Nüchtern am Weltnichtrauchertag - Benjamin von Stuckrad-Barre - E-Book
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Nüchtern am Weltnichtrauchertag E-Book

Benjamin von Stuckrad-Barre

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Beschreibung

Ihr sagt »Prost!«, ihr sagt »Cheers!«, ich sage »Nein, danke!« Wie sieht das Leben aus, wenn man nicht mehr trinken darf? Was erlebt man, wenn man zum Wasser greift, während die anderen sich auf ihre ganz individuellen Berauschungspfade begeben? Was hat einem die Nacht dann noch zu bieten? Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt davon, was bleibt, wenn man nicht mehr mitmachen kann. Und wie die anderen wirken, die weiter munter dabei sind. Selten ist so verdichtet darüber geschrieben worden, wie der Umgang mit der legalen Droge Alkohol die Menschen unterscheidet und das Leben prägt. Und dann führt Benjamin von Stuckrad-Barre den Gegenversuch durch, indem er am Weltnichtrauchertag eben nicht aufhört, sondern seinen Tagesablauf als Raucher protokolliert, von der ersten Zigarette im Stehcafé über diverse Schreibtischzigaretten, Spazierganglungenzüge und die letzte spätabends auf dem Balkon. Nach dem Bestseller »Panikherz«: die B-Seite der Nacht.

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Seitenzahl: 41

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Benjamin von Stuckrad-Barre

Nüchtern am Weltnichtrauchertag

Kurzübersicht

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Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Benjamin von Stuckrad-Barre

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Nüchtern

Weltnichtrauchertag

Inhaltsverzeichnis

Ihr sagt »Prost!«, ihr sagt »Cheers!«, ich sage »Nein, danke«. Morgen früh werde ich ein Gewinner sein; einstweilen aber, jetzt, heute Abend, liegen die anderen vorn, stehen zwar dicht gedrängt um mich herum, sind dennoch uneinholbar weit entfernt. Sie haben einen Vorsprung von mindestens drei Gläsern, und da kommt schon wieder ein Tablett. Nein, danke. Haben Sie auch Wasser? Gute Kellner nicken auf diese Frage in einer Weise, die nicht anders verstanden werden kann als: Ja, schon, aber warum?

Morgen früh werde ich mit klarem Kopf den Tag beginnen, das ist ein Vorteil, dann; jetzt aber eindeutig ein Nachteil. Der klare Kopf ist abends gar nicht erwünscht, kriegt alles mit und deshalb an einem solchen Trinkabend überhaupt nichts, er kann nicht folgen, sieht sich haltsuchend um und nimmt immerhin zur Kenntnis: Alle anderen haben einen Mordsspaß. Und ich, ich tue so, als ob.

Der Sommer ist vorbei, alle wieder da, lange nicht gesehen, jetzt fallen sie sich in die Arme, erzählen einander – »wie war dein Sommer?« – ihren Sommer. Mein Sommer, wie war der, nüchtern betrachtet? Das ist, wie man so sagt, schnell erzählt, somit als abendlicher Gesprächsbeitrag ganz und gar unattraktiv.

Kellner, mitleidig: »Und Sie bleiben beim Wasser?«

Ich bleibe dabei. Er wird mich dazu, wie so viele andere auch, noch häufig befragen heute Abend, wie jeden Abend. Ungläubig oder ironiewitternd: »Wasser?« Schockiert oder beleidigt: »Wasser?«

Jaja, Wasser, für mich nur Wasser.

Die anderen haben eine große Auswahl, dabei folgt jeder einem individuellen Berauschungspfad, dosiert in Abwägung von Wirkungserfahrung und heutiger Zielsetzung; im genau richtig erscheinenden Augenblick von weißem zu rotem Wein wechseln, maskulin beim Bier oder feminin beim Champagner bleiben, mal einen Espresso zwischenschieben, schließlich das Finale mit dem Umstieg auf Wodka einläuten und zugleich verlängern, der Drink-Umstieg eröffnet eine andere Ebene, der Alkohol samt des ihn sich Zuführenden greift dann noch mal anders an, ach, der gesegnete Autopilot des Trinkers – und ich stehe da also alleingelassen im Stimmungserdgeschoss mit meinem Wasser, für mich geht es weder heiter rauf noch schwungvoll runter, ich habe maximal die Wahl zwischen still, medium und prickelnd. Da mal variieren? Läppisch. Also, bitte noch »eins mit«, mit Kohlensäure nämlich. Funky.

 

Passiert ist eigentlich noch nicht viel, seit ich hier angekommen bin, vorhin, was heißt vorhin, meinem Gefühl nach etwa Ende der 70er-Jahre.

Zeit für die nächste Runde – Zeit für mich, unauffällig auf die Uhr zu gucken, in der kläglichen Minimalhoffnung, vom Ergebnis positiv überrascht zu werden; die den anderen durchs Trinken zugänglichen Dramaturgie-Etappen bleiben mir verschlossen. Ich höre jede Wiederholung, sehe jede Ungeschicklichkeit, vor allem meine eigene, suche Logik, wo deren Aufhebung ersehnt und betrieben wird, langweile mich (und andere!) frühzeitig, erlebe alles in erbarmungsloser Echtzeit, nüchtern ist man in jedem Moment Braunschweiger Atomuhr: Eine Minute dauert 60 Sekunden, eine Stunde vergeht niemals wie im Flug, und die Zeit scheint auch nie stillzustehen.

Wie oft und wie sagenhaft viel überall gesoffen wird, fällt einem erst auf, wenn man selbst gar nichts mehr trinkt. Mit einem Wasserglas in der Hand wird man, weil der Nichttrinker automatisch als dubios empfunden wird, an einem gut flirrenden Abend hin und wieder nach dem Grund für dieses immerfortige Wassergetrinke gefragt; da schwingt die Bitte mit, doch vernünftig zu sein und also mitzutrinken, und diese Frage wird häufig angeleint mit einem nachgestellten, beinahe pietätvollen, mich immer anekelnden »Wenn ich fragen darf« oder – nachdem geklärt ist, dass es sich um Wasser handelt in meinem Glas, ja, genau wie vorhin und genau wie in einer Stunde: Wasser – mit der widerlich behutsamen Nachfrage: »Schon immer, oder …?«; die vielsagende Pause nach dem »oder« gilt es dann gemeinsam zu genießen. Meine Kurzerklärung lautet: Ich habe es mal eine Weile lang übertrieben und lasse es deshalb jetzt vorsichtshalber komplett bleiben.

 

Da ploppt ein Korken, ein Mädchen kommentiert dieses verheißungsvolle Geräusch: »Sie spielen unser Lied!«, die Gläser der Umstehenden werden dieser neu erschlossenen Alkoholquelle entgegengereckt, so wie die Schnäbel von gerade geschlüpften Vogelküken, wenn die Vogelmutter mit frischen Würmern heimgeflogen kommt. Der Ausschenkende bewegt den Flaschenhals nun auch auf mein Glas zu, wird der abweichenden Glasform und meiner defensiven Gestik gewahr, kurzer Augenkontakt: Nein? Nein. Ein Trinkspruch wird formuliert, die Gläser werden klingend aneinandergestoßen, da darf ich auch mitmachen, wobei mein unstimmiges Wasserglas von den anderen spürbar gebremst angetippt wird, unter Vorbehalt, Wasser zählt nicht so richtig; jetzt hier Wasser zu trinken, ist so wie Paralympics, also schon toll, dass es das gibt, natürlich, aber irgendwie doch seltsam.

»Ach, richtig, du trinkst ja nichts« – Pause, großer Alkoholschluck meines Gegenübers, und weiter: »Beneidenswert!«