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Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. Keine Leseprobe vorhanden. E-Book 1: Die Prinzessin aus der Wildnis E-Book 2: Die Prinzessin aus der Wildnis E-Book 3: Die verkaufte Braut E-Book 4: Die verkaufte Braut E-Book 5: Du darfst ihn nicht heiraten! E-Book 6: Du darfst ihn nicht heiraten! E-Book 7: Verkaufe: Schloß und Prinzessin! E-Book 8: Verkaufe: Schloß und Prinzessin! E-Book 9: Das größte Glück auf Erden E-Book 10: Das größte Glück auf Erden
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Seitenzahl: 574
Veröffentlichungsjahr: 2017
Die Prinzessin aus der Wildnis
Die verkaufte Braut
Du darfst ihn nicht heiraten!
Verkaufe: Schloß und Prinzessin!
Das größte Glück auf Erden
»Sie sitzen schon seit einer Stunde in der Bibliothek«, sagte Anna von Kant zu ihrem Cousin, Prinz Christian von Sternberg, der allgemein ›der kleine Fürst‹ genannt wurde. »Ich möchte mal wissen, warum Onkel Max gekommen ist.«
Anna und Christian hatten sich an ihrem Lieblingsplatz getroffen: in einem der Pferdeställe von Schloß Sternberg – und zwar in demjenigen, der vom Schloß am weitesten entfernt war. Nur im vorderen Bereich des Stalles standen Pferde, in der Nähe der Hintertür, wo sie saßen, war alles leer. Hier waren sie völlig ungestört, was ihnen sehr wichtig war, denn sie hatten einander immer viel zu erzählen. Die dreizehnjährige Anna verstand sich mit dem zwei Jahre älteren Christian viel besser als mit ihrem Bruder Konrad, der sich häufig absonderte, seit er sechzehn und damit in seinen eigenen Augen erwachsen geworden war.
»Er hat ernst ausgesehen«, stellte Christian fest. Neben ihm lag Togo, der junge Boxer, den ihm Annas Eltern vor kurzem geschenkt hatten. Bereits jetzt, nach kaum zwei Wochen, konnte er sich ein Leben ohne den liebevollen und treuen Hund nicht mehr vorstellen. Togo war bei ihm, wenn er abends ins Bett ging, und er weckte ihn morgens vor der Schule auf, damit noch genügend Zeit für einen ersten kurzen Spaziergang blieb. Togo war es auch, dem er manchmal von seinen vor wenigen Monaten tödlich verunglückten Eltern erzählte, und immer war ihm der Hund ein aufmerksamer Zuhörer, der genau zu merken schien, wie es in ihm aussah. Oft leckte er dem kleinen Fürsten liebevoll die Hand, wenn dieser sein Herz ausgeschüttet hatte – und danach war die Last der Trauer wieder ein wenig leichter zu tragen.
»Ja, als ob er Sorgen hätte«, bestätigte Anna. Sie hielt ihre Mimi im Arm, ein kleines graues Kätzchen, mit dem sich Togo zum Glück gut verstand.
Sie sprachen von Fürst Maximilian von Ehrenburg, der ein guter Freund von Christians Vater Leopold gewesen war. Bei der Beisetzung des Fürstenpaares hatte er Christian fest an sich gedrückt, mit Tränen in den Augen, und zu ihm gesagt: »Menschen wie deine Eltern, mein Junge, sind so selten wie perfekte Diamanten. Es ist furchtbar, daß wir sie verloren haben – aber zugleich tröstet es mich, daß sie in dir weiterleben.«
Heute nun, an einem kalten Wintersonntag, war er ohne vorherige Ankündigung auf Schloß Sternberg aufgetaucht und hatte sich nach einer kurzen Begrüßung der Schloßbewohner mit Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant in die Bibliothek zurückgezogen.
Christian war nach dem Tod seiner Eltern in die Familie seiner Tante Sofia aufgenommen worden. Sie war eine Schwester seiner Mutter, lebte mit Mann und Kindern schon seit über zehn Jahren auf Schloß Sternberg, und so waren Christian, Anna und Konrad ohnehin wie Geschwister aufgewachsen. Er hatte nun zwar keine Eltern mehr, aber immer noch eine Familie – und auch sein Zuhause, das Schloß nämlich, war ihm geblieben.
»Onkel Max ist nett«, fuhr Anna nach einer Weile fort. »Auch wenn er meistens ziemlich ernst wirkt. Warum hat er eigentlich keine Frau?«
»Ich glaube, er hatte mal eine, aber sie haben sich getrennt.«
»Kennst du sie?« fragte Anna.
Christian schüttelte den Kopf, während er Togo weiterhin den Kopf kraulte. Der Boxer lag ganz still, er liebte es, wenn Christian ihn kraulte. »Nein, er hat nie über sie gesprochen. Ich habe nur mal zufällig eine Bemerkung aufgeschnappt, aber gleich gemerkt, daß niemand darüber reden wollte.«
»Du hättest trotzdem nachfragen können«, fand Anna. »Wenn man nicht fragt, bekommt man auch keine Antwort.«
Er lächelte sie an und konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie ein wenig aufzuziehen. »Ich bin nun mal nicht so neugierig wie du, Anna.«
Sie wollte schon auf ihn losgehen, als sie sein Lächeln bemerkte. »Fang du nicht auch noch an, dich über mich lustig zu machen! Es reicht mir schon, daß Konny das dauernd tut.«
»Ach, komm schon, du kannst doch sonst auch Spaß vertragen. Hör mal, es wird allmählich kalt hier, findest du nicht? Laß uns zurückgehen, vielleicht haben sie ja ihre große Konferenz beendet und erzählen uns, warum Onkel Max gekommen ist.«
Anna stand auf und klopfte sich die Hosen ab. »Bestimmt nicht«, vermutete sie verdrossen. »Wenn sie sich schon so lange in der Bibliothek einschließen und sagen, sie wollten nicht gestört werden, dann kannst du darauf wetten, daß wir nichts erfahren.«
»Eingeschlossen haben sie sich nicht«, widersprach Christian.
Sie verließen den Stall, Anna trug Mimi, während Togo munter vor ihnen her lief und Spuren folgte, die ihm verführerisch erschienen. Aber er sah sich trotzdem immer wieder nach Christian um und entfernte sich nie sehr weit von ihm.
»Wetten wir, daß sie nichts sagen?« fragte Anna. »Sag, worum du wetten willst! Was soll ich tun, wenn ich verliere?«
»Nichts«, erwiderte Christian. »Ich mag nicht wetten.«
»Spielverderber«, maulte Anna. »Wollen wir rennen?«
Christian nickte gutmütig, und so kamen sie gleich darauf trotz der Kälte erhitzt am Seiteneingang des Westflügels an, in dem auch Christian seit dem Tod seiner Eltern wohnte.
Eberhard Hagedorn, der langjährige Butler von Schloß Sternberg, schien sie bereits erwartet zu haben. »Wünschen die jungen Herrschaften eine heiße Schokolade?« fragte er.
»Gern, Herr Hagedorn!« antworteten Anna und Christian wie aus einem Mund. Dann fragte Anna: »Wird in der Bibliothek immer noch getagt?«
Der Butler nickte. »Jawohl, Baronin Anna, noch immer.« Mit diesen Worten verschwand er in der Küche.
»Sei nicht so ungeduldig, Anna, du wirst schon alles erfahren, was du wissen willst«, sagte Christian.
»Aber schneller, als du denkst«, erklärte Anna und schlich zur Bibliothek, um zu lauschen.
Christian folgte ihr nicht, er mußte sich um Togo kümmern. Sonst vielleicht…
*
»Victoria ist jetzt zweiundzwanzig, ich habe sie das letzte Mal gesehen, als sie acht Jahre alt war«, erklärte Fürst Maximilian seinen Freunden Sofia und Friedrich gerade. »Sie ist nach meiner Scheidung von ihrer Mutter in der Südsee aufgewachsen, auf einer Insel von Vanuatu, also auf den Neuen Hebriden. Elena hat mir damals gleich unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie keinen Kontakt mehr zwischen uns wünschte. Trotzdem habe ich ihr Briefe geschrieben und versucht, sie telefonisch zu erreichen. Vergeblich.«
»Warum bist du nicht in die Südsee gereist, um deine Tochter zu besuchen?« fragte Sofia. »Und um dich vielleicht mit Elena auszusprechen?«
»Das bin ich doch!« erklärte der Fürst niedergeschlagen. »Aber es war eine Katastrophe, jedes Mal, denn Elena hat mir nicht einmal erlaubt, Victoria zu sehen. Das letzte Mal konnte ich immerhin von weitem einen Blick auf meine Tochter erhaschen, aber das war auch alles. Elena hat mir einfach keine zweite Chance eingeräumt, sie konnte mir den einen Fehler, den ich damals gemacht habe, nicht verzeihen. Sie dachte, ich hätte sie dauernd belogen und betrogen – und ich konnte ihr das Gegenteil nicht beweisen. Diese eine kurze Affäre mit einer anderen Frau hat sie mir nicht verziehen, und wer wollte ihr das verdenken?«
Der Fürst verstummte, man hörte nichts mehr außer den prasselnden Flammen im Kamin. Endlich fuhr er fort zu sprechen. »Ihr wißt, daß ich mich nach unserer Scheidung damals nicht wieder verheiratet habe. Die Wahrheit ist nämlich, daß ich Elena nicht vergessen konnte, und gegen jede Vernunft habe ich all die Jahre über auf eine Versöhnung gehofft. Aber nun ist sie gestorben, und Victoria ist allein.«
Wieder war es still, bis Sofia fragte: »Wie hast du von Elenas Tod erfahren? Ich meine, wenn sie keinen Kontakt zu dir haben wollte…«
»Ihre Schwester Francine hat mich benachrichtigt. Francine lebt in Paris, und es ist mir im Laufe der Jahre gelungen, ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie war es, die mich über Elenas und Victorias Leben auf dem laufenden gehalten und mir ab und zu Fotos geschickt hat.« Fürst Maximilian schluckte. »Victoria sieht aus wie ihre Mutter, als wir uns kennenlernten. Ich sitze manchmal stundenlang da und sehe mir die Fotos an. Sie ist wunderschön.«
»Sie spricht sicher kein Deutsch, oder?«
»Doch. Francine hat mir erzählt, daß Elena großen Wert darauf gelegt hat, daß sie ihre deutschen Sprachkenntnisse behält – und das scheint gelungen zu sein. Auch das hat mich hoffen lassen.« Die Stimme des Fürsten war leiser geworden. »Ich habe es als Zeichen gesehen, daß Elena doch noch etwas für mich empfindet. Einer meiner zahlreichen Irrtümer.«
Einige Sekunden lang sagte niemand etwas, dann fragte Friedrich: »Warum sind die beiden eigentlich damals in die Südsee gegangen? Das ist so lange her, ich glaube, da kannten wir uns noch gar nicht.«
»Elenas Mutter kam in der Südsee auf die Welt, ihr Vater hat sie bei einem Urlaub auf ihrer Insel kennengelernt. Sie haben geheiratet und sind gemeinsam nach Paris gegangen, wo Elena zur Welt gekommen ist und später ihre Schwester Francine. Ich habe Elena in Paris kennengelernt, sie ist mir dann nach Deutschland gefolgt.«
»Und da wollte sie nach eurer Scheidung nicht bleiben.«
»Nein«, bestätigte der Fürst. »Sie hatte auch vorher schon davon gesprochen, wie sehr die Heimat ihrer Mutter sie beeindruckt hat, nachdem sie dort zu Besuch gewesen war. Und sie wird befürchtet haben, daß ich auch weiterhin versuchen würde, mich in ihr Leben und das von Victoria einzumischen, wenn sie in der Nähe oder doch zumindest erreichbar geblieben wäre. Also hat sie sich, bildlich gesprochen, am anderen Ende der Welt niedergelassen.«
»Und jetzt möchtest du Victoria in deiner Nähe haben.«
»Sie ist mein einziges Kind«, erklärte Fürst Maximilian leise. »Es ist kein Tag vergangen, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, an dem ich nicht an sie gedacht hätte, das schwöre ich euch. Natürlich möchte ich sie in meiner Nähe haben. Aber…«
»Aber sie will das nicht?«
»Ich habe über Francine versucht, einen Kontakt zu ihr herzustellen – Francine ist übrigens auch der Ansicht, daß eine Begegnung wünschenswert wäre. Aber Victoria hat von ihrer Mutter vermutlich nicht viel Gutes über mich gehört. Sie ist zwar damit einverstanden, sich mit mir zu treffen, aber nicht auf meinem eigenen Grund und Boden, sondern, wie sie es genannt hat, auf ›neutralem Gebiet‹.«
Sofia begriff sofort, was er damit sagen wollte. »Bei uns?«
»Bei euch«, bestätigte Fürst Maximilian. »Francine hat ihr das vorgeschlagen, weil sie wußte, daß Elena sich damals mit Elisabeth gut verstanden hat. Gegen Schloß Sternberg als Begegnungsstätte hatte Victoria nichts einzuwenden.« Er räusperte sich. »Mir ist klar, was ich damit von euch verlange – zumal ihr selbst noch in Trauer seid wegen Elisabeth und Leopold. Außerdem wird die Atmosphäre sicherlich nicht gerade entspannt sein, wenn wir beide aufeinander treffen, also könnte ich verstehen, wenn ihr…«
Der Baron ließ ihn nicht ausreden. »Was für ein Unsinn, Max! Du bist uns jederzeit willkommen, das weißt du. Und Victoria ist es auch, obwohl wir sie nicht kennen. Wir haben hier Platz genug, so daß ihr euch auch einmal aus dem Weg gehen könnt, wenn ihr es als notwendig empfinden solltet. Außerdem bin ich sicher, daß unsere Kinder glücklich über die Abwechslung sein werden. Vor allem Christian tut es gut, wenn wir Gäste haben. Er ist seit dem Tod seiner Eltern viel zu ernst geworden.«
»Zum Lachen werden wir ihn kaum bringen«, murmelte Maximilian. »Ich sage euch, wenn Victoria das Temperament ihrer Mutter geerbt hat – und nach Francines Aussagen scheint das der Fall zu sein –, dann könnten hier während unseres Aufenthaltes die Fetzen fliegen.«
»Ihr seid uns herzlich willkommen!« sagte nun auch Baronin Sofia mit Nachdruck. »Wann wird Victoria denn eintreffen?«
»Ich wollte zuerst mit euch sprechen, es hätte ja sein können, daß ihr Einwände erhebt. Da das nicht der Fall ist, werde ich den Flug umgehend buchen. Wie wäre es mit dem nächsten Wochenende?«
»Sehr gern, Max. Wir freuen uns, deine Tochter kennenzulernen – und wir freuen uns auch, dich eine Weile bei uns zu haben.«
Fürst Maximilian bemühte sich um ein Lächeln, was ihm freilich nicht recht gelang. »Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht, ob ich mich freuen soll. Wer weiß, welche Überraschungen meine Tochter für mich parat hat.«
»Laß ihr Zeit, sich an dich zu gewöhnen«, riet Sofia. »Wenn Elena ihr nicht viel Gutes über dich erzählt hat, wird sie natürlich Vorbehalte haben. Aber du wirst es schaffen, ihr Herz zu gewinnen, Max, daran glaube ich.«
»Es wäre so schön, wenn du Recht behieltest, Sofia!«
Es war alles gesagt, und so schwiegen sie nun alle drei. Draußen vor der Tür schlich Anna leise davon. Sie hatte mehr erfahren als erhofft.
*
»Wir fliegen zusammen nach Deutschland«, sagte Francine de la Roche zu ihrer Nichte Victoria von Ehrenburg. »Am kommenden Samstag, Vicky. Ich begleite dich nach Schloß Sternberg und bleibe für eine Nacht dort, dann fliege ich weiter nach Paris. Wenn etwas sein sollte, kannst du mich dort jederzeit erreichen oder zu mir kommen.«
Sie lagen am Strand, der Pazifik war nur einige Meter von ihnen entfernt. Victoria hatte ein buntes Tuch um sich geschlungen, die langen dunklen Haare waren naß, weil sie gerade erst aus dem Wasser gestiegen war. »Ich höre mir an, was er zu sagen hat, dann fliege ich zurück«, sagte sie. »Wenn er nicht mein Vater wäre, würde ich gleich hier bleiben. Aber ich bin neugierig auf ihn. Er hat meine Mutter unglücklich gemacht, und das will ich ihm noch einmal in aller Deutlichkeit sagen.«
»Meinst du nicht, daß er das weiß, Chérie?« fragte Francine liebevoll. »Ich habe dir ja schon gesagt, daß du dir ein falsches Bild von ihm gemacht hast – wie ich im übrigen auch.«
Victoria warf ihr einen raschen Blick zu. »Dich hat er ja ganz schön eingewickelt, Tante Francine«, sagte sie. »Du scheinst ihm zu glauben, daß er in Wirklichkeit ein guter Mensch ist. Dabei hat er Mama belogen und betrogen…«
»Einmal«, erklärte Francine mit fester Stimme. »Er hat einmal einen Fehler gemacht und dafür gleich lebenslänglich bekommen. Das ist ziemlich hart, findest du nicht?«
»Kommt auf den Fehler an«, entgegnete Victoria unversöhnlich. »Ich war noch ganz klein, sie hat ihn gebraucht – und da geht er hin und steigt mit einer anderen Frau ins Bett. Ich hätte ihm auch nicht verziehen. Ich hätte es genau wie Mama gemacht. Und er soll sich bloß nicht einbilden, daß ich mich jetzt, wo sie tot ist, mit ihm versöhne.«
Francine schwieg. Ob Maximilian wußte, worauf er sich einließ? Ja, wahrscheinlich, sie hatte es ihm jedenfalls sehr eindringlich gesagt.
Victoria wechselte, wie sie das seit dem Tod ihrer Mutter öfter tat, ganz plötzlich das Thema. Die Tränen in ihren Augen, die Francine nicht entgangen waren, hatte sie mit einer raschen Bewegung weggewischt. »Glaubst du, es geht ihr jetzt besser?«
Sie mußte nicht erklären, von wem sie sprach. Es ging fast immer um Elena, die an Krebs gestorben war, nach zwei langen Jahren der Krankheit. Es waren schlimme Jahre für alle gewesen, die sie in dieser Zeit begleitet hatten. »Mit Sicherheit«, antwortete Francine. »Sie hatte Schmerzen, Vicky, große Schmerzen. Mehr, als sie ertragen konnte.«
»Ja, ich weiß.« Victorias Augen verloren sich in der Ferne, irgendwo über dem blauen Wasser. »Aber sie war noch viel zu jung zum Sterben, Tante Francine. Sie hatte noch so viele Pläne.«
»Zum Schluß nicht mehr. Da hat sie nur noch alles ordnen wollen, für dich. Und es war ihr Wunsch, daß du deinen Vater triffst.«
Victorias Kopf flog herum. »Davon weiß ich nichts!«
»Sie hat es mir wenige Tage vor ihrem Tod gesagt. ›Vicky soll sich mit Max treffen, vielleicht habe ich ihn doch zu hart beurteilt‹ – das waren ihre Worte.«
»Zu mir hat sie das nicht gesagt«, erklärte Victoria und sah ihre Tante mißtrauisch an. »Sagst du das jetzt nur so?«
Francine schüttelte den Kopf. »Nein, ganz bestimmt nicht. Aber ich wollte warten, bis ich mit dir darüber rede. Du hattest genug mit dir selbst zu tun, seit deine Mutter gestorben ist.«
Victorias Augen füllten sich mit Tränen. »Sie fehlt mir so, Tante Francine.«
»Ja, und das wird auch immer so bleiben, fürchte ich. Mir fehlt sie auch, Vicky. Aber wir hatten wunderbare Jahre zusammen, meinst du nicht? Allein, wenn ich an den letzten Urlaub denke, als sie noch gesund war – was haben wir für einen Spaß miteinander gehabt!«
In Erinnerung daran lächelte auch Victoria, während ihr Tränen über die Wangen liefen. »Sie konnte so lustig sein, nicht?«
»Ja, das konnte sie«, bestätigte Francine.
»Hier ist meine Heimat, Tante Francine. Ich gehe hier nicht weg!«
»Das verlangt doch auch niemand von dir, Chérie! Du sollst deinen Vater treffen, dich mit ihm aussprechen, vielleicht auch aussöhnen. Oder auch nicht, wenn du feststellst, daß dir das nicht möglich ist. Das ist alles. Danach setzt du dich ins Flugzeug und kehrst nach Hause zurück.«
»Er will bestimmt, daß ich bleibe. Für ihn bin ich doch garantiert so eine kleine Wilde, oder? Wahrscheinlich will er mich auf eine Privatuniversität schicken, damit ich eine richtige Prinzessin werde, wie sich das für die Tochter eines deutschen Fürsten gehört.« Victoria lachte, es klang alles andere als fröhlich. »Mir ist das aber gleichgültig. Ich weiß noch gar nicht so lange, was es bedeutet, daß mein Vater ein deutscher Fürst ist. Mama hat immer so getan, als wäre das ganz normal.«
»Na ja, ganz normal ist es wohl nicht.«
»Das ist mir egal!« Victoria sagte es mit erhobener Stimme. »Wenn er glaubt, daß ich mich von ihm verbiegen lasse, kann er mich mal…«
»Vicky, bitte!« Francine machte ein strenges Gesicht. »Du bist sehr lange nicht mehr in Europa gewesen…«
»Und ich habe bestimmt nichts vermißt!«
Victoria machte ein störrisches Gesicht, das Francine nur zu gut kannte. Es hatte keinen Sinn, weiter auf ihre Nichte einzureden, wenn sie ihre Lippen so zusammenpreßte und sich auf ihrer Stirn eine steile Falte über der Nasenwurzel bildete. Deshalb sagte Francine diplomatisch: »Sieh es dir an, mach dir ein eigenes Bild von deinem Vater – und triff erst dann eine Entscheidung.«
»Ich gehe noch mal schwimmen«, erwiderte Victoria und sprang auf. Sie ließ das bunte Tuch fallen und stürzte vorwärts in die blauen Fluten.
Francine sah ihr zu, wie sie elegant durch das Wasser kraulte, das an diesem Tag so glatt war wie ein Teich. Es war schon richtig: Victoria schien mit ihrer Heimat verwachsen zu sein. Es fiel schwer sich vorzustellen, daß sie woanders leben könnte. Andererseits hatte sie natürlich bessere Chancen, etwas zu lernen und ihren Horizont zu erweitern, wenn sie sich in Europa und vielleicht auch auf anderen Kontinenten umsah.
Aber das war Zukunftsmusik. Man würde es abwarten müssen, wie sich alles entwickelte. Sie legte sich zurück und schloß die Augen. Elena, ihre Schwester, fehlte ihr wirklich sehr. Wie oft war es ihr in den letzten Wochen passiert, daß sie sicher gewesen war, sie irgendwo gesehen zu haben? Hinter einem Haus, unter einer Palme, am Strand.
Elena, wo bist du? Du fehlst mir. Aber ich habe dir versprochen, alles für Vicky zu tun, was in meinen Kräften steht, und dieses Versprechen werde ich halten.
*
»Wie lange wirst du denn wegbleiben, Max?« erkundigte sich Hans von Cronstetten bei seinem älteren Geschäftspartner. Die überraschende Ankündigung des Fürsten, der von ihnen beiden gemeinsam geleiteten Firma für Solartechnologie eine Weile fernzubleiben, beunruhigte ihn. Er war darauf nicht vorbereitet gewesen, wenn ihm auch aufgefallen war, daß Fürst Maximilian seit einigen Wochen zerstreut und niedergeschlagen wirkte. Aber sie hatten es bisher so gehalten, daß sie über private Dinge so gut wie nie miteinander redeten, und so fand Hans es in Ordnung, daß das auch jetzt der Fall war. Dennoch begann er sich Sorgen zu machen. Ob Maximilian gesundheitliche Probleme hatte?
»Ich kann es dir noch nicht sagen, Hans.« Der Fürst warf dem blonden jungen Mann, mit dem er seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitete, einen entschuldigenden Blick zu. »Es ist mir klar, daß ich dir einiges zumute, aber…« Er brach ab, räusperte sich und setzte neu an. »Es gibt ein paar familiäre Probleme, die ich lösen muß. Das kann eine ganze Weile dauern. Aber ich werde jederzeit erreichbar sein, wir können, wenn du willst, jeden Tag miteinander telefonieren. Nur muß ich mich um diese … diese Angelegenheit jetzt kümmern. Sie ist für mich sehr wichtig.«
»Ich hatte Angst, daß du vielleicht krank bist«, erklärte Hans offen. »Da bin ich aber sehr erleichtert, daß das offenbar nicht so ist.«
»Krank? Nein, ich bin nicht krank. Tut mir leid, daß ich einen falschen Eindruck erweckt habe, das war nicht meine Absicht.« Wieder stockte der Fürst. »Wenn das vorbei ist, erzähle ich dir, worum es ging, Hans. Ich weiß, wir vertrauen uns sonst keine privaten Dinge an, aber in diesem Fall werde ich eine Ausnahme machen, aus gutem Grund. Aber bis dahin gedulde dich bitte noch.«
Hans lächelte. »Ich bin ja sonst kein besonders neugieriger Mensch, aber ich muß sagen, jetzt hast du mein Interesse doch geweckt, Max. Aber ich werde mich selbstverständlich in Geduld fassen. Wann fährst du?«
»Morgen, und ich werde die ganze Zeit auf Schloß Sternberg sein.«
»Beneidenswert«, stellte Hans fest. »Ich kenne das Schloß nicht, aber es soll wunderschön liegen und auch selbst eine Sehenswürdigkeit sein.«
»So ist es. Du meinst also, du kommst allein zurecht?«
»Mir wird doch nichts anderes übrigbleiben, oder? Allerdings hoffe ich, daß du wieder hier bist, wenn die Chinesen kommen – bei den Verhandlungen wäre ich nicht gern allein.«
»So lange wird es schon nicht dauern«, murmelte der Fürst.
Hans warf ihm einen nachdenklichen Blick zu, stellte aber keine weiteren Fragen, sondern wechselte das Thema. Wenn er eine Weile die Geschäfte allein würde führen müssen, hatten sie noch eine Menge zu klären.
*
»Das schmeckt mir nicht, haben Sie kein anderes Essen?« fragte Victoria und schob ihr Tablett mit angeekeltem Blick von sich.
»Vicky!« mahnte Francine, während sie der Flugbegleiterin einen entschuldigenden Blick zuwarf. Leiser und nur für ihre Nichte hörbar setzte sie hinzu: »Wenn du dich beschweren möchtest, dann tu das bitte in angemessener Form.«
Die junge Frau, die für die Gäste der ersten Klasse dieses Fluges verantwortlich war, verzog keine Miene, als sie das Tablett wieder an sich nahm. »Was hätten Sie denn gern?«
»Frischen Fisch«, erklärte Victoria. »Nicht so tiefgefrorenes Zeug, das schmeckt ja nach nichts!«
»Ich fürchte, mit frischem Fisch können wir nicht dienen, aber ich frage gern einmal nach, was wir sonst anzubieten haben.«
Als die Flugbegleiterin gegangen war, hielt Francine es doch für angebracht, ihrer Nichte einiges zu erklären. »Wie sollen sie denn hier im Flugzeug frischen Fisch servieren, Vicky? Was hast du nur für Vorstellungen! An Bord sind mehrere Hundert Fluggäste, die alle versorgt werden wollen.«
»Ja, und?« wunderte sich Victoria. »Wir sind doch noch gar nicht lange unterwegs. Die hätten nur bei uns den Fisch an Bord bringen müssen, der ganze Markt war voll davon. Wo soll denn da das Problem sein?!«
»Hör auf!« Francine fing an, sich zu ärgern. »Fisch zuzubereiten dauert eine Weile, das weißt du doch auch. Wie soll das denn gehen, in der Enge hier, und für so viele Leute? Wenn du dich das nächste Mal beschwerst, dann denk bitte zuerst nach und verlang nichts, was unmöglich ist. Außerdem hast du dich im Ton vergriffen. Die Stewardess ist hier nicht die Köchin.«
Victoria biß sich auf die Lippen. Sie war Kritik nicht gewöhnt. Auf ihrer Insel war sie in völliger Freiheit aufgewachsen, da hatte sie jederzeit sagen können, was sie dachte, niemand war deshalb beleidigt gewesen. Warum das jetzt anders sein sollte, leuchtete ihr nicht ein. Schließlich hatte sie doch recht: Das Essen war einfach nicht gut gewesen!
»Möchten Sie gern Huhn mit Curry essen?« fragte die Flugbegleiterin in ihre Gedanken hinein. »Ich habe es selbst gegessen, es schmeckt sehr gut.«
Victoria wollte nicht erneut den Ärger ihrer Tante auf sich ziehen, und so nickte sie gnädig. Sie fand dann zwar, daß auch das Huhn nicht besonders gut schmeckte, und deshalb ließ sie die Hälfte stehen – aber sie machte immerhin keine abfälligen Bemerkungen mehr über das Essen.
Francine atmete auf. Victoria würde noch einiges lernen müssen, wenn sie nicht überall anecken wollte!
*
»Du bist so abwesend heute«, stellte Marina von Callwitz fest und balancierte elegant drei Erbsen auf ihrer Gabel. »Ist der Fürst abgereist?«
Hans nickte. Marina und er gingen gelegentlich miteinander aus. Er empfand ihre Gesellschaft als ausgesprochen angenehm und hatte den Eindruck, daß es ihr mit ihm ebenso erging. Verliebt war er nicht in sie, aber er hatte sie gern, und er konnte sich gut mit ihr unterhalten. »Ja, er ist weg«, antwortete er endlich.
»Und du hast keine Ahnung, was er auf Sternberg will.«
»Ein paar Tage Ferien machen, nehme ich an.« Selbst wenn er mehr gewußt hätte, so hätte er ihr nichts davon gesagt. Ja, er konnte gut mit ihr reden, das hieß aber nicht, daß er ihr Geheimnisse anvertraut hätte – und schon gar nicht diejenigen von anderen.
»Na, da wüßte ich aber andere Orte, an die ich lieber fahren würde. Nichts gegen Sternberg, es soll ja sehr schön sein – aber es liegt weder in den Bergen noch am Meer, so viel ich weiß.«
»Vielleicht will er einfach mal wieder mit Leuten reden, die er gut kennt.«
»Jedenfalls hängt die ganze Arbeit in der nächsten Zeit an dir«, stellte Marina fest. »Das heißt dann ja wohl, daß wir uns weniger sehen werden, oder?«
»Könnte sein«, gab er zu. »Ich habe mich innerlich schon auf lange Abende im Büro eingerichtet.«
»Schade«, seufzte sie und warf ihm einen langen Blick zu, den er nicht zu deuten wußte.
»Wieso denn?« fragte er. »Dann gehst du eben öfter mit Johannes aus. Der ist vermutlich auch viel unterhaltsamer als ich.«
»Finde ich nicht. Ich gehe am liebsten mit dir aus.«
Das erklärte sie mit so viel Betonung, daß er sich unbehaglich zu fragen begann, ob sie ihm vielleicht etwas ganz Bestimmtes zu verstehen geben wollte. Zuerst dieser Blick, dann diese Aussage… Aber er hatte zurzeit wahrhaftig andere Sorgen, und so beschloß er, so zu tun, als habe er nichts bemerkt. Da er wußte, daß sie eine neue Wohnung suchte, fragte er danach und erfuhr, daß sie bisher nichts Passendes gefunden hatte.
Nach dem Essen hatte er es eilig, sie nach Hause zu bringen. Sonst ließen sie sich meistens Zeit, weil es noch so viel zu erzählen gab, aber an diesem Abend war das von Anfang an anders gewesen. Es waren immer wieder längere Gesprächspausen entstanden, und Hans war allmählich zu der Einsicht gelangt, daß ihm etwas Entscheidendes entgangen war und daß der holperige Verlauf des Abends vor allem mit seinem eigenen Verhalten zu tun hatte.
Beim Abschied war Marina kühl und sogar ein wenig schnippisch. Er hätte sie gern gefragt, ob er einen Fehler gemacht hatte, doch damit wartete er wohl besser bis zu ihrem nächsten Treffen – bis dahin würde sie hoffentlich wieder besserer Laune sein.
*
»Aufgeregt?« fragte Baron Friedrich. Er hatte darauf bestanden, selbst nach München zum Flughafen zu fahren. Er wußte, daß Fürst Maximilian so wenig Zeugen wie möglich haben wollte, wenn er das erste Mal seit langen Jahren seine Tochter traf. Auch ein Chauffeur hätte ihn schon gestört.
Victoria würde in Begleitung ihrer Tante Francine de la Roche in München eintreffen, die eine Nacht auf Sternberg bleiben würde. Im Schloß herrschte bereits gespannte Aufmerksamkeit. Eine Prinzessin aus der Südsee, die nicht wie eine Prinzessin aufgewachsen war – so etwas bekam man nicht alle Tage zu sehen. Vor allem Anna war sehr gespannt auf Victoria, aber auch Christian und Konrad sahen dem Besuch mit Interesse entgegen.
»Natürlich bin ich aufgeregt. Außerdem ängstlich und besorgt«, erklärte Maximilian. »Würde es dir an meiner Stelle anders gehen, Fritz?«
»Mir wäre vermutlich schlecht vor Angst«, erklärte der Baron mit einem Schmunzeln.
»Ich wollte es nicht so sagen, aber das trifft den Nagel auf den Kopf. Mir ist schlecht vor Angst. Wer weiß, mit welchen Geschichten über mich sie groß geworden ist, Fritz. Vermutlich haßt sie mich.«
»Immerhin ist sie bereit gewesen, nach Europa zu fliegen und sich mit dir zu treffen. Ich würde das an deiner Stelle als gutes Zeichen betrachten.«
»Ich weiß nicht. Im Augenblick wünschte ich, ich hätte mich gar nicht um dieses Wiedersehen bemüht. Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl.«
»Das macht die Aufregung. Hör auf, dich immer weiter hineinzusteigern, das hilft dir nicht. Sie kommt, ihr werdet miteinander reden – und auch wenn sie dich erst einmal nicht mag, so wird sie dir doch zuhören, denn sonst hätte sie ja gar nicht zu kommen brauchen. Außerdem ist sie nicht allein, und du hast doch gesagt, daß Francine auf deiner Seite ist.«
»Sie vertraut mir, aber im Zweifel wäre sie natürlich immer auf Victorias Seite, Fritz.«
»Sie vertraut dir, das ist die Hauptsache.«
Sie näherten sich München, aber sie waren viel zu früh. Der Fürst hatte zum Aufbruch gedrängt, weil er keine Ruhe mehr gehabt hatte. »Es kann ja einen Stau geben – und dann stehen sie da und müssen auf uns warten. Das geht nicht, ich muß auf jeden Fall rechtzeitig dort sein!«
Der Baron hatte nachgegeben. Warum auch nicht? Sie würden dann eben in München noch in aller Ruhe Kaffee trinken gehen. So wie es jetzt aussah, würden sie freilich auch noch ein ganzes Menu zu sich nehmen können. Er nahm den Fuß vom Gas. »Zeit genug«, sagte er.
»Ja, wir sind wohl doch ein wenig zu früh losgefahren«, gab Fürst Maximilian zu. Er legte den Kopf zurück und setzte mit sehr viel leiserer Stimme hinzu: »Ich habe Angst, Fritz, wie nie zuvor in meinem Leben.«
Er erwartete keine Erwiderung, und so schwieg der Baron. Ihm war ja mittlerweile selbst mulmig zumute.
*
Woher der Ausdruck kam, wußte hinterher niemand mehr, aber noch vor ihrer Ankunft hatte Victoria ihren Spitznamen weg: ›Die Wilde‹ hieß sie oder auch ›Die Prinzessin aus der Wildnis‹. »Wenn sie auf so einer komischen Südseeinsel aufgewachsen ist, kann sie vielleicht gar nicht mit Messer und Gabel essen«, kicherte Anna und erntete dafür einen strafenden Blick ihrer Mutter.
»Was soll der Unsinn, Anna?« rügte Sofia ihre Tochter.
»War doch nur Spaß, Mama.«
»Ein ziemlich geschmackloser Spaß«, stellte Sofia mit strenger Stimme fest. »Ich wünsche nicht, daß ihr euch über Victoria lustig macht, auch wenn sie sich vielleicht ein wenig anders verhält, als ihr es gewöhnt seid. Auch das gehört zu guter Erziehung: daß man andere Menschen nicht durch Herablassung demütigt.«
»Schon gut, Mama, ich sag ja gar nichts mehr.«
»Das will ich auch hoffen.«
Aber sobald die Baronin außer Hörweite war, stellte Anna auch schon neue, noch gewagtere Vermutungen darüber an, was die Prinzessin aus der Wildnis tun oder nicht tun würde. »Vielleicht trägt sie ja auch nur ein kurzes Baströckchen und eine Blumengirlande um den Hals…«
»Jetzt hör aber wirklich auf«, bat nun auch Christian. »Sonst fange ich an zu lachen, sobald ich sie sehe, und dann ist Tante Sofia sauer auf mich. Das will ich nicht.« Als er sah, daß Anna aber durchaus Lust hatte, noch weiter über Victoria zu lästern, machte er schnell einen Vorschlag. »Wir könnten mal nachlesen, wo Vanuatu eigentlich liegt. Oder weißt du das?«
»Keine Ahnung«, mußte Anna gestehen.
»Siehst du? Das wäre ganz schön peinlich, wenn wir das zugeben müßten.«
Sie machten sich also auf den Weg zur Bibliothek, wo sie in einem Lexikon nach Vanuatu suchten.
»Südwestlicher Pazifik«, las Christian vor. »Das Staatsgebiet umfaßt die Neuen Hebriden. Seit 1980 unabhängig. Die Inseln bestehen vor allem aus gebirgigen Vulkaninseln, die von Korallenriffen gesäumt sind. Hier, da ist ein Foto.«
Widerwillig warf Anna einen Blick darauf und mußte dann zugeben, daß es ein sehr reizvolles Bild war. »Wie so ein Poster von einem Traumstrand«, sagte sie, setzte aber sofort skeptisch hinzu: »Wer weiß, wie es da sonst aussieht.«
»Na, hör mal, die Südsee ist als Urlaubsparadies bekannt«, entgegnete Christian. »Das muß doch merkwürdig sein, wenn man an so einem Ort aufwächst und dann hierher kommt, meinst du nicht?«
Anna gab ihren Widerwillen gegen die selbst verordnete Geographiestunde auf und beugte sich nun selbst ebenfalls über das Lexikon. Sie merkten es nicht einmal, wie die Zeit verflog, während sie sich über Victorias Heimat informierten.
Und sie bemerkten auch die Baronin nicht, die irgendwann an der Tür der Bibliothek auftauchte, weil sie eine Frage hatte stellen wollen. Doch als sie feststellte, womit die beiden sich beschäftigten, ging sie unverrichteter Dinge wieder davon.
Ihre Frage hatte Zeit bis später.
*
»Das ist ja schrecklich hier!« stellte Victoria fest, sobald sie das Flugzeug verlassen hatten.
Francine unterdrückte einen Seufzer. Seit sie unterwegs waren, hatte Victoria sich unablässig beschwert – mit Ausnahme der Flugstunden, die sie verschlafen hatte, was leider viel zu wenige gewesen waren. Francine konnte nur hoffen, daß das Gemurre bald ein Ende nahm, aber es sah leider nicht danach aus. »Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn dir ausnahmsweise einmal etwas gefallen hätte, Vicky. Was ist denn nun schon wieder schrecklich?« fragte sie mit einem deutlichen Anflug von Ungeduld in der Stimme.
»Die Luft«, erklärte Victoria und hielt sich angewidert die Nase zu. »Wie kann man hier nur leben? Das stinkt ja entsetzlich. Und dann der Lärm!« Sie war wie angewurzelt stehengeblieben.
»Nun komm bitte weiter, wir müssen durch die Paßkontrolle und dann noch unser Gepäck abholen. Ausruhen kannst du dich, wenn wir im Auto nach Sternberg sitzen.« Francine ergriff den Arm ihrer Nichte und zog sie energisch mit sich.
Victorias Gesicht war finster, als sie das Flughafengebäude betraten. Und es blieb finster, während sie die Kontrollen über sich ergehen ließ. »Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich zu Hause geblieben«, schimpfte sie. »Ist das überall in Deutschland so?«
»Was denn?«
»Die vielen Leute, das Geschiebe und Gedränge. Und keiner lacht oder freut sich, alle rennen nur mit bösen Gesichtern herum…«
»So wie du«, bemerkte Francine spitz. »Da vorne ist ein Spiegel, du kannst gerne mal einen Blick hineinwerfen.«
»Das liegt aber nur an meiner Umgebung«, behauptete Victoria. »Es ist nicht meine Schuld! Außerdem ist mir kalt.«
Francine unterdrückte eine scharfe Bemerkung. Sie hatte geahnt, daß es nicht einfach werden würde, aber mit dieser Reaktion ihrer Nichte hatte sie nicht gerechnet. Sie kannte Victoria nur als liebenswürdige junge Frau, die immer guter Dinge war und jeden Tag mit einem Lächeln begrüßte. Davon konnte jetzt keine Rede sein. Dann jedoch sagte sie sich, daß es vermutlich die Aufregung war, die sich bei Victoria auf diese ganz besondere Art und Weise zeigte, und so blieb sie äußerlich ruhig und gelassen.
Mit zwei großen Gepäckwagen steuerten sie auf den Ausgang zu. Sie erkannte den Fürsten bereits von weitem. Der Mann neben ihm mußte Baron von Kant sein. Noch hatte Maximilian sie nicht gesehen. Er wirkte angespannt, stellte sie fest, wahrscheinlich fürchtete er sich vor dieser Begegnung – so wie Victoria, die das freilich niemals zugegeben hätte.
Sie winkte, und endlich sah er sie. Er lächelte ihr zu, einen Moment lang wie erlöst aussehend, dann jedoch glitt sein Blick weiter zu seiner Tochter, und sofort war da wieder dieser sorgenvolle Zug in seinem Gesicht. »Da vorn sind sie«, sagte sie zu Victoria und wies auf die beiden Männer, die ein wenig abseits standen. »Rechts, das ist dein Vater.«
Victoria sah in die angegebene Richtung, kein Lächeln erhellte ihr Gesicht. Es blieb verschlossen und unbewegt, und sie sagte keinen Ton, während sie auf die beiden Männer zugingen. Den Kopf trug sie hoch erhoben, das Kinn war angriffslustig nach vorn gereckt. Als sie die Wartenden erreicht hatten, ergriff sie das Wort, bevor es jemand anders tun konnte. Sie richtete ihren Blick fest auf Maximilian und sagte: »So siehst du also aus. Ich frage mich, wieso Mama sich damals auf den ersten Blick in dich verlieben konnte.«
*
»Du bist manchmal wirklich schwer von Begriff, Hans«, stellte Isabell von Cronstetten kopfschüttelnd fest, während sie ihren jüngeren Bruder betrachtete. »Es ist doch ganz eindeutig, was das heißt.«
Er hatte ihr von Marinas seltsamem Verhalten erzählt, das er sich nicht erklären konnte, das ihm aber zu schaffen machte. Er hing an dieser Freundschaft und wollte sie nicht gefährden, indem er sich falsch verhielt. Aber dazu mußte er natürlich zunächst einmal in Erfahrung bringen, worin sein Fehler denn eigentlich bestand. »Und was?« fragte er.
»Sie hat sich in dich verliebt, und eure lockere Freundschaft reicht ihr nicht mehr.«
Er fing an zu lachen, so erleichtert war er. »Da irrst du dich aber ganz bestimmt, Isa!« rief er. »Marina ist doch nicht in mich verliebt!«
Sie antwortete nicht, sondern betrachtete ihn nur weiter mit diesem Blick, mit dem sie wohl auch ein seltenes Insekt betrachtet hätte: voller Neugier und Interesse, aber zugleich auch voller Unverständnis.
Er hörte auf zu lachen. »Du meinst es ernst, oder?« fragte er unsicher. »Das ist wirklich deine Meinung?«
»Meine Überzeugung«, korrigierte sie. »Meine feste Überzeugung. Ich habe den Verdacht übrigens schon länger, aber ich wollte nichts sagen. Manchmal bildet man sich ja auch etwas ein, und da du nie etwas in dieser Hinsicht erwähnt hast, dachte ich, ich hätte mich vielleicht geirrt. Aber jetzt, nach dem, was du mir eben erzählt hast, ist es für mich keine Frage mehr. Du wirst mit ihr reden müssen, wenn du ihre Gefühle nicht erwiderst.«
»Wie stellst du dir das denn vor?« rief er in heller Aufregung. »Soll ich sagen: ›Du, Marina, ich habe den Eindruck, du bist in mich verliebt‹ – oder etwas in der Art? Dann fängt sie an zu lachen und fragt mich, wie ich auf diese absurde Idee komme. Nein, nein, Isa, so geht das nicht. Und ich glaube auch immer noch nicht, daß du recht hast.«
»Dann sieh selbst zu, wie du diese Situation klärst«, erwiderte Isabell gelassen. »Ich habe dir meine Meinung gesagt, mehr kann ich nicht für dich tun.«
»In mich verliebt!« Er konnte es nicht fassen. »Also wirklich! Wieso sollte sie auf einmal in mich verliebt sein? Wir gehen schon lange immer mal zusammen essen, erzählen uns von unseren kleinen und großen Sorgen, sehen auch mal einen Film gemeinsam an. Das ist alles. Sie hat überhaupt keinen Grund, sich in mich zu verlieben.«
Isabell verlor die Geduld. »Herrje, Hans, nun rede doch nicht so ein dummes Zeug!« fuhr sie ihren Bruder an. »Man braucht keinen Grund, um sich zu verlieben. Das passiert einfach, verstehst du?«
»Mir nicht«, murmelte er.
»Du bist ja auch mit deiner Arbeit verheiratet!« spottete sie. »Wie soll sich jemand, der von früh bis spät im Büro sitzt und an nichts anderes als an seine Firma denkt, sich verlieben? Ich wette, selbst wenn du dich mit Marina triffst und mit ihr redest, geht es, was dich betrifft, vor allem um deine Arbeit.«
Er schwieg betroffen, denn sie hatte recht. Hundertprozentig recht.
Isabell lachte, als sie sein Gesicht sah. »Es ist noch nicht zu spät, Brüderchen«, sagte sie liebevoll. »Aber du solltest dir vielleicht möglichst bald klarmachen, daß das Leben auch noch andere Dinge bereit hält als Arbeit.«
Plötzlich wirkte er so hilflos, daß sie Mitleid bekam. Er sah gut aus, ihr Bruder, und es gab, wie sie wußte, eine ganze Reihe von Frauen, die sich für ihn interessierten, aber Hans schien sie nicht einmal wahrzunehmen. Er hatte ab und zu eine Freundin, aber sobald sie Ansprüche stellte und nicht mehr mit einer Nebenrolle in seinem Leben zufrieden war, trennte er sich von ihr.
Er liebte seine Arbeit über alles, und dem hatte er, zumindest bisher, alles andere untergeordnet.
»Aber mir macht das, was ich tue, Spaß, Isa«, sagte er leise. »Während ich den Umgang mit Frauen vor allem anstrengend finde. Nie sagen sie, was sie denken und was sie wirklich wollen. Immer muß man ihre Worte interpretieren, und das gefällt mir nicht. Ich glaube, sobald ich eine Frau treffen würde, die ganz unverblümt ehrlich wäre, hätte ich mein Herz auch schon an sie verloren. Ich mag es einfach nicht, wenn ich das Gefühl habe, daß ich bei einem Spiel mitmachen muß, dessen Regeln ich nicht verstehe.«
»Kannst du mir mal ein Beispiel sagen?« bat Isabell. »Ich bin nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe.«
»Carina zum Beispiel«, seufzte er. Sie war seine letzte Freundin gewesen, erinnerte sich Isabell. »Sie hat mich gefragt, ob ich eifersüchtig wäre, wenn sie mit einem anderen Mann in die Oper ginge. Ich habe nein gesagt, weil es der Wahrheit entsprach.«
»Und?« fragte Isabell, als er nicht weitersprach.
»Darüber hat sie sich bitterlich beschwert bei einer Freundin, die nichts Eiligeres zu tun hatte, als mir davon zu berichten. Was Carina eigentlich wissen wollte, war, ob ich sie liebe und heiraten will. Warum fragt sie mich dann etwas anderes?«
»Du willst ja auch wissen, ob Marina sich in dich verliebt hat – aber diese Frage stellst du ihr nicht.«
»Das kannst du nicht miteinander vergleichen!« rief er ungehalten.
»Oh, doch, ich kann«, entgegnete sie. »In beiden Fällen geht es darum, daß man sich nicht traut, etwas ganz Bestimmtes zu fragen. Das ist der Punkt, verstehst du? Man hat Angst, sich lächerlich zu machen mit einer bestimmten Frage, und deshalb stellt man eine andere. Carina hatte Angst, von dir zu hören: Nein, ich liebe dich nicht. Denn das hättest du ihr ja geantwortet, nicht wahr?«
Er nickte stumm.
»Also hat sie sich eine harmlosere Frage ausgesucht, deren Antwort aber auch aufschlußreich war. Das ist nichts typisch Weibliches, Brüderchen. Es ist eher menschlich, würde ich sagen. Und noch etwas: Du mußt noch viel lernen – über Frauen und über Männer.«
Bald darauf verabschiedete sich Isabell und ließ Hans in sehr nachdenklicher Stimmung zurück.
*
»Sie sieht ja ganz normal aus«, stellte Anna enttäuscht fest. Sie stand mit Christian und Konrad an einem der Fenster im Erdgeschoß des Westflügels und beobachtete von dort die Ankunft von Victoria von Ehrenburg und ihrer Tante Francine de la Roche. »Sie trägt
Jeans, Pullover und eine Jacke.«
»Ich finde nicht, daß sie normal aussieht«, widersprach Konrad seiner Schwester. »Sie sieht verdammt gut aus, Anna. Eine richtige Schönheit ist sie.«
»Das habe ich nicht gemeint.« Anna war gekränkt und auch verletzt. Sie war mit ihrem Aussehen nicht zufrieden und beneidete Mädchen oder Frauen, die sie schöner fand als sich selbst – und das waren beinahe alle – glühend.
»Ich weiß schon, was du gemeint hast«, grinste Konrad. »Bleibt ihr ruhig hier stehen, ich gehe raus und begrüße sie.« Leise pfeifend und mit den Händen lässig in den Hosentaschen schlenderte er nach draußen.
»Sollen wir auch…?« fragte der kleine Fürst vorsichtig. Er kannte Annas Empfindlichkeiten und nahm mehr Rücksicht darauf als ihr Bruder.
»Nein!« antwortete sie heftig. »Sie soll sich nicht einbilden, daß wir hier alle bloß auf sie gewartet haben.«
»He, was ist denn mit dir los?« fragte er verwundert. »Sie hat dir doch nichts getan, Anna!«
Seine Cousine hatte Tränen in den Augen. »Sie ist wirklich schön, Chris«, flüsterte sie. »Und ich…«
Er ließ sie nicht ausreden, sondern nahm sie in die Arme. »Sei nicht blöd, Anna! Du bist sehr
hübsch, und deine Zahnspange fällt niemandem auf, nur dir. Wahrscheinlich hat Victoria immer von blonden Locken geträumt, wie du sie hast. Du weißt doch, wie das ist: Man wünscht sich, was man selbst nicht hat. So ist das nun mal.«
Sie lächelte unter Tränen. »Danke«, sagte sie leise. »Es geht schon wieder.«
»Dann komm!« sagte er.
*
Jener erste Satz Victorias am Flughafen hatte die Stimmung zwischen ihr und ihrem Vater vorgegeben. Maximilian war im ersten Moment erstarrt, hatte sich aber schnell wieder gefangen und ruhig gesagt: »Ich freue mich auch, dich zu sehen, Victoria.«
Das hatte ihr zunächst den Wind aus den Segeln genommen, sie aber nicht daran gehindert, auf der gesamten Fahrt nach Sternberg kleine Spitzen loszulassen. Wie kalt es war, wie unfreundlich, wie wenig einladend. Daß sie sich jetzt schon nach Hause zurücksehnte und daß sie eigentlich schon gar nicht mehr wußte, warum sie sich bereit erklärt hatte, diese Reise anzutreten.
Francine saß während der Fahrt wie auf Kohlen, sie bewunderte den Fürsten für die Ruhe, die er, zumindest nach außen hin, bewahrte. Allerdings fiel ihr auf, wie blaß er war, und auch der angespannte Zug um seinen Mund entging ihr nicht. Baron Friedrich tat sein möglichstes, um ausgleichend zu wirken, aber viel Erfolg hatte er nicht. Victoria benahm sich so, wie Francine es befürchtet hatte.
Dabei war ihr klar, was Maximilian empfunden haben mußte bei ihrem Anblick: Sie war ihrer Mutter Elena wie aus dem Gesicht geschnitten. Als er sich damals in Elena verliebt hatte, war sie eine junge Frau wie Victoria gewesen – und er hatte sein Herz schon beim allerersten Blick an sie verloren. Jetzt würde es ihm mit seiner schönen Tochter sicher ebenso ergehen, aber die würde er nicht, wie damals die Mutter, im Sturm erobern.
Als Sternberg in Sicht kam, sagte Victoria: »Jetzt soll ich wahrscheinlich beeindruckt sein von dem alten Kasten, was? Weil wir ja so was in der Südsee nicht haben, wir Wilden.«
»Dafür gibt es bei euch doch aber andere Dinge, die wir hier nicht haben, nicht wahr?« fragte Baron Friedrich freundlich – und wieder war es ihm gelungen, eine ihrer Spitzen zu entschärfen, wenn auch nur für kurze Zeit.
Im Schloß dann wurden sie freundlich von Baronin Sofia empfangen, zu der sich Victoria immerhin höflich benahm. Als Konrad auftauchte und sie ganz unverhohlen bewunderte, glaubte Francine sogar, das könnte vielleicht die Wende bringen. Jedenfalls verzichtete Victoria auf weitere kritische Bemerkungen, und als dann noch Anna und Christian kamen, atmete Francine endgültig auf, denn auch der kleine Fürst war so offenkundig beeindruckt von Victorias Schönheit, daß es der jungen Prinzessin sichtlich schmeichelte.
Dann aber gab Anna ihr mit schüchternem Lächeln die Hand, und Victoria beugte sich vor und fragte ungläubig: »Hast du Blech im Mund, oder was?«
Anna riß ihre Hand zurück, ihr Lächeln war wie weggewischt. Tränen traten ihr in die Augen, als sie hervorstieß: »Du bist gemein!« Dann drehte sie sich um und stürzte die Treppe hinauf in den ersten Stock.
»Vicky!« Francine errötete vor Scham über das Verhalten ihrer Nichte. »Wie kannst du nur so unhöflich sein! Wenn jemand eine Zahnspange trägt, tut er das nicht zu seinem Vergnügen.«
»Ich weiß gar nicht, was eine Zahnspange ist«, erklärte Victoria. Ihr war nicht anzumerken, ob Annas Reaktion sie getroffen hatte oder nicht.
Es war das erste Mal, daß Maximilian sich einschaltete. Bisher hatte er die Bemerkungen seiner Tochter nicht kommentiert, sondern das jedes Mal Francine überlassen, jetzt jedoch sagte er kühl: »Wenn du etwas nicht weißt, solltest du dich zunächst diskret erkundigen, bevor du jemanden verletzt. Denn das hast du getan, und ich nehme an, selbst dir ist das nicht entgangen.«
Victoria wurde flammend rot, aber sie faßte sich schnell wieder. »Wie man jemanden verletzt, weißt du ja selbst besonders gut«, erklärte sie. »Da muß ich nur an meine Mutter denken.«
Maximilian wurde noch blasser als zuvor, und Sofia beeilte sich, der unerfreulichen Situation ein Ende zu bereiten. »Herr Hagedorn wird euch eure Suiten zeigen«, sagte sie. »Ihr seid sicher müde von der langen Reise, aber wir hoffen, daß ihr trotzdem heute abend mit uns gemeinsam eßt. Unsere Köchin hat sich besondere Mühe gegeben, euch zu Ehren.«
»Vielen Dank, Sofia«, sagte Francine mühsam beherrscht. »Es ist sehr freundlich von euch, uns hier aufzunehmen.«
»Wenn Sie mir dann bitte folgen würden?« Eberhard Hagedorn, der perfekte Butler, stand mit undurchdringlicher Miene bereit, um die beiden Damen in den ersten Stock zu begleiten.
»Wann erwartet ihr uns wieder?« fragte Francine.
»Um neunzehn Uhr«, antwortete Sofia, »wenn euch das recht ist.«
»Aber natürlich.«
Victoria sagte nichts mehr. Sie hielt den Kopf abgewandt und tat so, als ginge sie das alles nichts an. Als sich ihre Tante in Bewegung setzte, tat sie es ihr gleich.
Der Blick des Fürsten folgte seiner Tochter, bis sie nicht mehr zu sehen war. Sie sah sich nicht um.
*
»Ich rede nie, nie, nie wieder ein Wort mit ihr!« schluchzte Anna.
Nicht nur der kleine Fürst war bei ihr, um sie zu trösten, auch Sofia war in das Zimmer ihrer Tochter geeilt, sobald sich der Besuch zurückgezogen hatte. »Du hast doch gehört, was sie gesagt hat, Mäuschen: Sie wußte nicht, was eine Zahnspange ist. Sicher, sie hätte einfach schweigen können, aber wahrscheinlich sagt sie immer alles, was ihr gerade in den Sinn kommt.«
»Sie ist gemein, und ich kann sie nicht leiden!« Anna konnte sich nicht beruhigen. »Sie wollte mich lächerlich machen, und das hat sie ja auch geschafft. Jetzt fühle ich mich noch häßlicher als sowieso schon.«
»Das solltest du dir aber nicht anmerken lassen heute abend.« Christian versuchte, seine jüngere Cousine bei ihrer Ehre zu packen. »Lächle sie lieber an, bis sie fragt, warum du das machst. Dann kannst du antworten: Damit du nie wieder vergißt, wie eine Zahnspange aussieht.«
Diese Idee verblüffte Anna so, daß sie endlich aufhörte zu weinen. »Das schaffe ich nicht«, sagte sie und trocknete sich die Augen. »Ich will außerdem nicht mit ihr reden. Sie ist eine blöde Ziege.«
»Sei nicht voreilig, Anna«, bat Sofia, obwohl sie insgeheim auch bestürzt über Victoria war. Ihr Benehmen war schon reichlich ungehörig gewesen, nicht nur Anna, sondern vor allem ihrem Vater gegenüber. Sie hatte sich gewundert, daß Fürst Maximilian so ruhig geblieben war. Aber natürlich: Welche Wahl hatte er? Wenn er es gleich am ersten Abend zu einem heftigen Krach kommen ließ, schmälerte das die vermutlich ohnehin schon geringe Chance, daß seine Tochter und er einen Zugang zueinander fanden, noch mehr. Nachdenklich setzte sie hinzu: »Sie ist unsicher, sie ist zornig auf den Fürsten, weil er ihre Mutter unglücklich gemacht hat, und sie fühlt sich hier natürlich nicht zu Hause. Vermutlich hat sie Heimweh, ihr ist kalt, und sie kennt außer ihrer Tante Francine keinen Menschen. Und Francine reist morgen wieder ab.«
»Hoffentlich nimmt sie die blöde Prinzessin gleich mit.«
»Ach, Anna!« Christian schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich ist sie in Wirklichkeit ganz nett. Gib ihr eine Chance.«
»Wieso ich? Ich habe ihr nichts getan, aber sie…«
Sofia hob die Hände. »Du brauchst es nicht zu wiederholen, wir haben alle gehört, was sie gesagt hat. Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich habe noch einiges zu tun. Geht’s wieder, Anna?«
Ihre Tochter nickte. »Aber freundlich werde ich nicht zu ihr sein, das brauchst du nicht zu denken, Mama!«
Sofia warf Christian einen bittenden Blick zu und verließ das Zimmer. Wenn jemand es schaffte, Anna umzustimmen, dann war es der kleine Fürst.
*
»So schlimm hatte ich es mir nicht vorgestellt«, gestand Fürst Maximilian leise. »Daß sie nicht einmal davor zurückschreckt, mich vor euch allen anzugreifen – damit habe ich nicht gerechnet. Ich dachte mir schon, daß ich mir einiges würde anhören müssen, wenn wir unter vier Augen miteinander sprechen, aber diese Situation vorhin – und auch schon vorher im Auto, das war wirklich …« Er wandte sich dem Baron zu. »Ich habe das nur mühsam ertragen können, Fritz.« Er war noch immer sehr blaß, tiefe Traurigkeit ging von ihm aus.
»Sie ist jung und temperamentvoll, außerdem fühlt sie sich im Recht. Du hast ihre Mutter verletzt, also darf sie jetzt dich verletzen. So sieht sie das wohl.«
Maximilian nickte nachdenklich. »Ich werde ihr kaum vermitteln können, daß ich nicht mehr der gleiche Mensch bin wie vor siebzehn Jahren. Aber wenn mir das nicht gelingt, habe ich keine Chance, Fritz. Um ihr Vertrauen zu gewinnen, muß ich mit ihr ins Gespräch kommen. Wie sonst soll das gehen?«
»Ich kann es dir im Augenblick auch nicht sagen, aber eins weiß ich: Du solltest nicht jetzt schon den Mut verlieren. Sie war müde und unsicher. Vielleicht ist sie schon morgen zugänglicher.«
»Schöne Hoffnung«, murmelte der Fürst. »Kommt mir vor wie der berühmte Strohhalm, an den sich der Ertrinkende klammert. Sie sieht übrigens tatsächlich aus wie ihre Mutter. Das macht es für mich noch schlimmer. Elena war nur weicher, liebenswürdiger – aber vielleicht ist Victoria das ja auch, wenn sie nicht gerade gegen ihren Vater kämpft.«
»Sie ist sehr schön«, bemerkte Friedrich. »Das macht es für unsere Anna noch schwerer. Seit einem Jahr ungefähr ist sie mit ihrem Aussehen nicht mehr zufrieden, ständig vergleicht sie sich mit anderen, wir können ihr das nicht ausreden.«
»Die Sache mit der Zahnspange tut mir sehr leid. Ich weiß nicht, wie Victoria so unsensibel sein konnte.«
»Sie hat nicht nachgedacht«, erwiderte Friedrich. »Sie hat spontan reagiert, und das war in diesem besonderen Fall leider ziemlich unglücklich. Laß uns den morgigen Tag abwarten, Max. Während des Essens heute abend wird sie sich sicher zurückhalten.«
»Ich hoffe es«, murmelte Maximilian. »Denn wenn nicht…« Aber er ließ ungesagt, was dann passieren würde. Er wußte es wohl selbst nicht.
*
»Ich bleibe hier nicht!« schleuderte Victoria ihrer Tante entgegen. »Hast du gesehen, wie sie mich alle angestarrt haben? Als wäre ich ein exotisches Tier. Was wollen sie denn von mir? Nur weil ich nach diesem blöden Ding in Annas Mund gefragt habe…«
»Es schadet nicht, wenn man erst nachdenkt, bevor man redet, Vicky«, erwiderte Francine sanft. »Und du mußt nicht unbedingt dem Klischee der unzivilisierten Wilden entsprechen, weißt du? Deine Mutter hat dich gut erzogen, und du weißt ganz genau, was sich gehört und was nicht, auch wenn du in großer Freiheit aufgewachsen bist. Du hast es dir selbst zuzuschreiben, daß dein erster Auftritt hier gründlich mißlungen ist. Versuch also nicht, die Schuld den anderen zuzuschieben. Die Einzige, die sich unmöglich benommen hat, bist du. Und jetzt will ich nichts mehr darüber hören, es reicht nämlich.«
Wenn Francine in diesem Ton sprach, war es besser, ihr nicht zu widersprechen, das wußte Victoria. Sie ließ sich nicht leicht einschüchtern, aber natürlich war ihr klar, daß ihre Tante recht hatte. Ihr schlechtes Gewissen machte die Sache freilich nur noch schlimmer und brachte sie noch mehr gegen ihren Vater und die Schloßbewohner von Sternberg auf. Sie wollte nicht hier sein, fast kam es ihr so vor, als wäre sie zu dieser Reise gezwungen worden.
Francine, die ihre Nichte beobachtet hatte, deutete die widerstreitenden Gefühle, die sich wie immer deutlich von ihrem Gesicht ablesen ließen, richtig. »Leg dich in die Badewanne«, sagte sie ruhig. »Das tut gut, es wärmt dich richtig von innen auf. Ich meine, ich hätte einen Badezusatz aus Orangenblüten gesehen.«
Ohne auf Victorias Zustimmung zu warten, ging sie ins Bad ihrer Nichte und ließ Wasser in die große Wanne laufen, die auf goldenen Füßen in Form von Löwenköpfen stand. Das Badeöl verbreitete alsbald einen betörenden Duft, und als Victoria ihrer Tante schließlich folgte, machte sie keinen Versuch mehr, die Diskussion wieder aufzunehmen. Schweigend zog sie sich aus und ließ sich in die Wanne gleiten.
Zufrieden sah Francine, wie sich die Züge der jungen Frau entspannten. Dann ließ sie sie allein.
*
Marie-Luise Falkner, die junge Köchin auf Sternberg, schaffte es auch an diesem Abend wieder einmal, alle, die um den Tisch versammelt waren, in staunendes Entzücken zu versetzen. Daß sie erstklassig kochte, war weit über Sternberg hinaus bekannt – daß sie aber auch fähig war, auf Sonderwünsche einzugehen und diese innerhalb kürzester Zeit zu erfüllen, brachte ihr dieses Mal noch einige zusätzliche Pluspunkte ein. Denn Victoria war zwar offensichtlich bemüht, nicht noch jemanden vor den Kopf zu stoßen und auch ihrem Vater gegenüber verhielt sie sich betont zurückhaltend, aber beim Essen war sie nun einmal wählerisch. Es gab etliche Gemüsesorten, die sie nicht aß, Schweinefleisch lehnte sie grundsätzlich ab, und was den Fisch betraf, da wurde es ganz schwierig…
Marie-Luise Falkner verzog keine Miene, als die Liste der zu meidenden Lebensmittel lang und länger wurde. Die Folge war, daß Victoria praktisch ein eigenständiges Menü serviert wurde, dessen Qualität dem der anderen aber in nichts nachstand. Niemand kommentierte die Sonderwünsche der Prinzessin, worüber Sofia insgeheim sehr froh war. Denn sie ahnte, was passiert wäre, wenn Francine oder Fürst Maximilian die junge Frau getadelt hätten: Ein weiterer Eklat wäre die Folge gewesen.
So aber verlief das Essen friedlicher als erwartet. Anna saß so weit wie möglich von Victoria entfernt und bemühte sich nach Kräften, die schöne junge Frau zu übersehen, was ihr freilich nicht ganz gelang. Immer wieder schielte sie zu ihr hinüber, wenn sie sicher sein konnte, daß Victoria es nicht bemerken würde. Sie war nicht die einzige: Auch Konrad und Christian staunten Fürst Maximilians Tochter an, die ein schlichtes rotes Seidenkleid trug. Ihre dunklen Haare fielen glatt und glänzend bis über die Schultern, Make-up trug sie kaum. Nur ihre Lippen glänzten in einem hellen Rot, das ihr bezaubernd stand. Sie hatte keinen Schmuck angelegt, nichts lenkte von ihrer sanft gebräunten, makellosen Haut, den schönen großen Augen und dem üppigen Mund ab.
»Du studierst?« staunte Konrad gerade.
Ein spöttischer, aber dennoch nicht unfreundlicher Blick traf ihn. »Du dachtest wohl, bei uns gibt es keine Universitäten, weil wir in der Südsee hinter dem Mond leben?« fragte Victoria. Die Bewunderung der beiden Jungen tat ihr sichtlich gut. Je weiter der Abend fortschritt, desto entspannter wirkte sie. »Ich studiere an der Universität des Südpazifiks in Suva auf Fidschi, an der Vanuatu beteiligt ist.«
»Na ja, ich kenne mich nicht so aus mit der Südsee«, gab Konrad verlegen zu. »Was studierst du denn?«
»Wirtschaft und Finanzen«, antwortete Victoria.
Sofia bemerkte den Blick, den Maximilian seiner Tochter zuwarf, und ihr Herz war voller Mitleid für ihn. Er hatte die Frau verloren, die er liebte, weil er sie betrogen hatte – und nun erkannte er, daß ihn dieser Fehler nicht nur die Liebe seiner Frau, sondern auch die seiner Tochter gekostet hatte. Ob die beiden zueinander finden würden?
Sie hoffte es von ganzem Herzen.
*
Anna lag schon im Bett, als es an ihrer Tür klopfte. »Ja?« rief sie verwundert. »Komm rein, Chris.«
Aber es war nicht der kleine Fürst, der gleich darauf hereinkam, sondern Victoria. »Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Anna«, sagte sie. »Ich hatte wirklich noch nie zuvor eine Zahnspange gesehen, aber es wäre besser gewesen, nichts zu sagen in der Situation. Mir … mir war ziemlich unbehaglich, und da habe ich einfach gesagt, was mir in den Sinn kam. Verzeih mir.«
Anna war entwaffnet. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht mit einer so offenherzigen Entschuldigung. »Ich hasse meine Zahnspange«, sagte sie. »Sie macht mich häßlich.«
Victoria kam näher. »Darf ich?« fragte sie und wies auf Annas Bettrand.
Anna nickte stumm und rückte zur Seite.
Victoria nahm Platz. »Man sieht sie doch kaum«, sagte sie. »Und ich weiß mittlerweile, daß viele Mädchen und Jungen hier in Europa solche Dinger im Mund haben, das ist hier doch offenbar überhaupt nichts Besonderes. Ich nehme an, niemand achtet darauf.«
»Wieso gibt es das denn bei euch nicht?«
Victoria lachte. »Keine Ahnung, vielleicht kommt das noch. Oder es gibt sie, aber sie sind mir noch nicht aufgefallen. Jedenfalls wollte ich mich bei dir entschuldigen, bevor ich wieder abreise.«
»Aber du bist doch gerade erst gekommen«, rief Anna.
»Ich glaube aber nicht, daß ich bleibe«, erklärte Victoria.
»Gefällt es dir nicht bei uns? Sonst kommen immer alle gern hierher.«
»Ich glaube schon, daß ihr sehr nette Menschen seid, aber…« Victoria brach ab und suchte nach Worten. Schließlich erklärte sie: »Es war ein Fehler, mich auf dieses Treffen mit meinem Vater einzulassen. Das hätte ich mir ersparen sollen. Ich werde ihm nie verzeihen, was er meiner Mutter angetan hat.« Sie stockte.
»Ich nehme an, du weißt Bescheid?«
»Mehr oder weniger. Mama und Papa haben uns keine Einzelheiten erzählt, aber wir haben trotzdem einiges mitbekommen.« Daß sie gelauscht hatte, verriet Anna natürlich nicht.
»Jedenfalls denke ich, daß ich nicht bleiben will.«
»Aber du könntest wenigstens einmal mit ihm reden und dir anhören, was er zu sagen hat. Immerhin bist du schon mal hier, da wäre es doch blöd, diese Gelegenheit nicht zu nutzen.«
»Stimmt wahrscheinlich«, gab Victoria zu. »Aber was kann er mir Neues sagen? Die Lügen, die er meiner Mutter erzählt hat, kenne ich alle schon.«
»Wieso bist du dann gekommen?«
»Gute Frage. Ich habe mich schrecklich einsam gefühlt nach dem Tod meiner Mutter, obwohl Tante Francine gleich gekommen ist. Sie hat mir auch angeboten, zu ihr nach Paris zu ziehen, aber das wollte ich nicht. Und dann hat sie mir erzählt, daß sie schon seit Jahren in Kontakt zu meinem Vater steht und daß er mich gern sehen und mit mir reden würde. Ich habe wohl gedacht, selbst ein Vater, der mir fremd ist, ist besser als gar kein Vater – jetzt, wo meine Mutter tot ist. Aber seit ich hier bin, sehe ich das anders. Ich habe ihn gesehen und gleich gehaßt.«
»Gehaßt?« Das Wort kam sonst in Annas Wortschatz nicht vor. »Ich finde, daß er ein sehr netter Mann ist.«
»Du weißt ja auch nichts über ihn.«
»Nicht viel«, gab Anna zu. »Aber es gibt auch Leute, die ich nicht mag – über die weiß ich genauso wenig. Bei Onkel Max ist das anders. Er kann gut zuhören, und er verspricht nie etwas, das er dann nicht hält. Man kann sich auf ihn verlassen.«
»Meine Mutter konnte das nicht!« erklärte Victoria heftig. »Er hat sie mit einer anderen Frau betrogen. Deshalb hat sie ihn verlassen.«
»Vielleicht tut ihm das schon lange leid.«