Notärztin Andrea Bergen Sammelband 2 - Arztroman - Edna Schuchardt - E-Book

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 2 - Arztroman E-Book

Edna Schuchardt

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Beschreibung

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Sammelband 2: Drei spannende Arztromane zum Sparpreis

Andrea Bergen ist eine Frau mit Wünschen und Sehnsüchten, doch ihr Leben stellt sie in den Dienst der Kranken. Erleben Sie die ebenso spannenden wie bewegenden Geschichten um die Notärztin und ihre Arbeit am Elisabeth-Krankenhaus. Es sind Geschichten, die das Leben schrieb, voller Menschlichkeit und Herzensgüte, aber auch von Schicksalsschlägen und Trauer.

Lassen Sie sich mitreißen von den gefühlvollen Arztromanen rund um die starke 'Notärztin Andrea Bergen'.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 1248 bis 1250:

1248: Verborgene Gefahr

1249: Endlich seid ihr bei mir!

1250: Ab heute darfst du glücklich sein



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Seitenzahl: 359

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: NotarYES ISBN 978-3-7325-7064-5

Edna Schuchardt, Liz Klessinger, Hannah Sommer

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 2 - Arztroman

Inhalt

Edna SchuchardtNotärztin Andrea Bergen - Folge 1248Tapfer blinzelt die hübsche Silke die Tränen zurück, die ihr bei Charlys Anblick in die Augen steigen, doch auf keinen Fall soll ihr Verlobter ihre Bestürzung sehen! Von dem ehemals so gut aussehenden, muskulösen und braun gebrannten Mann ist nichts geblieben! Der schockierende Gewichtsverlust, die erschreckende Blässe und die dunklen Schatten unter seinen Augen lassen ihn todkrank wirken! Inzwischen hat Charly jede Hoffnung auf Rettung aufgegeben, denn trotz einer wahren Odyssee von Arzt zu Arzt, die hinter ihm liegt, konnte die Ursache für seinen mysteriösen Kräfteschwund bisher nicht gefunden werden... Als Charly an diesem trüben Tag die Verlobung löst, um Silke freizugeben, wendet sich die junge Frau in ihrer Verzweiflung an Dr. Andrea Bergen, ihre allerletzte Hoffnung! Vermag die Notärztin das Wunder zu vollbringen, an das niemand mehr zu glauben wagt?Jetzt lesen
Liz KlessingerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1249Seit Tagen schon wacht Tobias Imhof bei seiner Frau und seinem kleinen Sohn, die nach ihrer Meningokokken-Infektion ins künstliche Koma versetzt worden sind. Nichts erinnert mehr an die vitale, lebensfrohe Maren, und auch der vier Monate alte Leon ist nicht wiederzuerkennen: Seine runden Pausbäckchen sind eingefallen, die rosige Babyhaut ist blass und blau geädert. Zischend hebt und senkt sich Leons schmale Brust unter den Stößen des Beatmungsgerätes, und der Anblick des hilflosen Säuglings treibt Tobias heiße Tränen in die Augen. Nein, er will und kann nicht glauben, dass er Leon und Maren jeden Moment zu verlieren droht! Doch die Ärzte des Elisabeth-Krankenhauses haben ihn längst auf das Schlimmste vorbereitet. In diesen Schicksalsstunden, in denen Tobias zu verzweifeln droht, wächst mit einem Mal in ihm ein Hoffnungsschimmer, und gegen jede Vernunft schließt er einen Handel mit Gott und allen Engeln, um die zu retten, die er liebt...Jetzt lesen
Hannah SommerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1250Blass und eingefallen wirkt das Gesicht, das Mareike im Spiegel entgegensieht. Tiefe Schatten liegen unter ihren Augen, und die Schlüsselbeine treten spitz unter ihrer fahlen Haut hervor. Sie muss nicht auf die Waage steigen, um zu wissen, dass sie weiter abgenommen hat - Mareike spürt auch so, wie ihre Kräfte immer mehr schwinden. Doch heute will sie stark sein, um mit Leon, ihrem Freund, noch einen einzigen unbeschwerten Tag zu verleben. Danach will sie ihm Lebewohl sagen, denn Leon soll nicht erfahren, wie krank sie ist und dass es kaum noch Hoffnung gibt. Er soll leben, lieben und glücklich sein. Die Trennung von Mareike bricht dem jungen Chirurgen Leon Winterfeldt das Herz. Doch er soll sie noch einmal wiedersehen: vor sich auf dem OP-Tisch! Und da liegt Mareikes Leben allein in Leons Händen ...Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Verborgene Gefahr

Vorschau

Seit ungefähr einem Jahr leidet der junge, ehemals so gut aussehende Charly Lindhoff an einer rätselhaften, heimtückischen Krankheit! Mehr als dreißig Kilo hat er schon verloren, Gehör und Sehvermögen lassen dramatisch nach, und ihm machen rasende Kopfschmerzen zu schaffen! Obwohl er bereits von den verschiedensten Fachärzten auf den Kopf gestellt wurde, hat keiner der Kollegen auch nur die leiseste Idee, an welcher Krankheit Charly leiden könnte! Seine hübsche Verlobte Silke muss hilflos mitansehen, wie er immer weniger wird – und niemand scheint seinen Verfall aufhalten zu können …

Nun hat Silke sich in ihrer Verzweiflung an mich und die Kollegen vom Elisabeth-Krankenhaus gewandt. Doch Charly hat jede Hoffnung verloren, je wieder zu gesunden. Deshalb ist er entschlossen, ein letztes Liebesopfer zu bringen und Silke freizugeben! Und danach will er dem Unausweichlichen ins Auge sehen …

»Aber alle anderen haben das auch!« In Franziska Bergens Augen glitzerten Tränen. »Ich bin die Einzige in unserer Klasse, die kein Smartphone hat.«

»Schatz, das glaube ich dir gerne.« Ihre Mutter, Dr. Andrea Bergen, blieb ganz ruhig. »Aber du hast ein Handy. Es ist noch keine zwei Jahre alt, und es funktioniert einwandfrei.«

»Aber ich kann damit nicht ins Internet!«

»Du hast ein Notebook, mit dem du ins Netz kannst.« Andrea lächelte. »Ich finde, das ist wirklich ausreichend.«

»Aber mit dem Smartphone könnte ich auch unterwegs ins Internet.« Franziska gab nicht auf.

»Wozu?«

»Um beispielsweise mit meinen Freundinnen zu chatten.«

»Während der Schulzeit?«

»Nein … äh …«

Andrea schüttelte den Kopf. »Mal ganz ehrlich, Süße«, sagte sie ernst. »Ich sehe nicht einmal, weshalb du während der Schulzeit mit deinen Freundinnen chatten musst, die nur zwei Meter entfernt von dir sitzen.«

»Nach der Schule!«, rief Franziska rasch.

»Da bist du zu Hause und hast dein Notebook.« Andrea beschloss, der Diskussion ein Ende zu bereiten. »Pass mal auf, meine Liebe! Solange deinem Vater und mir Handys für rund dreihundert Euro reichen, sehe ich nicht ein, weshalb du mit deinen gerade mal zwölf Lenzen eines für sechshundert und mehr benötigst. Falls du es vergessen hast: Du hast dein Handy bekommen, damit du uns anrufen oder Hilfe holen kannst, wenn du unterwegs bist.«

Franziska stapfte vor Zorn mit dem Fuß auf. »Du bist stur!«

»Stimmt.« Andrea nickte unbeeindruckt. »Und jetzt ist Ende im Gelände. Akzeptiere einfach meine Antwort!«

Franzi schob die Unterlippe vor, im nächsten Moment blitzte es in ihren Augen.

»Was meint Werner eigentlich dazu?«

»Das Gleiche wie ich.« Andrea lächelte nachsichtig. »Ich weiß, du hoffst, ihn weichkochen zu können. Aber in diesem Fall wirst du kein Glück haben.«

Andrea wusste, dass Franzi trotzdem ihren Vater fragen würde, doch diesmal würde sie kein Glück haben. Obwohl Dr. Werner Bergen ansonsten seiner Adoptivtochter keinen Wunsch abschlagen konnte, war er sich in diesem Punkt mit seiner Frau und seiner Mutter einig: kein Smartphone für mehr als sechshundert Euro! Und wenn Franzi noch so bettelte!

Dabei können wir uns ansonsten wirklich nicht über die Kleine beschweren, überlegte Andrea, als sie kurz darauf ihren Wagen durch den dichten Innenstadtverkehr in Richtung Elisabeth-Krankenhaus lenkte.

Franziska war ein freundliches, aufgeschlossenes und intelligentes Mädchen, das ihnen viel Freude bereitete. Allerdings befand sie sich jetzt in der Pubertät, und da zeigte Franziska eben doch hier und da ein paar Ecken und Kanten. Andererseits hätte es den Bergens mehr Sorgen bereitet, wenn Franzi keine typischen Reaktionen gezeigt hätte. Das gehört einfach zu einer gesunden Entwicklung dazu.

Jugendliche, die sich immer nur brav und angepasst verhielten, ihren Eltern nie widersprachen und niemals irgendeinen Unsinn anstellten, übersprangen eine ganz wichtige Entwicklungsphase. Außerdem fand Andrea sie langweilig. Nein, ihre Franzi war genau richtig so, wie sie war.

Der Abzweig zur Rheinpromenade kam in Sicht. Andrea setzte den Blinker, zog auf die Abbiegespur und fädelte sich nach der Kurve wieder in den fließenden Verkehr ein. Die Kastanien und Platanen, die die Straße säumten, hatten dicke Blütenkerzen aufgesetzt. Durch das junge Grün konnte Andrea den Fluss glitzern sehen. Es würde ein sonniger Frühlingstag werden. Hoffentlich fiel der Arbeitstag genauso angenehm aus!

Es war dann ausgerechnet Dr. Helmuth Anger, Andreas Intimfeind, der der Notärztin bei ihrer Ankunft im Krankenhaus als Erster über den Weg lief. Er kam gerade aus den Umkleideräumen; seine Miene war die eines Menschen, der vor schlechter Laune am liebsten um sich gebissen hätte.

Als er Andrea erkannte, wurde seine Miene noch düsterer. Sie wusste auch, weshalb er so griesgrämig war. Der Scheidungstermin von seiner Frau Angelika stand unmittelbar bevor. Das nagte an ihm, denn nicht er hatte sie, sondern sie hatte ihn verlassen. Noch schlimmer: Angelika kam prima alleine zurecht. Und zu allem Übel hatte er das Mit-Sorgerecht an seinem Sohn Maximilian verloren.

Das alles gärte, biss und ätzte in ihm, und da er lieber eine Klapperschlange geküsst hätte als zuzugeben, dass er sich das alles selbst eingebrockt hatte, gab er lieber anderen Menschen, darunter auch Dr. Andrea Bergen, die Mitschuld am Scheitern seiner Ehe.

Während er jetzt wichtigtuerisch an ihr vorbeihastete, brummte er etwas völlig Unverständliches. Andrea beschloss, dass es nichts Beleidigendes war, obwohl ihr Gefühl etwas anderes sagte. Sie betrat in den Garderobenraum, ging zu ihrem Schrank und begann, sich umzuziehen.

***

Elli Riedermann verzog missbilligend das Gesicht.

»Ach, mal wieder?« Das süffisante Lächeln, das dabei um ihre Lippen spielte, ärgerte ihre Tochter Silke. »Was hat der Herr denn diesmal? Bauchnabelverrostung oder Fauleritis?«

»Ich verbitte mir deine Spötteleien«, versetzte Silke ärgerlich. »Charly geht es wirklich schlecht. Wenn du seine Symptome hättest, würdest du auf der Schwelle zu Dr. Rieters Praxis schlafen.«

Elli stieß nur ein verächtliches »Pah« aus. Sie gehörte zu den Menschen, die sich nur schwer von ihrer einmal gefassten Meinung abbringen ließen. In Charly Lindhoffs Fall war das schon mal gar nicht möglich, weil Elli sich einen anderen als Schwiegersohn wünschte und inständig hoffte, dass ihre Tochter sich doch noch besinnen würde.

»Ich sage dir, was das für Symptome sind«, höhnte sie ärgerlich. »Das sind Schauspieler-Symptome. Dein zukünftiger Mann ist nichts weiter als stinkend faul. Der hat nur ein Ziel: so schnell wie möglich Frührente kassieren.«

»Hör auf!« Wütend blitzte Silke ihre Mutter an, aber Elli war nicht so schnell zu stoppen.

»Eine schöne Ehe wird das werden!«, hetzte sie weiter. »Du wirst Pflegerin und Alleinverdienerin sein, während der Herr bis an sein seliges Ende auf dem Sofa liegen und dein Geld ausgeben wird.«

Silke stellte den Stapel Kuchenteller, den sie gerade aus dem Schrank genommen hatte, so hart auf dem Tisch ab, dass es gefährlich klirrte.

»Weißt du was?« Sie wandte sich zum Gehen. »Du kannst deinen Geburtstag ohne mich feiern. Ich habe echt keine Lust mehr, mir deine miesen Beschimpfungen und Unterstellungen weiter anzuhören!«

»Jetzt sei doch nicht so empfindlich!«, rief Elli erschrocken aus. »Meine Güte, Kind, ich meine es doch nur gut mit dir! Du rennst in dein Unglück, glaube mir …«

Silke hörte ihr nicht mehr zu. Sie war bereits in die Diele gelaufen, schnappte sich dort ihre Tasche und die Jacke und wollte gerade aus der Tür laufen, als ihr Vater aus der Küche kam.

»Bitte bleib, Kleines!« Er sah Silke so flehend an, dass es ihr ins Herz schnitt. Wieder einmal fragte sie sich, wie ein so gutmütiger, liebenswerter Mensch an eine derart rechthaberische und zänkische Frau hatte geraten können, wie es ihre Mutter leider nun mal war. Aber wahrscheinlich war genau dieses milde Wesen die Antwort auf ihre Frage. Elli hatte sich den guten Edgar ganz bewusst ausgesucht, weil sie von ihm die wenigsten Scherereien erwartet hatte. Er würde ihr brav jeden Monat sein Gehalt übergeben, ihr wenig Arbeit machen und nie widersprechen – das hatte sie gewusst.

Genau so war es gekommen. Edgar war artig wie ein abgerichtetes Hündchen, und wenn er etwas mehr fürchtete als Krebs und Altersarmut, dann war es Ellis schlechte Laune. Die bekam sie unweigerlich, wenn etwas nicht nach ihren Vorstellungen lief. Leidtragender war ihr Mann, an dem ließ sie dann vornehmlich ihren Ärger aus. Dieses Wissen kühlte Silkes aufgebrachte Sinne umgehend ab.

»Ach, Papa!« Ihr Seufzer kam aus tiefstem Herzen. »Wenn sie doch aufhören würde, auf Charly herumzuhacken!«

Edgar nickte mit bedrückter Miene. »Sie hat sich halt in den Kopf gesetzt, dass du Raimund heiraten sollst.«

Silkes lächelte, aber es wirkte verbittert. »Ja, weil die Hölzels stinkreich sind und Bettina Hölzel ihre beste Freundin ist.«

Edgar nickte und wirkte dabei noch bedrückter als vorher.

»Davon werden wir sie nicht abbringen«, vermutete er. »Ich befürchte fast, dass sie es noch nicht mal aufgeben wird, wenn du mit Charly vor dem Traualtar stehst.«

Elli Riedermann erschien im Türrahmen. Unwillig sah sie zu Vater und Tochter hinüber, die wie ertappt auseinanderfuhren. »Wie ist das jetzt, deckst du den Tisch weiter, oder muss ich alles alleine machen?«

Edgars Hand schoss vor und legte sich um Silkes Finger. Ein flehender Blick aus seinen Augen und Silke kapitulierte.

»Ich mach’s ja schon.« Der unterdrückte Zorn färbte ihre Stimme zwei Nuancen tiefer. »Aber such dir ein anderes Thema als ausgerechnet Charly!«

»Ich sag, was ich denke«, lautete Ellis uneinsichtige Antwort. »Jetzt beeil dich, die Gäste kommen gleich!«

Zähneknirschend kehrte Silke ins Wohnzimmer zurück, nahm die Kuchenteller und führte ihre Arbeit fort. Da ihre Mutter neben anderen Gästen auch Bettina Hölzel und deren Sohn Raimund erwartete, musste die Kaffeetafel perfekt sein. Das gute Geschirr, das gute Besteck, die feinen Servietten und ein hübsches Gesteck in der Mitte waren das Mindeste an Luxus, das Elli sich wünschte.

Mit Adleraugen besah sie jede einzelne Kuchengabel, um eventuelle Wasserflecken aufzuspüren. Und wehe, die Servietten waren nicht akkurat gefaltet! Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis Elli endlich nichts mehr zu mäkeln fand. Edgar hatte derweil auf ihre Anweisungen hin die Kaffeemaschine in Gang gesetzt und schon mal zwei Kannen vorgekocht, damit die Damen sofort bewirtet werden konnten.

Elli hatte gerade ihr Okay zur Tafel gegeben, da schlug auch schon die Türglocke an, und Elli flatterte aufgeregt in die Diele, um den oder die Besucher einzulassen.

Es war ihre Schwester Nora, eine sympathische Mittfünfzigerin, die als Künstlerin vollkommen aus der Familienlinie der Schusters (die Schwestern waren geborene Schuster) und Riedermanns ausscherte. Natürlich hatte Elli dafür kein Verständnis, und obwohl ihre Schwester schon lange mit ihren Bildern und Skulpturen ihren gewiss nicht ärmlichen Lebensstandard finanzierte, war sie für Elli immer noch die arme Künstlerin, die einfach keine Vernunft annehmen wollte.

»Tante No!« Freudig fiel Silke ihrer Lieblingstante um den Hals. »Wie schön dich zu sehen. Komm rein, gib mir deinen Mantel! Wie geht es dir denn?«

Nora lachte glücklich. Sie hatte immer eine ganz besondere Beziehung zu Silke gehabt. Wie diese unter der Fuchtel ihrer bierernsten, spießigen Mutter zu einer derart liebenswerten jungen Frau hatte heranwachsen können, war Nora allerdings ein Rätsel.

»Es geht mir gut, Süße.« Sie drückte Silke einen Kuss auf die Wange und reichte ihr den Mantel. Ein schickes Teil, das mit Sicherheit aus dem Atelier einer mit Tante Nora befreundeten Modedesignerin stammte. »Und du? Alles in Ordnung?« Sie blickte sich um. »Wo ist denn die Grande Dame?«

»Hier.« Mit gekünsteltem Lächeln schwebte Elli aus dem Wohnzimmer. »Du bist die Erste, meine Gute. Bist du mit dem Auto da?« Nora hob spöttisch die Brauen. Das waren so typische Fragen, die ihre Schwester stellte und auf die sie im Grunde keine Antwort erwartete. »Sind die Blumen für mich? Edgar, steck die mal in irgendeine Vase!«

Sie drückte den Strauß ihrem Mann in die Hände, ohne die Blüten anzuschauen, und scheuchte gleichzeitig Silke zur Tür, an der sich neue Gäste eingefunden hatten. Es waren zwei Nachbarinnen, die Blumen und Pralinen brachten und Elli überschwänglich zu ihrem sechzigsten Geburtstag gratulierten.

Langsam füllte sich das Wohnzimmer. Aber noch waren die für Elli wichtigsten Gäste nicht eingetroffen. Immer wieder sah sie zur Haustür, während Silke die Anwesenden schon mal mit dem Begrüßungssekt versorgte. Als es erneut klingelte, schoss Elli so eilig in die Diele, dass sie dabei über ihre eigenen Füße stolperte. Wie erhofft waren es Bettina Hölzel und ihr Sohn Raimund, die, mit Blumen und Päckchen beladen, vor der Tür standen.

Elli überschlug sich fast vor Wiedersehensfreude. Blumen und Geschenke der beiden landeten nicht bei Edgar, sondern sie stellte sie höchstpersönlich in eine Vase und die Päckchen wurden sofort ausgepackt. Der Inhalt, irgendeine Geschmacklosigkeit aus Glas, wanderte dann an exponierte Stelle auf ihren Gabentisch, den Edgar am Vormittag im Wohnzimmer aufgestellt hatte.

»Raimund, nein, du sitzt am besten neben Silke«, kommandierte Elli, als der junge Mann neben seiner Mutter Platz nehmen wollte. »Ihr jungen Leute habt euch doch sicher andere Dinge zu erzählen als wir alten.«

»Und wo soll dann Charly sitzen?«, fragte Tante Nora verwundert, womit sie ihrer Schwester die perfekte Vorlage zu einer weiteren Boshaftigkeit lieferte.

»Karl …« Sie weigerte sich in der Öffentlichkeit beharrlich, ihren zukünftigen Schwiegersohn bei seinem Spitznamen zu nennen. Ein spöttisches Auflachen drückte ihre Verachtung aus. »Auf den brauchen wir nicht zu warten. Er zieht es vor, mal wieder den Kranken zu spielen.«

Kurzes betretenes Schweigen am Tisch, dann erklang erneut Noras Stimme.

»Ach, wie schade! Ich hatte mich so auf ihn gefreut.«

»Wer möchte Schwarzwälder Kirsch?«, überging Elli die Bemerkung ihrer Schwester und schwang unternehmungslustig die Kuchenschaufel. Das lenkte die Damen ab, man wandte sich den Torten und angenehmeren Themen zu.

***

Dr. Rieter wiegte bedächtig den Kopf, während er auf seinen Bildschirm starrte. Der junge Mann, der vor ihm saß, begann derweil, nervös auf seinem Stuhl herumzurutschen. Er hatte nur einen Wunsch: dass die Ärzte endlich den Grund für seine Beschwerden gefunden hatten. Doch diese Hoffnung zerstörte Dr. Rieter Sekunden später.

»Also, die Magen-Darm-Spiegelung hat auch nichts ergeben, Herr Lindhoff«, erklärte er seinem Patienten. »Gut, wie wir ja schon wissen, zeigt Ihr Blutbild ein paar Abweichungen. Deshalb sollte Ihre Schilddrüse untersucht werden. Da scheint eine leichte Überfunktion vorzuliegen. Aber ansonsten ist alles in Ordnung.«

Charly hätte am liebsten losgeheult. Seit Monaten fühlte er sich elend. Er konnte kaum noch etwas essen, weil ihm dauernd übel war, zudem hatte er ständig Kopfschmerzen, war müde, seine Haut juckte und zeigte rote Flecken, und seit ein paar Tagen bildete er sich ein, schlechter zu sehen. Oft ging es ihm so miserabel, dass er nicht zur Arbeit gehen konnte oder sie vorzeitig abbrechen musste.

Er rechnete eigentlich jeden Tag damit, dass ihm die Kündigung auf den Schreibtisch flatterte.

Charly nickte, seine ganze Haltung drückte Resignation und Hoffnungslosigkeit aus.

»Und sonst hat man wirklich nichts gefunden?«, fragte er, als der Arzt schwieg.

Dr. Rieter schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, die Schilddrüse …«

»Und die kann solche Beschwerden auslösen?«

Dr. Rieter breitete die Arme aus wie ein Pfarrer bei der Predigt.

»Ich schreibe Ihnen eine Überweisung an einen Radiologen aus«, teilte er seinem Patienten mit, ohne auf dessen Frage einzugehen. »Und bis Sie dort einen Termin haben, nehmen Sie bitte die Tabletten, die ich Ihnen verordne. Das ist ein Kombi-Aufbaupräparat, das Ihnen sicherlich guttun wird.«

Charly nickte stumm. Er nahm Rezept und Überweisung an sich, verließ die Praxis und ging zu seinem Wagen. Dort holte er erst mal den Blisterstreifen mit den Schmerztabletten aus dem Handschuhfach, drückte zwei Tabletten aus der Packung und schluckte sie mit dem Mineralwasser, das in der Getränkebox stand.

Es war viel zu warm und schmeckte ekelhaft. Egal, Hauptsache, diese bohrenden Kopfschmerzen hörten auf. So, wie es gerade in seinen Schläfen hämmerte, würde er unmöglich einen Kaffeeklatsch bei seiner zukünftigen Schwiegermutter aushalten!

***

»Es tut mir wirklich leid, dass dein Verlobter schon wieder krank ist.« Raimunds Lächeln war so falsch wie sein gespieltes Mitleid. »Wissen die Ärzte denn inzwischen, was ihm fehlt?«

»Nein.« Silke drehte den Kopf weg, um Raimund zu zeigen, dass sie nicht weiter über das Thema sprechen wollte. Raimund gab sich nicht so schnell geschlagen.

»Aber es muss doch einen Grund geben, weshalb sich dein Charly dauernd krank fühlt.«

Silke seufzte, dann wandte sie sich Raimund zu.

»Ich habe keine Lust, mich über das Thema zu unterhalten, okay?«

Er nickte eilfertig. »Okay.« Ein abschätzender Blick streifte Silke. »Geht ihr trotzdem zum Oerding-Konzert in Koblenz?«

»Meine Güte, das findet im September statt!« Silke schüttelte missbilligend den Kopf. »Bis dahin kann noch so viel passieren!«

»Ja, stimmt«, musste Raimund zugeben, der einsah, dass das eine etwas dümmliche Frage gewesen war. »Es ist halt nur …« Er riss sich zusammen. Wieso ließ er sich von dieser Silke eigentlich immer so zur Schnecke machen? Immerhin war er doch wer! Und er konnte ihr mehr bieten als dieser kränkliche Schwächling, den sie unbedingt heiraten wollte. »Ich wollte dich zu einem Gang übers Frühlingsfest einladen.«

»Oh, das ist eine gute Idee!«, kreischte Elli dazwischen, die das Gespräch der beiden mit einem Ohr verfolgt hatte. »Silke braucht unbedingt etwas Ablenkung.«

Silke schluckte ihren Zorn hinunter und setzte ein unbefangenes Lächeln auf.

»Ich werde Charly fragen, was er von der Idee hält«, sagte sie an Raimund gewandt. »Wir telefonieren noch mal, ja?«

Überzeugt davon, dass sie ihm durch ihren aufdringlichen Zwischenruf die Tour vermasselt hatte, schoss Raimund Elli einen bitterbösen Blick zu, der jedoch an ihrer Selbstgerechtigkeit abprallte.

Das Schrillen der Türglocke unterbrach die Gespräche am Tisch. Da Elli keinen wichtigen Gast mehr erwartete, überließ sie es ihrer Tochter, den Besucher einzulassen und vertiefte sich wieder in die Unterhaltung mit ihrer Busenfreundin Bettina. Draußen fiel ihre Tochter indessen dem Neuankömmling um den Hals.

»Charly, wie schön, dass du doch noch gekommen bist!« Prüfend blickte sie ihm ins Gesicht. »Was hat Dr. Rieter gesagt?«

Seine Miene verfinsterte sich.

»Dass ich jetzt zu einem Radiologen gehen und meine Schilddrüse untersuchen lassen soll. Ach!« Charly winkte ab. »Ich bin wahrscheinlich tatsächlich ein Hypochonder, der sich seine Krankheiten nur einbildet. Die Untersuchungen beim Internisten haben jedenfalls sonst nichts ergeben.«

»Ja, rede dir das nur ein!«, erwiderte Silke ärgerlich. »Damit nimmst du den Ärzten die Arbeit ab, und auf deinem Grabstein steht dann: Jetzt hat er seine Hypochondrie übertrieben.«

»Was soll ich denn denken?«, brauste Charly auf, senkte die Stimme aber sofort. »Ich war beim Kardiologen, habe meinen Hormonhaushalt checken und meine Nieren untersuchen lassen. Der Pneumologe hat nichts gefunden, genauso wie der Hautarzt, der mir aber wenigstens eine Salbe gegen den Juckreiz verschrieben hat, die sogar hilft. Mein Kopf wurde durchleuchtet, ebenso meine Bronchien, Magen und Darm und was man sonst noch spiegeln und per Computerdiagnostik durch- und bestrahlen kann. Es ist alles in Ordnung.«

Er stieß einen ärgerlichen Laut aus, der einem unterdrückten Fluch ähnelte.

»Alles, was jetzt noch fehlt, ist die Überweisung zum Psychologen«, knurrte Charly, wütend und enttäuscht zugleich. »Da kommen alle Leute hin, bei denen die Ärzte nicht weiterwissen.«

»Ach, Liebling!« Silke schloss ihn in die Arme und küsste ihn. »Wir geben nicht auf«, versuchte sie, ihrem Verlobten Mut zu machen. »Und jetzt komm, meine Mutter freut sich schon darauf, ihr Gift über dich auszuschütten!«

»Sie hat ja recht«, murmelte Charly, worauf Silke ihm einen heftigen Ellbogenstoß in die Seite verabreichte. Entsetzt spürte sie, dass er schon wieder abgenommen hatte. Vor ein paar Tagen war ihr Ellbogen noch auf ein sanftes Polster gestoßen, jetzt traf er schmerzhaft direkt auf eine Rippe. Rasch verbarg sie ihre Gefühle und zwang sich zu unbefangener Fröhlichkeit.

»Mutter hat immer recht, das weißt du doch«, scherzte Silke und hakte sich bei Charly unter. »Sie hat ein eingebautes Rechthabengen.«

Gemeinsam betraten sie das Wohnzimmer, das von fröhlichen Stimmen und Lachen erfüllt war. Die Damen hatten sich inzwischen den Likören und anderen Spirituosen zugewandt, die ihre Wangen röteten und die Zungen lockerten.

Elli bemerkte Charly erst, als er neben sie trat und sich leise räusperte. Sie blickte auf, doch als sie den Gast erkannte, zeigte sich Unmut auf ihren Zügen.

»Ach, du kommst doch noch?« Missbilligend sah Elli auf den Blumenstrauß, den Charly ihr überreichte, und gab ihn gleich an ihre Tochter weiter. »Ich habe gar nicht mit dir gerechnet, wo es dir doch wieder so schlecht geht.«

Ihre Worte trafen den jungen Mann, zugleich hatte er Verständnis für Ellis Verbitterung. Welche Mutter wünschte sich einen ewig kränkelnden Ehemann für die Tochter.

»Ich wollte dir wenigstens zum Geburtstag gratulieren«, versuchte Charly, seine Gemütslage durch einen freundlichen Tonfall zu verstecken. »Alles Gute für dich, Glück und Gesundheit. Ich hoffe, ich habe deinen Geschmack getroffen.«

Achtlos ergriff Elli das Päckchen, das Charly ihr reichte, und gab auch dieses umgehend an Silke weiter.

»Na dann setz dich!« Es klang nicht einladend. »Den Kuchen haben wir schon abgeräumt. Du kannst etwas zu trinken haben, sofern deine angeschlagene Gesundheit Getränke außer Tee überhaupt zulässt.«

Charly beschloss den offenen Spott zu überhören.

»Danke, aber ein Glas Mineralwasser würde mir reichen.« Suchend blickte er sich um, sah, dass die Plätze neben Silke besetzt waren, und ging zu dem freien Stuhl am Ende der Tafel.

»Silke, bringst du deinem Verlobten ein Glas Mineralwasser?«, flötete Elli mit falscher Freundlichkeit. »Aber pass auf, dass es nicht zu kalt ist! Du weißt, er hat einen ganz empfindlichen Magen.«

Silke war drauf und dran, ihrer Mutter das Wasser über den Kopf zu kippen, schaffte es aber, dem Drang zu widerstehen. Stattdessen schnappte sie sich ihren Stuhl, stellte ihn neben Charlys, was die Dame neben ihm zwang, etwas zur Seite zu rutschen, und setzte sich zu ihm.

Raimund guckte doof zu ihnen herüber. Es war offensichtlich, dass er nicht wusste, was er jetzt tun und mit wem er sich nun unterhalten sollte. Und auch Elli war unzufrieden, aber Silke ignorierte die Messerblicke ihrer Mutter. Sie fand, dass sie für den heutigen Tag Ellis Wünschen genug nachgegeben hatte. Jetzt war Schluss!

Mit einem sanften Lächeln schob Silke ihre Hand in Charlys und folgte interessiert den Gesprächen am Tisch.

***

Die Arbeit in der Notaufnahme verlangte besonders starke Nerven. Hier wurden Ärzte und Schwestern mit dem ganzen Spektrum prallen Lebens und Leidens konfrontiert. Da waren tagsüber die Arbeitsunfälle, häufig waren die Beteiligten mindestentlohnte arme Schlucker, deren Unternehmen nicht die einfachsten Sicherheitsanforderungen erfüllten.

Abends und nachts kamen die Betrunkenen, die gestürzt oder in eine Schlägerei geraten waren, morgens dann die Hobbyfrühsportler, die sich zu viel abverlangten, dann unvorsichtige Hausfrauen und, und, und.

Nicht nur medizinisch sondern auch psychisch wurde dem Personal hier viel abverlangt. Momentan wurde Dr. Bergen von der Ehefrau eines Rentners beansprucht, der sich beim Heimwerken beinahe den Daumen weggesäbelt hatte. Die Frau schwatzte während der gesamten Untersuchung, schimpfte zwischendurch immer wieder mit ihrem Gatten und zählte ihm seine sämtlichen Unsitten auf.

Beim gefühlten hundertsten »Aber du kannst ja einfach nicht hören!«, bat Dr. Bergen die Frau höflich, aber bestimmt, das Untersuchungszimmer zu verlassen.

Die Ruhe, die danach einkehrte, war wohltuend und schien auch dem Patienten gutzutun. Am liebsten hätte Dr. Bergen ihn stationär aufgenommen, aber erstens lag dafür keine Indikation vor, und zweitens war damit zu rechnen, dass die dauerschwatzende Ehefrau dann stundenlang am Bett des Mannes sitzen und nicht nur ihn, sondern seinen Mitpatienten und die gesamte Station verrückt machen würde.

So verabschiedete sie den Mann nach dem Nähen und Verbinden mit ein paar freundlichen Worten und ging in das Nebenzimmer, wo ihre nächste Patientin wartete.

Melissa Bauer klagte über starke Blutungen und Schmerzen im Unterbauch, gab aber an, nicht schwanger zu sein. Zur Sicherheit überwies Dr. Bergen die junge Frau trotzdem nach der Anamnese und einem Routinecheck an den Gynäkologen Dr. Hassenkamp, der Melissa eingehend befragte und untersuchte.

Das Erste, was dem Arzt an ihr auffiel, war ihre blasse Haut. Zudem war Melissa überschlank, ihre unruhigen Finger und der flatternde Blick sprachen von großer, innerer Unruhe.

»Wann haben die Schmerzen begonnen?«, fragte er, während er behutsam den Unterbauch abtastete. Deutlich spürte er den Uterus, dessen Größe etwa der einer Männerfaust entsprach. Die Patientin war eindeutig in der zwölften bis dreizehnten Woche schwanger. Ob diese Schwangerschaft noch bestand, musste allerdings mittels Ultraschall herausgefunden werden.

»Heute Mittag, ganz plötzlich«, gab Melissa Bauer Auskunft.

»Bei welcher Tätigkeit?«

»Na, ich war im Büro.« Erstaunt musterte Melissa den Arzt. »Ich habe ganz normal an meinem PC gesessen und an einer Präsentation gearbeitet.«

»Und vorher ist Ihnen nichts aufgefallen, hatten Sie keine Symptome?«

Irgendetwas stimmte nicht mit ihr und ihrer Geschichte, dessen war Dr. Frank Hassenkamp sich sicher. Hatte sie die Fehlgeburt irgendwie selbst eingeleitet, übte der Partner Druck auf sie aus, oder fürchtete sie sich aus anderen Gründen vor einer Schwangerschaft?

Melissa schüttelte den Kopf.

»Nein, wirklich nicht. Es ging mir bis vor zwei Stunden sehr gut.«

Dr. Hassenkamp nickte. Noch wollte er seiner Patientin seinen Verdacht nicht mitteilen, um sie nicht noch weiter aufzuregen. Die endgültige Diagnose würde er erst stellen, wenn er die übrigen Untersuchungsergebnisse in Händen hielt.

»Gut, dann wird Ihnen Schwester Laura jetzt Blut abnehmen und Sie anschließend zur Ultraschalluntersuchung in die Bildgebende Diagnostik bringen.« Er lächelte Melissa beruhigend zu. »Bleiben Sie bitte liegen! Die Schwester wird gleich zu Ihnen kommen.«

Noch ein aufmunterndes Lächeln, dann eilte der Arzt davon, und Melissa blieb alleine zurück. Ihre Finger kneteten nervös die Decke, die Dr. Hassenkamp über sie gebreitet hatte. Hinter ihrer Stirn jagten sich die Gedanken.

Sie war mitten in der Teeküche zusammengebrochen. Dr. Jäger war bestimmt stinksauer auf sie, weil sie jetzt die Präsentation, die sie für ihn ausarbeiten sollte, nicht mehr fertigbekam. Es sei denn, man entließ sie hier bald, dann konnte sie in die Firma zurückkehren und weiterarbeiten.

Ihr Verstand sagte ihr allerdings, dass daran nicht zu denken war. Sie konnte froh sein, wenn man sie morgen gehen ließ. Oh Gott! Ein eisiger Schreck durchfuhr sie: Was, wenn sie länger bleiben musste? Nein, um Himmels willen, das durfte nicht passieren! Dr. Jäger würde sie umgehend entlassen.

Sie brauchte den Job. Zwei lange Jahre war sie arbeitslos gewesen. Sie hatte an diversen Schulungen teilgenommen und zwischendurch als Putzfrau und Aushilfsschreibkraft gejobbt, um sich nicht so schrecklich nutzlos zu fühlen. Dr. Hartmuth Jäger war der Erste gewesen, der ihr eine echte Chance gegeben hatte. Sie wollte diese Stellung unbedingt behalten, auch wenn sich Dr. Jäger ihr gegenüber unmöglich benahm und sie auch noch schlecht bezahlte.

Ich muss wenigstens zwei Jahre durchhalten, sagte Melissa sich immer wieder, wenn ihr Chef sie beleidigte und vor den Kollegen bloßstellte. Dann kann ich mich nach einer anderen Stellung umsehen. Aber wenn ich nach so langer Arbeitslosigkeit gleich die erste Stellung wieder schmeiße, macht das einen ganz schlechten Eindruck.

Wie hatte ihr Vater gesagt: »Wenn man im Leben etwas erreichen will, muss man Opfer bringen.« Wenn sie jetzt wegen dieser dummen Sache ihren Job verlor, würde er sie zutiefst verachten und wieder monatelang nicht mit ihr sprechen – ja, vielleicht sogar nie wieder!

Die Gedanken an ihren Vater und an ihren Chef beunruhigten Melissa selbst jetzt so sehr, dass sie am liebsten aufgesprungen und davongelaufen wäre. Aber die Schmerzen waren noch da, zwar nicht so stark wie vorhin, doch immer noch sehr unangenehm. Und außerdem fühlte sie sich momentan auch total schwach.

Trotzdem weigerte sich ihr Hirn selbst jetzt noch, ›die Sache‹ beim Namen zu nennen. Eisern verschloss sie die Augen vor einem Verdacht, der im Grunde für sie längst zur Tatsache geworden war. Aber vielleicht hatte sie ja Glück, und die Ärzte stellten eine andere Diagnose …?

Die Schwester kam herein, in den Händen das Spritzbesteck, mit dem sie Melissa Blut abnehmen wollte. Um sie abzulenken, verwickelte Schwester Laura ihre Patientin in ein Gespräch, aber sie merkte, dass Melissa ihr kaum folgte. Nachdem sie vier Ampullen gefüllt hatte, verließ Laura den Raum, kehrte aber kurz darauf zurück und rollte Melissa mitsamt Liege aus dem Untersuchungsraum.

Die Sonografie war Dr. Biehlers Aufgabe. Er begrüßte Melissa freundlich, führte seine Untersuchung aber schweigend durch. Erst als er das Gerät abschaltete, wandte er sich wieder direkt an Melissa, jedoch nur, um ihr zu sagen, dass man sie in den Untersuchungstrakt zurückbringen würde, wo Dr. Hassenkamp ihr dann alles Weitere erklären sollte.

Es dauerte eine Weile, ehe der Gynäkologe an ihre Liege trat, und das, was er ihr dann sagte, erschreckte sie im ersten Moment. In der nächsten Sekunde breitete sich ein Gefühl grenzenloser Erleichterung in ihr aus. Sie schämte sich zwar dafür, aber ihre Ängste und ihre Gedanken konnten sich immer nur mit der Gefahr einer Kündigung befassen. Die folgenden Worte nahm sie kaum wahr.

Erst als Dr. Hassenkamp sagte: »… danach ein, zwei Tage zur Beobachtung hierbleiben«, schreckte Melissa auf.

»Wie bitte?« Aus großen Augen starrte sie den Arzt an.

»Ich sagte, dass wir den Eingriff heute noch durchführen werden«, wiederholte er geduldig. »Danach möchte ich Sie gerne für ein, zwei Tage hierbehalten.«

»Das geht nicht!« Abwehrend hob Melissa die Hände. »Ich muss so schnell wie möglich wieder nach Hause. Bitte, Herr Doktor, ich kann nicht hierbleiben!«

Dr. Hassenkamp betrachtete sie irritiert.

»Sie hatten gerade eine Fehlgeburt«, sagte er streng. »Wir müssen einen kleinen Eingriff vornehmen, um eventuellen Komplikationen vorzubeugen. Danach brauchen Sie unbedingt Ruhe, sonst sind Sie in wenigen Tagen wieder hier.«

»Was heißt Eingriff?«, hakte Melissa sofort nach. Allerdings aus anderen Gründen, als Dr. Hassenkamp dachte.

»Das ist eine ganz harmlose OP«, versicherte er ihr beruhigend. »Wir führen eine Kürettage durch, und zwar per Absaugmethode. Sie erhalten eine Kurznarkose und werden gar nichts von dem Eingriff mitbekommen.«

Melissa überlegte rasch. Eine Kurznarkose bedeutete, dass sie danach länger im Krankenhaus bleiben musste. Bei einer lokalen Betäubung konnte sie dagegen das Krankenhaus ganz sicher schneller verlassen und an ihren Arbeitsplatz zurückkehren.

»Ich will keine Vollnarkose«, beschied sie dem Arzt. »Das kann man doch sicherlich auch irgendwie anders machen.«

Dr. Hassenkamp nickte. »Ja, es geht auch unter einer Lokalanästhesie«, erwiderte er. »Aber wir ziehen es hier vor, die Patientinnen in einen Kurzschlaf zu versetzen. Das hat sich als medizinisch …«

»Keine Kurznarkose!«, entschied Melissa rasch. »Eine örtliche Betäubung und danach gehe ich nach Hause.«

Dr. Hassenkamp schüttelte missbilligend den Kopf, sagte aber nichts mehr dazu. Menschen wir Melissa Bauer waren nur schwer zu überzeugen. Er hoffte darauf, dass sie nach dem Eingriff anderes denken würde, ansonsten musste er sie auf ihren eigenen Wunsch gehen lassen. Schließlich konnte er sie nicht am Krankenbett anbinden.

»Gut, dann wird Schwester Karin Sie jetzt erst einmal auf Ihr Zimmer bringen«, teilte er Melissa mit. »Der Eingriff wird so schnell wie möglich durchgeführt.«

Melissa war etwas beruhigt, wenn ihre Gedanken auch besorgt in der Firma Jäger weilten. Dr. Jäger war ganz sicher wütend auf sie. Hoffentlich nahm er ihren Zusammenbruch nicht zum Anlass, ihr zu kündigen!

***

In der Firma herrschte eine gedrückte Stimmung. Nun war das an sich nichts Außergewöhnliches. Immer den cholerischen Ausfällen ihres Chefs ausgesetzt, gingen die Angestellten sehr distanziert miteinander um. Hinzu kam, dass die Fluktuation sehr hoch war. Wer konnte, machte, dass er so schnell wie möglich eine andere Arbeitsstelle fand.

Die Einzigen, die in diesem Klima leben konnten, waren Duckmäuser und Schleimer, die nach oben buckelten und nach unten traten. Da Dr. Jäger sich als Blitzableiter die neue Bürokauffrau Melissa Bauer ausgesucht hatte, konnten die anderen ein bisschen aufatmen und dafür sorgen, dass sich die schlimmsten Wutattacken über die Neue und nicht über sie ergossen.

Gerade stand er mit hochrotem Kopf mitten im Empfangsraum und ließ seiner Wut mal wieder freien Lauf.

»Krank, was heißt hier krank?« Mit hervorquellenden Augen starrte er in die Runde der Menschen, denen es nicht gelungen war, sich rechtzeitig in eines der Büros zurückzuziehen. »Heute Morgen war Frau Bauer doch noch putzmunter. Wieso ist sie jetzt auf einmal krank? Das kann doch nicht sein! Los, Mund auf, wo ist diese faule Schlampe?«

Schweigen. Alle sahen betreten zu Boden. Schließlich trat Rita Bossert vor. Sie hatte sowieso vor, die Stelle zu kündigen. Das Arbeitsklima, das hier herrschte, machte sie krank!

»Frau Bauer ist wahrscheinlich im Krankenhaus.«

Jägers Augen traten noch weiter aus den Höhlen, sein Kopf sah aus, als würde er jeden Moment platzen.

»Krankenhaus? Was will sie im Krankenhaus? Sich auf meine Kosten ausruhen?«

»Frau Bauer ist mit heftigen Krämpfen zusammengebrochen«, erklärte Rita unerschrocken. »Ich habe den Rettungsdienst alarmiert, und der hat Frau Bauer mitgenommen.«

»Krämpfe!« Jäger spuckte das Wort in den Vorraum, als wäre es ein schleimiger, wabbliger Bissen. »Hören Sie doch auf! Wegen so was holt man doch keinen Krankenwagen!«

»Ich schon«, erwiderte Rita furchtlos. Stur erwiderte sie das wütende Starren ihres Chefs. »Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung gewesen.«

Jetzt explodierte der Choleriker erst richtig.

»Wollen Sie mich etwa belehren?«, brüllte er so laut, dass die Wände zu erzittern schienen. »Was bilden Sie sich eigentlich ein, Sie Nichts? Hier bin immer noch ich der Chef, und ich bestimme, wer wann seinen Arbeitsplatz verlässt. Sie können sofort ihren Krempel packen und machen, dass Sie wegkommen. Sie sind fristlos entlassen!«

Trotzig reckte Rita das Kinn vor. »Das hätte ich gerne schriftlich.«

Dr. Jäger stieß ein Lachen aus. »Können Sie haben«, fauchte er und stapfte davon. Gleich darauf fiel krachend die Tür seines Arbeitszimmers ins Schloss.

Mit gesenkten Köpfen schlichen die übrigen Angestellten in ihre Büros. Rita holte erst mal tief Luft, dann ging sie in ihr eigenes Büro, das sie mit zwei älteren Kolleginnen teilte, die sich bei ihrem Eintreffen tief über ihre Arbeit beugten. Rita kümmerte sich nicht weiter um die beiden, die nachher mit spitzen Zungen hinter ihr her lästern würden. Ruhig legte sie die wenigen Dinge, die ihr gehörten, in ihre Tasche und wollte gerade den Raum wieder verlassen, als Dr. Hartmuth Jäger hereingestürmt kam.

»Da!«, bellte er, immer noch aufgebracht, und warf ihr einen Zettel vor die Füße. »Und jetzt raus!«

Rita bückte sich, hob den Zettel auf und verstaute ihn sorgfältig in ihrem Portemonnaie. Nur um ihren Exchef zu ärgern, gab sie sich äußerlich völlig unberührt. Quasi die Coolness in Person, ging sie zur Tür, lächelte Jäger im Vorbeigehen frech zu und warf ihm ein aufreizendes »Wir sehen uns vor Gericht« zu.

Ihm blieb vor Empörung die Luft weg. Wie ein Fisch auf dem Trockenen stand er da, öffnete und schloss den Mund, ohne dass eine Silbe über seine Lippen kam. Erst als Rita die Etage verlassen hatte, fiel die Starre von ihm ab. Außer sich vor Zorn, grapschte Hartmuth Jäger nach dem Erstbesten, das in der Nähe stand, und schleuderte es in Richtung Glastür, die dem Angriff zunächst standzuhalten schien. Es gab nur einen lauten Knall und die Scheiben zitterten heftig. Sekunden später ertönte ein zweiter, noch lauterer Knall, dann bröselte das Glas regelrecht zusammen.

Mit angehaltenem Atem warteten die Angestellten in ihren Büros auf den dritten Knall, der anzeigte, dass Hartmuth Jäger vor Wut geplatzt war.

***

Melissas Blick flog die Fassade hinauf in den fünften Stock, wo sich die Räume der Firma Jäger befanden. Hinter allen Fenstern brannte Licht, also waren die Kollegen noch da. Wahrscheinlich hatte Hartmuth Jäger wieder Überstunden angesetzt, da konnte es leicht Mitternacht und später werden, ehe die Belegschaft nach Hause gehen konnte.

Rasch entlohnte Melissa den Taxifahrer, dann ging sie mit klopfendem Herzen auf das Eingangsportal zu. Erstaunt betrachtete sie kurze Zeit später die beiden Sperrholzplatten, die statt des geschliffenen Glases in die Zugangstüren eingearbeitet waren. Was war denn hier geschehen?

Die Hand, die sie nach dem Türknauf ausstreckte, zitterte vor Angst. Die Tür schwang auf, leise betrat Melissa den Empfangsraum und sah sich um. Dann packte sie ihre Handtasche fester und eilte zu dem winzigen Büro, in das Dr. Jäger sie verbannt hatte. Eilig schaltete sie ihren Computer ein und begann zu arbeiten. Eine knappe Viertelstunde später stapfte Hartmuth Jäger an der geöffneten Tür vorbei. Als er Melissa an ihrem Schreibtisch sitzen sah, stutzte er kurz, dann stürmte er ins Zimmer.

»Ach, sieh an!« Seine Stimme dröhnte unangenehm laut in Melissas Ohren. »Hatten Sie eine angenehme Frühstückspause? Ausgiebig genug war sie ja wohl!«

Melissa spürte, wie es hinter ihrer Stirn zu hämmern begann.

»Es tut mir leid, Herr Dok …«

»Es tut mir leid, es tut mir leid«, äffte Jäger sie nach. »Das wird es auch, meine Liebe, wenn die Präsentation nicht bis morgen früh fertig ist. Um acht Uhr, keine Sekunde später. Und strengen Sie sich an! Sonst können Sie zukünftig den ganzen Tag Frühstückspause machen.«

»Ich war doch …«, versuchte Melissa zu erklären, aber der Firmenchef fiel ihr erneut ins Wort.

»Halten Sie den Mund und machen Sie Ihren Job!«, brüllte er Melissa an. »Alles andere interessiert mich nicht.«

Schnaufend marschierte er aus dem Zimmer, angefüllt mit dem wohltuenden Bewusstsein, der uneingeschränkte Herrscher dieser Etage zu sein. Wenigstens hier …

***

Die Heimfahrt war problematisch. Seit einigen Tagen schien sich sein Sehvermögen stetig zu verringern. Das war besonders in der Dämmerung und nachts unangenehm, weshalb Charly die Geburtstagsfeier frühzeitig verlassen hatte.

Na ja, das alleine war nicht der Grund gewesen, gab er vor sich zu, während er vor dem geöffneten Kühlschrank stand. Die spitzen Bemerkungen seiner zukünftigen Schwiegermutter, ihre offensichtlichen Versuche, Silke mit diesem aufgeblasenen Raimund Sowienoch zu verkuppeln, und die neugierigen bis verächtlichen Blicke, die ihm die übrigen Damen immer wieder heimlich zugeworfen hatten, waren ihm irgendwann auf die Nerven gegangen. Obwohl Silke ihn gebeten hatte, noch zu bleiben, war Charly aufgebrochen, und Elli Riedermanns sparsame Verabschiedung hatte ihm überdeutlich gezeigt, dass er im Grunde nicht erwünscht gewesen war.

Resigniert warf er die Kühlschranktür zu. Er hatte überhaupt keinen Hunger. Im Gegenteil, der Anblick der Lebensmittel verursachte Charly Übelkeit. Er warf zwei der Tabletten ein, die Dr. Rieter ihm gegen die Magenbeschwerden verschrieben hatte, und legte sich aufs Sofa.

Er musste wohl eingeschlafen sein, denn als er erwachte, umgab ihn nächtliches Dunkel. Doch das war es nicht, was ihn geweckt hatte. Charly fuhr hoch, lauschte in die Wohnung und atmete gleich darauf auf, als in der Diele das Licht angeknipst wurde. Wenig später betrat Silke das Wohnzimmer.

»Schatz, was machst du denn hier im Dunkeln?« Sie eilte zu ihm und umarmte Charly liebevoll.

Er rieb sich das Gesicht.

»Bin eingeschlafen«, murmelte er undeutlich. »Wie spät ist es denn?«

»Kurz nach zehn Uhr.«

»Ist die Feier schon vorbei?«

Silke nickte.

»Ich habe noch beim Aufräumen geholfen und bin dann gegangen.« Sie betrachtete ihn aufmerksam. »Aber bevor ich zu mir fahre, wollte ich noch bei dir vorbeisehen. Hast du was zu Abend gegessen?«

Charly schüttelte den Kopf. »Ich krieg einfach nichts runter.«

»Ach, Liebling!« Besorgt sah Silke ihn an. »Wie soll das nur weitergehen? Du musst doch essen!«

»Ich habe aber keinen Hunger!« Charly spürte Ungeduld in sich aufsteigen. »Wieso soll ich etwas in mich reinstopfen, was sowieso nicht bei mir bleibt?«

Silke seufzte bedrückt. »Wenn ich dir doch nur helfen könnte!«

Charly lehnte sich zurück und schloss die Augen.

»Manchmal denke ich, dass die Ärzte nie herausfinden werden, was mit mir los ist«, meinte er bitter. »Oder aber ich bin tatsächlich ein Hypochonder, der sich alles nur einbildet. Anders kann es doch nicht sein.«

»Ich will das nicht hören!« Ärgerlich sprang Silke auf. Plötzlich wallte Zorn in ihr auf. »Mensch, mal ehrlich, ich hab’s satt! Meine Mutter, die ständig nörgelt, meckert, lästert und mir diesen kreuzdämlichen Raimund aufschwatzen will. Und jetzt du, der in Selbstmitleid badet und sich aufgeben will. Hey, das nervt, Charly! Ich bin kein Hackbrett, auf dem man pausenlos herumklopfen kann!«

Charly ließ den Kopf hängen.

»Tut mir leid, Liebes.« Er seufzte und fuhr sich erneut mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich kann dich gut verstehen. Ein ewig kränkelnder Freund, deine zänkische Mutter …« Er fiel noch mehr in sich zusammen. »Aber vielleicht hat sie sogar recht. Raimund ist gesund, er hat Geld …«

»Bist du jetzt völlig durchgeknallt?«, fuhr Silke ihn an. »Was soll das denn jetzt? Gibst du so kampflos auf?«

Charly erhob sich. Silkes Herz zog sich zusammen, als sie sah, wie blass er war. Blass und mager wie ein Stecken! Wo war der gut aussehende, sportliche, braun gebrannte junge Mann geblieben, mit dem sie noch vor einem Jahr Wettschwimmen und Radtouren veranstaltet hatte? Der so herzhaft lachen und toll tanzen konnte?

Dieser Mann, der jetzt leicht gebeugt vor ihr stand, war nur noch ein Schatten des alten Charly. Himmel! Ihr schossen die Tränen in die Augen. Die Ärzte mussten ihm doch helfen! Es konnte einfach nicht sein, dass sie nichts fanden!

»Ich denke wirklich, dass wir uns trennen sollten«, sagte er leise. »Mit mir hast du früher oder später einen Pflegefall am Hals, das will ich weder dir noch mir zumuten.« Er blickte auf. »Tu dir selbst einen Gefallen, Silke, geh und vergiss mich ganz einfach! Ich bin dir nur ein Klotz am Bein.«

Fassungslos starrte sie ihn an. »Liebst du mich nicht mehr?«, fragte sie leise.

Ein Ruck ging durch Charlys mageren Körper. »Doch!«, rief er entsetzt. »Doch, Liebling! Aber gerade weil ich dich liebe, will ich, dass du gehst. Vergeude deine Zeit nicht länger mit einem Mann, der keine Zukunft hat!«

»Hör auf!« Jetzt liefen die Tränen in kleinen Sturzbächen über Silkes Wangen. »Du machst mir Angst, Charly. Ich will nicht ohne dich leben!«

Er lachte voller Bitterkeit.