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Nothing more E-Book

Anna Todd

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Beschreibung

When he falls in love, he loves too hard

New York ist anders als alles, was Landon bisher kannte. Aber er hat einen netten Job, liebt die Uni und kann seiner Exfreundin Dakota zum Glück aus dem Weg gehen. Sein winziges Apartment in Brooklyn teilt er sich mit seiner besten Freundin Tessa. Sie kennt sich mit Liebeskummer aus.

Als Landon sich plötzlich zwischen zwei schönen Frauen wiederfindet, ist es das totale Chaos. Extrem aufregend. Fast wie eine Sucht. Es wird sich schon irgendwie regeln, aber der Weg dahin ist vermutlich ... ziemlich crazy.

"Sexy, spannend und emotional - Anna Todd ist in Hochform". Colleen Hover

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Seitenzahl: 384

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DAS BUCH

New York ist anders als alles, was Landon bisher kannte. Aber er hat einen netten Job, liebt die Uni und kann seiner Exfreundin Dakota zum Glück aus dem Weg gehen. Für sie ist er in die Metropole gezogen. Und kurz darauf verließ sie ihn.

Zum Glück teilt Landon sich sein winziges Apartment in Brooklyn mit seiner besten Freundin Tessa. Sie kennt sich mit Liebeskummer aus, und als er sich plötzlich zwischen zwei schönen Frauen wiederfindet, hört sie ihm zu. Es ist das totale Chaos. Ziemlich aufregend. Fast wie eine Sucht. Es wird sich schon irgendwie regeln, aber der Weg dahin ist vermutlich ... ziemlich crazy.

DIE AUTORIN

Anna Todd lebt gemeinsam mit ihrem Ehemann in Los Angeles. Sie haben nur einen Monat nach Abschluss der Highschool geheiratet. Anna war schon immer eine begeisterte Leserin und ein großer Fan von Boygroups und Liebesgeschichten. Mit der AFTER-Serie konnte sie ihre Leidenschaften miteinander verbinden und sich dadurch einen Lebenstraum erfüllen.

LIEFERBARE TITEL

After passion

After truth

After love

After forever

Before us

ANNA TODD

NOTHING

more

Roman

Band 6 der AFTER-Serie

Aus dem Amerikanischen von

Anja Mehrmann und Sabine Schilasky

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe Nothing More erschien bei Gallery Books, a division of Simon & Schuster Inc., New York

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Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 10/2016

Cppyright © 2016 by Anna Todd, vertreten durch Wattpad

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: © FinePic, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN: 978-3-641-19069-9V002

www.heyne.de

Playlist Landon

Kevin Garrett – Come Up Short

James Bay – Let It Go

Kings of Leon – Closer

Kevin Garrett – Pushing Away

The Weeknd – As You Are

John Mayer – Edge Of Desire

The Lumineers – In The Light

Halsey – Colors

Little Mix – Love Me Or Leave Me

Halsey – Gasoline

Birdy – All You Never Say

Kelly Clarkson – Addicted

The Weeknd – Acquainted

Zayn – Fool For You

John Mayer – Assassin

Without – Years & Years

One Direction – Fool’s Gold

Adele – Love In The Dark

Halsey – Hurricane

Kevin Garrett – Control

Zayn – It’s You

The 1975 – A Change Of Heart

Taylor Swift – I Know Places

1

Mein Leben ist ziemlich einfach, es gibt kaum Komplikationen. Ich bin glücklich, das wissen alle.

Morgens sind meine ersten Gedanken:

Hier ist es gar nicht so voll, wie ich dachte.

Hoffentlich hat Tessa heute frei, damit wir zusammen abhängen können.

Mom fehlt mir.

Ja, ich bin im zweiten Studienjahr an der New York University, aber meine Mom ist trotzdem eine meiner besten Freundinnen.

Ich vermisse mein Zuhause, darum hilft es mir so, Tessa in der Nähe zu haben; sie ist hier meine Familie.

Ich weiß, dass viele Studenten von zu Hause wegziehen und es gar nicht erwarten können, ihre Heimatstadt hinter sich zu lassen, aber bei mir ist das anders. Zufällig gefiel es mir in meiner, auch wenn ich dort nicht aufgewachsen bin. Bei meiner Bewerbung für die NYU hatte ich einen Plan, nur ging der nicht so auf wie gedacht. Ich wollte hierherziehen und mir eine Zukunft aufbauen, gemeinsam mit Dakota, mit der ich seit der Highschool zusammen war. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass sie am College als Single durchstarten wollte.

Ich war völlig fertig und bin es immer noch, aber ich wünsche ihr, dass sie glücklich ist – notfalls auch ohne mich.

Der September ist hier kühl, doch im Gegensatz zu Washington regnet es kaum. Das ist immerhin schon mal etwas.

Auf dem Weg zur Arbeit checke ich mein Telefon, so wie ich es ungefähr fünfzig Mal pro Tag tue. Mom ist schwanger, und ich bekomme eine kleine Schwester – falls irgendwas ist, möchte ich schnell einen Flieger nehmen und da sein können. Nur zur Sicherheit. Meine Mom und Ken wollen sie Abigail nennen, und ich kann es kaum erwarten, die Kleine kennenzulernen. Mit Babys hatte ich eigentlich noch nie zu tun, aber die kleine Abby ist mir schon jetzt das Liebste auf der ganzen Welt. Bis jetzt hat Mom aber nur Fotos von den unglaublichen Sachen geschickt, die sie in der Küche zaubert.

Es gibt Schlimmeres, aber hey: Mir fehlt ihr Essen!

Auf den Straßen ist ziemlich viel los. An einer Kreuzung warte ich in einem Pulk Menschen: viele Touristen mit schweren Kameras um den Hals. Ich muss lachen, als ein Junge im Teenageralter ein riesiges iPad hochhält, um ein Selfie zu machen.

So was werde ich nie kapieren.

Die Ampel wechselt zu Gelb, und dann blinkt es endlich grün. Ich drehe meine Musik lauter.

Hier draußen habe ich fast immer Kopfhörer drin. Die Stadt ist viel lauter, als ich erwartet hatte, und ich halte es besser aus, wenn ich den Lärm ausblende oder zumindest mit Klängen färbe, die ich mag.

Heute ist es Hozier.

Sogar bei der Arbeit trage ich Kopfhörer – wenigstens in einem Ohr, damit ich noch die Kaffeebestellungen verstehe, die man mir zuschreit. Allerdings lenken mich heute zwei Männer ab. Beide tragen Piratenkostüme und brüllen sich gegenseitig an. Und als ich in den Laden komme, renne ich in Aiden hinein, den unangenehmsten meiner Kollegen.

Er überragt mich ein ganzes Stück und hat dieses weißblonde Haar, das ihn wie Draco Malfoy aussehen lässt, deshalb finde ich ihn irgendwie unheimlich. Neben der Draco-Ähnlichkeit ist er auch noch widerlich. Zu mir ist er nett, doch mir entgeht nicht, wie er die Studentinnen ansieht, die ins Grind kommen. Bei denen benimmt er sich, als wären wir in einem Club und nicht in einem Café.

Wie er auf sie herablächelt, mit ihnen flirtet und sie mit seinem Blick bedrängt, finde ich ziemlich abstoßend. Tatsächlich sieht er nicht mal besonders gut aus, doch wenn er ein bisschen netter wäre, würde ich das vielleicht anders sehen.

»Aufpassen, Alter«, murmelt Aiden und knallt mir die Hand auf die Schulter, als wären wir auf einem Footballfeld.

Heute schafft er es in Rekordzeit, mich zu nerven, aber ich schüttle das ab und gehe nach hinten, um mir meine gelbe Schürze umzubinden und noch mal mein Handy zu checken. Nachdem ich meine Karte abgestempelt habe, mache ich mich auf die Suche nach Posey. Ich soll sie für ein paar Wochen einarbeiten. Posey ist nett und still, aber fleißig, und ich mag es, dass sie immer den Gratis-Cookie nimmt, den wir ihr geben, damit sie sich bei uns wohlfühlt. Die meisten Neuen lehnen ihn ab, aber Posey hat diese Woche jeden Tag einen gegessen: Schoko, Schoko-Macadamia, Zucker und irgendein komisches grünliches Ding, wahrscheinlich ein glutenfreier Biokeks.

»Hi«, sage ich lächelnd. Sie lehnt an der Eismaschine, hat sich das Haar hinter die Ohren gestrichen und liest die Rückseite einer Kaffeepackung. Nachdem sie kurz zu mir aufgeblickt und mich angelächelt hat, liest sie weiter.

»Mir leuchtet immer noch nicht ein, wieso sie fünfzehn Dollar für so eine kleine Packung Kaffee verlangen«, sagt sie und wirft mir die Tüte zu.

Ich fange sie knapp, und sie droht mir durch die Hände zu flutschen, aber ich halte sie fest. »Wir«, korrigiere ich lachend und stelle die Packung zurück auf den kleinen Tisch. »Wir verlangen das.«

»Ich arbeite noch nicht lange genug hier, um von ›wir‹ zu reden«, kontert sie, zieht das Haarband von ihrem Handgelenk und bindet sich ihr rotbraunes Haar zusammen. Es ist eine Menge Haar, und Posey bindet es sorgfältig hoch, bevor sie mir mit einem Nicken signalisiert, dass sie bereit ist.

Sie folgt mir nach vorn in den Laden und wartet an der Kasse. Diese Woche hat sie gelernt, Bestellungen anzunehmen, als Nächstes wird sie die Getränke machen. Ich nehme am liebsten Bestellungen an, weil ich lieber mit den Leuten rede, als mir die Finger an der Espressomaschine zu verbrühen, wie es mir praktisch fast jede Schicht passiert.

Während ich noch alles an meiner Station klarmache, bimmelt die Türglocke. Ich sehe zu Posey rüber, ob sie schon so weit ist, und natürlich ist sie bereit, die morgendlichen Koffeinsüchtigen zu empfangen. Zwei Mädchen kommen laut quatschend auf den Tresen zu. Eine der Stimmen geht mir sofort durch und durch. Ich sehe hin: Ja, es ist Dakota. Sie trägt einen Sport-BH, weite Shorts und grellbunte Turnschuhe. Anscheinend kommt sie vom Laufen, denn für den Tanzunterricht wäre sie anders angezogen. Dann hätte sie einen Body und engere Shorts an … und würde genauso gut aussehen. Wie immer.

Dakota war seit Wochen nicht hier, und es überrascht mich, sie jetzt zu sehen. Es macht mich sogar so nervös, dass meine Hände anfangen zu zittern und ich mich dabei ertappe, wie ich völlig grundlos auf dem Computer herumtippe. Ihre Freundin Maggy entdeckt mich als Erste. Sie tippt Dakota an, und Dakota dreht sich mit einem strahlenden Lächeln zu mir um. Ihre Haut ist von einem zarten Schweißfilm bedeckt, und ihre schwarzen Locken sind zu einem losen Knoten gebunden.

»Ich hatte gehofft, dass du heute arbeitest«, sagt sie und winkt erst mir, dann Posey zu.

Hat sie? Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll. Ja, wir hatten uns darauf geeinigt, Freunde zu bleiben, aber ich weiß nicht, ob das hier wirklich nur freundschaftliches Geplauder ist oder mehr.

»Hi, Landon.« Maggy winkt mir ebenfalls zu.

Ich lächle beide an und frage, was sie möchten.

»Iced Coffee mit Sahne«, antworten sie im Chor. Sie sind auch fast gleich angezogen, nur dass Maggy von Dakotas glänzender Karamellhaut und den leuchtenden braunen Augen übertrumpft wird.

Wie ferngesteuert nehme ich zwei Becher und tauche sie routiniert in den Eiskübel. Dann greife ich nach dem Krug mit abgekühltem Kaffee und gieße ihn ein. Dakota beobachtet mich, das spüre ich. Irgendwie komme ich mir linkisch vor, und als ich merke, dass auch Posey mir zusieht, wird mir bewusst, dass ich ihr erklären könnte – nein, sollte –, was ich hier mache.

»Den gießt du über das Eis. Die Abendschicht bereitet den Kaffee vor, damit er abkühlen kann, sonst würde das Eis natürlich sofort schmelzen«, sage ich.

Das sind eigentlich Grundlagen, und ich komme mir schon fast blöd dabei vor, dass ich es vor Dakota erläutere. Nicht dass wir zerstritten wären oder so; wir hängen nur nicht mehr zusammen rum und reden nicht mehr so wie früher. Sie war vor mir in New York City, mit neuen Freunden in einer neuen Umgebung, und ich wollte sie nicht ausbremsen. Also habe ich mein Versprechen gehalten, und wir sind Freunde geblieben. Immerhin kenne ich sie seit Jahren und werde sie immer sehr mögen. Sie war meine zweite Freundin und meine erste richtige Beziehung. Derzeit mache ich immer mal was mit So – sie ist drei Jahre älter als ich, doch wir sind im Grunde nur befreundet. Sie ist auch nett zu Tessa und hat ihr geholfen, einen Job in dem Restaurant zu bekommen, in dem sie jetzt arbeitet.

»Dakota?« Aidens Stimme übertönt mich, als ich die beiden fragen will, ob ich noch mehr Sahne draufgeben soll.

Verwirrt beobachte ich, wie Aiden über den Tresen hinweg nach Dakotas Hand greift. Er hebt sie in die Höhe, und mit einem strahlenden Lächeln dreht sie sich vor ihm.

Dann rückt sie mit einem flüchtigen Blick zu mir ein wenig von ihm weg und sagt betont sachlich: »Ich wusste gar nicht, dass du hier arbeitest.«

Ich sehe zu Posey rüber, um mich abzulenken. Dann starre ich auf den Aushang an der Wand hinter ihr. Es geht mich wirklich nichts an, mit wem Dakota befreundet ist.

»Hatte ich das letzte Nacht nicht erwähnt?«, fragt Aiden, und ich huste, um den Laut zu kaschieren, den ich unwillkürlich von mir gegeben hatte.

Zum Glück scheint es niemand außer Posey zu merken, und die gibt sich wirklich Mühe, ihr Grinsen zu verbergen.

Ich sehe Dakota nicht an, obwohl ich spüre, dass ihr die Situation unangenehm ist. Sie schenkt Aiden dasselbe Lachen wie vor einem Jahr meiner Grandma, als sie ihr Weihnachtsgeschenk ausgepackt hat. Dieser hohe Laut … Dakota hat meine Grandma so glücklich gemacht, als sie über den kitschigen singenden Fisch auf dem Brett aus Holzimitat gelacht hat! Als sie gleich noch mal lacht, wird mir klar, dass sie sich ziemlich unwohl fühlt. Um die Situation zu entspannen, reiche ich ihr lächelnd die beiden Becher und sage, dass ich sie hoffentlich bald wiedersehe.

Noch ehe sie antworten kann, lächle ich wieder, gehe ins Hinterzimmer und drehe die Lautstärke meiner Kopfhörer höher.

Ich warte, dass die Türglocke wieder läutet und mir verrät, dass Dakota und Maggy weg sind, da geht mir auf, dass ich es über den Lärm des gestrigen Hockeyspiels in meinem Ohr gar nicht hören würde. Selbst mit nur einem Ohrstöpsel in meinem Ohr würden die jubelnde Menge und das Knallen der Schläge die alte Messingglocke übertönen. Ich gehe wieder nach vorn und sehe, wie Posey die Augen verdreht, als Aiden ihr vorführt, wie toll er Milch aufschäumen kann. Mit der Dampfwolke vor seinem weißblonden Haar sieht er absurd aus.

»Er hat gesagt, dass sie zusammen studieren, an dieser Tanzakademie«, flüstert Posey mir zu.

Ich erstarre und sehe Aiden an, der nichts mitbekommt. Sicher ist er ganz in seiner eigenen coolen Welt. »Hast du ihn gefragt?« Ich habe Angst davor, wie seine Antworten auf andere Fragen zu Dakota ausfallen könnten.

Posey nickt und greift nach einem Metallkännchen, um es auszuspülen. Ich folge ihr zur Spüle, und sie dreht den Hahn auf. »Ich habe gesehen, wie du reagiert hast, als er ihre Hand gehalten hat, also dachte ich, ich frage einfach mal, was zwischen ihnen läuft«, erklärt sie mit einem Schulterzucken, bei dem sich ihre dichte Lockenmähne mitbewegt.

Ihre Sommersprossen sind außergewöhnlich hell und sprenkeln ihre oberen Wangen und den Nasenrücken. Sie hat sehr volle Lippen – fast einen Schmollmund – und ist beinahe so groß wie ich. Das alles ist mir schon am dritten Tag aufgefallen, als ich sie angelernt habe. Da hatte ich das Gefühl, dass bei ihr Interesse aufgeflackert ist.

»Ich war mal eine Zeit lang mit ihr zusammen«, gestehe ich meiner neuen Freundin und reiche ihr ein Geschirrtuch, damit sie das Kännchen abtrocknen kann.

»Oh, ich glaube nicht, dass sie zusammen sind. Sie wäre ja irre, was mit einem Slytherin zu haben.« Als Posey grinst, werde ich rot, und wir lachen beide.

»Das ist dir auch aufgefallen?«, frage ich.

Unwillkürlich greife ich nach einem Pistazien-Pfefferminz-Cookie und biete ihn ihr an.

Grinsend nimmt sie den Cookie und hat die Hälfte schon gegessen, bevor ich die Dose wieder geschlossen habe.

2

Als meine Schicht zu Ende ist, logge ich mich aus und nehme zwei Becher von der Theke, um die beiden Getränke für den Feierabend zuzubereiten: zwei Macchiatos, einen für mich und einen für Tessa. Allerdings keinen gewöhnlichen Macchiato, sondern einen mit drei Schuss Haselnuss und ein paar Tropfen Bananensirup extra. Klingt widerlich, aber man glaubt gar nicht, wie gut das schmeckt. Irgendwann habe ich zufällig die Flaschen mit Vanille und Banane verwechselt, und inzwischen ist dieser Zufallsmix mein Lieblingsgetränk. Und Tessas. Und jetzt auch Poseys.

Damit wir Studenten uns auch gut ernähren, besorge ich die Erfrischungen, und Tessa bringt fast jeden Abend Reste für das Dinner aus dem Lookout mit, dem Restaurant, in dem sie arbeitet. Manchmal ist das Essen noch warm, aber es ist so gut, dass man es auch kalt noch essen kann. Trotz unseres schmalen Budgets schaffen wir es, guten Kaffee zu trinken und Gourmetgerichte zu essen, das haben wir also ziemlich cool hinbekommen.

Tessa hat heute die Spätschicht, darum lasse ich mir beim Zuschließen Zeit. Nicht dass ich es ohne sie zu Hause nicht aushalte, aber es gibt einfach keinen Grund, warum ich mich beeilen sollte. Außerdem wird mich die Arbeit davon abhalten, allzu genau über Dakota und den Slytherin-Typen nachzudenken. Manchmal mag ich die Stille einer leeren Wohnung, aber ich habe noch nie allein gelebt, und oft treiben mich das Summen des Kühlschranks und das Klopfen in den Leitungsrohren an den Rand des Wahnsinns. Dann erwische ich mich dabei, dass ich auf die Geräusche eines Footballspiels warte, wie sie immer aus dem Arbeitszimmer meines Stiefvaters kamen, oder auf den Duft nach Ahornsirup aus Moms Küche. Mit den Seminaraufgaben für diese Woche bin ich schon fertig. Die ersten Wochen meines zweiten Studienjahrs sind ganz anders gelaufen als das letzte Jahr. Ich bin froh, dass ich die langweiligen Pflichtkurse für Erstsemester hinter mir habe und jetzt mit meiner Ausbildung zum Lehrer anfangen kann. Endlich habe ich das Gefühl, wirklich auf meine Laufbahn als Grundschullehrer hinzuarbeiten.

Diesen Monat habe ich schon zwei Bücher gelesen und alle Kinofilme gesehen, und Tessa hält die Wohnung so sauber, dass es für mich überhaupt nichts mehr zu tun gibt. Im Grunde weiß ich mit meiner Zeit nichts Sinnvolles anzufangen, und außer Tessa und zwei Kollegen im Grind habe ich bisher kaum Freunde gefunden. Ich glaube nicht, dass ich mit irgendeinem von ihnen Zeit außerhalb des Coffeeshops verbringen könnte, außer vielleicht mit Posey. Timothy, ein Typ aus meinem Sozialkundekurs, ist cool. Am zweiten Tag trug er ein Trikot von den Thunderbirds, und wir kamen ins Gespräch über das Hockeyteam meiner Heimatstadt. Sport und Fantasyromane sind immer eine sichere Sache, wenn ich neue Leute kennenlerne, das fällt mir nämlich erst mal nicht so leicht.

Mein Leben ist ziemlich langweilig. Ich fahre mit der Subway über die Brücke zum Campus und wieder zurück zu unserer Wohnung in Brooklyn, ich gehe zu Fuß zur Arbeit und von dort wieder nach Hause. Es ist zu einem Muster geworden, ein ständiger Kreislauf vollkommen belangloser Ereignisse. Tessa behauptet, dass ich nur Schiss habe, und dass ich einfach neue Freunde finden und mit ihnen Spaß haben müsste. Am liebsten würde ich ihr sagen, dass sie sich da auch mal selbst dran halten könnte. Aber natürlich ist es leichter, über andere zu meckern, als vor der eigenen Haustür zu kehren. Auch wenn meine Mom und Tessa fest der Überzeugung sind, dass ich kein Sozialleben habe, amüsiere ich mich ganz gut. Ich mag meinen Job und meine Kurse in diesem Semester. Es gefällt mir, dass ich in einem ziemlich coolen Teil von Brooklyn wohne, und mein neues College gefällt mir auch. Klar, manches könnte besser sein, aber insgesamt ist mein Leben okay und easy. Keine Komplikationen und Verpflichtungen, abgesehen von der, ein guter Sohn und Freund zu sein.

Ich blicke auf die Uhr und zucke zusammen, als ich sehe, dass es noch nicht mal zehn ist. Wegen einer Gruppe Frauen, die sich endlos über Scheidungen und Babys unterhielten, habe ich den Laden später als üblich zugemacht. Ständig war irgendein »Oh!« oder »O nein!« zu hören, also dachte ich mir, ich lasse sie lieber in Ruhe, bis sie ihre Probleme durchgekaut haben und bereit sind zu verschwinden. Um Viertel nach neun sind sie dann gegangen. Ihr Tisch war voll mit Servietten, halbvollen Tassen mit kaltem Kaffee und Gebäckresten. Das Chaos hat mir nichts ausgemacht, denn so war ich wenigstens noch ein paar Minuten beschäftigt. Ich ließ mir ziemlich viel Zeit und stapelte ganz sorgfältig Papierservietten in die Metallbehälter. Dann fegte ich den Boden, ein Strohhalmpapier nach dem anderen, und bewegte mich so langsam wie möglich, während ich die Eisbehälter und die Mahlzylinder der Kaffeemaschinen befüllte.

Irgendwie arbeitet die Uhr gegen mich, und ich frage mich, was das ist mit der Zeit und mir. Jepp, die Zeit sabotiert mich oft, aber heute Abend nervt mich das mehr als sonst. Jede Minute, die vergeht, bedeutet sechzig Sekunden Verarsche. Der kleine Zeiger der Uhr tickt langsam vor sich hin, aber das Ticken scheint sich nicht zu summieren – ich habe das Gefühl, dass die Zeit überhaupt nicht vergeht. Ich fange an, ein Spiel aus meiner Grundschulzeit zu spielen: Ich halte ein paarmal hintereinander für dreißig Sekunden den Atem an. Nach ein paar Minuten wird das langweilig, und ich gehe mit der Kassenschublade in den Personalraum und zähle die Tageseinnahmen. Im Coffeeshop ist es still bis auf das Summen der Eismaschine im Hinterzimmer. Schließlich ist es zehn Uhr, und ich kann es nicht länger hinauszögern.

Bevor ich gehe, lasse ich den Blick ein letztes Mal durch den Laden wandern. Ich bin mir sicher, dass ich nichts vergessen habe, keine Kaffeebohne liegt noch irgendwo herum, wo sie nicht hingehört. Normalerweise mache ich den Laden nicht allein zu. Meine Schichten wechseln immer wieder, und ich schließe entweder mit Aiden oder mit Posey ab. Posey hat mir angeboten, noch zu bleiben, aber ich habe zufällig gehört, dass sie keinen Babysitter für ihre Schwester gefunden hat. Posey ist eher still und erzählt nicht viel von sich, aber nach allem, was ich so mitbekomme, scheint das kleine Mädchen der Mittelpunkt ihres Lebens zu sein.

Ich verriegele den Safe und schalte die Alarmanlage ein, ehe ich die Tür hinter mir zuziehe und abschließe. Es ist kalt draußen, ein kühler Wind zieht vom Fluss herauf und legt sich über Brooklyn. Ich bin gern nah am Wasser, irgendwie gibt der Fluss mir das Gefühl, mich vor dem Großstadtgedränge zu beschützen. Trotz ihrer Nähe sind Brooklyn und Manhattan ganz unterschiedlich.

Zwei Frauen und zwei Männer gehen gerade vorbei, als ich abschließe und auf den Gehweg trete. Ich sehe, wie die vier sich zu zwei Händchen haltenden Paaren aufteilen. Der größere der Männer trägt ein Trikot der Browns, und ich frage mich, ob er ihre Torstatistik für diese Saison gelesen hat. Wenn er es getan hätte, würde er vermutlich nicht so stolz in diesem Ding herumlaufen. Ich beobachte sie, während ich ihnen folge. Der Browns-Fan ist lauter als der Rest der Truppe und hat noch dazu eine unangenehm tiefe Stimme. Ich glaube, er ist betrunken. Ich überquere die Straße, um Abstand zwischen uns zu bringen, und rufe meine Mutter an, um zu hören, wie es ihr geht. Eigentlich erzähle ich ihr immer nur, dass bei mir alles in Ordnung ist und ihr Kind mal wieder einen Tag in der großen Stadt überlebt hat. Ich frage sie, wie es ihr geht, aber es ist typisch für sie, dass sie darauf nicht eingeht und gleich nach mir fragt.

Die Nachricht, dass ich wegziehe, hat Mom weniger ausgemacht, als ich gedacht hätte. Sie wollte, dass ich glücklich bin, und mit Dakota nach New York zu ziehen machte mich glücklich. Na ja, zumindest war das der Plan. Mein Umzug sollte der Kitt für unsere bröckelnde Beziehung sein. Ich dachte, dass es die Entfernung war, die uns zusetzte, aber irgendwie war mir entgangen, dass sie sich nach Freiheit sehnte. Das kam für mich völlig unerwartet, weil ich nie versucht hatte, sie einzusperren. Ich habe sie nie kontrolliert oder ihr vorgeschrieben, was sie zu tun hat. So bin ich einfach nicht drauf. Seit dem Tag, an dem dieses mutige Mädchen mit den tollen Haaren in das Haus nebenan gezogen war, wusste ich, dass sie etwas Besonderes war. Etwas ganz Besonderes und Echtes, das ich niemals hätte verstecken wollen. Wie hätte ich das auch anstellen sollen? Und warum? Ich habe sie in ihrer Unabhängigkeit sogar gefördert und sie gedrängt, zu ihrer scharfen Zunge und ihren Überzeugungen zu stehen. In den fünf Jahren, die wir zusammen waren, habe ich ihre Stärke immer geschätzt. Und ich habe versucht, ihr alles zu geben, was sie brauchte.

Als sie Angst vor ihrem Umzug an den Big Apple bekam, habe ich sie ihr genommen. Ich habe selbst schon Erfahrung mit Umzügen. Kurz vor meinem letzten Jahr auf der Highschool bin ich von Saginaw nach Washington gezogen. Immer wieder habe ich sie daran erinnert, dass sie gute Gründe hatte, nach NYC zu gehen: ihre Leidenschaft fürs Tanzen, ihr Talent. Es verging kein Tag, an dem ich sie nicht daran erinnerte, wie großartig sie war, und ihr sagte, dass sie stolz auf sich sein sollte. Mit Blasen an den Zehen und blutenden Knöcheln trainierte sie Tag und Nacht. Dakota ist einer der ehrgeizigsten Menschen, die ich kenne. Die guten Noten flogen ihr nur so zu, und schon als Teenager hatte sie immer einen Job. Wenn meine Mom gearbeitet hat und sie nicht mitnehmen konnte, fuhr sie die Meile zu ihrer Arbeit als Kassiererin in einem Truck Stop mit dem Fahrrad. Sobald ich sechzehn war und den Führerschein hatte, bat sie ihren Dad, ihr Fahrrad zu verkaufen. So bekam sie etwas Geld, und ich fuhr sie gern.

Und dennoch glaube ich, dass Dakota sich in ihrer Familie nie wirklich frei gefühlt hat. Ihr Dad versuchte, sie und Carter in ihrem kleinen Backsteinhaus einzusperren, doch die Laken, die er vor die Fenster hängte, konnten keines seiner Kinder im Haus halten. Als Dakota nach New York zog, entdeckte sie eine neue Art zu leben. Zuzusehen, wie ihr Vater verkümmerte, bis nichts mehr übrig war als Zorn und Alkohol, war kein Leben. Die Schuld am Tod ihres Bruders hinunterzuspülen war kein Leben. Ihr wurde klar, dass sie nie wirklich gelebt hatte. Ich selbst habe an dem Tag damit begonnen, an dem ich ihr begegnet bin, aber bei ihr war es anders.

Sosehr mich das Ende unserer Beziehung auch verletzt hat, ich habe es ihr nie vorgeworfen und tue es auch jetzt nicht. Aber trotzdem muss ich sagen, dass sie mich damit extrem verletzt und außerdem die Zukunft zerstört hat, die wir gemeinsam geplant hatten. Ich dachte, ich würde nach New York ziehen und dort mit ihr zusammenleben. Ich glaubte, dass ich jeden Morgen aufwachen würde, ihre Beine um meine geschlungen, den süßen Duft ihrer Haare in der Nase. Ich dachte, wir würden immer mehr Erinnerungen sammeln, während wir gemeinsam diese Stadt kennenlernen. Wir würden durch Parks schlendern und so tun, als verstünden wir etwas von der Kunst, die in all den abgefahrenen Museen hängt. Als ich anfing, meinen Umzug nach New York zu planen, hatte ich so große Erwartungen. Ich hielt ihn für den Beginn meiner Zukunft, nicht für das Ende meiner Vergangenheit.

Allerdings halte ich ihr zugute, dass sie es kommen sah, dass sie sich ihre wahren Gefühle eingestand und sich von mir trennte, bevor ich nach New York kam. Anstatt mir etwas vorzuspielen, bis uns die ganze Sache schließlich um die Ohren flog, war sie ehrlich zu mir. Doch als sie endgültig Schluss machte, hatte ich mich schon so lange mit dem Umzug beschäftigt, dass ich dabei blieb. Ich hatte bereits die Studiengebühren gezahlt und die Kaution für eine Wohnung hinterlegt. Ich bedaure meine Entscheidung nicht, und wenn ich zurückblicke, finde ich, dass New York genau das war, was ich gebraucht habe. Die Stadt hat mich nicht wirklich verzaubert, ich bin noch nicht von ihrem Charme hypnotisiert, und ich glaube nicht mal, dass ich nach dem Abschluss hierbleiben werde – aber ich mag sie inzwischen ganz gern. Später möchte ich mich irgendwo niederlassen, wo es ruhig ist, mit einem schönen großen Garten und viel Sonne.

Es hilft, dass Tessa mit mir hierhergezogen ist. Ich bin nicht glücklich über die Umstände, die sie hergeführt haben, aber ich bin froh, dass ich ihr einen Ausweg bieten konnte. Tessa Young war der erste Mensch, mit dem ich mich an der Washington Central University angefreundet habe, und irgendwie ist sie auch der einzige geblieben, bis ich wegging. Sie war die erste und einzige Freundin, die ich in Washington hatte, und umgekehrt. Ihr erstes Jahr an der WCU war hart. Sie verliebte sich, und schon kurz danach wurde ihr das Herz gebrochen. Ich steckte in einer seltsamen Zwickmühle zwischen meinem Stiefbruder, zu dem ich eine Beziehung aufzubauen versuchte, und meiner besten Freundin Tessa, die von genau diesem Typen verletzt worden war.

Als sie mich darum bat, war ich sofort für sie da. Mir gefiel die Vorstellung, meine Wohnung mit ihr zu teilen, und ich wusste, dass es ihr helfen würde. Meine Rolle als guter Freund, als netter Kerl, gefällt mir. Ich bin mein ganzes Leben lang der nette Junge von nebenan gewesen, und damit fühle ich mich am wohlsten. Ich muss nicht im Mittelpunkt stehen. Erst vor Kurzem ist mir klar geworden, dass ich mir sogar große Mühe gebe, Situationen zu vermeiden, in denen ich im Mittelpunkt stehen könnte. Ich bin dafür bekannt, die Nebenrolle zu spielen, den hilfsbereiten Kumpel oder Freund – und das ist völlig okay für mich. Als in Michigan alles den Bach runterging, habe ich meinen Kummer mit mir selbst ausgemacht. Ich wollte nicht, dass jemand mit mir litt, vor allem nicht Dakota.

Ihr Schmerz war unvermeidlich, und egal, was ich tat, ich konnte ihn ihr nicht abnehmen. Tatenlos musste ich mit ansehen, wie sie litt, als ihr Leben von einer Tragödie in Stücke gerissen wurde, die ich verzweifelt zu verhindern versuchte. Sie war mein Verband, ich war ihr Sicherheitsnetz. Ich fing sie auf, wenn sie stolperte, und dieser Schmerz, den wir gemeinsam durchlebt haben, wird uns immer miteinander verbinden, bis ans Ende der Zeit. Egal, ob wir nun Freunde sind oder mehr.

Ich denke nur selten daran. Das sind Erinnerungen, die ich aus meinem Gedächtnis verbannt habe. Diese Wunde ist zwar gesäubert und fest verbunden, aber noch lange nicht verheilt.

3

Als ich nach Hause komme, liegt ein Paket vor der Tür. Tessas Name steht mit schwarzem Filzstift darauf, und ich weiß sofort, von wem es ist. Ich schließe auf und schiebe das Paket vorsichtig mit dem Fuß hinein. Es brennt kein Licht, also ist Tessa noch nicht von der Arbeit zurück.

Ich bin müde, aber morgen kann ich ausschlafen, denn dienstags und donnerstags fangen meine Kurse später an als sonst. Ich freue mich darauf. Das sind meine Lieblingstage, weil ich dann noch in Boxershorts im Bett liegen bleiben und fernsehen kann. Eigentlich ein armseliger kleiner Luxus, aber ich genieße jede Sekunde. Ich ziehe die Schuhe aus, stelle sie nebeneinander und rufe laut nach Tessa, um sicher zu sein, dass sie wirklich nicht da ist. Als sie nicht antwortet, ziehe ich mich im Wohnzimmer aus, einfach so. Noch ein kleiner Luxus. Ich knöpfe meine Jeans auf, streife sie ab und lasse sie einfach am Boden liegen. Ich komme mir ein bisschen rebellisch vor, aber im Grunde bin ich nur erschöpft.

Ich hebe meine Hose doch noch auf, dann das Hemd, die Socken und meine Boxershorts, und bringe die Sachen in mein Zimmer, wo ich wieder alles auf den Boden werfe. Aufräumen kann ich später noch.

Erst mal brauche ich eine Dusche.

Der Hebel der Dusche in unserem Badezimmer klemmt fast jedes Mal, wenn ich das Wasser anstellen will. Es dauert mindestens eine Minute, bis es das Wasser durch die Rohre schafft. Unser Hausmeister hat die Armatur schon zweimal »repariert«, aber sie hält einfach nicht. Tessa hat sogar selbst mal versucht, das Ganze in Ordnung zu bringen. Wie sich zeigte, sind Reparaturen überhaupt nicht ihr Ding. Ich muss lachen, wenn ich daran denke, wie wütend sie war, als das Wasser aus dem Hahn platzte und sie vollspritzte. Klatschnass stand sie im Bad, und der Duschkopf aus Metall flog quer durch den Raum und schlug ein kleines Loch in die Rigipswand. Einige Wochen später ging er wieder kaputt, als Tessa die Dusche anmachte und dabei den nicht gerade stabilen Hebel aus der Wand riss. Ihr spritzte das eiskalte Wasser ins Gesicht. Sie hat geschrien wie am Spieß und ist aus dem Badezimmer gerannt, als stünde sie in Flammen.

Weil ich an das Knirschen des Duschkopfs gewöhnt bin, trete ich einen Schritt zurück und warte, bis das Wasser aus der Leitung kommt. Ich höre es durch die Rohre rauschen und gehe schnell noch pinkeln. In Gedanken gehe ich noch einmal den Tag durch, wie schnell meine Kurse vorbeigingen und wie überrascht ich war, als Dakota und Maggy ins Grind spaziert kamen. Es ist immer noch ein komisches Gefühl, Dakota zu begegnen, vor allem wegen Aiden. Ich wünschte, ich hätte Zeit gehabt, mich darauf vorzubereiten. Seit Wochen habe ich nicht mit ihr geredet, und ich konnte mich kaum auf das Gespräch konzentrieren, weil sie so knappe Klamotten trug. Ich glaube, es ist ganz gut gelaufen, ich habe nichts total Peinliches gesagt, keinen Kaffee verschüttet und auch nicht gestottert. Ich frage mich, ob sie auch verlegen war und sich irgendwie überwinden musste, mit mir zu reden. Oder nimmt sie die Spannung zwischen uns gar nicht mehr wahr?

Eigentlich ist sie noch nie von sich aus auf mich zugekommen, darum habe ich keine Ahnung, wie sie sich fühlt und was zwischen uns eigentlich Sache ist. Sie hat noch nie gern über ihre Gefühle gesprochen, aber ich weiß, dass sie zu der Sorte Mädchen gehört, die einem manche Dinge ewig vorwerfen. Sie hat keinen Grund, sauer auf mich zu sein, aber ich denke es trotzdem sofort. Es kommt mir so merkwürdig vor, dass zwischen uns Funkstille herrscht, während wir früher jeden Tag miteinander geredet haben. Nachdem sie mich angerufen und Schluss gemacht hatte, habe ich versucht, unsere Freundschaft aufrechtzuerhalten, aber sie selbst hat eigentlich kaum was dafür getan.

Manchmal vermisse ich sie.

Verdammte Scheiße, ich vermisse sie sehr.

Als ich von Michigan nach Washington gezogen bin, habe ich mich daran gewöhnt, sie nicht mehr ständig zu sehen, aber wir haben immer noch jeden Tag miteinander geredet. Und bei jeder Gelegenheit bin ich rübergeflogen und habe sie besucht – einmal habe ich deswegen sogar Stress mit dem College bekommen. Als sie in New York war, ging sie auf Abstand. Ich wusste, dass irgendwas nicht stimmte, aber ich hoffte einfach, dass es wieder besser werden würde. Doch wenn wir telefoniert haben, spürte ich, wie sie mir mit jedem Auflegen ein bisschen mehr entglitt. Manchmal saß ich einfach nur da, starrte auf mein Handy und hoffte, dass sie noch mal anrufen würde, um zu fragen, wie mein Tag war. Dass sie mich was fragen und mir mehr von sich erzählen würde als nur einen zweiminütigen Abriss ihres Tagesablaufs. Ich hoffte, dass sie sich einfach nur an ihr neues Leben gewöhnen musste. Ich dachte, es wäre alles nur eine Phase.

Ich wollte, dass sie völlig in ihr neues Leben eintaucht und neue Freunde findet. Ich wollte ihr nichts wegnehmen. Ich wollte nur dazugehören, so wie immer. Ich wollte, dass sie sich in die Arbeit an der Tanzakademie stürzt, denn mir war klar, wie wichtig ihr das war. Ich wollte sie nicht von ihren Zielen ablenken, sondern habe versucht, sie so gut wie möglich zu unterstützen, sogar als sie mich nach und nach aus ihrem Leben strich. Ich spielte die Rolle des verständnisvollen Freunds, während ihr Terminkalender immer voller wurde.

Seit wir Kinder waren, habe ich immer den verständnisvollen Freund gespielt. Ich fühle mich wohl in dieser Rolle als netter Junge von nebenan. Ich war immer geduldig und hatte für alles Verständnis. An dem Abend, als sie mich anrief und tausend Gründe aufzählte, warum unsere Beziehung nicht funktionierte, nickte ich am anderen Ende der Leitung und behauptete, es sei okay, und ich würde sie verstehen. Ich verstand sie nicht, aber ich wusste, dass sie ihre Meinung nicht ändern würde, und sosehr ich auch um sie kämpfen wollte, so wollte ich doch genau das verhindern. Unsere Beziehung sollte nicht zu noch einer Sache werden, gegen die sie kämpfen musste. Dakota hat ihr ganzes Leben lang gekämpft. Ich hatte es geschafft, eins der wenigen positiven Dinge in ihrem Leben zu sein, und so sollte es bleiben.

Ich war frustriert und bin es irgendwie immer noch. Ich verstehe wirklich nicht, warum sie gar keine Zeit mehr für mich hatte, obwohl ihre Facebook-Postings nur aus Bildern von ihr und ihren Freundinnen in verschiedenen Restaurants und Clubs bestanden.

Es fehlte mir zu hören, wie ihr Tag gelaufen ist. Ich wollte hören, wie sie mit ihren guten Noten angab, wie sie davon schwärmte, dass sie ein bevorstehendes Casting kaum noch erwarten konnte. Sie war immer der Mensch gewesen, mit dem ich über alles reden konnte. Als ich Tessa kennenlernte und allmählich meinem Stiefbruder Hardin näherkam, änderte sich das, aber trotzdem vermisste ich sie. Ich kenne mich mit Beziehungen nicht besonders gut aus, aber ich wusste, dass bei uns etwas schiefläuft.