Normal geht anders - Holger Prade - E-Book

Normal geht anders E-Book

Holger Prade

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Beschreibung

Folgen Sie dem Autor durch amüsante Anekdoten, Kurzgeschichten und Wissenswertem.

Das E-Book Normal geht anders wird angeboten von Books on Demand und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Anekdoten, Humorvoll, Wissenswertes, Kurzgeschichten, Alltag

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Seitenzahl: 174

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

Teil 1 - Dies und Das

Kapitel 1

Einleitung - Worin der Leser erfährt, wie es dem Autor heute geht

Kapitel 2

Das erste Mal

Kapitel 3

Archibald zieht um

Kapitel 4

Wandschmierereien, Tattoos und Piercings

Kapitel 5

Schwangere Herren und Damen

Kapitel 6

Warum Männer und Frauen zusammenpassen

Kapitel 7

Der Elefantenritt

Kapitel 8

Väter Teile 1 - 3

Kapitel 9

Klassentreffen

Kapitel 10

Komische Kunst, Theater & ein Fluchtkonzert

Kapitel 11

Triskaidekane-Phobie und andere Gewissheiten

Kapitel 12

Wie man eine Partnerin findet Teil 1 – Partnersuche wider Willen

Kapitel 13

Wie man eine Partnerin findet Teil 2 – ein Hellseher und ein Hund arbeiten zusammen

Kapitel 14

Die Austauschschülerin Teil 1 Wie man zum Leihvater wird

Kapitel 15

Die Austauschschülerin Teil 2 Deutsche Steckdosen und eine Türkeireise Gasteltern sind verpflichtet, Gastkinder am Leben zu lassen

Kapitel 16

Die Austauschschülerin Teil 3 Eine außer Kontrolle geratene Geburtstagsfeier

Kapitel 17

Nahrungsaufnahme

Kapitel 18

Der blanke Knaller

Kapitel 19

Morgenfrühstück einer Dame

Teil 2 - Kriminelle on Tour in Radeberg

Kapitel 20

Der Frauenbetrüger Teil 1

Kapitel 21

Der Frauenbetrüger Teil 2

Kapitel 22

Der Unternehmensbetrüger Teil 1 Der Vielfraß

Kapitel 23

Der Unternehmensbetrüger Teil 2 Abhängige Unternehmer vor dem Ruin und Lügen über Lügen

Kapitel 24

Der Unternehmensbetrüger Teil 3 Mercedes-Eintreibertruppe, Polizeieinsatz, Lügen, SM und Messer

Teil 3 – Geschichten aus der DDR

Kapitel 25

Eine Polenreise mit dem sozialistischen Lehrlingskollektiv

Kapitel 26

"Stockwichteln" und "stiefeln"

Kapitel 27

"Das GST - Lager" Geschichte aus einer paramilitärischen Jugendorganisation der DDR

Vorwort

Willkommen in einer Welt der humorvoll aufbereiteten Anekdoten in einem unvollkommenen Alltag.

Selbst wenn es den Beteiligten häufig nicht bewusst ist, so trägt das Leben selbst in schwierigsten Zeiten immer eine komische Komponente in sich.

Wer den Blick dafür schärft, kann lachend selbst durch schlimmste Lebensphasen gehen.

Lasst uns also gemeinsam schmunzeln über Situationen, die viele von uns bereits so oder etwas anders erlebt haben. Lasst uns gemeinsam etwas überspitzen und über Dummheiten, Irrungen und Wirrungen, Ungeschicktheiten und nur allzu menschliche Verfehlungen lachen.

Jeden Abend eine Geschichte lesen, das dürfte als Dosis mit Nebenwirkungen bereits eine heilende und kräftigende Wirkung entfalten.

Viele liebe Grüße

Euer H.P.

Teil 1 - Dies und Das

Kapitel 1
Einleitung - Worin der Leser erfährt, wie es dem Autor heute geht

Ich bin noch unbehandelt, also wie soll es mir schon gehen? Gut, dass Sie sich mit mir zusammen beim Onkel Doktor anstellen. Jetzt sind wir schon zu zweit. Bevor ich es vergesse, Schüssel dabei?

Kapitel 2

Das erste Mal

Können Sie sich noch an ihr erstes Mal erinnern? Sicher können Sie das. Ich auch. Es war unvergesslich!

Es kam völlig überraschend!

Und endete in einem Fest der Sinne. Mein erstes Mal war mit dreizehn. Das Nutella hatte eine Tante mitgebracht.

Ohii!!

Ich sehe, Sie Ferkel hatten jetzt etwas anderes erwartet.

So etwas in der Richtung, die beschreibt, wie bei der Preisgabe der Jungfräulichkeit die letzte Figur des Kamasutras entstand. Tja, da muss ich enttäuschen. Für mich ist dieses Buch ein einziges Rätsel. Was für ein Ferkel fing eigentlich an, Stellungen anderer aufzumalen? Stellen Sie sich das mal praktisch vor! War das nur ein einzelner Spanner oder mehrere? Konnte er oder sie alle Stellungen wirklich selbst? Manche Sachen können doch nur Schlangenmenschen? Probierten sie es in der Gruppe aus und wenn ja, wer war die arme Sau, die sprichwörtlich auf dem Trockenen saß und zeichnen musste? Schrieben das Buch vielleicht nüchterne Wissenschaftler, die das Thema eher theoretisch bearbeiteten, aber selbst nie Sex hatten? Das würde die Verwandtschaft vieler Stellungen zu Yoga erklären. Oder war es eine Auftragsarbeit des Papstes bei der Suche nach der Verderbnis und dem Teufel? Vielleicht war es aber auch eine männerfressende Nymphomanin und die Stellungen sind nur eine Sammlung der Todesursachen des Beerdigungsinstitutes. Nun über all das kann ich nichts berichten, weil ich nicht dabei war. Oder sehe ich so alt aus?

Da Sie mit ihrer lebhaften Phantasie leider das Thema wechselten, erzähle ich Ihnen ersatzweise, wie ein Junge aus der Nachbarschaft zu seinem ersten amourösen Abenteuer kam.

Es war ein öder Freitag in der Jahreszeit, wo es früh dunkel wird, ständig unangenehmer Wind Laub von den Bäumen weht und die Katze nass wird. Die Familie erwartete geliebten Besuch, der nur wenig Zeit hatte. Der Bruder der Hausherrin hatte daher zum Abendbrot eingeladen und alle waren hingefahren. Der älteste 15-jährige Sohn, der erst spät nach Hause gekommen war, bereitete noch die Betten der Gäste vor und trat dann gelangweilt vor die Tür. Im Einfamilienhaus gegenüber war die Dame des Hauses ebenfalls vor die Tür getreten.

" Na, so ganz allein mein Hübscher." rief sie neckend herüber. „Ja, die kommen erst am späten Abend wieder.“ Sie überlegte kurz, dann lud sie ihn ein „Dann komm doch zu uns rüber, Wie machen uns einen schönen Abend.“

"In Ordnung." rief er zurück. "Ich komme gleich."

Nun, Sie sind durch das Kamasutra bereits phantasievoll vorbelastet, der junge Mann war es jedenfalls noch nicht und war noch auf Nutella-Niveau. Völlig ahnungslos sperrte er die Tür des Hauses zu und begab sich ins Nachbargrundstück

Eigentlich hatte er keine Lust dazu, denn die Tochter hatte ein Auge auf ihn geworfen und gehörte so gar nicht zu dem Typ Frau, auf den er stand. Aber vielleicht war sie ja gar nicht da. Also ging er hinüber. Mutter und Tochter saßen bei Schmusemusik auf Sessel und Couch am Wohnzimmertisch. Die Mutter begrüßte ihn mit den Worten: "Magst auch was trinken? Ich hole uns schnell Gläser. Komm doch mit." Es war ihm zwar nicht klar, wozu sie ihn beim Holen von drei Gläsern brauchte, aber wohlerzogen, wie er war setzte er sich gar nicht erst hin und trottete hinter ihr her. Es war das erste Mal, dass er in dem Reihenhaus war. Er wusste zwar, dass die Nachbarin dem Alkohol nicht ganz abgeneigt war, aber als er in einen gut gefüllten Raum voller blubbernder Weinballons eintrat, überraschte es ihn dann doch. An allen Behältern hatte ihr aufmerksamer Gatte Striche gezogen, um den Füllstand zu markieren. Vermutlich hatte er die Befürchtung, dass durch seine eheliche Schnapsdrossel seine Vorräte sonst zu schnell die Beine anzogen. Sie drückte ihm drei Gläser in die Hand, füllte zwei Karaffen ab und goss sorgfältig Wasser nach, bis der alte Stand wieder erreicht war. "Das merkt mein Alter nie." lachte sie dabei. Dann saßen sie zu dritt auf dem Sofa. Beide Frauen flirteten um die Wette. Hatte ich schon erwähnt, dass er noch Jungfrau war? Nu

Nicht nur das, er bemerkte auch nicht, was da abging. Als die Mutter bemerkte, dass er nicht reagierte, rückte sie immer näher an ihn heran, fing an, ihn rein zufällig zu berühren und versuchte ihn mit Wein abzufüllen. Die Tochter bekam vor Wut einen immer röteren Kopf und sagte irgendwann nichts mehr. Er stand dagegen immer noch auf der Leitung, rückte sogar mal kurz weg, als sie ihn mit ihrem Fuß rein zufällig berührte. Also ging sie zur nächsten Phase über, schaute ihm tief in die Augen, fuhr sich mit der Zunge lasziv über die Lippen, lag irgendwann fast auf dem Sofa und streichelte ihm, natürlich rein zufällig und fast versehentlich, über das Haar. Die Tochter stand ob dieses Verhaltens knapp vor dem Herzinfarkt. Er saß immer noch da und bemerkte: nichts. Dass sich ihre Mutter plötzlich in ihrer Gegenwart als Konkurrentin entpuppte, führte die Tochter kurz vor die Schnappatmung. Als diese dann ihre Schuhe auszog und ihm die Füße, mit der Bitte diese zu massieren, auf den Schoß legte, zerdrückte sie ihr halbgefülltes Weinglas mit solcher Wut, dass es in tausend Stücke zersprang und ihre Hand blutete. Der Mutter war die Gesamtsituation von Anfang an bewusst gewesen. Jetzt bot sich ihr die Gelegenheit, die pubertierende Tochter loszuwerden. "Ich glaube, du hattest genug Wein. Ich verarzte dich jetzt und dann gehst du ins Bett." meinte sie lapidar. Dann kam sie allein zurück. Er hatte inzwischen langsam begriffen, was passiert war und was passieren sollte. Seine Gefühle schwankten zwischen Verblüffung und Aufregung, zwischen: Ich sollte gehen und hoffentlich hat sich die Tochter nicht zu sehr verletzt, hin und her. Dann kam die Mutter zurück. Sie hatte ihr Oberteil gewechselt, sodass ihre Brüste, aus dem tiefen Ausschnitt massiv herausquellend, sich vor den Weinballons ihres Gatten nicht verstecken mussten. "So, jetzt sind wir endlich allein." schnurrte sie und die solcherart überwältigte männliche Jungfrau, die bereits in die hinterste Ecke des Sofas gerutscht oder besser geflüchtet war, bekam hochrote Ohren.

"Weißt du, dass du ein richtig gutaussehender junger Mann bist?" gurrte sie, streichelte bewundernd über seine Oberarme, rückte dabei ganz nah an ihn heran, biss ihn zärtlich hauchend ins Ohrläppchen und legte ihm dabei fast die Brüste in die Augenhöhlen. Ihr frisch aufgelegter Rosenduft und ihre Hand zwischen seinen Beinen ließen ihn sich nun sicher werden, wie der Abend wohl enden würde.

"Komm, ich zeige dir das Haus." hauchte sie ihm ins Ohr. Wie betäubt und nicht wissend, wie ihm geschah, ließ er sich hochziehen. Hand in Hand führte sie ihn eine Etage nach oben.

Er gab noch kluge Sätze von sich, also der Situation angemessenes Zeug, wie: "Was ist in diesem Raum?" " Die Abstellkammer, mein Liebling Schau!

Wenn eine zarte Jungfrau in Nöten ist, sollte der jugendliche Held wissen, was zu tun ist.

Und hier ist das Schlafzimmer. Magst mal reinschauen?" Mit diesen Worten öffnete sie die Tür und stieß ihn fast hinein.

Zwei Stunden später stand der junge Mann über das ganze Gesicht wie ein Vollidiot grinsend, in seiner Haustür.

Die Eltern und die Tante aus Übersee waren vor über einer Stunde zurückgekommen und hatten ihn bereits vermisst. Die Tante schaute ihn aufmerksam an und bemerkte dann am Rande, als sie kurz allein waren: "Und war es das erste Mal?" Er nickte strahlend. Sie lächelte ihm zu: "Dann genieße den Augenblick." Das tat er denn auch. Das an diesem Abend keine bedeutende Stellung dem Kamasutra hinzugefügt worden war oder zur Anwendung kam, wurde ihm erst später klar. Ein paar Jahre später kam dann überflüssigerweise auch noch heraus, dass sie auch seinen Vater und ein paar weitere Nachbarn verführt hatte. Was für ein Luder. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht, denn die Tochter redete ab diesem Zeitpunkt kein Wort mehr mit ihm. So hat jedes "Erste Mal" zwei Seiten.

Wissenswertes:

Frauen haben 15,5 Jahren und Männer mit 16,4 das erste Mal Sex. Der Trend geht dahin, dass immer mehr ältere Frauen sich jüngere Männer erwählen, wie beispielsweise Heidi Klum. Inzwischen ist es jede siebte Frau. Mit zunehmendem Alter steigt ihr Wunsch nach jüngeren Männern. Umgedreht ist dies aber auch nicht anders.

Kapitel 3

Archibald zieht um

Niemand hat Lust die Wohnung zu wechseln. Zieht man in eine kleinere Wohnung, muss man den Hausrat verkleinern. Was der eine Partner entsorgen möchte, will der andere unbedingt behalten und umgedreht. Eine gute Gelegenheit für einen gepflegten Streit. Am Ende bekommt irgendjemand die überflüssigen Möbel geschenkt, der damit das Kuddelmuddel nicht zusammenpassender Möbelteile bei sich erhöht. Oder man organisiert sich über Ebay selbst eine Enttäuschung, weil niemand im Internet für die gebrauchten Teile etwas zahlen will.

Zieht man dagegen in eine größere Wohnung, stellen sich weitaus größere Fragen und es fehlen Möbel. Hier ist die Gelegenheit für einen gepflegten Streit noch viel besser:

Wo stellt man um Himmels willen was hin? Welche Tapete, welcher Bodenbelag und welche Farben wählt man aus? Wie viel Geld setzt man ein und kann der geplante Urlaub dann noch stattfinden? Außerdem macht immer jemand etwas kaputt. Darf es eine Schramme an einem Erbstück oder lieber zerbrochenes Geschirr sein? Auch ein abgebrochener Fuß von alten Familienerbstücken wie der Standuhr oder dem Sofa sind im Angebot. Hoch im Kurs der helfenden und aktiv anpackenden Zerstörung stehen auch ein zerbrochener Spiegel, der satte sieben Jahre Unglück bringt, oder geliebte Bilder. Hinzu kommen Kinder, die sich ständig verdrücken, Nachbarn, welche sich über Sperrgut auf der Straße beschweren und ständig ist das Werkzeug weg.

Eigentlich müsste man jeden Umzug mit einem Termin beim Paartherapeuten oder Psychologen beginnen, um sich darauf vorzubereiten. Aber auch die Schluss- und Einräumphase bietet die Gelegenheit auf Umsetzung des Gesetzes von Murphy: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Die Standardfrage ist: Schatz, hast du die Kiste mit den Bilderalben gesehen?“ und die Antwort: „Nein, in der alten Wohnung standen sie im Vorraum rechts oben.“ Eine Information, die genauso unnütz ist, wie ein Kropf. Es ist traurige Tatsache, dass immer Kisten verschwinden, genauso wie Socken in der Waschmaschine. Der zartstaubige Zauber eines Umzuges lässt nicht nur Familienalben verschwinden, sondern auch Bratpfannen und jede Menge Sachen vom Boden oder Keller, von denen man schon gar nicht mehr wusste, dass man sie hatte, aber jetzt beim Einräumen schmerzlich vermisst. Beschweren bringt im Regelfall nichts. Auch Wortwechsel wie: „Schatz müssen wir wirklich umziehen? Ich war hier eigentlich glücklich.“ führen nur zu der Antwort: „Nein, müssen wir nicht. Wenn du zukünftig im Treppenhaus schläfst, hätten wir übrigen genug Platz! Deine Entscheidung.“ So entstehen Glücksmomente, weil man mitbestimmen kann. In einer scheindemokratischen Familiendiktatur hat eben jeder ein Stimmrecht. Es interessiert nur niemanden. Dagegen fördern Bemerkungen wie: „Jetzt steh nicht so herum. Nimm dir die Kisten und trage sie die fünf Etagen hinunter.“ das familiäre Gemeinschaftsgefühl. Es heißt ja auch ‚In guten wie in schlechten Zeiten‘. Übrigens denkt niemand an Umzüge, wenn er diesen Satz im Standesamt bei einlullender Konservenmusik unbedacht nachplappert. Umzüge sorgen eben von Natur aus für unvergessliche Momente, die man später zum hundertsten Male mit den Worten „Weißt du noch...“ am Leben erhalten kann. Selbst demente Menschen erinnern sich noch an ihren ersten Umzug, da ist der am Bett sitzende Ehepartner schon längst vergessen.

Es war einer der kühleren aber schneefreien Wintertage. Der Wind blies trotz Sonne unangenehm um die Häuserecken. Die nur notdürftig temperierte Wohnung sah nach einer zeitgleicher Mischung aus polizeilich angeordneter Hausdurchsuchung, einem Einbruch, zwei Jahren Messidasein und einem ganz normalen Kinderzimmer aus. (Kinderzimmer steht hier für: nicht betretbar, ohne irgendwelche auf dem Boden liegenden Kleinteile mit dem Fuß zu töten.) Überall standen eingewickelte Möbelteile und Kisten herum. Der gesamte übersehene Staub eines Jahrzehntes tollte übermütig in den letzten Sonnenstrahlen herum. Endlich aus Ecken und Nischen befreite Wollmäuse fassten sich glücklich an den Fusseln und drehten sich begeistert im Walzertakt, wenn jemand vorbeilief.

Genau die richtige Stimmung also, um sich nach einem Buch und einer Tasse dampfenden Tee in einem gemütlichen Café zu sehnen.

Archibald hatte schon seit Tagen die Nase davon voll, ständig über alle Sachen steigen zu müssen und nichts mehr zu finden. Jetzt war es endlich soweit. Viele Wochen vorher war der Chef der Umzugstruppe vorbeigekommen, hatte sich die Wohnung angeschaut und ein sehr günstiges Angebot unterbreitet. In der alten Wohnung mussten die Möbelträger die Einrichtung eine Etage hinunter und in der anderen Wohnung die Hälfte der Möbel und Kisten in die erste Etage hinauftragen. Die andere Hälfte kam eine Treppe weiter unter das Dach. Archibald war das egal. Er war heilfroh, dass er diesmal das Klavier nicht selbst mittragen musste. Seine Frau war bereits vorausgefahren, um vor Ort festlegen zu können, was wohin getragen werden sollte. Jetzt wartete er allein schon über eine Stunde auf den verspäteten Umzugsservice. Dann klingelte es Sturm. 'Na endlich!' dachte er und erinnerte sich an Paketboten, die klingelten und wieder abhauen. 'Wer zu spät kommt, macht das wieder wett, indem er so tut, als sei der Versetzte zu langsam, um an die Tür zu gehen. Würde mich nicht wundern, wenn die verschwunden sind, bevor ich die Tür aufmachen kann. Und dann kommt eine Rechnung über eine vergebliche An- und Abfahrt.' Archibald riss sich zusammen, um freundlich zu wirken und riss die Tür auf.

Vor der Tür standen vier Gestalten, die vermutlich von einem Karikaturisten zum Leben erweckt worden waren. "Der erste Eindruck ist der Beste." sagt man. Archibalds Eindruck folgte dieser Logik. Sein Eindruck ging in eine Richtung, in der er verstand, warum manche Menschen sich selbst bei Horrorfilmen nicht mehr gruselten. Die hatten dieselbe Umzugsfirma genommen wie er.

Vor ihm standen Spargeltarzan, daneben ein kleiner dickbäuchiger O-Bein-John, dahinter Suppenkasper und ein Typ, den selbst Spongebob niedergerungen hätte. 'Wenigstens hat der Kleine solche O-Beine, dass man die Kisten dazwischen durchschieben kann.' fiel Archibald abrupt dazu ein.

Der würde mit diesen Beinen dem Transport schon mal nicht im Wege stehen. Mit Teebeutelpackungen hatten die bestimmt kein Problem, aber nur, wenn sie schon angerissen waren und einzeln abtransportiert wurden. Er schaute die zart gebaute Truppe zunächst mit großen runden Augen an und wurde aus acht geistbefreiten Augen zurückbeglotzt.

Ob viermal Nichts mehr als Nichts ist?

Die brachen doch sicher bei der ersten Kaffeetasse zusammen, also einer leeren Tasse. Nachdem er sich etwas gefangen hatte, bat er sie herein und erklärte der Truppe, welche Sachen zuerst in die andere Wohnung müssten und dass seine Frau sie dort erwarten würde.

Sie sollten sich bei ihr melden, damit sie ihnen sagen könne, wo was hinkäme. Die vier Märchengestalten nickten und begannen dann in zwei Etagen wahllos alles anzupacken, was ihnen in die Finger kam. Genauso gut hätte er auch ein Gedicht wie ein Hörbuch in eine Geschenktüte sprechen, diese verpacken und verschenken können. An ein gezieltes Steuern des Umzuges war nicht zu denken. Alle vier hielten immer die völlig verkehrten Kisten in der Hand und liefen permanent über das Gewicht schimpfend und jederzeit unansprechbar, an ihm vorbei, als sei er aus Luft. Also nur drei von ihnen, denn der Vierte (Spongebob) gab immer falsche Anweisungen und trug selbst nichts. Das Chaos wurde immer perfekter. Die verstanden eben ihr Handwerk. Außerdem stapelten sie derart dümmlich ihren Transporter voll, dass sie am Ende zweimal mehr fahren mussten als geplant. Und dann war es das erste Mal plötzlich still. Sie waren ohne ein Wort zu sagen - fort. Das bemerkte er erst, als einfach niemand von draußen zurückkam und die Wohnung immer kälter wurde. Daher rief er seine Frau an um sie vorzuwarnen. Beim Abladen erzeugten sie noch weniger System als beim Aufladen, wenn weniger als nichts überhaupt geht. Sie regten sich auf, dass es teilweise eine Etage höher ging, als in der alten Wohnung hinab. Zwischen all dem Gemeckere stellten sie stöhnend, schwitzend und ächzend die Kisten und Möbel einfach dort ab, wo sie gerade standen. Archibald wunderte sich später, dass es so viele ungeeignete Stellen in der Wohnung gab, um etwas abzustellen. Als alles leicht Bewegliche teilzerstört oder unauffindbar umgelagert war, stand nur noch das Klavier in der alten Wohnung. Statt dieses nun anzupacken, verabschiedeten sich die Karikaturen von kräftigen Möbelpackern und wollten verdunsten. Archibald glaubte sich verhört zu haben: " Und was wird aus dem Klavier?" fragte er mit leicht erbostem Unterton, mit dem sich eine nahende Explosion ankündigte. " Was soll damit sein?" Fragte einer zurück. "Na was wohl?! Ab aufs Auto und rüber damit." "Von einem Klavier hat unser Chef nichts gesagt." maulte Spargeltarzan. Archibalds Stimme senkte sich gefährlich ab: "Hat der Chef ihnen von unserem Toilettenpapier erzählt?" Das O-Bein schaute ihn ernsthaft an und entgegnete: "Nein, davon hat er uns nichts gesagt. Wo steht es denn?" Archibald bekam leichtes Körperzittern: "Gleich neben der Wasserschüssel aus Zeitungspapier." Spargeltarzan nickte verständnisvoll: "Wenn Sie uns das vorhergesagt hätten, hätten wir die Papierschüssel noch mit aufladen können." Archibald explodierte: "Seid ihr so blöd oder tut ihr nur so?! Selbstverständlich gibt es kein Problem mit Toilettenpapier und auch keine Wasserschüssel aus Papier. Das Klavier muss rüber, sonst gibt’s von mir kein Geld." Er holte tief Atem, um wieder herunterzukommen. Suppenkasper bot sich hilfsbereit an: "Wir könnten Ihnen neues Toilettenpapier mitbringen, wenn Sie keines mehr haben." Archibald gab es auf. Wenn er sich weiter erregen würde, würden ihn die Engel hier und jetzt wegen einem Herzkasper vom Suppenkasper erlösen. "Ich will nur, dass das Klavier aus der Wohnung kommt. Drüben wird es im Erdgeschoss abgestellt. Ich gebe auch was extra." versuchte er jetzt mit Bestechung eine andere Schiene zu fahren. Die Vier schauten sich gegenseitig entsetzt an. Dann ergriffen sie nacheinander das Wort:

"Ich bin nur der Fahrer." meinte Spongebob.

"Ich habe Tennisarme und darf nicht schwer heben." erklärte Suppenkasper.

"Ich muss das noch mein ganzes Leben lang machen, da geht so ein schweres Teil nicht." drückte Spargeltarzan auf die Mitleidsdrüse.

Und O-Bein setzte noch einen drauf, indem er auf seinen, an dieser Stelle anscheinend lückenhaften, Arbeitsvertrag hinwies: Mit der Bemerkung: "Das ist nicht meine Aufgabe." rückte er das Arbeitsrecht ins rechte Licht.