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Dr. Daniel ist eine echte Erfolgsserie. Sie vereint medizinisch hochaktuelle Fälle und menschliche Schicksale, die uns zutiefst bewegen – und einen Arzt, den man sich in seiner Güte und Herzlichkeit zum Freund wünscht. »Also, Simone, ich sage dir, es war wie im Film!« rief Andrea Weber voller Begeisterung und sah ihre Zwillingsschwester dabei aus leuchtenden Augen an. »Du mußt dir den Schreibsaal der Thorwald-Werke nur vorstellen…« Da lächelte Simone. »Das wird schwer möglich sein, weil ich ihn noch nie gesehen habe.« »Ach was«, wehrte Andrea mit einer lebhaften Handbewegung ab. »Mit ein bißchen Phantasie… warte, ich beschreibe ihn dir mal. Irgendwie erinnert er mich an einen Raum aus dem vorigen Jahrhundert, und er paßt eigentlich überhaupt nicht in die modernen Thorwald-Werke. Ziemlich groß, kahle weiße Wände und riesige Sprossenfenster. Na ja, und da sitzen wir nun, sechs mehr oder weniger junge Mädchen, und hämmern eifrig in unsere Schreibmaschine.« Wieder lächelte Simone, denn sie wußte aus Erzählungen ihrer Schwester, daß in diesem Schreibsaal schon längst Bildschirm-Schreibmaschinen standen. Von »hämmern« konnte also kaum eine Rede sein, doch sie wollte Andreas Redefluß natürlich nicht wegen solcher Lappalien unterbrechen. Rasch nahm Andrea einen Schluck von ihrem Kaffee, dann erzählte sie sofort weiter. »Ja, und dann kam also unser Bürovorstand herein, betrachtete uns der Reihe nach und deutete schließlich auf mich.« Andrea versuchte, die rauchige Stimme des Mannes nachzuahmen. »›Fräulein Weber, zum Juniorchef‹, sagte er nur. Ich war völlig sprachlos…« »Und das will bei dir schon etwas heißen«, wagte Simone einzuwerfen. Andrea lachte. »Da hast du allerdings recht. Aber um es kurz zu machen: Rüdiger hatte Probleme mit seinem neuen Diktiergerät, also mußte ich mit dem Stenoblock ran.« »Rüdiger?« wunderte sich Simone. »Vor ein paar Wochen war er für dich immerhin noch der junge
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2016
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»Also, Simone, ich sage dir, es war wie im Film!« rief Andrea Weber voller Begeisterung und sah ihre Zwillingsschwester dabei aus leuchtenden Augen an. »Du mußt dir den Schreibsaal der Thorwald-Werke nur vorstellen…«
Da lächelte Simone. »Das wird schwer möglich sein, weil ich ihn noch nie gesehen habe.«
»Ach was«, wehrte Andrea mit einer lebhaften Handbewegung ab. »Mit ein bißchen Phantasie… warte, ich beschreibe ihn dir mal. Irgendwie erinnert er mich an einen Raum aus dem vorigen Jahrhundert, und er paßt eigentlich überhaupt nicht in die modernen Thorwald-Werke. Ziemlich groß, kahle weiße Wände und riesige Sprossenfenster. Na ja, und da sitzen wir nun, sechs mehr oder weniger junge Mädchen, und hämmern eifrig in unsere Schreibmaschine.«
Wieder lächelte Simone, denn sie wußte aus Erzählungen ihrer Schwester, daß in diesem Schreibsaal schon längst Bildschirm-Schreibmaschinen standen. Von »hämmern« konnte also kaum eine Rede sein, doch sie wollte Andreas Redefluß natürlich nicht wegen solcher Lappalien unterbrechen.
Rasch nahm Andrea einen Schluck von ihrem Kaffee, dann erzählte sie sofort weiter. »Ja, und dann kam also unser Bürovorstand herein, betrachtete uns der Reihe nach und deutete schließlich auf mich.« Andrea versuchte, die rauchige Stimme des Mannes nachzuahmen. »›Fräulein Weber, zum Juniorchef‹, sagte er nur. Ich war völlig sprachlos…«
»Und das will bei dir schon etwas heißen«, wagte Simone einzuwerfen.
Andrea lachte. »Da hast du allerdings recht. Aber um es kurz zu machen: Rüdiger hatte Probleme mit seinem neuen Diktiergerät, also mußte ich mit dem Stenoblock ran.«
»Rüdiger?« wunderte sich Simone. »Vor ein paar Wochen war er für dich immerhin noch der junge Herr Thorwald.«
»Da war ja auch alles noch ganz anders.« Jetzt kam Andrea förmlich ins Schwärmen. »Ich sage dir, Simone, noch nie zuvor in meinem Leben war ich so verliebt. Rüdiger ist die Erfüllung all meiner Träume… er ist ein Mann – wie einem Magazin entsprungen… nein, keinem Magazin, ein Mann wie aus einem Film…«
»Meine Güte«, stöhnte Simone. »Da hat dich ja wirklich eine volle Breitseite erwischt.«
»Das kannst du laut sagen!« bekräftigte Andrea.
Aufmerksam sah Simone ihre Schwester an und hatte dabei das Gefühl, in einen Spiegel zu sehen. Das halblange kastanienbraune Haar, der weiche, sinnliche Mund, das zierliche Näschen und die großen rehbraunen Augen, die so viel Wärme ausstrahlten – Simone und Andrea glichen sich wahrhaftig wie ein Ei dem anderen. Das einzige Unterscheidungsmerkmal war ein winziger Leberfleck im Nacken, den Simone hatte, der aber Andrea fehlte.
Nachdenklich strich Simone nun ihr dichtes, in der Mitte gescheiteltes Haar zurück.
»Warum erst jetzt?« wollte sie dann wissen. »Du arbeitest seit mehr als einem Jahr in den Thorwald-Werken. Daß der Sohn von deinem Chef gut aussieht, muß dir doch längst vorher schon aufgefallen sein.«
»Ach, Simone, es ist ja nicht nur sein Aussehen«, entgegnete Andrea, »obwohl allein das schon Grund genug wäre, sich in ihn zu verlieben. Weißt du, es ist seine ganze Art… seine Ausstrahlung, sein Charme, seine Stimme, seine Bewegungen… einfach alles!« Andrea schwieg sekundenlang, dann fügte sie leise hinzu: »Ich liebe ihn. Ich liebe ihn so sehr, wie ich nie zuvor einen Mann geliebt habe.«
»Und… liebt er dich auch?« wollte Simone wissen.
In Andreas Gesicht ging die Sonne auf. »Ihm geht es genauso wie mir.« Sie beugte sich ein wenig vor, als würde sie ihrer Schwester nun ein ganz besonders großes Geheimnis anvertrauen. »Wir waren ja schon einige Male zusammen aus, und gestern… da hat er mich endlich geküßt. Noch nie war ich so unsagbar glücklich, Simone. Stelle dir nur vor… Rüdiger Thorwald, dieser Traum von einem Mann, hat mich geküßt. Und er hat gesagt, wenn er mich erst seinen Eltern vorgestellt hat, dann werden wir das Aufgebot bestellen.«
*
»Rüdiger, was ist denn nur los mit dir?«
Langsam sah Rüdiger Thorwald von den Papieren auf, die zu studieren er vorgegeben hatte, und blickte in das besorgte Gesicht seines Vaters.
»Nichts, Papa«, antwortete er mit einem kaum hörbaren Seufzen.
Gustav Thorwald setzte sich seinem Sohn gegenüber und bedachte ihn mit einem prüfenden Blick, ehe er erklärte: »Du hast innerhalb der letzten beiden Tage gleich drei Lieferfristen übersehen… ausgerechnet bei unseren ältesten und besten Kunden. So etwas ist dir noch nie passiert, und das waren ja nur die gröbsten Fehler. Von den vielen anderen Kleinigkeiten will ich gar nicht erst sprechen. Also, Rüdiger, raus damit. Was ist los? Hast du Probleme?«
Da mußte der junge Mann lächeln. »Probleme? Nein, Papa, ganz im Gegenteil.« Er zögerte. »Ich habe mich verliebt.«
Ein glückliches Strahlen glitt über Gustav Thorwalds Gesicht. Na, endlich war es passiert! Manchmal hatte er schon die Befürchtung gehabt, Rüdiger würde sich nur für das Geschäft und überhaupt nicht für Frauen interessieren. Und plötzlich betrachtete er die häufigen Besuche von Sylvia Germann im Büro seines Sohnes unter einem völlig anderen Blickwinkel. Die schöne Sylvia hatte er sich also ausgesucht!
»Wenn das so ist, dann solltest du Sylvia so bald wie möglich zu uns einladen«, schlug Gustav Thorwald vor.
Ein wenig konsterniert blickte Rüdiger auf.
»Sylvia?« wiederholte er verständnislos. »Aber…« Dann dämmerte es ihm. »Ach so, du meinst, weil sie mich ein paarmal besucht hat und ich mit ihr gelegentlich ausgegangen bin.« Er schüttelte den Kopf. »Aber, Papa, Sylvia und ich kennen uns schon seit der Kindergartenzeit. Außerdem war ich nur Mittel zum Zweck für sie.« Rüdiger grinste. »Sie wollte Gerd ein wenig eifersüchtig machen, was ihr auch gelungen ist. Seit der gestrigen Versöhnung sind die beiden wieder ein Herz und eine Seele. Fragt sich nur, wie lange der Frieden diesmal hält«, fügte er leise hinzu, dann stand er auf.
»Nein, Papa, Sylvia ist es nicht«, fuhr er nach einer Weile fort. »Ich weiß zwar, daß sie dir und Mama mehr als recht gewesen wäre, und ich mag Sylvia auch sehr gern, aber geliebt haben wir uns nie.«
Ein wenig nervös ging Rüdiger auf und ab. Wie sollte er seinem Vater beibringen, in wen er sich da tatsächlich verliebt hatte. Er ging in seinen Gedanken sogar schon weiter, denn obwohl er das Mädchen erst so kurze Zeit kannte, wußte er bereits, daß er es eines Tages – und zwar so bald wie möglich – zu seiner Frau machen würde. Wäre dieses Mädchen nun Sylvia oder eine andere Tochter aus der Münchener Oberschicht, dann wäre alles ganz einfach, aber so…
Seine Eltern hatten zwar nie einen besonders ausgeprägten Standesdünkel gehabt, aber hier ging es ja immerhin um ihre zukünftige Schwiegertochter, und Rüdiger hegte gerade in diesem Fall die leise Befürchtung, daß seine Eltern sich für ihren einzigen Sohn eben doch etwas anderes vorgestellt hatten als ein Mädchen, das aus ziemlich einfachen Verhältnissen stammte. Doch dann kam ihm plötzlich der rettende Gedanke.
»Weißt du was, Papa, ich lade sie für heute abend zu uns ein, dann könnt ihr sie gleich einmal kennenlernen.«
Und dabei war er sicher, daß der natürliche Charme seiner Freun-
din über alle Bedenken, die seine Eltern vorbringen könnten, siegen würde.
*
»Ich bin ja gespannt, was für ein Mädchen er uns da bringt.« Carola Thorwald nippte an ihrem Kognak.
»Mit Sicherheit nicht die Tochter eines meiner Geschäftspartner«, meinte ihr Mann. »Sonst hätte er kein solches Geheimnis daraus gemacht. Ich vermute…«
Gustav Thorwald kam nicht mehr dazu, seine Vermutung auszusprechen, denn in diesem Moment hörte er, wie die Haustür ins Schloß fiel. Sekunden später trat Rüdiger herein, und wie so oft fragte sich Gustav Thorwald, wie er und Carola es eigentlich geschafft hatten, einen solchen Sohn zu bekommen.
Mit seinen einsneunzig war Rüdiger seinen Eltern buchstäblich über den Kopf gewachsen. Der athletische Körperbau, die kurzen braunen Locken, die ein markantes, gutgeschnittenes Gesicht umrahmten, und die strahlend blauen Augen – es war kein Wunder, daß sich die Frauen nach dem blendend aussehenden jungen Mann verzückt umdrehten.
Jetzt trat ein junges Mädchen an Rüdigers Seite, und mit einer unendlich vertraut wirkenden Geste nahm Rüdiger ihren Arm und geleitete sie zu seinen Eltern.
»Mama, Papa, darf ich euch Fräulein Andrea Weber vorstellen?«
Zumindest gegenüber seinem Vater hätte es dieser Vorstellung nicht bedurft, denn schließlich hatte der Andrea in seiner Firma eingestellt. Und die junge Frau war sich der seltsamen Lage, in der sie sich befand, durchaus bewußt. Mit einem scheuen Lächeln streckte sie die rechte Hand aus und begrüßte zuerst Rüdigers Mutter und dann seinen Vater.
Gustav Thorwald erwähnte mit keinem Wort, daß sie sich bereits aus der Firma kannten, sondern bat sie höflich zu Tisch.
»Ich würde gern sagen, daß Rüdiger uns schon viel von Ihnen erzählt hat«, erklärte er mit einem feinen, fast warmherzig anmutenden Lä-cheln. »Leider ist das aber nicht der Fall. Er hat sogar ein großes Geheimnis aus dieser Freundschaft gemacht.«
»Rüdiger hätte gar nicht viel erzählen können«, entgegnete An-drea, »denn so lange kennen wir uns ja noch gar nicht.«
»Wie bitte?« entfuhr es Carola Thorwald, dann sah sie ihren Mann erstaunt an. »Du hast so getan, als würde Rüdiger schon an eine Heirat denken.«
»Ich denke tatsächlich an Heirat«, entgegnete Rüdiger, ohne seinen Vater zu Wort kommen zu lassen, dann sah er Andrea mit zärtlichem Blick an. »Besser gesagt, wir beide tun es. Und es soll nicht nur bei der Absicht bleiben. Wir wollen schon morgen das Aufgebot bestellen.«
*
Die Sprechstunde bei Dr. Robert Daniel hatte gerade begonnen, und die erste Patientin, die an diesem Morgen die Praxis betrat, war Erika Metzler. Sie war mit dem Chefarzt der Steinhausener Waldsee-Klinik, Dr. Wolfgang Metzler, verheiratet und hatte bis zur Geburt ihres kleinen Sohnes dort auch als Anästhesistin gearbeitet.
»Guten Morgen, Erika«, grüßte Dr. Daniel mit einem herzlichen Lächeln, dann bot er ihr mit einer einladenden Geste Platz an. »Ich nehme an, Sie kommen zur Routineuntersuchung, oder ist etwas Besonderes?«
Erika schüttelte den Kopf. »Nein, Robert, ich habe keine Beschwerden, und eigentlich…« Für einen Moment blickte sie zu Boden, dann sah sie wieder auf. »Ich komme eigentlich auch nicht wegen einer Untersuchung, sondern…« Sie beendete den Satz nicht, was Dr. Daniel erstaunte. Normalerweise war Erika durchaus nicht schüchtern, und gerade ihm gegenüber brauchte sie ganz bestimmt keine Hemmungen zu haben.
»Was ist denn los, Erika?« fragte Dr. Daniel behutsam, und in diesem Moment fiel ihm auf, daß die junge Frau gar nicht so glücklich aussah, wie sie es eigentlich hätte sein sollen. »Gibt es Probleme mit Wolfgang?«
»Ja und nein«, antwortete Erika, dann seufzte sie. »Meine Güte, Robert, was müssen Sie nur von mir denken? Wissen Sie, normalerweise werde ich mit meiner Ehe und auch den vielen kleinen Problemchen, die so Tag für Tag darin entstehen, sehr gut fertig, aber jetzt…« Sie schwieg einen Moment. »Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich liebe Wolfgang wie am ersten Tag, und unser kleiner Andi ist die Erfüllung all unserer Träume, aber auf Dauer nur Hausfrau und Mutter zu sein…« Wieder machte sie eine kurze Pause. »Ich habe jahrelang studiert, um Ärztin zu werden, und Andi ist jetzt in einem Alter, wo ich ihn ganz gut mal für ein paar Stunden am Tag weggeben könnte. Meine beiden Schwägerinnen haben mir auch schon angeboten, auf ihn aufzupassen, wobei ich da Steffi vorziehen würde. Sie kann mit Kindern besser umgehen als Angelika.«
»Aber von alledem will Wolfgang nichts hören, habe ich recht?« fragte Dr. Daniel.
Wieder seufzte Erika, dann nickte sie. »Normalerweise gibt es kein Thema, über das Wolfgang und ich nicht miteinander sprechen können, aber in diesem Fall…« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist so schrecklich verbohrt in den Gedanken, eine Mutter würde nach Hause zu ihrem Kind gehören. Dabei denke ich ja überhaupt nicht an eine Ganztagsbeschäftigung. Ich möchte nur ein paar Stunden am Tag arbeiten, damit ich nicht alles vergesse, was ich einmal gelernt habe, denn irgendwann wird Andi groß sein, und dann ist es für mich vielleicht zu spät, um wieder in meinen Beruf zurückzukehren.«
Dr. Daniel nickte. »Diesen Wunsch kann ich sehr gut verstehen, Erika, und ich helfe auch jederzeit, wenn es in meiner Macht steht. Allerdings… Sie wissen ganz genau, wie Wolfgang reagiert, wenn man sich in sein Privatleben einmischt.«
»Deshalb bin ich ja zu Ihnen gekommen, Robert. Sie kennen Wolfgang schon so lange, und Sie dürfen zu ihm weit mehr sagen als jeder andere.« Sie seufzte wieder. »Das alles hat auch noch genügend Zeit, denn falls ich überhaupt wieder arbeiten kann, käme für mich nur die Waldsee-Klinik in Frage, denn bloß hier würde sich eine stundenweise Tätigkeit für mich lohnen.«
Das war Dr. Daniel natürlich ebenfalls klar. Die Waldsee-Klinik war für Erika innerhalb von fünf Minuten von zu Hause zu erreichen.
»In Ordnung, Erika, ich werde mit Wolfgang bei Gelegenheit sprechen«, versicherte Dr. Daniel. »Vielleicht könnte man ihn ja zumindest dazu bewegen, daß er mit einer Vertretungstätigkeit einverstanden wäre. Gabriela oder Jeff werden sicher mal wieder in Urlaub gehen, und wenn Wolfgang dann sieht, daß es sowohl in der Klinik als auch zu Hause gut läuft, wird er Ihrer Be-rufstätigkeit vielleicht weniger abgeneigt gegenüberstehen.«
»Schön wär’s«, meinte Erika, doch Dr. Daniel spürte, daß sie nicht so recht an diese Möglichkeit glaubte.
*
Es war eine glanzvolle Verlobung, die in der Thorwald-Villa in Grünwald gefeiert wurde. Die gesamte Prominenz der Münchner Geschäftswelt war anwesend, und so manche junge Frau im heiratsfähigen Alter bedachte Andrea mit einem neidvollen Blick. Nahezu jedes Mädchen wäre liebend gern an ihrer Stelle gewesen und hätte heute Verlobung mit dem gutaussehenden Rüdiger Thorwald feiern mögen.
In einem Kleid aus apfelgrünem Satin stand Andrea an Rüdigers Seite und stellte sich dem Blitzlichtgewitter zahlreicher Reporter, die für eine Stunde Zutritt bekommen hatten. Andrea wußte nicht, wie bezaubernd sie aussah. Das auf Figur gearbeitete Kleid betonte ihre schmale Taille und unterstrich noch die sanften Rundungen ihres Körpers. Der leicht geschwungene V-Ausschnitt gab gerade so viel Einblick, daß es nicht aufdringlich wirkte. Ein zartes Diamantcollier, das Rüdiger ihr zur heutigen Verlobung geschenkt hatte, vervollkommnete ihre Erscheinung.
Als die Reporter dann die Villa verließen, entschuldigte sich Andrea für einen Augenblick und verließ den Raum. Doch schon Sekunden später kehrte sie zurück, und Rüdiger fragte sich, wie sie es eigentlich geschafft hatte, sich in dieser kurzen Zeit umzuziehen. Wie abwartend blieb sie neben der Tür stehen, und so hatte Rüdiger genügend Zeit, sie eingehend zu betrachten. Was er sah, ließ ihm vor Bewunderung fast den Atem stocken.
Hatte Andrea schon vorher entzückend ausgesehen, so wirkte ihre jetzige Erscheinung einfach umwerfend. Das enganliegende Oberteil ihres sektfarbenen Cocktailkleides schmiegte sich an ihren schlanken Körper, während der schwingende, duftige Rock ihre wohlgeformten Beine umschmeichelte. Die ausgefallene Farbe des Kleides schien helle Funken in ihre rehbraunen Augen zu zaubern und betonte noch das satte Kastanienbraun ihres dichten Haares.
Jetzt hielt es Rüdiger nicht mehr länger aus. Mit großen Schritten ging er auf Andrea zu und berührte fast schüchtern ihre bloßen Schultern.
»Liebling, du siehst einfach phantastisch aus«, erklärte er, und sein Blick ruhte dabei voller Liebe
auf ihrem Gesicht. »Aber warum
hast du dich denn umgezogen? Ich fand das grüne Kleid auch sehr
hübsch…« Rüdiger stockte, als An-drea plötzlich ein zweites Mal zu ihm trat – diesmal wieder in ihrem apfelgrünen Kleid. Völlig fassungslos starrte er seine in doppelter Ausfertigung vor ihm stehende Verlobte an. Da begannen die beiden Mädchen wie auf Kommando herzhaft zu lachen.
»Rüdiger, darf ich dir meine Schwester Simone vorstellen?«
Damit wies Andrea auf die neben ihr stehende junge Frau in dem sektfarbenen Cocktailkleid.
»Deine…«, begann Rüdiger, dann mußte auch er lachen. »Meine Güte! Sie müssen mich ja für ziemlich merkwürdig halten, Fräulein Simone, aber Andrea hat mir nur von einer Schwester, nie aber von einer eineiigen Zwillingsschwester erzählt.«
»Alles Berechnung, mein Liebling«, meinte Andrea mit einem zärtlichen Lächeln. »Diesen Spaß, den wir gerade eben veranstaltet haben, hätte ich mir nämlich um keinen Preis der Welt entgehen lassen wollen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, stimmte Rüdiger ihr zu, dann betrachtete er die Zwillinge erneut, bevor er in komischer Verzweiflung den Kopf schüttelte. »Wie soll ich euch beide denn nur jemals auseinanderhalten?«