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Autobiographische, witzig/unterhaltsame Kurzgeschichten über die Studienzeit zur Wende von 1987 bis 1992, begleitet mit Informationen über die DDR und die politischen Ereignisse jener Zeit, Die Wendezeit und die DDR werden mal ganz anders beschrieben als allgemein üblich. Das Buch über Aufbruchstimmung, aber auch der anderen Seite, wird Sie unterhalten und fesseln.
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Seitenzahl: 219
Veröffentlichungsjahr: 2020
Der Autor 1989
Dipl. Baustoffing. Holger Prade
geb. 1965 Vogtland in Sachsen
verschlagen worden in 17 Städte in Ost und West
in Radeberg bei Dresden hängen geblieben
Bauleiter, Abteilungsleiter, Spartenleiter, Geschäftsführer und
dann Unternehmer
zertifizierter Sachverständiger für Wasserschäden an
Bauwerken
glücklich verheiratet
drei Kinder
einmal alles verloren und wieder aufgestanden
privat zwei Häuser neu gebaut und zwei Gebäude saniert
Fachbuch „Praxishandbuch Abdichtung“
Kurzgeschichten: „Irgendwas passiert immer“
Weitere Bücher:
„Irgendwas passiert immer“ Teil 1
Herausgegeben: Januar 2020
ISBN Nr.: 9783750400894
Teile 2 und 3 sind in Arbeit
„Praxishandbuch Abdichtung“ Ein Ratgeber, für Jeden, der mit einem feuchten Haus zu tun hat
Herausgegeben: Januar 2020
ISBN Nr.: 9783750461390
Vorwort
Liebeserklärung an Weimar
keine Offizierslaufbahn-kein Studium
Durch eine Party zum Studienplatz
Wie man dazu kommt, irgendwas zu studieren
Einschreibung: Club-Prüfung-Club
Tal der „Roten Brüder“, gestohlene Farbfernseher, unterirdische Gänge
Alltag an der Uni
Studienfrust und Sport als Therapie
DDR Bahnfahrten eine besondere Erfahrung
Die Frauen und ich
Berlin Betonwerk Grünau Teil 1: Eine schlimme Ahnung von der Zukunft
Berlin Betonwerk Grünau Teil 2: Das älteste Plattenwerk aller Zeiten
ZV-Lager in Obertau bei Leipzig
2000m Tornisterlauf und alkoholisierte Spaßmaurer
Ein Hygieneproblem und warum wir Lagerbeste Wurden
Die Russen sind da
Die Liebe zur Musik oder wie der böse Zufall will
Wie der Zufall will - schon wieder eine Frau
Eine Rennsteigwanderung mit besonderem Ende
Handwerker an der Hochschule
Abschlussprüfung in Politischer Ökonomie
Internationales Studentenlager – Die drei S: Streik – Sex – Sekt
Das Model
Die Weimarer
Wichtel: der erste Studentische Dienst im Osten
Der Mensakongress
Es geht los
Die Stase kriegt mich – der katholische Hirtenbrief
Die erste Demonstration und linke Ferkel
Die Grenzen sind offen
eine beschauliche Grenzstadt wird überrannt)
menschliche Kontakte über Grenzen hinweg
30 Jahre später (exakt 30 Jahre später minus einem Tag)
Die andere Seite der Medaille
Ich drehe auf 200 Prozent
Ein Jahr nach Grenzöffnung: Drogen, Ausverkauf und andere Errungenschaften
Hausschwammsanierung Teil 1 Angriff auf die Hochschule
Hausschwammsanierung Teil 2 Eine Schneemannarmee rückt ein
Hausschwammsanierung Teil 3 Wir lochen ein Haus ein
Die Angst vor der erhofften Währungsunion
Das Neue Forum und eine Einladung nach Trier
Besuch aus Litauen -> Akademiker ab in den Kanal
Mit dem Motorrad ins Ungewisse Praktikum Teil 1
Heidelberger Bauchemie oder der Kampf um einen Praktikumsplatz Teil 2
Es war doch nur eine einfache Fahrt
München Schwabing, TU München, Rockerclub
Mannheim Teil 1 – Ein Ossi marschiert im Westen ein
Mannheim Teil 2– wie unterschiedlich Ost und West doch sind
Rausschmiss aus dem Studentenclub
Die Wichtel scheitern am Gewerbeamt
Salat-Schorch – Eine Geschichte am Rande
Diplomarbeit
Färtsch und nun?
Nachbetrachtungen zur Wende
Stasiakte
Das heutige Wissen von Studenten über die DDR
Die Hilfe der Malteser und Österreicher – ein fast vergessener Aspekt
Die „Nationale Front“ der DDR
„Es kommt der Punkt, an dem das Bedürfnis entsteht, das Lesen der Bücher Anderer zu beenden und selbst zu schreiben.“
(sinngemäß nach Albert Einstein)
Der Witz ist die Waffe des Wehrlosen
(Sigmund Freud)
(Und stellt das Florett der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker dar.)
Lieber Leser,
Erinnerungen verändern oft die Sicht, wenn sie niedergeschrieben werden. Die Gefahr der nostalgischen Verklärung entsteht, wenn negative Dinge automatisch verdrängt werden. Wer kennt nicht die Heldenstorys der Männer, welche nach drei Bier beginnen, von ihrer Armeezeit zu schwärmen. Dabei war es meist ganz anders. Man möge mir also verzeihen, wenn ich die Lücken literarisch geschlossen habe. Auch die Namen der Beteiligten wurden geändert.
Lassen Sie uns gemeinsam eine Reise in eine versunkene Welt unternehmen. Tauchen wir in eine Zeit ein, welche unwiderruflich vorbei ist. Sie existiert nur noch in den Köpfen der Zeitzeugen oder auf Papier. Nur allzu oft wird einseitig betrachtet. Was offiziell über den Bildschirm flimmert, ist meist bitterernst und, Hand aufs Herz, es ist immer die gleiche Leier. Doch selbst die schlimmste Diktatur bietet Anlass zum Lachen oder Schmunzeln. Die DDR war eben nicht der Einheitsbrei DDR, bestehend aus SED und Stasi auf der einen und dem unterdrückten Bürger auf der anderen Seite. Jeder erlebte die DDR anders.
Witz zum Straßenbauprogramm der DDR
„Schon gehört? Auf der Autobahn wurden zwischen Plauen und Zwickau zwei Bauarbeitern die Köpfe weggefahren.
Oh, das ist ja schrecklich!
Ja, sie frühstückten im Schlagloch.“
Unternehmen wir also einen vergnüglichen und unterhaltsamen Ausflug in die Wendezeit von 1987 bis 1992 aus meiner Sicht. Schließen Sie die Augen (zumindest geistig, sonst wäre hier schon Schluss), lehnen Sie sich zurück und lassen Sie sich von mir nach Weimar und mitten ins lustige Studentenleben der Bauhausstudenten mitnehmen.
Erleben Sie mit, wie sich durch den Untergang der linken sozialistischen Diktatur das Leben völlig umkrempelte, wie sich eine angstangepasste, geistig unterdrückte Gefängnisgemeinschaft mit 17 Millionen Insassen, aber auch eine Feiergesellschaft auf Obstsuche über Nacht scheinbar auflöste; und wie sie sich zu einer wilden hoffnungsvollen Aufbruchgesellschaft mit Menschen entwickelte, die bereit waren, die Ärmel hoch zu krempeln.
Spannung und Humor sind gewiss.
Wenn Sie heutzutage Ost- und Westgermanen nicht mehr an der Kleidung erkennen können, dann fragen Sie nach der Uhrzeit. Ostgermanen antworten mit „Dreiviertel Zwei“ und Westgermanen mit „Viertel vor Zwei“. Zwar sagt der englisch sprachige Teil der Welt „quarter past two“, doch klingt für ostdeutsche Ohren „ein Viertel vor Kuchenende“ genauso komisch wie „ein Viertel vor Zwei.“
Fein herausgeputzt für den Pionierausweis
Die Widersprüche der DDR:
Das Recht und die Pflicht zur Arbeit waren gesetzlich verankert. Das führte zwar dazu, dass es keine offiziellen Arbeitslosen gab, aber es führte zu übermüdeten Eltern und Kindern früh gegen fünf Uhr in der Straßenbahn und oft zu Überforderung. Für Glas, Papier, Metall, Pappe gab es Geld in SERO-Annahmestellen (SERO=Sekundärrohstoffe), doch gleichzeitig färbten sich die Flüsse bunt und die Industrie verschmutzte die Luft. Die Mieten waren sehr billig, doch fehlte den Hauseigentümern dann logischerweise das Geld zur Modernisierung und Instandhaltung. Kinder konnten auf vielen Straßen spielen, weil es zu wenig Fahrzeuge gab. Die Wartezeiten lagen bei 15 bis 20 Jahren. Es mangelte an Allem, doch führte der Mangel zu nachhaltigem Wirtschaften, zu sparsamstem Umgang mit Ressourcen, Urlaub im Land und nicht irgendwo, eigene Beutel beim Einkauf, dreimal geflickte Socken, alte Kleidung, die auseinandergenommen und bis zum letzten Knopf und Stofffetzen verwertet wurde usw. Gegenseitige Nachbarschaftshilfe, keine Sorgen um Krankenkassenbeiträge, Studiengebühren, Rente, Kita- oder Arbeitsplatz führten zum Gefühl von Sicherheit. Autos blieben offen und die Schlüssel steckten. Haustüren standen offen, weil man keine Angst vor Dieben hatte. Die Sicherheit des Eingesperrten und die Bestechung mit sozialer Sicherheit hatten aber ihren Preis. Und um diese Vergangenheit und wie sie endete, geht es.
Ganz konkret schreibe ich über die Zeit von 1987 bis 1992. Es geht um einen Studenten, der mir nur rein zufällig ähnelt, also blond und blauäugig und nur zufällig in Weimar am Bauhaus gelandet ist. Zufällig fragen Sie? Wie kann man zufällig an einer Hochschule landen? Wie bescheuert muss man sein, damit einem so etwas passiert? Ist es nicht so, dass man sich bewirbt und wenn die Zensuren passen, landet man den angepeilten Treffer?
Doch das geht! Und schon sind wir mittendrin. Mittendrin in der Deutschen Demokratischen Republik, mittendrin in der Diktatur des Arbeiter- und Bauernstaates, dort, wo Handwerker besser entlohnt wurden als Studierte. Dort, wo Kinder und Jugendliche zentral in Jugendorganisationen staatskonform ausgerichtet wurden und die Betriebe bewaffnete Kampfgruppenhatten. Dort, wo mit der Einschreibung an der Bildungseinrichtung bereits staatlich festgelegt wurde, wo man später arbeiten und wohnen sollte. Bei mir war es das Plattenwerk Grünau bei Berlin, aber nicht das Sie denken, dass mir das vorher jemand gesagt hätte. Ganz im Gegenteil. Es lief ganz anders und diese unglaubliche Geschichte erfordert einen kurzen Rückblick in das Jahr 1986. Damals fand an der Berufsschule die Bewerbung aller Abiturienten statt, die den Russischunterricht und Marxismus/Leninismus unbeschadet überstanden hatten. In diesen Fächern schlecht zu sein, minderte erheblich die Chancen auf ein Studium.
DDR Witz über die überalterte SED-Führung:
„Was ist das? Es hat 80 Zähne und vier Beine? - Ein Krokodil. - Und was hat acht Zähne und 52 Beine? – Das SED-Politbüro.“
Meine Ausbildung als Baufacharbeiter mit Abitur (scherzhaft formuliert: Gymnasialer Fluchten Maurer) war abgeschlossen und meine Bewerbung für ein Studium der Fachrichtung Wasserbau an der Uni in Dresden bereits aus Kontingentgründen abgelehnt worden. Das war für mich eine Katastrophe, denn jetzt gab es eine sogenannte Umlenkungsrunde auf unbesetzte freie Studienplätze. Als Lehrling im VEB Wohnungsbaukombinat Fritz Heckert, Betriebsteil Walter Ulbricht Plauen (was für ein ansprechender Name, finden Sie nicht auch?) angestellt, meinem sogenannten Delegierungsbetrieb. Der Abiturplatz war die Gegenleistung des Betriebes zum Versprechen des Abiturienten, tatsächlich zu studieren und sich dort einsetzen zu lassen, wo der Betrieb es für richtig hält. Die Zustimmung setzte man schlicht voraus und das hatte Vorteile. Man bekam u.a. die Bücher bezahlt, einen fast kostenlosen Wohnheimplatz gestellt, wurde zu Veranstaltungen der Firma (also zu Essen und Alkohol) eingeladen und hatte zu jedem Zeitpunkt einen Arbeitsplatz sicher, egal wo dann auch immer.
In der DDR waren die Abiturplätze an den EOS (Erweiterte Polytechnische Oberschule) stark limitiert. Wer es da nicht hineinschaffte (Eine SED-Mitgliedschaft der Eltern war da sehr hilfreich.), konnte nur noch über einen Delegierungsbetrieb eine Berufsausbildung mit Abitur machen. Das war meist auch nur über Beziehungen möglich. Der Kreis Auerbach, in dem ich wohnte, hatte offiziell nur zwei Abiturplätze dieser Art zu vergeben. Mein Vater tat dem Direktor ein paar Gefallen (So wurden beispielsweise die inoffiziell beschafften Baumaterialien für den Schulerweiterungsbau, auf dem Gehweg vor unserem Haus abgelagert und dann bedarfsgerecht von Schülern über fast 200 Meter von hinten zur Schule transportiert.) und dieser beschaffte mir einen der freien Plätze. Nach der Wende eröffnete der Schuldirektor eine Autoserviceanlage, da er in der SED war und somit als im Schulbetrieb nicht mehr tragbar galt.
Den ersten Widerstand gegen den Staat erlebte ich bereits 1984 während der Ausbildung. Aber die Betriebsberufsschule „Robert-Siewert“ in Karl-Marx-Stadt ist eine ganz eigene Erzählung wert. Was in den beiden Wohnheimen in Karl-Marx-Stadt und Plauen passierte, spottete jeder Übertreibung (siehe Rückblick auf Seite 36).
Die DDR trat 1973 der UNO bei. 1975 unterzeichnete sie die KSZE-Schlussakte. Jetzt konnten immer mehr Menschen eine „Antrag für die ständige Ausreise aus der DDR“ stellen und taten dies auch. Oppositionell eingestellte DDR-Bürger forderten somit ihre Menschenrechte ein, auf deren Einhaltung sich die DDR mit der Unterzeichnung der KSZE-Akte verpflichtet hatte. Anfang der 80er Jahre stellten bereits 21.500 Bürger einen Ausreiseantrag. Im Jahre 1985 versuchte man durch eine gesonderte Ausreisegenehmigung für 21.000 Antragsteller, die Lage zu entschärfen. Das führte 1985 zu einem explosionsartigen Anstieg der Anträge um das Vierfache, also auf 57.000 Antragsteller. Die Jahreswende 1987/1988 markierte mit 105.000 Menschen einen erneuten Höhepunkt. 1989 waren es Anfang des Jahres bereits 159.000 Anträge.
Vorab möchte ich Ihnen eine kleine Einstimmung auf das im Tal gelegene wunderschöne alte Weimar nicht vorenthalten. Ein Bild der geistigen und geschichtsträchtigen Atmosphäre dieser Stadt gehört nach meiner Auffassung Rahmen, der genauso immer präsent war, wie die politische Entwicklung.
Was hat Weimar zu bieten, außer einer traumhaften Innenstadt? Nun, da gibt es auf der historischen Flaniermeile Frauenplan den Gänsemännchenbrunnen, in dem früher die Studenten baden gingen, wenn ihr Studium zu Ende ging. Sie bekamen dann häufig einen Strafzettel von der Polizei, der als Ehrenandenken gehandelt wurde. Diese Tradition ist aber schon längst Vergangenheit.
Es gibt Schloss Ettersburg, Schloss Tiefurt, das Stadtschloss und am Ende der Belverderer Allee, wer hätte es gedacht, dass Schloss Belvedere.
Es gibt das berühmte Nationaltheater Weimar und im Ilmtalpark, welchen Goethe finanziert von der Herzogin Anna-Amalia anlegen ließ, eine kirchliche Kunstruine und eine Statue als Denkmal für Shakespeare. Einen Besuch lohnen auch Marstall und Bibliothek der Anna-Amalia. Das Gebäude wurde bekannt, als jemand eine Trockenlegung mittels Elektrolyse versuchte und es dabei in Brand steckte.
Etwas außerhalb liegt das gruselige KZ Buchenwald aus der NS-Zeit. Wer etwas mehr darüber erfahren möchte, wie lange das KZ der Nationalsozialisten von den Russen noch weiter betrieben wurde, muss einmal schräg durch das ganze Lager. Der Eine war eben einen Fünfer wert und der Andere fünf Pfennig. Einen Besuch lohnen auf jeden Fall die Wohnhäuser bzw. Museen des Philosophen Nitzsche, des Weinliebhabers Friedrich Schiller, Lucas Cranach dem Älteren, Franz Liszt, Eckermann, Goethe oder das idyllische Gartenhaus.
Wer einen schmalen Geldbeutel hat, kann schauen, ob er Glück hat und eine günstige oder gar kostenlose Karte an der Musikhochschule ergattern kann. Dort musizieren die Studenten.
Wer etwas über die Mineralien Thüringens erfahren möchte, findet auf dem Frauenplan ein Mineraliengeschäft, betrieben von einer Geologin, deren Leidenschaft ansteckt.
Am Ende des Frauenplans befindet sich ein altes Sandsteingebäude mit einer Apotheke darin. Der Sandstein ist rot und gelb. Das war er aber nicht immer. Nach der Wende reinigte eine westdeutsche Firma die Fassade mit einer verdünnten Salzlauge. Dadurch veränderte sich teilweise das im Sandstein vorhandene Ferrat, also das Eisen, und die einfarbige Fassade wurde zweifarbig. Vielleicht hätte man doch eine einheimische Firma nehmen sollen.
Klassischer Unfug aus der Wendezeit eben und symptomatisch dafür, wie überall die einheimischen Unternehmen zurückgedrängt wurden.
Witz zum Wohnungsbauprogramm der DDR
„Mami, Mami, was sind das für Statuen auf dem Gerüst?
Das sind keine Statuen mein Schatz. Das sind Maurer.“
Wenn sie mal lachen wollen, dann gehen Sie in das Schillermuseum in Weimar. Dort liegen Münzen mit Schillers Konterfei aus, die ihn mit den unterschiedlichsten Variationen seiner Nase darstellen. Es ist, als hätten die Münzenmacher sich zusammengetan, um sich über ihn lustig zu machen.
Schon fast gottgleich wird jedoch Johann Wolfgang von Goethe gehandelt, dessen Spuren überall zu finden sind. Seine intellektuelle Fangemeinde beschloss irgendwann, dass an seiner Fassade nicht gekratzt werden dürfe. Nicht viel jedenfalls und wenn doch, dann nur oberflächlich, wohlwollend. Was ja auch irgendwie okay ist.
Genau deshalb hier eine überlieferte Anekdote einer anderen lausbübischen Seite von ihm: Als junger Mann war Goethe zusammen mit Herzog Carl August (ab 1815 Großherzog) immer für einen Streich zu haben. Besonders hatten sie es auf junge Damen abgesehen, welche zu Besuch in Weimar weilten. Diese reisten damals meist zu zweit und wenn sie Pech hatten, trafen sie auf dem Frauenplan auf zwei junge Männer. Damals waren lange stoffreiche Kleider mit Unterröcken in Mode. Genau darauf hatten es die beiden Frechdachse abgesehen. Wie eine junge Dame von der Küste empört in einem Brief an ihre Familie nach Rostock schrieb, schlichen sich ein gewisser junger Herr von Goethe und sein Begleiter von hinten an sie heran, griffen sich beidseitig den Rocksaum der ahnungslosen Dame, hoben ihn hoch und banden ihn oben zu. Dann gaben sie Fersengeld. Zurück blieb ein schreiender und schimpfender anonymer Kleiderberg im Unterrock. Man stelle sich dieses Theater auf der Flaniermeile des Frauenplans vor.
Goethe hegte eine enge Freundschaft mit Eckermann, der 1823 nach Weimar kam. Doch war sie leider nicht ungetrübt. Während Goethe Minister bei der Herzogin Anna-Amalia wurde, bekleidete Eckermann den Posten eines Bibliothekars. Die Herzogin vernachlässigte die Bezahlung Eckermanns, so dass dieser in eine ernste Notlage geriet. Er wandte sich lange Zeit vergeblich um Hilfe an seinen Freund Goethe, den das aber nicht sonderlich interessierte. Ein einfaches Gespräch mit der Herzogin soll dann die Probleme doch noch gelöst haben. Nobody ist eben perfekt, auch nicht der Herr von Goethe. Das Haus von Eckermann steht nicht weit weg von Goethes Wohnhaus.
Nach dem Bauhaus ist vor dem Bauhaus: 1919 gründete Walter Gropius das staatliche Bauhaus in Weimar. Das eigentlich Neue war, dass er Kunst und Handwerk, also eigentlich die Architektur, miteinander verband. Vorläufer war die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar mit der 1907 von Henry van de Velde gegründeten Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar. Daher gibt es einen Van-de-Velde-Bau und ein Gebäude, welches nach Walter Gropius benannt wurde.
Hauptgebäude der Universität (freigegebenes Bild der Uni)
Als „Mumienexpress“ wurden sarkastisch die Interzonenzüge bezeichnet, die als grenzüberschreitender Verkehr DDR und BRD miteinander verbanden. Ausgangs- und Endpunkt war der Fernbahnhof Berlin-Friedrichstraße. Die Züge wurden überwiegend von Rentnern benutzt, welche die Erlaubnis bekommen hatten, Verwandte zu besuchen.
Van-De-Velde-Bau (freigegebenes Bild der Universität)
Wussten Sie, dass jüdische Bauhaus-Architekten in Tel Aviv mehr als 4.000 Gebäude errichteten und damit Tel Aviv die größte Ansammlung von Gebäuden im Bauhaus-Stil besitzt?
Von Gropius halte ich persönlich nicht allzu viel. Ich empfinde seine Gebäude eher als Beleidigung und Missachtung der Menschen, für die sie gebaut wurden. Wer entscheiden kann, ob er in einem flacheren Gebäude, das sich der Natur anpasst und inmitten einer grünen Oase steht, wohnen möchte oder in einem Betonsilo, der entscheidet sich immer für die Oase. Aber das ist meine ganz persönliche Ansicht. Ich finde generell die „Arbeiterschließfächer“ der Betonplatten- und Stahl/Glaswüsten grauenvoll. Sie stehen für mich, für den Verlust der Identität zugunsten beliebiger Austauschbarkeit. Sie wirken naturfeindlich und kalt. Ich empfinde sie als Auswüchse von Dekadenz und Ausdruck von Machtansprüchen, die aus niedrigsten menschlichen Eigenschaften herrühren.
In Berlin Neukölln steht eine seine größten Sünden, die Gropiusstadt.
Berlin-Neukölln: Gropiusstadt Autor: P. Darmochwal, Sansculotte at de.wikipedia
Wer heute Weimar besucht, kann zwischen einer Bauhausführung und einer Weltkulturerbe-Führung auswählen. In den Semesterpausen trifft man häufig auf Studenten, welche sich hier etwas hinzuverdienen. Beide Führungen sind sehr zu empfehlen. Wenn man alle geschichtsträchtigen Schlösser, Wohnhäuser der Weimarer Berühmtheiten, Parks, die Bauten und Gedenkstätten aus dem Dritten Reich oder den Campus besuchen möchte, sollte man sich jedoch für mindestens eine Woche einquartieren .
Zunächst muss ich Sie aber in eine Vorgeschichte mitnehmen.
In der DDR gab es zwei zentrale Bewerbungsrunden für Fach-, Hochschul- oder Universitätsstudium. Wer dort abgelehnt wurde, konnte von Glück reden, in der zweiten Runde, der sogenannten Umlenkrunde, noch einen vernünftigen Studienplatz zu ergattern. Meine Ablehnung in Dresden aus Kontingentgründen fand ich mehr als merkwürdig. Kontingentgründe!? Wer’s glaubt wird selig. Bei unserer zahlreichen Westverwandtschaft war das zu erwarten gewesen. Ich glaube bis heute nicht an diese Begründung. Hätte dann aber nicht etwas in meiner Stasiakte darüberstehen müssen? Wie auch immer. Auf jeden Fall hatte ich mich erfolgreich gegen einen dreijährigen Militärdienst gesträubt. Man stelle sich diese absurde Situation vor: Mein Vater musste als Abteilungsleiter in einem Straßenbaubetrieb gegen seine eigene Überzeugung Lehrlinge für einen längeren Militärdienst anwerben. Sonst wäre er für diese Stellung nicht tragbar gewesen. Er war nur tragbar in dieser Position, weil er widerstrebend in die systemkonforme CDU eingetreten war. Zuhause stellte er diese Gespräche dann mit mir nach und brachte mir bei, mich gegen diese Art sozialistischer Vereinnahmung zu wehren. Bereits im ersten Lehrjahr saß mir eine Gruppe aus betrieblichen Vorgesetzten, Parteibonzen der SED und hochrangigen Offizieren der NVA gegenüber. Das wiederholte sich jedes Jahr. Was diese Drückerbande mir alles versprach, hätte den dicksten Eskimo vor Lachen vom Schlitten geholt. Zuerst köderten sie mich mit meiner Pflicht zum Dienst an der Gesellschaft, mit hohem Sold, höherem Stipendium, gesellschaftlich höherer Anerkennung als Offizier und dann mit der freien Wahl des Studienplatzes. Dann log ich sie im Gegenzug lächelnd an, dass klänge wirklich sehr sehr seeehr gut, ich würde aber in ein paar Jahren das Einfamilienhaus meiner Eltern bekommen und wolle deswegen nicht länger als nötig aus meiner Heimatstadt weg. Antwort: „Dann bekommst du eben am Standort ein neues Haus von uns.“ Neue Ausrede von mir: „Ich möchte nicht gezwungen werden, länger als notwendig, eine Waffe in die Hand zu nehmen, denn ich verabscheue jegliche Gewalt.“ Was ja auch wahr war, besonders diese Art von Gewalt gegen mich. Antwort: „Du studierst sowieso in Cottbus Militärbau; dann wickelst du Baustellen ab, die ja eher zum Schutz der Bevölkerung dienen und hast nichts mit Waffendienst zu tun.“ Aha, die Nationale Volksarmee dient nur zum Schutz vor dem Klassenfeind. Wir sind also die Guten. Wer’s glaubt? Und so ging es munter weiter. Meist schwindelte der Offizier das Blaue vom Himmel herunter. Die Lügen wurden mir ohne rot zu werden aufgetischt und von mir mit Lügen (ebenfalls ohne rot zu werden) beantwortet. Zum Himmel stinkende falsche Versprechen kamen wie Eier aus der Legebatterie und wurden kehrt wendend von mir über den Klee gelobt - und dann dennoch abgelehnt. Alles konnte man am heimischen Herd jedoch nicht vorhersehen, denn aus Freundlichkeit wurde Eindringlichkeit, aus Eindringlichkeit wurde Druck und aus Druck wurden Drohungen. Aus meinen einstudierten Abwehrargumenten wurden nur allzu häufig Bumerangs und die letztlich zusammengestotterten Widersprüche häuften sich. Dieses Programm wurde von der staatlich geschickten Drückerkolonne drei Jahre wiederholt und dauerte immer eine Stunde. Man ließ auch die Jugendlichen vorher bewusst warten, um sie mürbe zu machen. Ich blieb zwar standfest, war mir aber nach der dritten „Beschwörung“ sicher, mir jede Chance auf ein Studium verbaut zu haben. Früher war das Erheben von Truppen ehrlicher. Da holten die Preußischen Anwerber die Männer einfach aus dem Haus, frei nach dem Motto: „Jetzt kommst du mit. In ein paar Jahren bist du ja wieder zurück.“ und versuchte sie nicht psychisch nieder zu machen.
Jedenfalls stand ich nach der ersten Bewerbungsrunde mit leeren Händen da und jede einzelne Minute der sozialistischen Drückerbande war mir im Geiste gegenwärtig. „Für Frieden und Sozialismus seid bereit.“ Nein, im ganzen Leben nicht! Denn die beiden Worte schlossen sich gegenseitig aus.
Für die zweite Bewerberrunde gab es mehr abgelehnte Abiturienten als freie Plätze. Hatte vorher mein Vater beim Abiturplatz unter die Arme gegriffen, griff jetzt die Hilfe meiner Mutter.
Von 1949 bis 1989 verließen insgesamt 3,5 Mio. Menschen die DDR, davon 2,5 Mio. vor dem Mauerbau 1961. Es gab drei Wege der Flucht: über die innerdeutsche Grenze, Freikauf aus der Haft und Nichtrückkehr einer genehmigten Reise. Was auch immer zum Tragen kam, der zurückgebliebenen Familie wurden meist Steine in den Weg gelegt; Brandmarkung sozusagen als Hort von Dissidenten.
Die Wehrpflicht wurde am 24. Januar 1962 eingeführt und dauerte 18 Monate. 1964 wurde für Christen und Pazifisten der Bausoldat eingeführt.
Abi Abschlüsse waren damals noch schlichte Feiern und wurden anders zelebriert, als heute, wo es nicht weit genug weg gehen und teuer genug sein kann. Kurzerhand wurde die ganze Karl-Marx-Städter Abi Klasse incl. Lehrer in unser 120 Kilometer entferntes Standarteinfamilienhaus eingeladen. Knapp 40 Leute rückten an, brachten teilweise essen und trinken mit, feierten und machten sich nach einer wilden Feier abends überall im Haus auf die Suche nach Schlafgelegenheiten. Im Bad saß jemand zusammengefaltet mit Decke in der Dusche. Jemand hatte sich Decken und Kissen organisiert und damit die noch freie Wanne kuschelig belegt. In meinem 15m2 großen Kinderzimmer hatten sage und schreibe sieben Leute Platz gefunden. Es war ein Wunder, dass nicht jemand an der Lampe hing oder im Schrank stand. Ich kam als Gastgeber zuletzt in die Heia und stellte fest, dass ich Nummer Acht und ohne Schlafplatz war. Eine früh müde gewordene Schönheit, die mein Bett rechtzeitig okkupiert hatte, machte mir gnädig Platz: „Kann ich? Ich weiß nicht wo sonst hin?“ „Ja klar, komm rein.“, war die gähnende Erlaubnis für mein eigenes Bett. Rücken an Rücken verbrachte ich eine zugegeben nervöse Nacht mit einem sehr gutaussehenden Mädchen. Der Klassenleiter war übrigens der einzige Gast, der ein eigenes Zimmer mit Bett hatte. Allerdings war sein Alkoholpegel so hoch, dass er einige Zeit den Weg nicht fand und solange im Haus herumstolperte, bis er eine kostenlose Führung der Hausherrin bekam.
Am nächsten Morgen saß die ganze Truppe unausgeschlafen, gut gelaunt beim Frühstück im Garten und reiste gegen Mittag wieder ab. Lediglich der Nachbar behauptete, jemand sei über den Zaun gestiegen und hätte ihm seine beiden Gartengießkannen zerkloppt, (Ich gebe zu, dass war das heimliche Ziel aller unserer Gäste. Nur deswegen waren die überhaupt gekommen.) und forderte Schadenersatz. Im Garten fand ich ein paar Tage später noch ein Verhütli. Es war also eine gelungene Veranstaltung, denn Tote waren nicht zu beklagen und Monate später stand bei niemandem unerwünschter Nachwuchs an. Lediglich meine Mutter brauchte Urlaub.
Sie hatte den Abend genutzt, um den Klassenleiter über die bevorstehende Umlenkrunde zu befragen. Die Berufsschule hatte nämlich Partneruniversitäten und Partner bei Fach- und Hochschulen, an die sie eine bestimmte Anzahl von Abiturienten vermitteln musste. Von der Hochschule war jemand angekündigt, der eine Liste freier Studienplätze dabeihatte und der sie alphabetisch, also der Reihe nach, an Mann und Frau bringen sollte. Mein Nachname begann mit ‚P‘. Also waren die Messen eigentlich schon gelesen. Nach der Feier hatte das P allerdings schon große Ähnlichkeit mit einem A. Und als die Bewerbungsrunde mit nur 2 freien Hochschulplätzen begann, fing Prade eindeutig mit einem A an. Und so konnte ich als Erster die Liste durchsehen und war: ratlos bis entsetzt.
1985 - 1986
Berufsschullehrer, Lehrausbilder, Deutschlehrer, Fachschulingenieur für Maschinenbau, Fachhochschule für sozialistische Ökonomie… Gähn! Stöhn! Verzweifel! Das konnte doch nicht wahr sein, nur noch so ein Stuss im Angebot? Das soll jetzt keine Beleidigung für diese Berufsfelder sein, aber für mich klangen alle Begriffe gleichermaßen gruselig. Als Lehrer bin ich genau so viel wert, wie eine 24-iger Mutter für eine 8- er Schraube. Die einzige Maschine, mit der ich näher vertraut bin ist die Kaffeemaschine und angesichts der Lügerei in der sozialistischen Ökonomie verknotet sich mein Gehirn schon bei der Erwähnung ganz von selbst zum Gordischen Knoten.
Als geringstes „Übel“ auf dieser intellektuellen Resterampe (Lehrer und Maschinenbauingenieure mögen mir verzeihen) erschien mir ganz oben der Studiengang Silikat Technik. Der wurde in Weimar angeboten, einer Einrichtung von der man nur ehrfürchtig im Flüsterton sprach und an der ich mich mit meinen Zensuren nie und nimmer beworben hätte. Worum ging es dort gleich, um Silikate? Das ist doch Sand oder? Ich könnte Sand studieren. Warum nicht?! Vor unserem Wohnhaus lag seit 12 Jahren ein Sandhaufen, mit dem könnte ich gleich anfangen. Der Doktor, schien meine Unwissenheit zu bemerken: „Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf? Dies ist der einzige Studiengang, welcher nach meiner Auffassung für Sie in Frage käme. Greifen Sie zu, mehr Chancen bekommen Sie nicht.“ Sand? Meinte der das ernst? Die Messen waren dann doch noch nicht gesungen, als er fortfuhr: „Da geht es um Entwicklung und Forschung neuer Materialien.“ Das klang genauso spannend, wie es unwahr war. Aber letzteres bemerkte ich erst viel, viel später. Ich unterschrieb den Bewerberzettel, den es für jeden der freien Plätze gab und dachte, ich hätte jetzt mein Studium in der Tasche.
Dann kam die große Überraschung.