Nun muss ich Sie doch ansprechen - Monika Stocker - E-Book

Nun muss ich Sie doch ansprechen E-Book

Monika Stocker

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Beschreibung

Zürich ist die Stadt der Aktivität, des Erfolgs, der Hektik, der Moderne - eine Stadt mit Spass und Action rund um die Uhr, oft atemlos, manchmal auch gnadenlos. Monika Stocker zeigt: Es gibt auch eine andere Seite, es gibt die Stille, die Ränder, die kraftvollen Orte. Dort begegnet sie besonderen Städtern, aus vergangenen Zeiten, ortet deren Kräfte und Energien. Sie unterhält sich mit Denkmälern, setzt sich auseinander mit dem, was war und heute geschieht. Sie führt Gespräche mit dem Stadtengel, der sich öfters auf ihrer Terrasse ausruht und ihr vertraut wird. Vielleicht zieht sich ja ein besonderes Koordinatensystem durch unsere Stadt - eines, das zusammenhält, das heilt. Das Buch lädt ein, die meditativen Seiten der modernen Grossstadt wahrzunehmen, mal poetisch, mal schelmisch, mal kämpferisch.

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Monika Stocker

Nun muss ich Sie doch ansprechen

Zürcher Stadtmeditationen

Mit einem Vorwort von Daniel Hell

TVZ Theologischer Verlag Zürich

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar.

Gedicht S. 103f.: Dorothee Sölle, Nachts um vier, aus: Dorothee Sölle, Verrückt nach Licht, Gedichte © Wolfgang Fietkau Verlag, Kleinmachnow

Umschlaggestaltung: Mario Moths, Marl

ISBN 978-3-290-17762-1 (Buch) ISBN 978-3-290-17262-6 (E-Book)

© 2014 Theologischer Verlag Zürichwww.tvz-verlag.ch

Alle Rechte vorbehalten

Inhalt

Cover

Titel

Inhalt

Vorwort

Ach, Herr ZwingliAustausch mit Denkmälern

Grüss Gott, Herr Zwingli

Guten Tag, Herr Escher

Grüss Gott, Herr Karl

Es rührt mich immer wieder, Herr Hans Heinrich

Ihr Kopf, werter Gottfried Keller, ist markant

Die besonderen Tage und Nächte im JahrIm Gespräch mit dem Stadtengel

Ostern scheint eine besondere Sache

Natürlich kenne ich diese Situation

Oh, guten Abend, respektive gute Nacht

Aha, auch in dieser Nacht sind Sie unterwegs

Es soll Ungeheuerliches passiert seinÜber geschichtliche und zeitgenössische Figuren

Man sagt, die Geister in der Sihl

Grüss Gott, Hohe Frau

Liebe Katharina

Ich wünsche Ihnen einen schönen Sonntag, Hohe Frau, liebe Katharina

Es soll in Zürich Ungeheuerliches passiert sein

Man habe nächtlicherweile

Willkommen in Zürich, Frau Regula und Herr Felix

Manchmal fragen wir uns schon

Und wo ist eigentlich der Dritte,der Exuperantius?

Herr Felix, ich kenne Sie zu wenig

Frau Regula, Sie geben schon ein spezielles Bild

Ach, da sind Sie ja wiederGespräche mit Engeln

Ach, da sind Sie ja wieder

Guten Morgen

Hallo, Frau E.

Aha, willkommen, selbstverständlich

Ich habe keine Ahnung

Nun muss ich Sie doch ansprechen, Frau E.

Aha, ja bitte, setzen Sie sich

Oh, guten Morgen, Sie sind wieder da

Guten Abend

Unsere Bekanntschaft ist ja schon speziell

Das möchte ich mit Ihnen nun schon klären, verehrte Frau E.

Vorwort

Wir sind es gewohnt, dass uns die Geschichte Zürichs rückblickend erzählt wird. Monika Stockers kreativer Ansatz kehrt die Sache um. Sie geht vom Vergangenen aus und befragt das Heute aus dem Blickwinkel von gestern. Das ist nicht nur erfrischend, sondern in der lyrischen Gesprächsform, die Monika Stocker mit leichter Feder beherrscht, auch köstlich zu lesen. Da wird nicht mit ernster Miene vorgetragen, sondern mit einem Augenzwinkern zuerst das Gespräch mit den Grossen der Zürcher Geschichte gesucht – mit Karl dem Grossen, Zwingli, Pestalozzi, Alfred Escher und Gottfried Keller. Ihnen hat die Stadt ein Denkmal gesetzt.

Die listige Autorin fragt sich nun, was diese versteinerten Stadtväter so erleben und denken, wenn sie von ihrem Sockel auf das quirlige Leben um sie herum herabsehen. So werden die Monumente, an denen wir meist gedankenlos vorbeigehen, zu dem, was sie einmal waren: Menschen mit Kopf und Herz. Wir hören mit, wie es ihnen als lebendig gemachte Denkmäler z. B. vor der Wasserkirche oder am Bahnhofplatz mitten im heutigen Verkehr zumute ist.

Monika Stocker wäre nicht Monika Stocker, wenn ihr origineller Ansatz nicht auch System hätte. So kommt das sozialpolitische Engagement mit einer Prise Feminismus in ihren Dialogen nicht zu kurz. Doch was sie an kritischen Fragen ins Gespräch mit den monumentalen Herren der Zürcher Vergangenheit einwebt, ist zwar aufmüpfig, aber nie aufdringlich oder ohne Schalk. Es darf überhaupt geschmunzelt werden in dieser Stadtzürcher Geschichte, die einen das Staunen lehrt. Denn wer hätte gedacht, dass Alfred Escher, Stammvater des Zürcher Freisinns und der Zürcher Banker, sich einmal resolut für den Staat eingesetzt hat? Aber das ist nur überraschend, wenn man von heute ausgeht, wo alles so anders ist, dass sich auch Alfred Escher nicht mehr auskennt.

Wirklich erstaunlich ist aber, wie die Monumente dieser grossen Herren – denn ein gefordertes Denkmal für die «unbekannte Hausfrau und Mutter» fehlt ja noch – der Autorin geduldig zuhören, ja mitunter zustimmend nicken, wenn vom Kontrast zwischen ihren Wunschvorstellungen und dem heutigen Zürich die Rede ist. Das Erstaunlichste mag aber für manche sein, wie einfühlsam und liebevoll sich Monika Stocker auf die älteren Herren einlässt. Das kommt mitunter schon einer Liebeserklärung nahe. Oder hat es mit der geschwisterlich erlebten Verbindung von liberaler Tradition und humanistischer Widerständigkeit zu tun?

Am wohlsten fühlt sich die Autorin aber in der Nähe der «Hohen Frau» Katharina, der Äbtissin des Fraumünster Klosters, die in der Reformationszeit auf Widerstand verzichtete, um Gewalt zu vermeiden. Da bleibt es nicht beim unterhaltsamen Gespräch, sondern es kommt zu heimlichen Versammlungen, die Utopisches bezwecken.Den Höhepunkt hat die Autorin für den Schluss des kleinen, aber reichen Werkes aufgespart. Er ist betitelt mit «Ach, da sind sie ja wieder» und gibt Gespräche mit den Stadtengeln wieder. Wie Monika Stocker die Schutzengel ermutigt, bei aller Mühe und Erschöpfung die Geduld mit den säkularisierten und gestressten Menschen nicht zu verlieren, ist höchst vergnüglich zu lesen. Es zeugt von der Gewitztheit der Autorin, die Engel als virtuelle Wesen dem Wohl der realen Menschen zu verpflichten und nicht umgekehrt die Virtualität über den Menschen siegen zu lassen – eine Gefahr, die der digitalisierten Spätmoderne und ihrer virtuellen Medien nicht unbekannt ist. In diesem Zusammenhang findet Monika Stocker Worte, die so leicht daherkommen, als hätten sie kein Gewicht, und die doch eine ganze Lebensphilosophie zusammenfassen. Etwa:

«Klar doch, er sieht, was er sieht

ich spüre was ich spüre.»

Es sind gerade solche banal wirkenden Zeilen, die es verdienen, langsam und wiederholt gelesen zu werden. Dann können im Dialog mit der Autorin auch Fragen und Einwände auftauchen, die die Lektüre noch anregender machen. So scheinen mir gerade in locker geschriebenen Versen, die Zustimmung wecken, Widerhaken angelegt, etwa wenn Monika Stocker als Stadtzürcherin einem Engel erklärt, dass Zürich «nicht gerade die geeignete Stadt [ist], um über Vergänglichkeit und Ewigkeit, über Lebenszeit und irgendwelche Grenzen zu debattieren». Aber, so kann eingewendet werden, widerlegt Monika Stocker nicht selber diese Behauptung? Ist ihr Buch nicht gerade eine verspielte Auseinandersetzung mit dem Vergänglichen und ein Blick vom Vergänglichen auf uns selbst?

Daniel Hell

Ach, Herr Zwingli

Austausch mit Denkmälern

Grüss Gott, Herr Zwingli

Sie haben einen rechten Platz bekommen

Hier hinter der Wasserkirche

nahe beim Grossmünster

Blick auf die Limmat

Seit kurzem ist hier weniger los

Verkehrsbefreit nach Jahrzehnten

Wo wir eigentlich dagegen waren

Das heisst, schon dafür

aber nicht mit ohne Autos

Ach, Herr Zwingli, das verstehen Sie ja nicht

Wie sollten Sie auch

Ich frage mich schon,

was Sie da den ganzen Tag sinnieren, auf Ihr Schwert gestützt

Ein Schwert, das geht eben auch nicht mehr bei uns

Nicht, dass wir es schon zu Pflugscharen umgeschmiedet hätten

Wie Sie und andere das ja seinerzeit gefordert haben

So weit wollen wir ja nicht gehen

Aber ein Schwert ist ein Schwert

und das mitten in der City

Es heisst, Sie seien ein friedfertiger Mensch

so ganz sicher bin ich mir da nicht

Wenn ich so lese

was Sie alles angestellt haben in der Vergangenheit

die Kriege

die Schlachten

Wie war das noch in ihren Glaubenskriegen?

Bis heute

weltweit

das ist doch eine deutliche Marke

Und bei Kappel?

Aber Zürich ist nicht nur nachtragend

Nein, eine gewisse Grosszügigkeit ist uns eigen

Ja, Herr Zwingli

Es muss für Sie nicht einfach sein

Hier zu stehen

und zuzuhören

was Touristen und Städter

edel und weniger edel

von Kirche und Kultur so halten

und meinen von Ihnen und Ihresgleichen

Aber die Zeiten

wo man

wie Ihr Kollege Herr Martin

einfach Thesen an die Tür schlagen konnte

die sind vorbei

und werden nicht wieder kommen

Es wird auch kein zweites Mal geben

dass wir Sie verschieben

Das verstehen Sie doch, Herr Zwingli?

Damals war es möglich

Kultur erlebbar zu machen

Das wollte man

als man Sie in den Kreis 5 gefahren hat

Heute muss alles seinen Platz haben und nicht mehr viel Neues

Sie verstehen

Wir sind in den mageren Jahren

Nicht aus Not

nein, aus Staatstugend

und wegen des Marktes

Das ist jetzt unser neuer Heiliger

Aber das verstehen Sie ja nicht

Wie sollten Sie auch?

Ach, Herr Zwingli

besondere Mühe machen Sie uns, wenn Sie zum Eigenschaftswort werden

Ja, tatsächlich

zwinglianisch ist out

Man ist so stolz

dass man das nicht mehr nötig hat

Mag hart sein für Sie

aber so ist es

Aber eben, das verstehen Sie ja nicht

Was – zum Teufel – entschuldigen Sie –

war denn heute Nacht bei Ihnen los?

Es gab Reklamationen in der Nacht

ja sicher

wir Zürcher kennen da nichts

Nach 24 Uhr und noch lachen?

Nach 2 Uhr und noch Alkohol ausschenken?

Jetzt haben wir Sie doch extra kommen lassen, damit Sie dem Einhalt gebieten

Und was kommt?

So ist es eben nicht mehr

Wer sich aufregt, ist selbst schuld

Die Party beginnt doch erst um Mitternacht

Der Alkohol ist doch dann besser

Sie fragten nach, Herr Zwingli

was das denn sei

Ein fröhliches Völklein aus der Innerschweiz, das nichts weiss

von unseren Regeln, den Stat(d)tregeln!

Aha, Fasnacht, sagen Sie

was soll denn das sein?

Das kennen wir in Zürich nicht