11,99 €
Kurzfassung von "Nonstop in die Hölle": Ein Flug, der als einfache Reise nach San Francisco beginnt, entwickelt sich zu einem surrealen und verstörenden Horrortrip. Die sieben Passagiere, die für jede der Todsünden stehen, werden auf eine dunkle Probe gestellt. Nach einer turbulenten Landung in Denver zeigt sich, dass der Flughafen nicht nur ein Ort der Realität, sondern ein Tor zu einer grotesken, höllischen Welt voller Verschwörungen und Prüfungen ist. Während die Passagiere mit ihren tiefsten Sünden und Schuldgefühlen konfrontiert werden, offenbart sich der DIA als mehr als ein Flughafen – ein Labyrinth aus Albträumen, Geheimnissen und Höllenvisionen. Jeder Charakter muss sich den Konsequenzen seiner Vergangenheit stellen, bevor er sein endgültiges Urteil erhält. Mit einer Mischung aus schwarzem Humor, absurder Komik und düsterer Symbolik werden die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, Schuld und Erlösung verwischt. Die Geschichte endet mit einer makabren Erkenntnis: Für einige Passagiere geht die Reise weiter, doch die meisten haben ihr Schicksal besiegelt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Oberkapitel 1: Der goldene Käfig der Gier
Oberkapitel 2: Das Spiel der Eitelkeit – Stolz und Neid
Oberkapitel 3: Verführung und Trägheit
Oberkapitel 4: Der Zorn der Verdammten und die Crew
Oberkapitel 5: Ankunft am Frankfurter Flughafen
Oberkapitel 6: Start ins Ungewisse
Oberkapitel 8: Der Spiegel der Seele
Oberkapitel 9: Stimmen der Verdammnis
Oberkapitel 10: Die Geister der Vergangenheit
Oberkapitel 11: Die Bühne der Qualen
Oberkapitel 12: Das Urteil des Schicksals
Oberkapitel 13: Der Sturm der Reue
Oberkapitel 14: Das Tor zur Hölle
Oberkapitel 15: Zwischenlandung im Abgrund
Oberkapitel 16: Der Schatten des Zweifels
Oberkapitel 17: Denver - Willkommen in der Hölle
Oberkapitel 18: Terminal der Wahrheit
Oberkapitel 19: Der Albtraum im Untergrund
Oberkapitel 20: Hallen der ewigen Entscheidung
Oberkapitel 21: Die Kathedrale des Schweigens
Oberkapitel 22: Der Marktplatz der Eitelkeiten
Oberkapitel 23: Der Flug ins Nichts
Oberkapitel 24: Das letzte Urteil
Oberkapitel 25: Abschied von der Ewigkeit
Impressum
Vorwort:
Willkommen am Tor zur Hölle: Der Denver International Airport – kurz DIA – ist mehr als nur ein Flughafen. Es ist ein Labyrinth aus Verschwörungstheorien, eine Kathedrale des Wahnsinns, versteckt hinter glänzenden Fassaden und Rolltreppen, die ins Nichts führen.
Unter den kilometerlangen Gängen aus Neonlicht und Kaffeeduft flüstern die Schatten von Geheimgesellschaften und unheilvollen Plänen. Die berühmten Wandgemälde mit apokalyptischen Szenen? Sicherlich keine Kunstwerke, sondern geheime Botschaften, die nur jene entschlüsseln können, die bereit sind, die Wahrheit zu sehen. Und der berüchtigte „Blucifer“, die dämonische Pferdeskulptur vor dem Eingang? Ein Wächter, der die Unwissenden warnt – oder sie begrüßt?
Die Tiefen unter Denver: Unter der polierten Oberfläche des DIA verbergen sich unzählige unterirdische Tunnel, angeblich Lagerstätten und Versorgungsgänge. Doch die Gerüchte besagen etwas ganz anderes: Ein geheimes Netzwerk aus Bunkern, Zufluchtsorten für die Elite im Falle einer globalen Katastrophe, oder vielleicht… der Eingang zur Hölle selbst.
Fragen Sie sich jemals, warum der Bau des DIA das Dreifache seines Budgets verschlungen hat? Warum ein neuer Flughafen nötig war, obwohl der alte voll funktionsfähig war? Oder warum der Grundriss des Flughafens aus der Vogelperspektive wie ein… ja, genau, ein Hakenkreuz aussieht? Zufall? Ich denke nicht.
Der Schlüssel zu den Sünden: „Nonstop in die Hölle“ ist mehr als nur eine Geschichte über sieben Sünder auf einem Flug ins Ungewisse. Es ist eine Erkundung dessen, was passiert, wenn Menschen – und ihre dunkelsten Geheimnisse – mit einer Welt konfrontiert werden, die aus den wildesten Verschwörungstheorien gewebt ist. Es geht um den DIA, diesen abscheulichen Spott eines Flughafens, der in Wahrheit ein Portal ist, ein Übergang zwischen Himmel und Hölle.
Es gibt Berichte von Passagieren, die durch den DIA reisten und nie wieder dieselben waren. Stimmen in den Belüftungsschächten, ein Flüstern, das nicht vom Wind stammt. Gepäckstücke, die nie ans Ziel gelangen, und Leute, die behaupten, ihre Koffer hätten sie später in Albträumen verfolgt.
Eine Reise ins Ungewisse: Dies ist die Geschichte eines Flugs ohne Rückkehr. Sie werden die Masken der Zivilisation fallen sehen, den Glanz der Moderne verblassen und in eine groteske Welt aus Schuld, Sühne und schwarzem Humor eintauchen.
Also, schnallen Sie sich an. Der nächste Zwischenstopp ist nichts weniger als die Hölle selbst – oder vielleicht einfach nur Denver. Aber seien Sie gewarnt: Hier gibt es keine Sicherheitshinweise und keine Notausgänge.
Bereit? Dann herzlich willkommen an Bord. Nonstop in die Hölle.
Der Autor:
Kenan Öcek
Nonstop in die Hölle
Unterkapitel 1: Der Preis der Macht
Der helle, unauffällige Raum wirkte wie ein Schaufenster der Macht: glänzende Marmorböden, die jedes Ihrer Schritte so laut wie ein Kichern auf der Jagd nach Erfolg erscheinen ließen, und Wände, die nur so von Dekorationen strotzten – eine Mischung aus teuren Kunstwerken, die mehr zu verbergen schienen, als sie preisgaben, und Regalen, vollgestopft mit Auszeichnungen, als wollte die Wand selbst ein ständiges "Schau, was ich erreicht habe!" rufen.
„Ach, Markus, Sie sind wie immer zu bescheiden. Hier, schauen Sie sich das an! Das sind nur die ersten 15 Millionen, die wir durch diese Vereinbarung gemacht haben! Sie sind so großzügig mit Ihren... Entschuldigungen, dass wir diese Umweltschutzgesetze durchsetzen konnten, und dabei noch ein paar 'incentives' extra erhalten haben, wie Sie es nennen“, sagte Herr Müller, der über eine Brille aufblickte, die so teuer war, dass selbst das Gestell einen Kredit beantragen könnte.
Markus Ziegler – oder vielmehr der Mann, der einst als idealistischer Aktivist bekannt war – nickte, während er in das Glas, das er in der Hand hielt, starrte, als könnte es ihm alle Antworten geben. Es war kein Getränk, sondern eine Metapher für sein Leben: ein farbloser Cocktail aus Verrat, Absolution und einem Schuss Alkohol, den man nur mit einem Taschentuch abtupfen wollte.
„Ja, die Umwelt, Herr Müller“, sagte Markus und grinste mit einem Lächeln, das mehr nach „Ich habe einen Deal gemacht, den du nicht verstehen wirst“ roch, als nach wahrem Wohlwollen. „Aber bedenken Sie, dass der wahre Preis dieser Umweltschutzmaßnahmen nicht in unseren Taschen landen wird, sondern in den Taschen derjenigen, die in den kommenden Jahren von den Rückzahlungen profitieren. Meine ganze Karriere basiert darauf, das zu erreichen. Sicher, es wird mir ein bisschen übel, wenn ich an die Kleinigkeiten denke, die wir übersehen haben – wie, dass der Fluss nicht mehr trinkbar ist oder dass in ein paar Jahren keine Bäume mehr übrig sein könnten. Aber glauben Sie mir, das ist das, was wir für die... größere Sache tun müssen.“
Er klopfte sich selbst auf den Rücken, während Herr Müller zustimmend nickte und seine eigene Moral ins Klo spülte. Es war alles so subtil, dass man den eigentlichen Betrug beinahe nicht bemerken konnte.
„Aber Herr Ziegler“, sagte Herr Müller, „wie lange halten Sie das noch aus? Das ständige Lächeln und der Schulterklopfer mit all den Menschen, die Ihr Idealismus-Image noch für bare Münze nehmen? Und was ist mit den... Kompromissen, die Sie gemacht haben?“
Markus' Augen blitzten kurz auf – als ob jemand mit einem Schalter die Sonne verdunkelt hätte. „Kompromisse? Ach, Müllers, Komplizen“, sagte er mit einer spöttischen Betonung, die der Versuchung nachgibt, sich auf einem Hochhaus zu versammeln, und von dort aus auf alle anderen hinabzublicken. „Ich habe die Welt verändert! Und was haben Sie getan? Ihre Tasche ist genauso voll wie meine – nur ohne den Kitzel, dabei zuzusehen, wie sie an einem goldenen Draht tanzt.“
Er lehnte sich zurück und zog genüsslich an seinem Getränk. Es war, als würde er sich in einem goldenen Käfig wälzen, aber er genoss den Glanz, der ihn umgab. Was ihn noch überraschte, war die Tatsache, dass er nicht wusste, wann der Käfig tatsächlich zu einem Gefängnis wurde.
„Sagen Sie, Herr Ziegler“, sagte der Mann mit einem Grinsen, „das nächste Mal, wenn wir in einem Flugzeug sitzen, um nach Denver zu fliegen, können wir den Ausblick auf den Boden genießen und wissen, dass wir unter den Wolken die wahren Machthaber sind.“
„Ja, das nächste Mal“, erwiderte Markus, während sein Blick auf den Horizont wanderte. Es war eine dieser Fragen, die so tief im Inneren schmerzten, dass er sie weggoss, ohne sie zu beantworten. Denn was bedeuteten schon ein paar Millionen oder ein besserer Flug, wenn du dich selbst nie mehr erkennen kannst?
Unterkapitel 2: Big Business
Im üppigen, stilvoll eingerichteten Büro von Markus Ziegler, das mehr einem Spionage-Filmset als einem seriösen Arbeitsraum ähnelte, saßen er und Herr Müller an einem edelstahlglänzenden Besprechungstisch. Der Raum war mit Aktenordnern übersät, deren Etiketten wie die Bezeichnungen einer Liste von „bösen Ideen“ klangen: „Expansion, Machiavelli-Maßnahmen“, „Umweltrückstände“, „Undurchsichtige Fonds“. Auf einem Tisch in der Ecke lag eine Halbliter-Flasche Glenfiddich, als wäre es der notwendige Antrieb für diese Art von Gesprächen. Die beiden Männer, in maßgeschneiderte Anzüge gehüllt, sahen aus, als wären sie nicht nur Teil der Elite, sondern auch die Art von Menschen, die mit einer Mischung aus Charme und dunklen Absichten das „Glück“ für alle anderen definieren.
Markus lehnte sich zurück, zog eine Karte von Denver hervor und breitete sie aus. „Da“, sagte er und deutete auf eine ruhige, grüne Fläche am Rande der Stadt. „Das ist es. Der perfekte Ort für unsere Chemiefabrik. Total ungenutzt, idyllisch, und ein Indianer-Reservat. Die ideale Kulisse, um eine neue Ära von Wirtschaftswachstum zu erschaffen!“
Herr Müller, ein gutmütig wirkender Mann mit einer Brille, die so dick war, dass sie ihm fast den Blick auf seine eigenen Bewegungen nahm, blätterte durch die Papiere. „Indianerreservat? Du bist ja ein harter Hund, Ziegler. Glaubst du wirklich, dass der Häuptling uns das Land einfach so überlässt?“
Markus grinste, als hätte er gerade einen unsichtbaren Plan entschlüsselt. „Häuptling? Der alte Indianer? Der glaubt noch an Geschichten aus der Vergangenheit! Den können wir doch mit ein paar nützlichen 'Geschenken' und einem hübschen Fördervertrag auf unsere Seite ziehen. Glaub mir, der wird sich schnell den Magen mit ‘ner halbherzigen Sozialhilfe füllen, während wir unsere Chemiefabrik mitten in seinem Heimatland bauen.“
Herr Müller zog die Augenbrauen zusammen. „Und du denkst wirklich, wir können ihn einfach 'ums Ohr hauen'? Das ist… nun, das ist fast schon genial.“
„Exakt!“, rief Markus, während er in einem Übermaß an Begeisterung in seinem Stuhl wippte, als würde die Welt nur darauf warten, dass er das nächste große Ding präsentiert. „Wir kaufen ihm ein paar Kamele – oder was auch immer die brauchen – bauen ein bisschen umweltschädliches Zeug, aber machen es als 'Nachhaltigkeitsinitiative'. Schließlich können wir es uns leisten, die Umweltschützer mit etwas Schönem zu blenden.“
Herr Müller kratzte sich am Kinn. „Also, du planst, den Häuptling zu ködern, während du gleichzeitig das Land mit einer Chemiefabrik verseuchst… Ein klassischer Move, aber was genau ist der Haken?“
Markus schob die Papiere beiseite und starrte ihn an, als wäre Herr Müller der letzte Mensch auf der Erde, der nicht verstand, was er meinte. „Der Haken? Der Haken ist, dass wir das alles legal machen, mein Freund! Die Bullen können uns nichts anhaben. Es wird alles so perfekt getarnt, dass wir den ganzen Umsatz mit der Unschuld eines Babys abkassieren. Unser Chemie-Kraftwerk wird 'grün' sein, irgendwie, und da jeder über den Umweltschutz redet, wird es niemand bemerken. Wir schaffen Arbeitsplätze. Und wenn die Indianer ein bisschen zurückgelassen werden, nun ja... die brauchen ja auch 'n bisschen Zeit, sich mit der modernen Welt vertraut zu machen.“
Herr Müller warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Und was ist mit der lokalen Bevölkerung? Ich meine, wenn das da anfängt zu brodeln und zu riechen… die könnten doch ein Problem mit uns haben.“
„Ach, die werden uns lieben!“, sagte Markus, als wäre es die einfachste Sache der Welt. „Bau ein paar Schulen, spende ein bisschen Geld und lass sie den 'Fortschritt' feiern. Was soll schon schiefgehen? Die wissen doch gar nicht, was wir ihnen geben – die werden sich schon mit den Versprechungen zufriedengeben.“
Markus setzte sich auf, zog einen Kalender hervor und starrte auf die Daten. „Gut, also, wir buchen jetzt die Flüge. Ich habe bereits Plätze für uns reserviert. Wir fliegen direkt nach Denver, zwei Wochen Aufenthalt. Was ist der nächste Schritt?“
„Wir buchen die Flüge?“, fragte Herr Müller, sichtlich irritiert, aber auch neugierig. „Wann genau?“
„Wann sonst? Wir fliegen in zwei Tagen. Schon mal was von der deutschen Effizienz gehört?“
Herr Müller schnappte sich das Tablet und begann, die Flugbuchungen zu checken. „Du bist echt ein harter Hund, Ziegler… Zwei Tage… und dann nach Denver? Was für ein Theater!“
„Du bist doch in der besten Gesellschaft!“, lachte Markus. „Fluggesellschaften bieten manchmal eine kleine Option für den VIP-Sitz. Buchen wir uns mal den besten Platz – vielleicht sollte ich ein bisschen über die Umweltschutz-Kampagne in Denver labern, um noch etwas mehr zu beeindrucken.“
„Also gut, gut. Dann wird's wohl wirklich Zeit, die Fluggesellschaft zu wechseln und mit der Arbeit zu beginnen“, sagte Herr Müller, wobei er den Stift in die Hand nahm und sich an das Papier setzte. „Ich muss sagen, du bist ein Meister der Manipulation. Du weißt immer genau, wie man es so dreht, dass der Nutzen am Ende uns gehört.“
Markus legte sich entspannt zurück und sah aus dem Fenster, das den Blick auf den Wolkenkratzer der Firma ermöglichte. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er sich schon vorstellte, wie er nach Denver flog, während der Häuptling ihnen blind vertraute. „Und das Beste daran? Niemand wird es je merken…“
Unterkapitel 3: Der endlose Appetit
Der Duft von frisch gebackenem Brot strömte durch die Hallen des berühmten Restaurants „La Ménagerie de Manger“, als Lucas Reinhardt, der gefeierte Spitzenkoch, sich in die Küche schlich – mitten in der Nacht, als alle anderen längst zu Bett waren und die Stille nur von gelegentlichen Schritten auf den Marmorfliesen unterbrochen wurde. Ein weiteres Ritual, das er inzwischen genauso wenig hinterfragte wie den ständigen Hunger in seiner Brust.
„Einmal noch...“, murmelte er, während er mit einer langen, glänzenden Zange eine goldbraune Ente aus dem Ofen holte und mit der Präzision eines Chirurgen begann, sie zu filetieren. Der Glanz in seinen Augen war der gleiche wie der, den er früher beim Zubereiten von Meisterwerken hatte – doch heute, jetzt, war es mehr ein verzweifelter Schein, der so künstlich war wie das Lächeln eines Mannes, der zum millionsten Mal ein Foto von seiner „wunderbaren“ Kreation machte.
„Hoffentlich ist das heutige Mahl… besser“, dachte er, während er eine Gabel voll saftiger Ente in den Mund nahm, als wäre sie der einzige Lebenselixier. Doch kaum hatte der Geschmack seine Zunge berührt, schlich sich das gleiche Gefühl ein wie immer: eine tiefe, innere Leere.
„Verdammt! Warum reicht das nie?“, fluchte er, während er die Gabel zur Seite legte und sich eine Handvoll Chilipulver schnappte, um dem Gericht einen neuen Kick zu geben. „Es ist, als würde ich den ganzen Ozean trinken, und trotzdem verdurste ich!“
Der Küchenchef, der gerade hereinschlich, um zu sehen, ob sein berühmter Chefkoch noch am Werk war, schaute Lucas mit einer Mischung aus Sorge und Resignation an. „Lucas, du solltest wirklich mal wieder schlafen. Du bist seit drei Tagen am Stück in der Küche. Vielleicht… vielleicht brauchst du eine Pause?“
„Pause? Pause!“, brüllte Lucas, während er seine Hand gegen die Tischkante schlug. „Ich habe keine Zeit für Pausen! Nicht, wenn ich noch nicht den Geschmack des Lebens gefunden habe! Was habe ich erreicht, wenn nicht dieses Gefühl der… Genusslosigkeit?!“
„Vielleicht hast du den falschen Geschmack gesucht“, sagte der Küchenchef, der mittlerweile an der Theke lehnte, die Arme verschränkt. „Du hast das Michelin-Stern-Level erreicht, aber da gibt es mehr als nur Essen. Du weißt, dass es mehr gibt als das, oder?“
Lucas blickte auf, als hätte ihm jemand einen Eiswürfel ins Gesicht geworfen. „Wirklich? Mehr als das?“, fragte er sarkastisch und schüttelte dann den Kopf. „Hör zu, mein Freund, was verstehst du schon von der Jagd nach dem perfekten Bissen? Nichts, wirklich nichts, bringt mich je zur Ruhe!“
Er blickte wieder auf seinen Teller, griff nach einer Handvoll Balsamico-Glasur, goss sie in einer eleganten Linie über den Rest der Ente und nahm wieder eine Gabel. Diesmal war der Bissen nicht nur ein Akt der Zubereitung – es war ein verzweifelter Versuch, diese Lücke zu füllen, die so tief in ihm war, dass er sie mit keinem noch so exquisiten Gericht zufriedenstellen konnte.
„Und was ist jetzt?“ fragte der Küchenchef, als Lucas erneut das Gesicht verzog, während er das Gericht auf einem Porzellanteller absetzte und fast wie ein Wissenschaftler die Enttäuschung studierte. „Ist es diesmal das, was du gesucht hast?“
„Ach, du wirst es nicht verstehen“, brummte Lucas und ließ sich zurückfallen. „Kein Bissen wird je genug sein! Es ist, als würde ich in einem riesigen Abgrund voller köstlicher Dinge nach… nach etwas anderem suchen!“
Er tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. „Ich habe all diese Sterne, all diese Auszeichnungen, aber… was habe ich wirklich? Ein Leben, das immer hungrig bleibt. Immer!“
In diesem Moment stand der Küchenchef auf, ging zu ihm und legte eine Hand auf seine Schulter. „Du weißt, es gibt Dinge, die du nicht kaufen kannst, Lucas. Hast du das je verstanden? Du hast zwar den besten Geschmack der Welt, aber du hast nie den Geschmack des Lebens erfahren.“
Lucas blickte in seine Augen, aber der Blick war leer. „Vielleicht warte ich einfach auf das nächste Menü... Vielleicht wird es diesmal anders. Aber ich fürchte, es wird nie der Moment kommen.“
Er drehte sich wieder zum Ofen und begann, das nächste Gericht zuzubereiten. Es war eine endlose Jagd. Ein Appetit, der niemals gestillt wurde. Und vielleicht – vielleicht war der wahre Hunger nicht der nach Essen, sondern nach etwas, das ihn im Inneren erlöste. Aber das war ein Bissen, den er nie zu finden hoffte.
Unterkapitel 4: Meisterschaft des Genusses
Lukas Reinhardt, der gefeierte Spitzenkoch, war in seiner Küche ein König. Aber der König hatte seine Krone nicht mehr wirklich im Griff. Er stand gerade vor einem riesigen Teller Risotto, der so weiß war wie frisch gefallener Schnee und so duftete, als hätte jemand das Meer in eine Pfanne gegossen. „Ein Hauch von Meer… ein Hauch von Luxus“, murmelte Lukas, während er das Risotto nachdenklich begutachtete.
„Das ist einfach ein Gedicht, Lukas“, sagte Chefkoch Éric, der seinem Kollegen wie ein Schatten folgte. „Aber ich muss zugeben, du siehst aus, als ob du etwas anderes im Kopf hast, mein Freund. Was läuft da wirklich?“
Lukas schnippte mit den Fingern und zuckte mit den Schultern. „Hör mal, Éric, was ich wirklich brauche, ist nicht noch ein neuer Gang für das Menü. Was ich wirklich will, ist der Grand Le Plaisir de la Table in Denver zu gewinnen. Diese verdammte Trophäe ist alles, was mir noch fehlt, um als echter Koch anerkannt zu werden!“
Éric drehte sich zu ihm um, ein fragender Blick in den Augen. „Du willst also nach Denver fliegen? Aber wir sind hier mitten in der Saison!“
„Der Flug ist schon gebucht“, sagte Lukas schnell und zückte stolz sein Tablet, als ob er gerade ein geheimen Deal abgeschlossen hatte. „In zwei Tagen. Den Weg habe ich schon geebnet. Und was noch besser ist, wir haben schon unseren Platz reserviert! Der Platz ist so nah an der Bühne, dass ich das Gefühl habe, den Geschmack des Erfolgs förmlich zu schmecken.“
„Du redest also von dieser verfluchten Veranstaltung, bei der all die superreichen Schnösel von Denver in teuren Anzügen auftauchen und sich die Taschen mit Trüffelöl vollstopfen, während sie über uns reden?“ Éric schüttelte den Kopf, aber ein schüchternes Lächeln kam über sein Gesicht. „Du bist ein gefährlicher Mann, Lukas. So wie du das beschreibst, könnte man denken, du hast deinen eigenen Geschmack für den Erfolg… und der ist ein bisschen wie meine Mutter: nie genug.“
„Genau das!“ Lukas’ Augen leuchteten auf. „Weißt du, wie sie in Denver die Preise vergeben? Es ist nicht nur das Essen, Éric. Es ist die Präsentation. Es ist der Zauber – das Wissen, wie man das Gefühl vermittelt, dass du im Genusshimmel schwebst. Ich habe ein neues Menü kreiert, das wird die verrücktesten Götter des guten Essens umhauen.“
„Das klingt ja fast wie eine religiöse Erleuchtung“, sagte Éric und kicherte. „Also, was hast du dir einfallen lassen? Was ist der Plan für das große Event?“
Lukas lehnte sich zurück, die Arme verschränkt, und grinste. „Stell dir vor: Ein Gericht, das aussieht wie ein riesiger Sternenhimmel, aber aus Kaviar, Edelsteinen und einer mystischen Soße, die angeblich die Sinne erweitert. Und natürlich dürfen die goldenen Löffel nicht fehlen. Sie kosten zwar ein Vermögen, aber was tut man nicht für den guten Ruf?“
Éric zog die Augenbrauen hoch. „Kaviar und Edelsteine? Ein bisschen zu viel des Guten, findest du nicht? Das klingt eher wie das Menu für die Faltenschnalle im Louvre.“
„Du verstehst es nicht, Éric“, sagte Lukas, als wäre er der Hohepriester einer geheimen kulinarischen Religion. „Es geht nicht darum, was du tust. Es geht darum, wie du es tust. Es ist die Geschichte, die du mit einem einzigen Bissen erzählst. Du gibst dem Gaumen das Gefühl, dass er im Olymp ist, wo die Götter speisen. Nur dann wird der Preis wirklich wert sein, gewonnen zu werden.“
„Okay, okay…“, Éric schüttelte den Kopf und lachte. „Aber wie gesagt, wir haben immer noch zwei Tage bis zum Flug. Wollen wir wirklich nur im Büro sitzen und über Edelsteine auf Risotto reden?“
„Na klar!“, sagte Lukas. „Ich bin fast schon so weit, dass ich die Goldflocken selbst ernte. Aber du hast recht. Lass uns einen Testlauf machen. Ein paar Zutaten testen. Wir brauchen die perfekte Soße. Oh, und vielleicht ein bisschen mehr Trüffelöl. Das könnte uns die entscheidenden Extra-Punkte bringen.“
Sie verbrachten den Nachmittag mit einer intensiven, beinahe religiös anmutenden Hingabe an das perfekte Gericht, die Küche wurde zu einem heiligen Ort der Inspiration. Der Risotto war fantastisch, aber in Lukas’ Augen fehlte noch immer das gewisse Etwas. „Wirklich, der Erfolg ist wie ein unerreichbarer Stern“, seufzte er, als er das Gericht zur Seite stellte. „Ich kann das fast schmecken, aber irgendwas fehlt noch… vielleicht eine Prise von… allem.“
„Vielleicht eine Prise Ehrlichkeit“, murmelte Éric, als er in den Spiegel schaute und dann zu Lukas grinste. „Oder willst du das wirklich riskieren?“
Lukas winkte ab, mit einer theatralischen Bewegung, als hätte er gerade einen Stern gesehen. „Der Erfolg ist nichts ohne ein bisschen Spektakel, mein Freund. Und ein bisschen Fantasie gehört auch dazu. Glaub mir, in zwei Tagen werden wir in Denver stehen, und ich werde mein Meisterwerk präsentieren. Und wenn ich die Trophäe bekomme, dann… dann gibt es kein Halten mehr. Der nächste Schritt? Weltweit!“
Éric zuckte mit den Schultern. „Na, dann lassen wir uns überraschen. Der Himmel hat ja schließlich auch seine Sterne… und du bist wohl einer davon.“
„Das hoffe ich doch!“, sagte Lukas, bevor er einen weiteren Löffel Risotto nahm, als wäre dieser Bissen der letzte in einer langen Reihe von Genüssen. Doch in seinem Kopf drehte sich alles um den kommenden Flug und die unstillbare Jagd nach dem nächsten großen Genuss – das Grand Le Plaisir de la Table war nur der Anfang.
Unterkapitel 1: Die Maske der Perfektion
Elena Morrow stand vor dem riesigen Spiegel in ihrer schneeweißen Luxuswohnung, die wie aus einem Design-Magazin entnommen wirkte – minimalistisch, kühl und perfekt. In ihren Händen hielt sie ein Glas Champagner, das sie langsam zum Mund führte. Sie trank nicht, weil sie Durst hatte, sondern weil es zu ihr gehörte, zu diesem Bild von Perfektion, das sie sich in den letzten Jahren aufgebaut hatte. In der Modewelt kann man nicht einfach eine Künstlerin sein, dachte sie. Man muss auch die perfekte Künstlerin sein. Und Elena war mehr als das. Sie war die Unantastbare.
„Hast du das gehört, Maxim? Die neue Kollektion ist ein Hit. Ich hatte gerade das Angebot von einer ganz besonderen Boutique. Alles dreht sich um mich. Die ganze Branche ist jetzt auf mich fixiert. Glaubst du, sie sind alle nur deshalb so an mir interessiert, weil ich einfach nur talentiert bin? Oder liegt es daran, dass ich... nun, wie soll ich sagen... perfekt bin?“
Maxim, ihr persönlicher Stylist, der sie durch ihre Welt der oberflächlichen Triumphe begleitete, sah sie in den Spiegel an. Ein kaum wahrnehmbares Lächeln zierte seine Lippen, und er nickte. „Natürlich, Elena, es ist dein geniales Talent und deine Fähigkeit, die Welt zu erobern. Und… du bist eine wahre Göttin des Stils, das muss man dir lassen.“
Elena blinzelte und betrachtete sich selbst kritisch. Die perfekt gestylte Frisur, der makellose Teint, das elegante, maßgeschneiderte Kleid – sie war unantastbar. Unantastbar und unerreichbar. Wenn der Glamour eines erfolgreichen Künstlers sich in einer einzigen Person manifestiert, dann war es Elena. Ihre ganz persönliche Maske der Perfektion hatte sie in den Olymp der Mode erhoben. Der Wahnsinn der Welt war jetzt ihr Spielplatz.
„Und die Kritiken? Hast du sie gelesen?“ fragte sie plötzlich, als sie ihre Stirn runzelte. Maxim nickte und hob das Handy, um eine Rezension zu zeigen. „Oh, sie lieben dich, Elena. Deine Vision. Deine… dein Stil. Sie schreiben, dass du das Aushängeschild einer neuen Ära bist.“
„Natürlich“, murmelte sie und drehte sich noch einmal im Spiegel. „Ich bin eine Revolution in einem Kleid. Die anderen… die können mich mal. Was wissen sie schon von echter Kunst?“
Elena hatte den Modezirkus von den Wurzeln her erobert, aber gleichzeitig entfernte sie sich immer weiter von den Menschen, die sie einst gekannt hatte. Sie hatte einst für das „wahre“ Leben gekämpft – das Leben, das von den normalen Menschen geführt wurde. Sie war die Künstlerin, die in den Straßen von New York malte, die ihre Werke in kleinen, unscheinbaren Galerien zeigte. Doch das war lange her. Heute ging es nicht mehr um Kunst. Es ging um Geld, um Ruhm und vor allem um das Gefühl, besser als alle anderen zu sein.
„Weißt du, Maxim“, sagte sie plötzlich, „es ist fast… traurig. So viele Menschen da draußen sind so fest in ihrem Mittelmaß gefangen, dass sie nicht einmal wissen, wie sie ihre eigenen Schwächen erkennen sollen. Und dann kommen sie zu mir und versuchen, mein Geheimnis zu ergründen. Aber sie werden nie verstehen, wie es wirklich geht. Sie sind zu… simpel.“
Maxim nickte, obwohl er nicht wusste, was er sonst sagen sollte. Es war schwer, den richtigen Ton zu treffen, wenn man die gesamte Welt von Elena Morrow durch ein unerschütterliches Prisma von Selbstbewusstsein betrachtete.
„Und weißt du, was das Schlimmste ist?“ Elena fuhr fort, während sie einen Schritt zurücktrat und den Raum um sich herum musterte. „Die Welt wird nie genug haben. Sie wollen immer mehr. Sie werden mir nie genug geben. Und deshalb gebe ich ihnen noch mehr von mir. Noch mehr Perfektion. Noch mehr Exklusivität. Noch mehr… alles.“
Maxim lächelte. „Du bist ein Phänomen, Elena. Ich bin sicher, es gibt niemanden wie dich. Niemand, der so wie du denkt.“
„Du hast Recht“, sagte sie, als sie sich wieder im Spiegel betrachtete. „Niemand ist wie ich. Und das macht mich gefährlich. Und das macht mich – unverzichtbar.“
Plötzlich klingelte ihr Handy. Elena griff danach, ohne es zu überprüfen, um sicherzugehen, dass es nicht unwichtiges war. Es war eine Nachricht von ihrem ehemaligen Kunstlehrer, dem sie in ihren frühen Jahren einen Teil ihrer Karriere verdankte. „Hast du je in Erwägung gezogen, zurückzukehren und deine wahre Kunst zu schaffen? Du hast so viel vergessen, Elena. Vielleicht solltest du wirklich darüber nachdenken. Es ist nicht zu spät.“
Elena lachte nur, fast verächtlich. „Der gute alte Professor. Sie verstehen einfach nicht, dass ich über all das hinaus bin. Diese naive Vorstellung von ‚wahrem‘ Kunstschaffen. Ich habe das ‚wahre Leben‘ längst hinter mir gelassen. Die Kunst ist jetzt, was ich daraus mache. Und niemand wird mir je sagen, wie ich zu sein habe.“
Sie legte das Handy zur Seite, als der Gedanke wie ein Schatten durch ihren Kopf schlich. War es wirklich so, dass sie das wahre Kunstverständnis verloren hatte? Hatte sie sich zu sehr in den materiellen Erfolg verloren? Doch der Gedanke war schnell wieder verschwunden. Es war zu spät. Und wer brauchte schon die Echtheit der Kunst, wenn man stattdessen die Anerkennung der Welt hatte?
„Maxim, was meinst du? Soll ich heute noch die Kollektion für den Pariser Modemarkt vorbereiten?“
Maxim blickte sie mit einer Mischung aus Erstaunen und Bewunderung an. „Du bist die Königin, Elena. Du kannst alles tun, was du willst.“
„Ja“, murmelte sie, als sie in den Spiegel sah, „ich kann alles tun. Und das ist der wahre Luxus.“
In diesem Moment war Elena Morrow nicht nur eine Künstlerin, die ihre Erhabenheit durch äußeren Glanz betonte. Sie war ein Produkt der Gesellschaft, das den Absurdismus in seiner reinsten Form auslebte: Sie war die perfekte Maske, die den Schmerz des Seins mit einer glänzenden Oberfläche überzog. Und das war der wahre Erfolg.
Unterkapitel 2: Glitzer und Glamour in San Francisco
„Maxim, du weißt, was das bedeutet, oder?“ Elena warf Maxim einen Blick zu, der fast wie ein prächtiger Diamant schimmerte. Die Sonne schien durch das Fenster ihrer Luxussuite und ließ die goldenen Fäden in ihren Haaren leuchten. Sie stand in der Mitte des Raumes, umgeben von Skizzen, Stoffproben und glitzernden Accessoires – eine Frau, die die Welt auf ihren Schultern trug, oder zumindest so tat.
„Natürlich, Elena“, sagte Maxim und schluckte, als er einen besonders übertriebenen Entwurf auf dem Tisch betrachtete. „San Francisco wird verrückt nach dir sein. Der wahre Trendsetter, der die westliche Küste jetzt erobert. Die Leute wollen immer mehr von deiner Perfektion.“
„Exakt!“, rief sie und schnappte sich ein Glas Champagner. „Warum sich mit weniger zufriedengeben, wenn man den gesamten Markt beherrschen kann? San Francisco, Maxim. Diese Stadt ist der Nabel der Modewelt. Es gibt keinen Ort, an dem man mehr Aufmerksamkeit bekommt als dort. Alles ist möglich, wenn man weiß, wie man sich präsentiert.“
Maxim legte eine Skizze ihrer neuesten Kollektion vor, ein extravagantes Kleid, das mehr wie eine Ansammlung von Metall und Glitzer wirkte als ein tatsächliches Kleidungsstück. Elena betrachtete es kritisch und zog die Augenbrauen hoch. „Das könnte funktionieren“, sagte sie mit einem nachdenklichen Lächeln. „Es schreit nach Aufmerksamkeit. Es schreit nach mich.“
„Du bist ein Genie, Elena“, flötete Maxim und machte eine kleine Notiz auf seinem iPad, um seine eigene Bedeutung zu unterstreichen. „Was hältst du von den Accessoires? Du könntest die Kollektion mit riesigen Sonnenbrillen kombinieren, die nicht nur die Sonne abblocken, sondern auch den Blick auf die Welt versperren.“
„Perfekt“, sagte Elena und schwenkte ihr Glas. „Was, wenn wir diese Sonnenbrillen in Gold machen? Niemand sollte die Sonne direkt sehen können, Maxim. Wer braucht schon Sonne, wenn er so strahlt wie ich?“
Maxim nickte eifrig und notierte die Idee, obwohl er wusste, dass es keinerlei Sinn hatte, die Idee von „Sonne“ in diesem Zusammenhang zu überdenken. Hier ging es nur um den Glanz, den goldenen Schimmer, das Unnahbare. Die Realität war nebensächlich.
„Oh, und die Schuhe“, fuhr Elena fort und ließ sich auf einem der weichen Designer-Sessel nieder, der wie ein Stück Kunst inmitten des Chaos wirkte. „Ich dachte an Schuhe, die so hoch sind, dass sie quasi den Himmel berühren. Und ich meine wirklich hoch, Maxim. So hoch, dass niemand je mehr mit mir auf Augenhöhe sein kann. Diese Menschen sollen wissen, dass sie es niemals schaffen werden, mich zu erreichen.“
Maxim setzte sich auf die gegenüberliegende Seite des Sofas, als würde er in einem spirituellen Dialog mit ihr stehen. „Natürlich. Wer könnte mit dir mithalten? Diese Schuhe sind Magie, Elena. Wahre Magie.“
„Genau“, sagte Elena, als sie ihren Champagner noch einmal in die Luft hob. „Es geht nicht um Mode. Es geht um Macht. Um den glänzenden Schein, der die Menschen in ihren Bann zieht. Sie sollen sehen, dass ich mehr bin als nur eine Designerin. Ich bin ein Phänomen.“
Maxim lachte nervös und betrachtete seine Notizen. „San Francisco wird die perfekte Bühne für deinen Ruhm sein. Wenn sie dich dort sehen, werden sie sich fragen, warum sie nicht schon viel früher davon gehört haben. Deine Pariser Kollektion, gepaart mit deinem unübersehbaren Charisma – das wird eine Sensation!“
„San Francisco ist der nächste Schritt“, sagte Elena, als sie zum Fenster hinüberging und die Skyline betrachtete. „Und nach San Francisco, Maxim, wird es keine Grenzen mehr geben. Es wird keine Modewoche mehr geben, die nicht auf mich wartet. Kein Designer, der mir das Wasser reichen kann.“
Maxim versuchte, sich eine elegante Antwort auszudenken, aber ihm fiel nichts anderes ein, als: „Natürlich nicht, Elena. Es gibt niemanden wie dich. Du bist einzigartig.“
Elena drehte sich um und blickte ihn an. „Du hast es endlich verstanden. Die ganze Welt dreht sich um mich, und ich bin der Mittelpunkt des Universums. Keine Kollektion wird je wieder so sein wie meine. Sie wird unsterblich sein, Maxim. Ich werde unsterblich sein.“
„Und was ist mit dem Flug nach San Francisco?“, fragte Maxim, um die laute Pause zu füllen, die sich plötzlich zwischen ihnen ausbreitete.
„Flug?“, Elena blinzelte und betrachtete ihn, als hätte sie gerade etwas völlig Unerhörtes gehört. „Ach, natürlich. Den Flug haben wir auch schon gebucht, oder?“
Maxim holte sein Handy heraus und bestätigte die Buchung. „In zwei Tagen geht’s los. Über Denver. Ich dachte, wir könnten vielleicht vorher noch einen kleinen Zwischenstopp in der Stadt machen. Du weißt schon, für die richtigen... Kontakte.“
„Perfekt. Denver ist der perfekte Ort, um sich mit den richtigen Leuten zu umgeben“, sagte Elena, und für einen Moment verschwand der Glanz in ihren Augen, als sie in Gedanken versank. „In Denver geht es nicht um Mode. Es geht um Macht. Es geht um die Entscheidung, wer die Welt beherrscht.“
Maxim nickte eifrig. „Genau, genau. Und du, Elena, wirst diejenige sein, die diese Welt beherrscht.“
Elena lachte laut, ihre Stimme hallte durch den Raum. „Genau. Ich werde die Welt beherrschen. Und nichts wird mir im Weg stehen. Nicht der Flug, nicht die Menschen, die sich mir in den Weg stellen. Und schon gar nicht meine Vergangenheit.“
Sie nahm einen letzten Schluck aus ihrem Glas und stellte es ab. Dann wandte sie sich wieder Maxim zu und lächelte kalt. „In zwei Tagen geht es nach San Francisco. Bereit, Maxim?“
„Immer bereit, Elena“, sagte er und verneigte sich fast, so sehr war er von ihrer Vision eingenommen.
„Gut“, sagte sie und drehte sich dann wieder zum Fenster um. „San Francisco wird mein wahres Meisterwerk. Und wenn sie mich dort nicht kennen, dann werden sie es spätestens in zwei Tagen wissen.“
Der Glanz der Stadt spiegelte sich in ihren Augen wider – und Elena Morrow wusste, dass nichts und niemand sie jemals aufhalten konnte.
Unterkapitel 3: Der Blick auf den Thron
Sophia saß in der ersten Reihe des Theaters, ihre Hände fest um die Handtasche geklammert, als würde sie jeden Moment vor Angst die Kontrolle verlieren. Die bunten Lichter der Bühne flackerten und tauchten die Szene in ein schillerndes Spektrum, während die Darsteller in extravagantem Kostüm über das Parkett wirbelten. Aber Sophia konnte den Zauber der Aufführung nicht wirklich genießen. Ihre Augen waren nicht auf die Künstler gerichtet – sie beobachtete stattdessen das Publikum.
„Schau dir mal die da drüben an“, flüsterte sie und nickte kaum merklich zu einer eleganten Dame in der dritten Reihe. „Sieht aus, als wäre sie direkt aus einer Modezeitschrift gefallen. Wahrscheinlich arbeitet sie bei einem dieser exklusiven Unternehmen oder ist mit einem reichen Typen zusammen. So eine richtige Erfolgsgeschichte. Du siehst die ja ständig, oder?“
„Sophia, du kannst doch nicht ständig so denken“, antwortete ihre Freundin Carla mit einem milden Lächeln. „Nicht jeder ist ein reicher Schnösel. Manche Menschen haben einfach... Talent.“
„Talent?“ Sophia schnaubte, während sie die Dame im Blick behielt, die gerade ihrem Gesprächspartner ein charmantes Lächeln schenkte. „Das ist doch alles Fassade. Glaube mir, hinter all dem Glitzer steckt nichts weiter als... Na, du weißt schon. Nichts Besonderes.“ Sie atmete tief ein und versuchte, den Neid zu unterdrücken, der sich wie eine kalte Welle in ihrem Inneren ausbreitete.
Carla blickte sie an, als wollte sie etwas sagen, aber sie schwieg und betrachtete das Schauspiel auf der Bühne. Sophia hingegen war viel zu sehr damit beschäftigt, jedes Detail der Umgebung zu analysieren – die Mode der Leute, die kleinen Flüstergespräche, das Lächeln einer hübschen jungen Frau, die gerade aus der Loge trat. Sie konnte nicht anders, als sich selbst zu fragen: Warum bin ich nicht auch so?
„Diese Leute sind alles so viel weiter gekommen als ich“, murmelte sie und rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. „Schau dir mal die an“, flüsterte sie, diesmal auf einen prominenten Schauspieler, der gerade in die erste Reihe flanierte. „Der ist immer in den richtigen Kreisen. Und was hab ich? Nichts. Ein normaler Job. Keine Einladungen. Kein Glamour. Niemand, der mich bemerkt.“
Carla, die mittlerweile sichtlich genervt war, verdrehte die Augen. „Du musst echt aufhören, dich ständig mit anderen zu vergleichen, Sophia. Du bist du, und das ist auch okay.“
„Ja, genau“, sagte Sophia sarkastisch und rollte mit den Augen. „Ich bin ich. Und ich bin nichts. Gar nichts. Ich sehe jeden Tag all diese Leute, die besser sind als ich, die mehr erreicht haben, die schöner sind... Wie soll man da nicht neidisch werden?“
„Du siehst die Dinge einfach nicht richtig“, sagte Carla und lehnte sich etwas zurück. „Weißt du, der Erfolg von anderen bedeutet nicht, dass du nichts wert bist. Du solltest lieber aufhören, dich in diesem... Kreis zu bewegen.“
„Kreis?“ Sophia grinste bitter. „Meinst du den Kreis der Erfolglosen? Du weißt schon, der Kreis, in dem ich mich immer wieder drehe, während alle anderen in den Club der Wichtigen eingelassen werden?“ Sie rieb sich die Stirn und seufzte. „Das Leben ist nicht fair, Carla. Glaub mir, ich weiß genau, dass ich nicht dazu gehöre. Zu den Reichen, zu den Schönen. Zu denen, die alles haben.“
Carla wollte gerade antworten, als die Vorstellung auf der Bühne eine dramatische Wendung nahm – der Held der Geschichte stürzte vom Thron, und die Musik wurde plötzlich dramatisch. Sophia starrte die Szene unaufhörlich an, aber ihre Gedanken waren woanders. Sie war nicht in der Welt der Bühne, sondern in der der Vergleiche. Jeder im Publikum schien so viel mehr zu haben, als sie es jemals haben würde.
„Komm schon, lass uns aufhören zu grübeln“, sagte Carla und versuchte, Sophia zu ermutigen. „Der Abend ist doch zu schade, um sich den Kopf zu zerbrechen.“
„Vielleicht hast du recht“, antwortete Sophia, ihre Augen jedoch weiterhin auf den Thron auf der Bühne gerichtet, der nun leer und verlassen dastand. „Aber du verstehst es nicht, Carla. Der Thron ist da, und ich bin nicht diejenige, die darauf sitzt. Ich schau immer nur zu. Ich werde immer nur zuschauen.“
„Das ist nicht wahr“, sagte Carla. „Du kannst dich ändern, wenn du wirklich willst. Du musst nur aufhören, dich selbst so zu zerfleischen.“
Sophia blickte ihre Freundin an und seufzte tief. „Vielleicht. Aber im Moment will ich einfach nur diesen Thron sehen. Den ganzen Glanz. Den Ruhm. Die Menschen, die zu ihm aufschauen. Und dann erkenne ich... dass ich nicht dazu gehöre.“
Als der Vorhang fiel und die Lichter im Theater wieder angingen, blieb Sophia in ihrem Stuhl sitzen und starrte in die leere Loge. Sie fragte sich, ob sie jemals den Thron erreichen würde oder ob sie für immer im Schatten anderer bleiben würde.
Die Musik in ihrem Kopf verstummte nicht – sie war einfach zu laut.
Unterkapitel 3: 1. Preis – 3 Wochen San Francisco
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee stieg in die Luft, als Sophia sich mit Carla im Café La Vie en Rose niederließ. Ihre Hände zitterten leicht, als sie einen Teller mit Croissants vor sich schob, aber es war nicht die Spannung des süßen Frühstücks, die sie so nervös machte. Es war der Brief in ihrer Tasche. Der Brief, der ihr Leben, so langweilig es auch sein mochte, plötzlich auf den Kopf stellte.