser Sonderband-Geschichten anzunehmen und sie in eigens zusammengestellten Sonderbänden herauszubringen.

Zuvor galt es indes noch eine Frage zu beantworten, über die eingefleischte Wäscher-Fans seit Jahrzehnten diskutieren: Wo in der Haupthandlung der regulären Piccolos sind die Sonderband-Abenteuer jeweils chronologisch einzuordnen?

Wo findet sich eine Lücke, eine Ruhepause der Helden, in der die betreffenden zusätzlichen Erlebnisse sinnvoll eingeordnet werden können? In dem Bewusstsein, dass es da sicherlich manchmal mehrere plausible Möglichkeiten gibt, haben wir uns von zwei Kriterien leiten lassen, nämlich erstens dem Entstehungszeitraum der Sonderbände parallel zu den Piccolos und zweitens dem Bestreben nach einer möglichst stimmigen Gesamtchronologie.

Dem Ergebnis dieser Überlegungen folgend, sollen die Sonderbände jeweils zum geeignetsten Zeitpunkt zwischen den »normalen« Romanen erscheinen.

Im Fall Nick kamen die drei Piccolo-Sonderbände Jagd auf R3, Schiffbruch im Weltraum und Angriff aus dem All allesamt schon 1958, dem Startjahr der Piccoloserie, heraus, noch bevor die Helden dort zunächst mit der Reise in den Mikrokosmos und später mit der ersten interstellaren Expedition des Sternenschiffs die Grenzen unseres Sonnensystems sprengten.

Die Sonderbände hingegen spielen – deutlich erkennbar – noch im bekannten Bereich unserer Nachbarplaneten.

Um konkret zu werden, muss die erste Story um das Raumschiff R3, Jagd auf R3, und den gleichnamigen revolutionären Antrieb unseres Erachtens nach dem zweiten regulären Abenteuer eingeordnet werden, denn als die von den Marsianern zuvor zerstörte Forschungsstation in Nevada wieder aufgebaut wird und die erste terranische Raumschiffflotte entsteht, bemerkt Nick gegenüber seinem Freund Tom: »Sieh dir die Raketen an! Sie werden alle mit dem verbesserten R3-Antrieb von Professor Raskin ausgerüstet.« (Nick-Roman 2 – Umsturz, Seite 186)

Schiffbruch Im Weltraum hingegen, worin Nick und Tom die seltsamen »Unfälle« von Platin-Transportschiffen untersuchen, kann eigentlich nur während des längeren Urlaubs spielen, den die Freunde im Anschluss an die zweite Venus-Expedition (Nick-Roman 3) angetreten hatten.

Der dritte Sonderband schließlich, Angriff aus dem All, der die Gefährten ein weiteres Mal auf die Venus führt, passt perfekt in die Zwangspause, die Nick und Co. einlegen müssen, während der Strahler, mit dem man Dinge variabel dimensionieren kann, in das Sternenschiff eingebaut wird (siehe Nick-Piccolo 48, Seite 30).

Es ist also die Phase, als erste Abenteuer mit diesem Strahler und auch eine erste Expedition ins Innere eines Eisenwürfels bereits hinter den Freunden liegen (diese Ereignisse werden im regulären Roman 4 geschildert), die eigentliche Reise in das atomare Universum (Gegenstand von Roman 5) aber noch bevorsteht. Selbst die Angaben, dass die während der zweiten Venus-Expedition entstandene Station zu diesem Zeitpunkt ein Jahr besteht, lässt sich bestens mit dieser Einordnung vereinbaren.

Nach dem zweiten, dritten und vierten regulären Roman also spielen die drei Abenteuer in diesem Buch. Peter Hopf hat die goldene Mitte gewählt und schiebt sein Erscheinen nach dem dritten Roman ein. Eine gute Entscheidung, wie ich finde.

Nun aber genug der Chronologie-Debatte! Möge der Leser spannende und unterhaltsame Stunden bei der erstmaligen Lektüre oder beim Wiederentdecken der vorliegenden, weit mehr als ein halbes Jahrhundert alten Geschichten erleben, die zwar einen ganz anderen Erzählrhythmus als die langen Fortsetzungszyklen haben, auf ihre Art aber nicht weniger gelungen sind.

Hier wie dort: WÄSCHER AT HIS BEST!

Ingraban Ewald

TEIL EINS

JAGD AUF R 3

EINS

Der Himmel über dem Versuchsgelände in Nevada war strahlend blau. Fast so leuchtend wie ein Ozean, der sich um eine Südseeinsel schmiegt. Nur wenige Wolken zogen knapp über dem Horizont ihre Bahn. Auf das Wetter würden sie keinen Einfluss nehmen. Auch nicht auf das Klima. Das würde weiterhin angenehm warm sein und nicht zu heiß.

Der Minister für Weltsicherheit, der sich soeben der Anlage in einem gepanzerten, doppelrotorigen Hubschrauber näherte, wusste, woran das lag: Aufwendig war das Land bewässert und dadurch urbar gemacht worden. Ganz ähnlich wie bei der Großstadt Las Vegas, deren Silhouette man in weiter Entfernung, umgeben von Dunst, eher erahnen denn erkennen konnte.

Dass es sich bei diesem Gebiet um Wüste handelte, war eindeutig. Darüber konnte auch nicht hinwegtäuschen, wie viel sich hier getan hatte. Wo sich verbrannte Grasbüschel und kleine, verdorrte Sträucher unter der erbarmungslosen Gluthitze zusammengekauert hatten, breitete sich nun eine Graslandschaft aus. Bis in die nahen Berge erstreckte sie sich, um dort in üppige Vegetation überzugehen. Mit dem Wasser, das man aus tiefen Brunnen an die Oberfläche gepumpt hatte, waren auch die Pflanzen zurückgekehrt. Es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis auch größere Tiere dieses Land bevölkerten.

Im Gegensatz zu früher war es hier nicht mehr unerträglich heiß. Die Pflanzen sowie das Wasser sorgten für eine gewisse Verdunstungskälte, die das Quecksilber der Thermometer längst nicht mehr so hoch ansteigen ließ.

Damit wollte man Professor Raskin, dem Leiter der Anlage, und den vielen Menschen, die zusammen mit ihm hier arbeiteten, möglichst optimale Bedingungen schaffen. Immerhin, hier griff man tagtäglich aufs Neue nach den Sternen. Hier wurde die Zukunft gemacht.

Der Minister für Weltsicherheit kam gelegentlich hierher, denn das Versuchsgelände fiel in sein Ressort. Immer wieder gab es mit dem Professor etwas zu besprechen. Extrem wichtige Themen – und geheim noch dazu. Dafür wollte keiner von beiden die üblichen Kommunikationskanäle nutzen. Die Nationen der Erde mochten geeint sein; Spione eines anderen, rivalisierenden Staates gab es schon seit über dreißig Jahren nicht mehr. Andererseits ließ sich nicht leugnen, dass es noch andere Mächte gab, auf die es achtzugeben galt. Mächte außerhalb des Parlaments: Banditen! Es hätte fatale Folgen haben können, wäre es ihnen gelungen, jene Gespräche abzufangen. Manches davon war nur für ihre vier Ohren bestimmt.

Nein, verbesserte sich der Minister in Gedanken. Nicht für vier, sondern für sechs.

Meistens konferierten sie zusammen mit Nick. Er besaß ihr uneingeschränktes Vertrauen, vor ihm hatten sie keine Geheimnisse. Mit seiner teils umsichtigen, teils tollkühnen Art war er ihnen beiden eine unersetzliche Hilfe und im besten Sinne des Wortes ein Mann der Tat, der nie den Überblick verlor.

Wann immer er hierherkam, staunte der Minister. Jedes Mal aufs Neue hatte er den Eindruck, das Versuchsgelände sei noch ein wenig größer geworden, ein wenig imposanter – und futuristischer.

Dann fühlte er sich plötzlich wieder wie der kleine Junge, der er einst gewesen war. Dessen kindliche Phantasie ihn davon hatte träumen lassen, Astronaut zu werden, sobald er erwachsen wäre, und in einer vom blanken Stahl glitzernden Rakete zu sitzen, durchgeschüttelt zu werden von den Feuer speienden Triebwerken unter sich und die Sterne zu bereisen – jene fremden Sonnen, die am nächtlichen Himmel über seinem Elternhaus funkelten, Diamanten gleich, die auf ein dunkles Tuch geworfen worden waren.

Nur ein Traum, der wohl nie Wirklichkeit werden würde …

Dennoch meinte er in diesem Moment, da er mit großen Augen dicht am Fenster des Hubschraubers saß und hinaussah, er sei wieder der kleine Junge von damals.

Allein der Anblick, der sich ihm bot, ließ ihn dazu werden: ein riesiges Areal, das sich unter ihm erstreckte. Teilweise war es betoniert, teilweise gab es zahlreiche Grünflächen zwischen den Landebahnen, den Straßen und den sechs durchnummerierten ›Bahnen‹, wie man die Plätze nannte, von denen aus die Raumschiffe starteten.

Dazwischen erhoben sich Gebäude: Kontrolltürme, Treibstofftanks, Lagerhallen, Hangars sowie Dutzende einstöckiger Häuser. Darin befanden sich unter anderem die Büros der Mitarbeiter, in einem davon auch das von Professor Raskin. Ganz zu schweigen von den unterirdischen Anlagen …

Der Minister entdeckte Gerüste, Kräne und Abschussrampen. An einem Raumschiff wurde gerade gearbeitet: ein titanenhaft erhobener Finger, fast mahnend gen Himmel gereckt, wie um die Menschheit zu warnen, niemals wieder dem Wahnsinn des Wettrüstens zu verfallen und damit ihre eigene Existenz zu bedrohen.

Ein Funkspruch kam herein:

»Landen Sie auf Bahn vier! Professor Raskin erwartet Sie! Ende!«

Die Stimme aus dem Tower ließ die fragile Seifenblase der Nostalgie platzen. Während der Hubschrauber das vorgesehene Feld ansteuerte, wurde aus dem kleinen Jungen von einst wieder der Minister für Weltsicherheit von heute.

*

Kurz nach der sicheren Landung des Hubschraubers brachten zwei Uniformierte der Werkspolizei den Minister zu Professor Raskins Büro. Es lag in einem der zahlreichen einstöckigen Gebäude auf dem Gelände. Eine breite Treppe führte auf eine dem Eingang vorgelagerte Terrasse.

Keine hundert Meter entfernt erhob sich das Raumschiff, das er aus der Luft gesehen hatte. Aus der Nähe wirkte es noch faszinierender: ein spitz zulaufender Torpedo, der im Winkel von sechzig Grad nach oben gerichtet war. Vier Stummelflügel ragten am unteren Drittel hervor, die wiederum in raketenförmigen Auswüchsen endeten. Sie dienten als Landestützen und zur Stabilisierung des Flugs. Für den Schub sorgte das gewaltige Triebwerk im Heck.

Aufrecht gehalten wurde das Schiff von Gerüsten und Stahlklammern. Die Mannschaften in den fahrbaren Kränen schienen Wartungsarbeiten an dem Weltraumkoloss vorzunehmen.

Zusammen mit Nick erwartete Professor Raskin den Minister vor dem Eingang zu seinem Büro. Beide schienen sichtlich erfreut, ihn zu sehen, hatte er sich doch als zuverlässiger und rechtschaffener Partner für ihre gemeinsame Sache erwiesen.

»Was führt Sie zu mir, Exzellenz?«, begrüßte ihn der Professor, als der Minister das obere Ende der Treppe erreicht hatte. »Hat Nick bei seinen Probeflügen gegen irgendwelche Raumvorflugsrechte verstoßen?«

Dazu lachte er herzlich, ebenso wie Nick, der neben ihm stand: ein groß gewachsener, athletisch wirkender Mann mit schwarzem Bürstenhaarschnitt. Er trug einen roten Overall und – wie es die Vorschriften verlangten – ein Holster mit Strahlenpistole am Gürtel. Am auffälligsten an Nick waren seine Augen. Sein aufmerksamer Blick schien überall zu sein. Nichts schien ihm zu entgehen.

»Aber nein!«, schmunzelte der Minister und drückte den beiden Männern zur Begrüßung die Hände. Ihnen allen war klar, dass Nick niemals gegen die Gesetze verstoßen und damit sich oder andere fahrlässig einem Risiko aussetzen würde.

Professor Raskin bat sie in sein Büro. Es bestand aus einem einzigen großen Raum, der von einem schweren, massiven Schreibtisch dominiert wurde. Zwei Sessel für Besucher standen davor, einer dahinter. Das Diagramm eines Atommodells nahm den größten Teil der Wand ein. Es schien dem Professor halb zur Dekoration zu dienen, halb zur Inspiration.

Der Minister räusperte sich. Plötzlich war er sehr ernst.

»Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich möchte mich nach dem Stand der Arbeiten an Ihrem neuen Projekt erkundigen. Die Raumpolizei drängt!«

Mit einer Geste bat der Professor seine Gäste, Platz zu nehmen. Während sich der Minister setzte und er selbst sich hinter dem Schreibtisch niederließ, zog Nick es vor, stehen zu bleiben.

Der Minister klang sichtlich besorgt: »Seit dieser Weltraumpirat die Mondfrachter ausplündert, braucht die Raumpolizei unbedingt schnellere Kreuzer.«

Der Professor nickte. Seit geraumer Zeit wurden die Frachter, die die abgebauten Erz- und Nickelvorkommen vom Mond zur Erde transportierten, von einem Piraten-Raumschiff überfallen. Wie aus dem Nichts schlug es zu und raubte sie aus. Bis die herbeigerufene Raumpolizei an Ort und Stelle war, war der Pirat bereits verschwunden. Er war zu schnell, als dass man auch nur den Hauch einer Chance hatte, ihn einzuholen und dingfest zu machen.

Mit Nachdruck arbeitete der Professor an der Lösung dieses Problems. Gestern war ihm schließlich der Durchbruch am Projekt der schnellen Raumkreuzer gelungen. Er war froh, dass er es dem Minister persönlich sagen konnte:

»Sie können den Kommandanten beruhigen, Exzellenz. Die Berechnungen sind fast fertiggestellt. Wir können in wenigen Tagen mit dem Bau von R 3 beginnen.«

Die Miene des Ministers hellte sich sichtlich auf.

»Gott sei Dank!«, seufzte er erleichtert.

Die exakten Zusammenhänge des Projekts waren ihm freilich unbekannt. Schließlich war er Politiker, kein Wissenschaftler. Er wusste nur, R 3 würde nicht nur das modernste Raumschiff von allen werden, das Besondere daran sollte der Antrieb werden. Keine Rakete von Menschenhand war je auch nur annähernd so schnell durch die Weiten des Alls gejagt wie der geplante Kreuzer R 3.

Mehr musste er vorerst auch gar nicht wissen. Vermutlich hätte er die Details ohnehin nicht verstanden. Entscheidend war für ihn nur eines: Einige Kreuzer der Raumpolizei mit solchen Triebwerken sollten mit Leichtigkeit dazu führen, den Banditen das Handwerk legen zu können.

*

Die drei Männer in Professor Raskins Büro konnten nicht ahnen, dass sie einen ungebetenen Zuhörer hatten.

Einer der Techniker, ein Mann im grünen Overall, hatte sich unbemerkt auf die Terrasse geschlichen. Eng presste er sich an die Hauswand, um unentdeckt zu bleiben. Durch eines der offenen Fenster hörte er jedes Wort, das im Büro gesprochen wurde.

Hatte er es sich doch gedacht! Als er beobachtete, wie der auffällige Diensthubschrauber des Ministers aufgesetzt hatte, war ihm klar gewesen, dass dafür ein triftiger Grund vorliegen musste. Nur bei Themen von größter Geheimhaltung kam er persönlich hierher, um sie zu erörtern. Es konnte sich nur um den Weltraumpiraten drehen. Entsprechend dem Schaden, den er und seine Beutezüge angerichtet hatten, stand dieser momentan auf Platz eins der Prioritätenliste.

Er sollte sich nicht getäuscht haben.

›Teufel!‹ dachte er sich. ›Wenn die Weltraumpolizei den neuen Antrieb bekommt, ist es aus mit dem Geschäft. Ich muss sofort handeln!‹

Ihm kam eine Idee. Vielleicht war es keine sehr gute Idee, doch eine bessere fiel ihm auf die Schnelle nicht ein. Er musste sich beeilen, selbst auf das Risiko hin, erwischt und inhaftiert zu werden.

Professor Raskin musste sterben – hier und jetzt! Ohne ihn würde das neue Triebwerk niemals realisiert werden.

Der Spion schob sich noch ein wenig dichter an das Fenster heran.

Dann zog er seine Pistole …

*

Zunächst meinte Nick, seine Sinne spielten ihm einen Streich, als er die Pistole entdeckte. Jemand stand draußen auf der Terrasse, die Waffe schussbereit in der Hand. Derjenige, der sie hielt, war nicht zu erkennen, er befand sich hinter der Hauswand. Doch das war auch gar nicht nötig.

Schlagartig reagierte Nick.

»Schnell zu Boden!«, schrie er. Er wartete nicht, bis Professor Raskin und der Minister reagierten. Gleichzeitig mit seinem Ruf hatte er den schweren Schreibtisch gepackt und mit Wucht umgestoßen. Dabei riss er die beiden vor Entsetzen erstarrten Männer von ihren Stühlen.

Vor Schreck schrie der Professor auf. »Was soll das?!«

Er und der Minister landeten unsanft auf dem Boden, neben ihnen das kastenförmige Sprechgerät, das auf dem Schreibtisch gestanden hatte und scheppernd heruntergefallen war. Dokumente, die auf dem Schreibtisch gelegen hatten, wirbelten umher.

Nick hatte den Tisch so umgestürzt, dass sowohl der Professor als auch der Minister hinter dem Tisch in Deckung lagen. Hätte der Attentäter nun durch das Fenster geschossen, hätte er lediglich das massive Holz getroffen.

Es dauerte eine weitere Schrecksekunde, bis die beiden Männer begriffen, was hier im Gange war. Der Schock freilich hielt an, doch wenigstens konnten sie sich wieder rühren.

»Geben Sie Alarm!«, rief Nick, noch bevor die letzten Schriftstücke den Boden erreichten, die auf dem Tisch gelegen hatten. »Der Bursche darf nicht entkommen!«

Da er ein Mann der Tat war, würde er sich dieser Angelegenheit annehmen.

Weder die Pistole noch die Hand, die sie umklammert hielt, waren durchs offene Fenster zu sehen. Der Lärm, den Nick gemacht hatte, schien den Attentäter vertrieben zu haben. Das Überraschungsmoment war nicht mehr auf seiner Seite, sein Plan war fehlgeschlagen.

Mit einem einzigen Sprung setzte Nick durch das Fenster hinaus auf die Terrasse.

Er musste den Kerl erwischen, um herauszufinden, für wen er arbeitete.

»Da drüben läuft er!«, sagte er sich grimmig. Er entdeckte einen Mann im grünen Overall, der davonrannte. Dieser hatte seine Pistole fallen lassen und suchte nun sein Heil in der Flucht. »Er hofft, entkommen zu können, aber ich werde ihm einen Strich durch die Rechnung machen!«

Obwohl Nick bezweifelte, dass dem Kerl die Flucht gelingen würde, wollte er ihm besser keine Gelegenheit dazu geben. Es würde nicht lange dauern, bis die Werkspolizei auftauchte. Der Attentäter mochte noch so durchtrieben sein oder gar ein Versteck finden – man würde ihn aufstöbern. Andererseits lief der Bursche direkt auf das Raumschiff zu …

Dort standen einige Kranraupen: fahrbare Lastkräne unter panzerähnlichen Halbkugeln mit Kettenantrieb. Wenn es ihm gelang, eine davon zu kapern, würde er damit wohl kaum fliehen können, dafür waren sie zu langsam. Doch Nick befürchtete, der Flüchtende würde damit viel Schaden anrichten, besonders am Raumschiff.

Er musste ihn aufhalten.

Denken und Handeln waren für Nick eins. Mit weit ausholenden Sätzen eilte er die Treppe hinab dem Mann hinterher. Schnell holte er auf, und als er bis auf wenige Meter an ihn herangekommen war, zog er seine Waffe.

»Bleib stehen oder ich schieße!«, rief er ihn an, so laut er nur konnte.

Keine Reaktion.

›Er hört nicht‹, stellte Nick fest, insgeheim den Kopf schüttelnd über so viel Starrsinn. Es hatte keinen Zweck, er musste seine Strahlenwaffe einsetzen. Nick kam zum Stehen, kniete sich mit dem linken Bein hin und stützte sich mit der linken Hand am Boden ab. Das sollte ihm zusätzliche Sicherheit geben, während seine Rechte den Knauf fest umklammert hielt. ›Ich will auf seine Beine zielen.‹

Ein toter Attentäter nützte niemandem. Der konnte seinen Auftraggeber nicht mehr verraten. Außerdem hätte Nick niemals einen Unbewaffneten von hinten erschossen.

Er legte an, zielte – und drückte ab.

Eine nadelfeine Linie aus konzentriertem Licht entfuhr der Mündung von Nicks Waffe und traf den aufschreienden Flüchtigen am Bein.

›Ich habe ihn getroffen!‹ Nick war zufrieden, er hatte seinen Gegner mit einem Streifschuss zur Strecke gebracht. Aber selbst jetzt, in dieser aussichtslosen Lage, dachte der Angreifer nicht ans Aufgeben. Mühsam schleppte er sich auf einen Hangar zu.

Nick war bewusst, dass er dem Burschen weiter folgen musste und nicht darauf vertrauen durfte, dass die Werkspolizei rechtzeitig eingriff, die sicher schon dabei war, das Gelände hermetisch abzuriegeln.

Vorsichtig näherte sich Nick dem Hangar. Seine Muskeln waren angespannt wie ein Pfeil, der von der Bogensehne schnellen wollte.

Dennoch konnte er nicht verhindern, dass er überrumpelt wurde.

Als er sich soeben um die Ecke schleichen wollte, hinter der der Mann verschwunden war, kam dieser aus seiner Deckung hervor. Es gelang ihm nicht nur, Nick ein Bein zu stellen, noch während dieser strauchelte, rammte er ihm auch das Knie in die Magengrube.

»He!«, stieß Nick überrascht hervor. Dann meinte er für die Dauer eines Wimpernschlags, all seine inneren Organe müssten explodieren. Der Tritt hatte sämtliche Luft aus seinen Lungen gepresst. Tumber Schmerz tauchte in ihm auf, der sich rasch ausbreitete und mit einem Taubheitsgefühl seiner Gliedmaßen einherging. Die Strahlenwaffe entglitt seinen Fingern, kraftlos knickten seine Beine ein.

Aber noch während er auf den Boden schlug, kehrte seine Aufmerksamkeit zurück.

Er sah den Attentäter direkt über sich. Von irgendwoher musste er sich einen schweren Schraubenschlüssel besorgt haben als Ersatz für die Pistole, die er verloren hatte.

Seine Miene war verkrampft, der Schweiß war ihm auf die Stirn geschossen, und sein linkes Bein schmerzte. Nick wehrlos vor sich am Boden liegen zu sehen ließ dennoch ein Grinsen um seine Mundwinkel huschen. Das war eine Gelegenheit, die er sich nicht entgehen lassen durfte.

Sein Griff um den Schraubenschlüssel wurde nun so fest, dass seine Fingerknöchel hell durch die Haut hervortraten. Entschlossen hob er ihn, um ihn auf Nick niedersausen zu lassen.

*

»Schnell! Nick ist in Gefahr!«, trieb ein Offizier der Werkspolizei seine drei Männer an, als sie das Bürogebäude von Professor Raskin erreichten und den Kampf zwischen Nick und dem Unbekannten sahen.

Nick war zu Boden gestürzt, sein Gegner stand über ihm. Gerade wollte dieser mit einem schweren Schraubenschlüssel zuschlagen und ihm damit den Garaus machen. Aber instinktiv griff Nick blitzschnell zu und packte ihn beim Handgelenk.

Der Hieb brach mitten in der Luft ab.

Der Offizier und seine Leute beeilten sich einzugreifen.

Aus der anderen Richtung erblickten sie weitere Uniformierte der Polizei, die zum Schauplatz der Auseinandersetzung rannten. Ebenso wie sie selbst trugen ihre Kameraden olivgrüne Monturen, Stiefel sowie einen Helm samt Halsschutz aus einem dünnen, lederartigen Material. Jeder von ihnen war bewaffnet, einige von ihnen neben dem standardisierten Handstrahler vorsichtshalber noch zusätzlich mit Strahlengewehren, deren Präzision auf größere Distanz unerreicht war. Schließlich war es angebracht, auf möglichst jedes Szenario vorbereitet zu sein.

*

Der Attentäter sah vier Polizisten aus Richtung von Professor Raskins Büro herbeilaufen. Jäh wurde ihm klar, seine Chancen, mit heiler Haut davonzukommen, sanken soeben rapide. Er konnte sich nicht länger Nick widmen, dafür war jetzt keine Zeit mehr.

Also ließ er von ihm ab und wollte fliehen.

Keine Chance. Von dort, wohin er fliehen wollte, kamen ihm weitere Uniformierte entgegen und nicht nur vier, sondern mindestens ein Dutzend.

Die Sohlen ihrer Stiefel stampften auf dem Boden und schlugen einen Takt, der ihn sämtlichen Widerstand sofort vergessen ließ. Er hatte wirklich keine Chance mehr. Sie waren nicht nur in der Überzahl, sie waren auch schwer bewaffnet, während er nur einen Schraubenschlüssel hielt.

Verwirrt blieb er stehen, an die Wand des Hangars gepresst und in die Enge getrieben. Sein Herz hämmerte so laut in seiner Brust, dass es in seinen Schläfen klopfte.

Die vier Männer schlossen zu Nick auf, der am Boden kniete. Seine Augen funkelten den Attentäter gefährlich an.

»Wir haben ihn gestellt!« Die Stimme des Offiziers hallte über das Gelände. »Nehmt ihn fest!«

Bedrohlich näherten sich die Uniformierten dem Attentäter, um den Befehl auszuführen. Dieser hob den Schraubenschlüssel – bereit, sich zur Wehr zu setzen. Nein, er würde sich nicht so ohne Weiteres festnehmen und einsperren lassen. Freilich würde er das kaum verhindern können, das wusste er. Aber wenigstens würde er seine Haut teuer verkaufen.

Dazu kam es nicht.

Nick erhob sich. Langsam, wie in Zeitlupe, stand er auf, ohne seinen Gegner dabei aus den Augen zu lassen. Es blitzte darin auf. Allerdings stürzte er sich nicht auf ihn, sondern stellte sich den heranstürmenden Polizisten in den Weg.

»Einen Augenblick!«, gebot er ihnen Einhalt mit beschwichtigend ausgebreiteten Armen. »Ich habe mit dem Kerl noch ein Hühnchen zu rupfen!«

Die Polizisten gehorchten ihm prompt; sein Wort hatte hier Gewicht. Wie eine menschliche Mauer stellten sie sich in einem Kreis herum auf. Sollte Nick das Problem nicht allein bewältigen können, würden sie zur Stelle sein.

Für Nick schien es jedoch gar kein Problem zu geben. Fast sorglos wirkte er, als er unbewaffnet auf den Attentäter zukam, ungeachtet des Schraubenschlüssels, den dieser weiterhin erhoben hielt. Ein Funkeln in Nicks Augen verriet hingegen, seine vermeintliche Sorglosigkeit war nur Fassade. Tatsächlich war er in höchstem Maße konzentriert.

Blitzschnell und noch bevor sein Gegner etwas unternehmen konnte, schlug Nick zu und verpasste ihm einen gewaltigen rechten Haken.

»Das ist für den Mordversuch an Professor Raskin!«, zischte er dabei, angewidert von der Verwerflichkeit dieser feigen Tat.

Der Hieb traf den Mann mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Während er gegen die Wand des Hangars hinter sich geschleudert wurde, entglitt der Schraubenschlüssel seinem Griff.

Ihm wurde schwarz vor Augen, Lichtreflexionen wie Sternchen tanzten auf seiner Netzhaut. Sämtlicher Widerstand war nun endgültig gebrochen.