11,99 €
„Schwingen des Zorns“ In einer düsteren Zukunft hat die Menschheit den Preis für ihre Abhängigkeit von Technologie bezahlt. Die NSA nutzt hochentwickelte Drohnentechnologie, getarnt als Vögel, um eine globale Überwachungsmaschine zu errichten. Diese Nanodrohnen überwachen nicht nur physische Bewegungen, sondern lesen Gedanken, beeinflussen Emotionen und sichern so eine totalitäre Kontrolle. Die Geschichte folgt einer kleinen Gruppe von Widerstandskämpfern, die mit Hacker-Fähigkeiten und Mut versuchen, die Überwachungsdiktatur zu stürzen. Die Handlung beginnt mit dem Aufstieg der Überwachungstechnologie: von der schleichenden Infiltration des Alltags bis hin zur vollständigen Gedankenmanipulation. Doch ein unbeabsichtigter Fehler im System gibt einer Handvoll Menschen die Möglichkeit, sich gegen die allmächtige Maschine zu wehren. Es entwickelt sich ein Kampf, der die Helden von den Ruinen Sibiriens bis in die Hightech-Bunker der NSA in New York führt. Der finale Showdown, geprägt von dramatischen Wendungen und opferreichen Entscheidungen, mündet in einer epischen Offensive: Ein Virus wird in das Netzwerk eingeschleust, um die Selbstzerstörung der Drohnen auszulösen. Die Geschichte endet mit einem bittersüßen Sieg – die Vögel, Symbol für Freiheit und Überwachung, geben mit einem letzten „Schrei“ ihre Herrschaft auf. Doch das Erbe der totalen Kontrolle bleibt als mahnende Warnung bestehen. Durch schwarzen Humor, tiefgreifende Dialoge und die absurde Komik der menschlichen Schwäche fordert „Schwingen des Zorns“ den Leser heraus, über den schmalen Grat zwischen technologischem Fortschritt und dessen Missbrauch nachzudenken. Der Roman kombiniert dystopische Spannung mit satirischen Elementen, die das Lachen und Nachdenken gleichermaßen provozieren. Ein packendes Werk, das zeigt, wie weit die Menschheit gehen kann – und gehen sollte.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhaltsverzeichnis
Oberkapitel 1: Der Frieden von Camargue
Oberkapitel 2: Ein unheimlicher Blick
Oberkapitel 3: Aufstieg der Federn
Oberkapitel 4: Das Echo der Freiheit
Oberkapitel 5: Der Riss im Himmel
Oberkapitel 6: Der Fall der Flügel
Oberkapitel 7: Der Widerstand der Federn
Oberkapitel 9: Das Netz der falschen Federn
Oberkapitel 10: Der Drohnenkrieg
Oberkapitel 12: Der letzte Flügelschlag
Oberkapitel 13: Die Rückkehr der Überwachung
Oberkapitel 14: Die digitale Zensur
Oberkapitel 15: Der letzte Flügelschlag
Impressum
Vorwort:
Der Blick zum Himmel – Eine Dystopie aus der Realität geboren
Die Behauptung, dass alle Vögel während der Covid-19-Lockdowns durch Drohnen ersetzt wurden, klingt wie ein Scherz aus den tiefen Ecken des Internets. Doch hinter dieser Theorie steckt ein Gedanke, der uns innehalten lässt: Was wäre, wenn die Natur, die uns beobachtet, nicht mehr das ist, was sie zu sein scheint? Stellen wir uns eine Welt vor, in der die Vögel – jene unschuldigen Wesen, die seit jeher Freiheit und Natur symbolisieren – zu Maschinen der Kontrolle und Manipulation werden. Eine Welt, in der jede Bewegung, jeder Gedanke von den Lüften aus überwacht wird.
Diese Geschichte, die vor Ihnen liegt, spinnt diesen Faden weiter. Sie nimmt eine Verschwörungstheorie und verwandelt sie in eine düstere Zukunftsvision, in der die Drohnen-Vögel nicht nur die Wächter des Himmels, sondern auch die Henker der Freiheit werden. In einer Zeit, in der die Technologie scheinbar unaufhaltsam ist und die Überwachung immer näher rückt, scheint diese Erzählung fast prophetisch.
Doch wie in jeder guten Dystopie ist nicht nur die dunkle Zukunft entscheidend, sondern auch der Widerstand, das letzte Aufbegehren der Menschheit gegen eine allsehende Macht. Diese Geschichte fragt: Wie weit würden wir gehen, um unsere Freiheit zurückzugewinnen? Und noch wichtiger: Was würde es kosten?
Nehmen Sie sich in Acht, wenn Sie das nächste Mal das Singen eines Vogels hören – vielleicht ist es nicht die Natur, die Ihnen zuhört.
Viel Spaß!
Der Autor
Kenan Öcek
Schwingen des Zorns
Ankunft in der Idylle
Paris verabschiedete sich an diesem Morgen mit einem goldenen Schimmer, der die grauen Betonfassaden in ein warmes Licht tauchte. Rhea stand am Fenster ihrer Wohnung im achten Stock und ließ den Blick über die endlosen Dächer schweifen, während die Umzugsfirma die letzten Kisten hinaustrug. Die hektischen Rufe der Möbelpacker und das Lachen von Fernand, der sich einen letzten Wettlauf mit seiner kleinen Schwester Bernadette lieferte, bildeten den Klangteppich dieses letzten Moments in ihrer alten Heimat.
Der Umzugsleiter, ein Mann mit schütterem Haar und mürrischem Gesichtsausdruck, unterbrach ihre Gedanken. „Alles geladen, Madame Sternberg. Wir sehen uns in Camargue.“ Seine Stimme klang wie das Knirschen alter Holzdielen. Rhea nickte abwesend, ihre Gedanken schon bei den weiten Ebenen und Flamingos, die sie bald sehen würde.
Die Fahrt aus der Stadt begann im Stau, ein Chaos aus hupenden Autos und ungeduldig blinkenden Rollern. Amaury, am Steuer, kommentierte mit einem trockenen Lächeln: „Vielleicht sollten wir gleich wieder umdrehen. Paris scheint uns nicht loslassen zu wollen.“ Rhea lachte, aber in ihrem Lachen lag Melancholie. Fernand auf der Rückbank zählte die Minuten, bis sie aus der Stadt heraus waren, während Bernadette neben ihm in ihrem Kindersitz sanft einschlummerte.
Als die Stadt hinter ihnen lag und die Autobahn die Landschaften durchzog, öffnete Rhea das Fenster. Der Geruch von frisch gemähtem Gras und blühendem Lavendel erfüllte den Wagen. Der Horizont weitete sich, und bald tauchten die ersten Getreidefelder auf. „Da, Mama! Flamingos!“ Fernand drückte sein Gesicht ans Fenster, und Rhea folgte seinem Blick. Die elegant auf einem Bein stehenden Vögel, deren rosa Gefieder im Sonnenlicht schimmerte, begrüßten sie wie Wächter an der Schwelle zu einer neuen Welt.
Camargue entfaltete sich vor ihnen wie ein lebendiges Gemälde. Die Felder, durchzogen von kleinen Kanälen, die weiten Salzwiesen und die zerklüfteten Ufer der Rhône strahlten eine archaische Ruhe aus. Ihr neues Zuhause, ein altes Steinhaus mit blühenden Oleandern vor der Tür, wartete auf sie. Rhea stieg aus, ihre Hand streifte eine der Blüten, während ihre Gedanken von der Hektik der Großstadt in die Idylle der Landschaft glitten.
Doch in der Ruhe lag auch eine seltsame Spannung. Ein Schwarm Krähen zog lautlos über den Himmel, ihre dunklen Silhouetten gegen das Licht geschnitten. Rhea beobachtete sie, ihre Bewegungen wirkten geordnet, fast mechanisch. Ein Hauch von Unbehagen überkam sie, doch sie schüttelte ihn ab. Noch wusste sie nicht, dass diese Krähen die ersten Boten eines Unheils waren, das sich langsam zusammenbraute.
Die ruhigen Gewässer
Die Sonne stand hoch am Himmel, und ein leichter Wind trug den salzigen Duft der Lagune durch die Straßen des kleinen Dorfs. Es war einer dieser perfekten Sommertage, an denen selbst die Zeit langsamer zu vergehen schien. Rhea und ihre Familie schlenderten durch die schmalen Gassen, vorbei an alten Steinhäusern, deren Fensterläden in freundlichen Farben gestrichen waren. Fernand hielt eine große Portion Eis in der einen Hand und zog Bernadette mit der anderen an einem kleinen Brunnen vorbei. Amaury, beladen mit Einkaufstüten, lachte über eine Geschichte, die Fernand ihm gerade erzählte.
Die friedliche Atmosphäre war beinahe surreal. Rhea beobachtete die Menschen um sich herum. Ein alter Mann saß vor einer Bäckerei und fütterte Tauben, die ihm fast wie Haustiere aus der Hand fraßen. Kinder liefen spielend durch die Straßen, begleitet von Schwärmen von Sperlingen, die sich stets in ihrer Nähe aufzuhalten schienen. Selbst die sonst so scheuen Reiher und Störche standen unbeeindruckt am Flussrand, wo die Dorfbewohner ihre Angeln auswarfen. Es war, als ob die Vögel hier nicht nur geduldet, sondern tief in das tägliche Leben integriert wären.
Als sie an den Umzugswagen zurückkamen, sahen sie, wie die Arbeiter die letzten Kisten ins Haus trugen. Rhea gab ihnen ein paar abschließende Anweisungen, wo die Möbel im Haus platziert werden sollten. Während sie sprach, fiel ihr auf, dass eine Möwe auf dem Dach des Wagens saß und sie fast schon aufmerksam zu beobachten schien. Sie zuckte innerlich mit den Schultern – es war sicherlich nur Zufall.
Aber je länger sie durch das Dorf gingen, desto mehr Vögel schienen ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Ein Schwarm von Schwalben drehte in perfekter Synchronisation über dem Dorfplatz seine Runden, und eine Eule saß mitten am helllichten Tag auf einem Balken der alten Kirche, ohne sich vom Trubel der Menschen stören zu lassen.
Während die anderen noch die letzten Sonnenstrahlen des Tages genossen, zog sich Rhea für einen Moment zurück. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus betrachtete sie die weite Landschaft. Die Stille wurde nur vom Zirpen der Zikaden und dem entfernten Rufen der Vögel unterbrochen. Es war eine seltsame, fast zu perfekte Ruhe – eine Harmonie, die ihr zunehmend unheimlich vorkam.
Plötzlich durchbrach das tiefe Krächzen einer Krähe die Idylle. Rhea blickte auf und sah, wie eine Gruppe von ihnen über den Hof flog, bevor sie sich auf einem alten Baum niederließ. Ihre Blicke schienen direkt auf das Haus gerichtet zu sein, als ob sie etwas oder jemanden beobachteten. Rhea schauderte. Vielleicht war das Leben in der Camargue doch nicht so einfach und idyllisch, wie es zunächst schien.
Die Jagdgesellschaft
Der Morgen brach mit einem Knall an, buchstäblich. Rhea schreckte aus dem Schlaf, als ein Schuss die Luft zerriss. Noch halb in ihren Träumen verfangen, warf sie sich den Morgenmantel über und stolperte barfuß durch das Haus. Ihre zerzausten Haare standen wie ein Vogelnest vom Kopf ab, was der Szene eine unfreiwillig komische Note verlieh. „Was zur Hölle...?“ murmelte sie, während sie die Haustür aufriss und zum Gartentor trat.
Draußen, im Dunst des frühen Morgens, sah sie sie: Eine Gruppe Männer in Tarnjacken, mit Gewehren über den Schultern. Sie standen auf dem Feld am Ende der Straße, gestikulierend, lachend – und schießend. Der nächste Knall ließ sie zusammenzucken, gefolgt von einem hochfrequenten Pfeifen. Ein Vogel explodierte in der Luft wie ein Feuerwerkskörper. Rhea starrte, ihre Kinnlade fiel herunter.
„Maman, was war das?!“ Fernand stand jetzt hinter ihr, barfuß, in Pyjama und mit einer Comic-Zeitschrift in der Hand. „Sind wir im Krieg?“ Bernadette schob sich an ihm vorbei, das halbe Gesicht noch von ihrem Kuscheltier verdeckt, und lugte neugierig durch das Gartentor.
Amaury tauchte schließlich auch auf, verschlafen, aber mit einer Tasse Kaffee in der Hand, als ob er ein morgendliches Ritual einhalten wollte, egal was draußen vor sich ging. „Also das ist mal ein Wecker“, murmelte er, nippte an seinem Kaffee und zog eine Augenbraue hoch.
Ein weiterer Schuss krachte. Diesmal flog ein Entenvogel taumelnd vom Himmel, landete aber nur wenige Meter vor ihrem Gartenzaun. Für einen Moment war es still. Die Jäger schauten herüber, die Familie starrte zurück. Dann machte sich einer der Männer auf den Weg zu ihnen. Er war von Kopf bis Fuß in Jagdausrüstung gekleidet, mit einer Mütze, die seine Augen fast vollständig verdeckte.
„Bonjour! Alles in Ordnung?“ rief er mit einem breiten Lächeln. „Wir dachten, wir stellen uns vor. Ich bin Louis, und das hier ist unsere kleine Jagdgesellschaft.“
Rhea schluckte und rang sich ein höfliches Lächeln ab. „Äh, guten Morgen...“
Louis schien sich wenig um die peinliche Stille zu kümmern. Er deutete auf das Feld hinter sich. „Wir sind die Wächter der Tradition hier. Vogeljagd hat eine lange Geschichte in Camargue. Aber keine Sorge – wir lassen immer genug übrig.“
Amaury schaute mit einem kritischen Blick auf den gefiederten Leichnam am Boden und murmelte: „Wie beruhigend.“
Fernand konnte sich ein Kichern nicht verkneifen: „Papa, ich glaube, der Vogel hat verloren.“
Die Jäger begannen zu lachen, als ob das ein Insiderwitz wäre, den sie nur zu gerne hörten. Einer von ihnen rief: „Vielleicht sollte der Junge mit uns auf die Jagd kommen! Ein Auge für Humor ist wichtig.“
Rhea stand da, noch immer sprachlos. Sie hatte nicht erwartet, dass die morgendliche Idylle von so etwas... Primitivem unterbrochen werden würde. Gleichzeitig konnte sie nicht anders, als die fast schon surreale Szene zu betrachten: die Jäger, ihre Familie in Schlafanzügen, der Kaffeedampf und der Rauch aus den Gewehrläufen, alles inmitten dieser Postkartenlandschaft.
„Das ist ein... interessanter Einstand,“ murmelte sie schließlich, mehr zu sich selbst. „Vielleicht sollte ich doch besser mit Ihnen sprechen, Herr Louis. Über, sagen wir, den Vogelschutz?“
Louis klopfte ihr auf die Schulter, als ob sie einen alten Witz gemacht hätte. „Madame, wir schützen die Tradition. Das ist doch auch was wert, oder?“
Während die Jäger ihre Gewehre erneut luden, flog eine Möwe direkt über ihre Köpfe hinweg und krächzte laut, als ob sie die Absurdität des Ganzen kommentieren wollte. Und so nahm der skurrile Morgen seinen Lauf.
Das erste Zeichen
Der Tag begann wie jeder andere, doch niemand konnte ahnen, dass das Schicksal – oder eher eine Horde Vögel – etwas ganz Besonderes geplant hatte.
Rhea und ihre Familie standen am Straßenrand, um die Jäger zu verabschieden. Louis, der selbsternannte Anführer der Jagdgesellschaft, winkte ihnen noch zu, bevor er mit zwei seiner Kollegen ins Feld zog. Ihre Gewehre glänzten in der Morgensonne, und sie wirkten so stolz wie Gladiatoren auf dem Weg in die Arena. Doch diese Arena war ein weites Feld, und ihre Gegner waren, zumindest in ihren Augen, harmlose Vögel.
Die Familie blieb zurück, beobachtete und genoss ihren Morgenkaffee. Doch dann, wie aus dem Nichts, brach die Hölle los.
Ein Schatten fiel über das Feld, und plötzlich begann ein wahres Bombardement. Ein Schwarm unterschiedlicher Vögel – Möwen, Krähen, Tauben und sogar ein Reiher – schoss aus dem Himmel herab. Aber anstatt wegzufliegen, setzten sie zum Angriff an. Nicht mit Krallen oder Schnäbeln, nein, sondern mit einer anderen, weit unorthodoxeren Waffe: ihrem Kot.
Mit Präzision, die einem militärischen Angriff gleichkam, bombardierten die Vögel die ahnungslosen Jäger. Louis, der eben noch so selbstbewusst durch das Feld stolzierte, stand plötzlich wie angewurzelt da. Ein großer Klecks landete genau auf seinem Hut, dann ein weiterer auf seiner Schulter. Seine Kollegen wurden ebenfalls nicht verschont – ein wahres Meisterwerk der tierischen Zielsicherheit.
„Merde! Was zur Hölle!“ rief Louis, während er versuchte, das klebrige Chaos von seinem Gesicht zu wischen. Seine Jagdgenossen sprangen wild herum, fuchtelten mit den Armen, aber es half nichts. Jeder Versuch, sich zu befreien, machte es nur noch schlimmer.
Die Familie am Straßenrand war starr vor Schreck – oder vielmehr vor unterdrücktem Lachen. Rhea hielt die Hand vor den Mund, ihre Augen weit aufgerissen, während Amaury wie hypnotisiert auf die Szene starrte. Fernand konnte sich nicht mehr halten und prustete laut los. „Maman, schau dir das an! Das ist wie in einem Cartoon!“ Bernadette klatschte begeistert in die Hände, als ob sie eine private Zirkusvorstellung genoss.
Louis, der nun vollständig bedeckt war, stapfte wütend zurück. „Das ist nicht normal!“ brüllte er und deutete mit zittrigem Finger in den Himmel. „Diese verdammten Vögel haben es auf uns abgesehen!“
„Vielleicht ein Zeichen?“ fragte Amaury trocken und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
Rhea schüttelte den Kopf, immer noch sprachlos. Die Vögel hatten sich inzwischen auf einem Baum in sicherer Entfernung niedergelassen, von wo aus sie triumphierend auf die Szene herabblickten. Einer der Krähen krächzte, als ob sie lachte.
„Ich glaube, das war’s für heute mit der Jagd“, sagte Amaury und zog Fernand näher zu sich. „Wir sollten vielleicht drinnen frühstücken, bevor wir die nächste Runde abkriegen.“
Doch Rhea blieb stehen, ihre Gedanken rasten. Sie konnte sich nicht helfen, aber etwas an diesem Ereignis fühlte sich... geplant an. Dies war mehr als nur ein Missgeschick. Es war, als hätten die Vögel ein gemeinsames Ziel. Und das war erst der Anfang.
Der Vogelkundler
Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee und Croissants hing in der Luft, während Rhea und ihre Familie im schattigen Garten eines kleinen Cafés frühstückten. Die Sonne strahlte, und es schien, als hätte der Morgen seine skurrilen Ereignisse von gestern fast vergessen lassen. Amaury war vertieft in eine lokale Zeitung, Fernand kämpfte mit einem besonders hartnäckigen Stück Baguette, und Bernadette beschäftigte sich damit, die Marmelade mehr auf ihren Händen als auf dem Brot zu verteilen.
„Das ist das Leben,“ seufzte Amaury und nahm einen tiefen Schluck Kaffee.
Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, erklang eine tiefe Stimme hinter ihnen: „Guten Morgen! Sie müssen die neue beratende Biologin sein.“
Rhea fuhr herum und blickte in die durchdringenden Augen eines Mannes, der aussah, als sei er direkt aus einem Abenteuerroman entsprungen. Groß, hager, mit einer kantigen Nase und einem Hut, der eher Indiana Jones als einem typischen Wissenschaftler ähnelte. Seine Hände waren in elegante Lederhandschuhe gehüllt, und eine alte, abgewetzte Aktentasche hing über seiner Schulter.
„Dr. Elmar Falk,“ stellte er sich mit einem charmanten Lächeln vor, während er die Hand ausstreckte. „Ich bin Vogelkundler. Oder wie man in den Wissenschaftskreisen sagt: Ornithologe.“
Rhea nahm seine Hand zögerlich. „Rhea Sternberg,“ antwortete sie, ein wenig verblüfft von seiner imposanten Erscheinung. „Ja, ich bin die neue Biologin. Aber… woher wissen Sie das?“
„Ach, Nachrichten verbreiten sich schnell in kleinen Gemeinden,“ sagte Falk lächelnd und zog sich einen Stuhl heran, ohne eine Einladung abzuwarten. „Außerdem hatte ich das Vergnügen, Ihre Ankunft gestern zu beobachten. Die Szene am Gartentor? Ein Klassiker.“
Amaury warf einen skeptischen Blick über die Zeitung hinweg, während Fernand fasziniert starrte. „Sind Sie ein Vogelspion oder so?“ fragte der Junge unverblümt.
Falk lachte herzlich. „In gewisser Weise, ja. Die Vögel erzählen mir alles.“
„Das ist ja verrückt!“ rief Bernadette begeistert und klatschte in die Hände. „Kannst du mit den Vögeln sprechen?“
Falk nickte feierlich. „Aber natürlich. Die Kunst besteht darin, zuzuhören.“
Rhea zog eine Augenbraue hoch. „Das klingt… faszinierend. Was genau führt Sie hierher, Dr. Falk?“
„Nennen Sie mich Elmar,“ sagte er mit einem gewinnenden Lächeln. „Ich erforsche das Verhalten der Vögel in dieser Region schon seit Jahren. Camargue ist ein Paradies für Ornithologen. Aber genug über mich. Sie müssen feststellen, dass die Harmonie zwischen Mensch und Vogel hier einzigartig ist.“
„Harmonie?“ Amaury klappte seine Zeitung zusammen. „Ich würde das nicht gerade Harmonie nennen, nachdem, was gestern passiert ist.“
Falks Lächeln wurde ein wenig breiter, beinahe verschwörerisch. „Ah, der Vorfall mit den Jägern. Ja, ich habe davon gehört. Interessant, nicht wahr? Es ist, als ob die Vögel… eine Botschaft senden wollen.“
Rhea lehnte sich zurück, während sie Falk genau musterte. Irgendetwas an ihm – seine Art zu sprechen, sein selbstbewusstes Auftreten – löste eine Mischung aus Faszination und Unbehagen in ihr aus. Es war, als wüsste er mehr, als er preisgab.
„Nun, Frau Sternberg,“ sagte Falk schließlich und stand auf, „ich hoffe, wir werden uns bald wiedersehen. Es gibt viel, worüber wir sprechen könnten. Und glauben Sie mir, die Vögel haben viele Geschichten zu erzählen.“
Mit einem letzten Nicken drehte er sich um und verschwand, bevor jemand auch nur einen weiteren Satz sagen konnte.
„Das war… seltsam,“ sagte Amaury schließlich.
„Cool!“ rief Fernand. „Ich wette, der ist ein Geheimagent für Vögel oder so.“
Rhea warf einen letzten Blick in die Richtung, in die Falk verschwunden war. „Vielleicht ist er genau das,“ murmelte sie, bevor sie sich wieder ihrem Kaffee zuwandte. Doch in ihrem Hinterkopf blieben die Worte haften: Die Vögel haben Geschichten zu erzählen.
Das Flüstern der Vögel
Es war ein friedlicher Nachmittag in Camargue. Die Luft war erfüllt von den Düften des Sommers: Lavendel, frisches Gras und die salzige Brise, die vom Meer herüberwehte. Rhea lag entspannt auf einer Liege, eine Sonnenbrille auf der Nase, während die Kinder im Planschbecken lachten und spritzten. Amaury, ein Tüftler durch und durch, arbeitete an ihrem Wagen, polierte die Scheiben und überprüfte die Reifen, während hin und wieder leise Flüche über schlecht sitzende Schrauben zu hören waren.
Die Szene war die Definition von Idylle – bis auf die zwei Spatzen, die plötzlich am Rand der Terrasse landeten. Zunächst schienen sie harmlos, hüpften umher und pickten nach Krümeln. Doch dann, kaum hörbar, begann eines der Tiere zu piepsen – oder besser gesagt, es flüsterte.
Rhea hob den Kopf leicht, sicher, dass sie sich verhört hatte. Doch das Flüstern wurde deutlicher. „Mensch… beobachten… hören sie uns?“ Es war ein merkwürdiger Mix aus Vogelgezwitscher und klar verständlichen Worten, als ob jemand eine alte Funkfrequenz störte.
„Amaury?“ Rhea nahm die Sonnenbrille ab. „Hörst du das?“
Amaury sah auf, das Poliertuch noch in der Hand. „Was? Das Plätschern oder die Kinder, die sich gegenseitig nass spritzen?“
„Nein, die Spatzen!“ Rhea zeigte auf die beiden kleinen Vögel, die nun wie zwei alte Freunde miteinander zu tuscheln schienen.
Die Spatzen verstummten abrupt, als ob sie bemerkt hätten, dass sie beobachtet wurden. Der eine neigte den Kopf zur Seite, sah Rhea direkt an und zwitscherte dann in einem Ton, der verdächtig nach „Nicht auffallen, schnell weg!“ klang.
„Mama!“ rief Fernand, während er sich die Haare aus dem Gesicht strich. „Die Vögel reden! Das ist wie in einem Comic.“
Bernadette watschelte mit einem Eimer voll Wasser zu Rhea und nickte eifrig. „Ja, Maman, sie haben Geheimnisse!“
Amaury lachte nervös. „Vielleicht zu viel Sonne heute?“
Doch Rhea war nicht überzeugt. Die Spatzen starrten sie weiterhin an, fast wie in einer stummen Kommunikation. Sie flüsterten erneut, diesmal schneller und leiser, bevor sie sich plötzlich in die Luft erhoben und davonflogen.
Rhea saß regungslos da, ihr Herz hämmerte. „Ich schwöre, sie haben… gesprochen.“
Amaury schüttelte den Kopf. „Vielleicht ein seltsamer Dialekt des Vogelgezwitschers. Manche Tiere ahmen Klänge nach, wie Papageien.“
„Nein.“ Rhea runzelte die Stirn. „Das war etwas anderes.“
Die Kinder kehrten fröhlich zum Planschbecken zurück, und Amaury zu seinem Wagen, doch Rhea blieb nachdenklich. Der Vorfall ließ sie nicht los. Was war hier wirklich los in Camargue?
Augen im Himmel
Die Sonne begann langsam zu sinken, tauchte den Garten in ein warmes, goldenes Licht. Die Kinder waren inzwischen aus dem Planschbecken gestiegen und hatten sich in Handtücher gehüllt, während Rhea und Amaury noch auf der Terrasse saßen und den Abend genossen. Es schien, als könnte nichts diese friedliche Szene stören – bis plötzlich eine Amsel auf der niedrigen Gartenmauer landete.
„Schau mal, eine Amsel,“ sagte Fernand, der seine Schokolade gerade noch rechtzeitig ablegte, bevor er sie mit seinen nassen Händen vollständig ruinieren konnte.
Rhea betrachtete den Vogel, doch irgendetwas an ihm wirkte seltsam. Sein Kopf zuckte in kleinen, mechanischen Bewegungen, und sein Zwitschern klang nicht wie das fröhliche Gezwitscher, das sie gewohnt war. Stattdessen hörte es sich an wie... Morsezeichen?
„Amaury,“ flüsterte Rhea und beugte sich vor, „kann eine Amsel… codiert piepsen?“
Bevor Amaury antworten konnte, landeten plötzlich zwei riesige Raben links und rechts von der Amsel. Ihre Federn glänzten unnatürlich metallisch im Sonnenlicht, und ihre Augen – nein, das waren keine Augen. Es waren Objektive, die langsam aus ihren Schädeln herausfuhren, als würden sie die Szene scannen.
„Mon dieu!“ rief Amaury und ließ vor Schreck das Poliertuch fallen.
„Die Vögel haben Kameras!“ schrie Fernand und sprang hinter einen Stuhl, während Bernadette vor Aufregung in die Hände klatschte. „Robotervögel! Sie spionieren uns aus!“
Die Amsel piepste weiter in einem rasenden Tempo, während die Raben synchron nickten, als ob sie die Botschaft entschlüsseln würden. Rhea starrte fassungslos auf das bizarre Trio. Ihre erste Reaktion war ein nervöses Lachen. „Das… das ist doch ein Witz, oder?“
Amaury schüttelte den Kopf und griff nach seinem Handy. „Ich rufe die Polizei.“
Doch bevor er die Nummer wählen konnte, flogen die Raben plötzlich auf, ihre Kamera-Augen blinkten noch ein letztes Mal bedrohlich auf, bevor sie in den Himmel verschwanden. Die Amsel folgte ihnen, hinterließ ein leises, triumphierendes Zwitschern, das in der Abendluft verklang.
Stille legte sich über den Garten.
„Mama,“ flüsterte Fernand schließlich mit großen Augen, „sind wir in einem Spionagefilm?“
Rhea schluckte und stand langsam auf. „Ich weiß es nicht, aber irgendetwas stimmt hier nicht. Gar nicht.“
Amaury ließ sein Handy sinken. „Vielleicht ist es besser, wenn wir erstmal nichts sagen. Niemand würde uns glauben.“
Bernadette lachte fröhlich. „Das war toll! Können die Vögel morgen wiederkommen?“
Die ersten Vorzeichen
Die Sonne war bereits hinter den Horizont gesunken, als die Familie sich im Garten zum Abendessen versammelte. Der Tisch war gedeckt: frisches Baguette, Käse, Oliven und eine Flasche Wein für die Erwachsenen. Die Stimmung war ausgelassen, trotz des seltsamen Vorfalls am Nachmittag. Vielleicht war es doch nur ein Missverständnis, ein Zufall.
Amaury stellte gerade die letzte Schale auf den Tisch, als ein seltsames Geräusch die Stille durchbrach – ein tiefes, heiseres Flattern, gefolgt von einem schweren Aufprall. Alle Köpfe drehten sich in Richtung des Geräuschs. Die Familie erstarrte und starrte ungläubig, als der riesige Vogel, mit einem breiten, beinahe übertriebenen Grinsen, langsam den Kopf drehte.
„Hi! Schnattern... sich vorstellen!“ rief der Pelikan in einem klaren, viel zu menschlichen Akzent.
„Was zur Hölle?“ rief Amaury aus und ließ seinen Löffel mit einem plopp auf den Tisch fallen.
„Mama, der Pelikan spricht!“ schrie Fernand, der mit weit aufgerissenen Augen im Stuhl nach hinten kippte.
„Sich vorstellen?“ fragte Rhea, ihre Stimme zitterte ungläubig. Der Pelikan stieß einen weiteren, lauten, fast schon menschlichen Laut aus, der wie ein Lachen klang, und dann begann er, mit einem unheimlich präzisen Wurf Fisch in die Luft zu schießen. Die Fische flogen wie wild umher und landeten auf dem Boden – ein reges, tropfendes Chaos.
Dort, mitten auf dem Rasen, stand der riesige Pelikan. Sein Schnabel war weit geöffnet, und aus seinem Kehlsack purzelten noch mehrere Fische – glänzend und noch lebendig – direkt auf den Boden. Der Vogel schloss seinen Schnabel, hob den Kopf und... grinste.
„Bonsoir!“ krächzte der Pelikan in einem Akzent, der an einen alten Seemann erinnerte. „Ich bin übrigens Pierre! Und wie geht’s euch?“ Der Pelikan neigte den Kopf, als würde er auf eine Antwort warten. Es war unklar, ob er tatsächlich auf irgendeine Weise in Kommunikation mit ihnen treten wollte oder ob er einfach nur... existierte, um diese bizarre Szene zu schaffen.
„Was ist los mit ihm?“ stammelte Amaury, als er sich hinter dem Tisch duckte, als der nächste Fisch mit einem Platsch auf dem Boden landete.
„Das ist verrückt“, flüsterte Rhea. „Er... er spricht!“
Rhea ließ beinahe den Korb mit Brot fallen. „Was… zum…?“
Fernand sprang auf. „Mama, der Vogel spricht!“
Amaury, der sich sonst immer um Rationalität bemühte, rieb sich die Augen. „Das ist doch nicht möglich. Vögel können nicht reden!“
„Nun, ich bin die Ausnahme,“ sagte Pierre schnatternd und wippte stolz mit seinem Kopf. „Camargue ist ein wunderbarer Ort, nicht wahr? Habt ihr den Sonnenuntergang gesehen? Herrlich!“
Rhea fand langsam ihre Stimme wieder. „Das… das ist absurd. Vögel reden nicht. Und sie speien keine Fische als... Geschenke aus.“
Der Pelikan schnappte sich einen der Fische und warf ihn gekonnt in die Luft, um ihn dann mit einem geschickten Schnabelschnappen zu verschlingen. „Oh, das ist nur mein kleiner Willkommensgruß. Eine Tradition, könnte man sagen.“
„Fernand, hol die Kamera,“ flüsterte Amaury. „Niemand wird uns das glauben.“
„Das war’s, ich ruf jetzt die Polizei“, murmelte Amaury, der langsam sein Handy aus der Tasche zog, jedoch vor der Unsicherheit darüber, ob er sich wirklich trauen sollte, etwas derart Absurdes zu melden, innehielt.
Der Pelikan nickte und stieß einen weiteren Lacher aus, als er auf und ab sprang, als wäre er ein Zirkusclown, der darauf wartete, dass jemand die Vorstellung verstand. „Sie kommen alle, schon bald! Warten!“
Die Familie starrte sich an. „Worauf warten? Was kommen?“ fragte Rhea fast ängstlich.
Der Pelikan schnatterte erneut. „Schnattern und fliegen!“
Die Vögel, die von weit her zuschauten, begannen in einer seltsamen Choreografie zu fliegen, als wollten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Gruppe lenken, und dabei tanzten sie durch den Abendhimmel.
„Ich kann das nicht mehr“, sagte Amaury und nahm einen tiefen Atemzug. „Ich glaube, ich bin gerade in einem schlechten Film.“
Doch der Pelikan watschelte mit stolzgeschwellter Brust weiter. „Oh, keine Sorge, keine Sorge, noch nicht ganz. Aber bald... bald werdet ihr sehen!“
Doch bevor Fernand reagieren konnte, breitete Pierre seine gewaltigen Flügel aus. „Nun, meine lieben neuen Freunde, ich werde euch nicht länger stören. Es gibt noch andere, die auf meine Weisheit warten.“ Und mit einem schwungvollen Flügelschlag startete der Pelikan wieder in die Luft, verschwand zwischen den Bäumen und hinterließ nur eine Schwebe der Unsicherheit, die die Familie mit einer Mischung aus Belustigung und tiefem, unerklärlichem Unbehagen erfüllte.
Die Familie blieb sprachlos zurück, bis Bernadette mit großen Augen in die Runde sah und sagte: „Der Pelikan hat uns Abendessen gebracht. Können wir das behalten?“
Der Vogelkundler’s Geheimnis
Es war ein sonniger Nachmittag, die Familie hatte beschlossen, den kleinen Lebensmittelladen im Dorf aufzusuchen, um Vorräte aufzufüllen. Die Kinder liefen vorweg, ihre Schritte hallten auf den gepflasterten Wegen der alten Ortschaft. Rhea und Amaury schlenderten gemütlich hinterher, als sie plötzlich eine vertraute Gestalt im Laden erblickten.
„Oh, das ist ja.