Nur ein Doppelgänger - Viola Maybach - E-Book

Nur ein Doppelgänger E-Book

Viola Maybach

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Beschreibung

Viola Maybach hat sich mit der reizvollen Serie "Der kleine Fürst" in die Herzen der Leserinnen und Leser geschrieben. Alles beginnt mit einem Schicksalsschlag: Das Fürstenpaar Leopold und Elisabeth von Sternberg kommt bei einem Hubschrauberunglück ums Leben. Ihr einziger Sohn, der 15jährige Christian von Sternberg, den jeder seit frühesten Kinderzeiten "Der kleine Fürst" nennt, wird mit Erreichen der Volljährigkeit die fürstlichen Geschicke übernehmen müssen. "Der kleine Fürst" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken. »Bei uns in Hamburg soll er sich jetzt aufhalten?«, fragte Albertina von Claadt beinahe erschrocken. Sie saß gemeinsam mit Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant in der Bibliothek von Schloss Sternberg und nippte an einer Tasse Tee. Im Kamin brannte ein lebhaftes Feuer, das den Raum nicht nur mit gemütlicher Wärme erfüllte, sondern ihn auch in ein angenehmes Licht tauchte. Sie hatten die schweren Ledersessel dicht vor das Feuer gerückt, denn seit Tagen herrschte eisige Kälte im Land. Im Laufe des Tages war außerdem Schnee gefallen, der es den Lieferanten erschwerte, zum Schloss zu gelangen, obwohl die schmale Straße, die auf den ›Sternberg‹ führte, geräumt worden war. Der ›Sternberg‹ hieß offiziell anders, doch der richtige Name war mittlerweile beinahe in Vergessenheit geraten. »Ja«, bestätigte Baron Friedrich. »Die Polizei hat eine Spur gefunden, die nach Hamburg führt.« »Und du kannst dir vorstellen«, setzte die Baronin leise hinzu, »wie sehr wir uns wünschen, dass dieser Mensch endlich gefasst wird.« ›Dieser Mensch‹ war ein Mann namens Sven Helmgart, der den Schlossbewohnern Monate voller Bitterkeit und Verzweiflung beschert hatte. Zuerst war er auf die Idee gekommen, seine verblüffende Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Fürsten Leopold von Sternberg für eine üble Erpressung zu nutzen, anschließend hatte er gemeinsam mit Komplizen den langjährigen Butler im Schloss, Eberhard Hagedorn, entführt und wochenlang gefangen gehalten. Dass er letzten Endes mit beiden Unternehmungen gescheitert war – seine Lügengeschichte über einen angeblichen unehelichen Sohn des Fürsten war aufgeflogen, Eberhard Hagedorn vor Kurzem endlich befreit worden – konnte leider nur als Teilerfolg gewertet werden, denn erstens

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Seitenzahl: 113

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Der kleine Fürst – 160 –Nur ein Doppelgänger

Cholerisch - kriminell - oder unwiderstehlich charmant?

Viola Maybach

»Bei uns in Hamburg soll er sich jetzt aufhalten?«, fragte Albertina von Claadt beinahe erschrocken.

Sie saß gemeinsam mit Baronin Sofia und Baron Friedrich von Kant in der Bibliothek von Schloss Sternberg und nippte an einer Tasse Tee. Im Kamin brannte ein lebhaftes Feuer, das den Raum nicht nur mit gemütlicher Wärme erfüllte, sondern ihn auch in ein angenehmes Licht tauchte. Sie hatten die schweren Ledersessel dicht vor das Feuer gerückt, denn seit Tagen herrschte eisige Kälte im Land. Im Laufe des Tages war außerdem Schnee gefallen, der es den Lieferanten erschwerte, zum Schloss zu gelangen, obwohl die schmale Straße, die auf den ›Sternberg‹ führte, geräumt worden war. Der ›Sternberg‹ hieß offiziell anders, doch der richtige Name war mittlerweile beinahe in Vergessenheit geraten.

»Ja«, bestätigte Baron Friedrich. »Die Polizei hat eine Spur gefunden, die nach Hamburg führt.«

»Und du kannst dir vorstellen«, setzte die Baronin leise hinzu, »wie sehr wir uns wünschen, dass dieser Mensch endlich gefasst wird.«

›Dieser Mensch‹ war ein Mann namens Sven Helmgart, der den Schlossbewohnern Monate voller Bitterkeit und Verzweiflung beschert hatte. Zuerst war er auf die Idee gekommen, seine verblüffende Ähnlichkeit mit dem verstorbenen Fürsten Leopold von Sternberg für eine üble Erpressung zu nutzen, anschließend hatte er gemeinsam mit Komplizen den langjährigen Butler im Schloss, Eberhard Hagedorn, entführt und wochenlang gefangen gehalten.

Dass er letzten Endes mit beiden Unternehmungen gescheitert war – seine Lügengeschichte über einen angeblichen unehelichen Sohn des Fürsten war aufgeflogen, Eberhard Hagedorn vor Kurzem endlich befreit worden – konnte leider nur als Teilerfolg gewertet werden, denn erstens hatten Sofia und Friedrich bereits ein hohes Lösegeld für den alten Butler bezahlt, und zweitens befand sich Sven Helmgart noch immer auf freiem Fuß. Er wurde mittlerweile mit internationalem Haftbefehl gesucht, war aber ein Verwandlungskünstler. Niemand wusste, wie er aktuell aussah, Fahndungsfotos halfen deshalb nur begrenzt weiter. Die Polizei behalf sich mit einer Serie von mehreren Fantomzeichnungen.

»Ich habe neulich ein neueres Fantombild von ihm gesehen«, sagte Albertina nachdenklich.

»Seine Ähnlichkeit mit Leopold ist ja allgemein bekannt, er wird also im Augenblick sicherlich alles tun, um sich äußerlich so weit wie möglich von Leo zu entfernen«, seufzte der Baron. »Für uns bedeutet es jedenfalls fortgesetzten Stress, dass der Mann immer noch frei herumläuft.«

»Als hättet ihr nicht vorher schon genug zu erdulden gehabt«, erwiderte Albertina leise.

Die Baronin nickte mit schmerzlichem Lächeln. Im Jahr zuvor war Fürst Leopold gemeinsam mit seiner Frau, Fürstin Elisabeth, bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen. Elisabeth war Sofias Schwester gewesen, zugleich ihre beste Freundin. Enger konnten zwei Frauen einander nicht verbunden sein als diese beiden, jetzt war eine von ihnen nicht mehr da. Sofia hatte den Verlust noch immer nicht verwunden. Das Fürstenpaar hatte einen Sohn hinterlassen, den fünfzehnjährigen Prinz Christian von Sternberg, der bei den Leuten in der Umgebung nur ›der kleine Fürst‹ hieß, da Leopold ihn zwölf, dreizehn Jahre zuvor bereits mit auf seine Reisen genommen hatte. Es hatte nicht lange gedauert, da waren sie ›der große und der kleine Fürst‹ geworden, und dabei war es geblieben, bis heute, obwohl es den großen Fürsten seit dem vergangenen Jahr nicht mehr gab.

Immerhin wohnten Sofia und Friedrich mit ihren beiden Kindern Anna und Konrad bereits seit vielen Jahren ebenfalls im Schloss, sodass Christian es nicht hatte verlassen müssen. Er war zu den Kants in den Westflügel gezogen und jetzt, ganz selbstverständlich, ihr drittes Kind. Das war, bei allem Schrecken, zumindest ein glücklicher Umstand gewesen.

Aber kaum hatten sie alle miteinander zaghaft begonnen, sich wieder dem Leben zuzuwenden, da war der Brief mit der Nachricht im Schloss eingetroffen, Prinz Christian von Sternberg sei gar nicht der Erstgeborene des verstorbenen Fürsten, er habe vielmehr einen älteren Halbbruder namens Sebastian Roeder …

Die Baronin zog die Schultern zusammen, als fröstelte sie, nun, da Albertinas Bemerkung diese Ereignisse wieder wachgerufen hatte. Sofia war einige Monate zuvor zusammengebrochen, der Stress war irgendwann zu viel für sie gewesen. Seit einiger Zeit freilich war sie auf dem Wege der Besserung. Aber noch immer war sie schmaler als zuvor, und sie wirkte viel zerbrechlicher.

»Ja«, erwiderte Baron Friedrich bemüht sachlich, »es war ein schlimmes Jahr für uns, Tina.«

Eberhard Hagedorn erschien an der Tür. »Haben Sie noch Wünsche?«, fragte er. »Darf ich Ihnen noch etwas bringen?«

»Eine Kanne Tee bitte noch, Herr Hagedorn.«

»Sofort, Frau Baronin.«

»Unglaublich, dass er schon wieder arbeitet«, sagte Albertina. »Man sollte doch meinen, dass er dazu noch gar nicht imstande ist nach den langen Wochen seiner Geiselhaft, aber abgesehen davon, dass er schmaler geworden ist, sieht er eigentlich aus wie immer.«

»Er hat ja jetzt einen Auszubildenden«, erklärte die Baronin. »Jannik ist neunzehn und hat sich in der Zeit von Herrn Hagedorns Abwesenheit hervorragend bewährt. Die beiden kommen sehr gut miteinander aus. Jannik verehrt Herrn Hagedorn, und der hat den Jungen ins Herz geschlossen. Sie teilen die Arbeit unter sich auf, wir mischen uns da gar nicht mehr ein, es funktioniert jedenfalls reibungslos.«

Albertina legte den Kopf an die Lehne ihres Sessels und schloss die Augen. Ihre dichten rotbraunen Haare lagen wie ein Kranz um ihren Kopf, ihr Gesicht mit den fein gezeichneten Brauen, dem üppigen Mund und der zierlichen Nase wurde vom Feuer in goldenes Licht getaucht und wirkte dadurch noch schöner.

»Ich werde also, wenn ich zurück in Hamburg bin, nach diesem Verbrecher Ausschau halten«, sagte sie halb im Scherz. »Wenn er so aussieht wie auf diesem Fantombild, an das ich mich erinnere, dann scheint er sich ja jetzt in besseren Kreisen zu bewegen. Hieß es nicht vorher, er sei unter Obdachlosen gesehen worden?«

»Ja, das haben mehrere Zeitungen geschrieben, offenbar gab es eine Spur in dieses Milieu. Kriminalrat Overbeck hat einen Wutanfall bekommen, weil er irgendwo eine undichte Stelle in seinem Mitarbeiterstab vermutet hat. Aber es war wohl doch der Zeuge selbst, der sich wichtig machen wollte und deshalb geplaudert hat«, erklärte der Baron.

Albertina öffnete die Augen wieder. Sie waren blau und bildeten so einen reizvollen Kontrast zu ihren Haaren. »Ich habe überhaupt keine Lust, morgen zurück nach Hamburg zu fahren«, gestand sie. »Es ist so schön bei euch, ich kann euch gar nicht genug danken für die wundervollen Tage hier.«

»Wir danken dir für deinen Besuch, Tina«, erwiderte die Baronin. »Freundinnen und Freunde bei uns zu haben tut uns gut. Komm nur recht bald wieder.«

Bevor Albertina antworten konnte, wurde die Tür aufgerissen, und die Teenager stürmten herein: vorweg die dreizehnjährige Anna, gefolgt von ihrem drei Jahre älteren Bruder Konrad und ihrem fünfzehnjährigen Cousin Christian. Sie kamen aus der Schule, die erst nachmittags endete.

Anna sah ihrer Mutter ähnlich, mit den blonden Locken und dem runden, hübschen Gesicht. Konrad hatte zwar auch blonde Haare, ähnelte aber mehr seinem Vater. Christian war dunkelhaarig, schmal und ernst. Seine Trauer um die viel zu früh verlorenen Eltern hatte ihn reifen lassen, er wirkte älter und vernünftiger als die meisten Jugendlichen seines Alters.

Draußen in der Eingangshalle jaulte Togo, Christians Boxer, laut auf vor Enttäuschung. Er hatte auf einen Spaziergang gehofft, den die drei nach der Schule oft mit ihm unternahmen. Heute jedoch hatten sie ihn vertröstet, sie wollten sich zuerst aufwärmen.

Während die beiden Jungen weitere Sessel vor den Kamin rückten, berichtete Anna: »Die Straße zum Schloss ist schon wieder unbefahrbar, es hat noch einmal geschneit. Die kommen mit dem Räumen gar nicht nach.«

Die Teenager fuhren in der Regel mit dem Schulbus, doch der hielt lediglich am Fuße des Sternbergs. Die Anhöhe selbst mussten sie zu Fuß bewältigen, was sie auch gern taten, jedenfalls wenn das Wetter es zuließ. Nur bei Dauerregen und Sturm ließen sie sich vom Chauffeur des Schlosses, Per Wiedemann, zur Schule fahren und auch wieder abholen.

Eberhard Hagedorn kam mit dem frischen Tee und drei weiteren Tassen herein, dazu hatte er noch einen Teller mit sehr appetitlich aussehenden Plätzchen dabei. »Ein Gruß von Frau Falkner aus der Küche«, sagte er mit einem Lächeln. »Die Menge ist nicht so groß, dass sie Ihren Appetit auf das Abendessen schmälern wird.«

Während die Teenager von ihren Erlebnissen in der Schule berichteten, schweiften Albertinas Gedanken ab. Sie hatte eine knappe Woche bei ihren Freunden auf Sternberg verbracht und diese Woche von Herzen genossen. Sie war bei ihrer Ankunft erschöpft und ausgelaugt gewesen, was an ihrer anspruchsvollen Arbeit mit in der Regel überlangen Arbeitstagen lag: Sie war bei einer exklusiven Modefirma angestellt und dafür verantwortlich, dass die Zuliefererfirmen genau nach den Vorgaben aus dem Mutterhaus arbeiteten. Selbst kleinste Abweichungen wurden nicht geduldet. Solche waren Albertinas Vorgänger gelegentlich entgangen, weshalb man ihn schließlich entlassen hatte.

Albertina wollte natürlich nicht das gleiche Schicksal erleiden, und so kniete sie sich mit unglaublicher Energie in ihre Arbeit. In den Firmen, die sie kontrollierte, zitterte man förmlich vor ihr, denn ihrem scharfen Auge entging nichts, kein noch so kleiner Fehler, keine noch so kleine Ungenauigkeit. Auf der anderen Seite zeigte sie sich nie unerbittlich, sondern gestand jedem seine zweite Chance zu. Aber es gab drei Firmen, von denen sich das Mutterhaus auf ihr Anraten hin getrennt hatte, weil sie dort nach einigen strengen Ansagen keine Fortschritte hatte erkennen können.

Ihre Tätigkeit machte ihr Spaß, aber nach monatelanger harter Arbeit brauchte sie regelmäßig eine Pause, und jetzt war es wieder einmal so weit gewesen. Sie hatte sich auf Sternberg ausgeschlafen und sich von ihren liebenswürdigen Gastgebern verwöhnen lassen. Sie bewunderte Sofia, Friedrich und die Teenager aufrichtig dafür, wie sie die vergangenen schweren Monate bewältigt hatten, so wie sie auch Eberhard Hagedorn bewunderte.

Sie kehrte erst in die Gegenwart zurück, als Anna, Christian und Konrad mit lautem Gepolter die Bibliothek wieder verließen, um den jaulenden Togo zu erlösen und endlich den ersehnten Spaziergang mit ihm zu machen.

»Kaum sind sie da, schon wird es unruhig«, seufzte die Baronin. »Das Gebäck ist weg, den Tee haben sie in Windeseile getrunken, dann schnell alles Wichtige erzählt – und schon springen sie wieder auf, und weg sind sie.«

»Immerhin bewegen sie sich«, erwiderte Albertina mit einem Lächeln, »und sitzen nicht den ganzen Tag vor einem elektronischen Gerät. Das solltet ihr zu schätzen wissen. Ich hingegen habe überhaupt keine Lust, mich zu bewegen, ich könnte jetzt auch einfach hier sitzen bleiben und mich für den Rest des Abends nicht mehr rühren.«

»Frau Falkner wäre sehr enttäuscht, wenn du nicht an unserem Abendessen teilnähmst, Tina«, sagte der Baron lachend.

Marie-Luise Falkner, die junge Köchin auf Sternberg, hatte die Schloss-Küche über die Landesgrenzen hinaus bekannt und auch berühmt gemacht. Sie war sehr ehrgeizig und selten mit sich zufrieden. Praktisch an jedem Gericht fand sie noch etwas, das sie verbessern konnte, und dieser Drang nach Vollkommenheit verband sie mit Eberhard Hagedorn, weshalb sich zwischen ihnen eine vorsichtige Freundschaft entwickelt hatte. In diese war nun auch Jannik Weber einbezogen worden, der junge Auszubildende, der sich zum Ziel gesetzt hatte, eines Tages ein so guter Butler zu werden wie Eberhard Hagedorn.

Albertina richtete sich auf und streckte sich ein wenig. »Ich würde um nichts in der Welt eine von Frau Falkners wundervollen Mahlzeiten verpassen wollen«, sagte sie. »Wisst ihr, was ich mache? Ich ziehe mir schnell was Warmes an und sehe mal zu, ob ich die drei und Togo noch einholen kann. Dann werde ich hoffentlich wieder munter. Oder fühlt ihr euch dann alleingelassen?«

»Lauf nur!«, erwiderte die Baronin.

Als Albertina die Bibliothek verlassen hatte, griff der Baron nach der Hand seiner Frau und drückte sie liebevoll. »Sie werden diesen Mann auch noch fassen, Sofia«, sagte er. »Und dann ziehen wir einen dicken Strich unter das vergangene Jahr.« Er sah ihren Blick und setzte hinzu: »Ich meinte damit nicht, dass wir aufhören sollten zu trauern, das wird ohnehin nicht möglich sein. Aber wir haben so viel ertragen müssen innerhalb relativ kurzer Zeit, dass wir vielleicht auf ein Ende dieser Unglücksserie hoffen dürfen.«

»Das wäre schön, Fritz.«

Er beugte sich zu ihr hinüber und gab ihr einen liebevollen Kuss. Sie blieben Hand in Hand vor dem Kamin sitzen, in den Anblick des Feuers vertieft, während sie in Gedanken beide das vergangene Jahr noch einmal Revue passieren ließen.

Schließlich wiederholte Sofia ihre Worte, sie klangen jetzt zuversichtlicher als zuvor. »Das wäre schön!«

*

Oliver von Felsenstein verließ sein Büro an diesem Abend ziemlich spät. Es war so viel zu tun, dass er praktisch nie pünktlich Schluss machen konnte, doch das störte ihn nicht. Viel schlimmer hätte er es gefunden, wenn er keine Arbeit gehabt hätte, aber über einen Mangel daran konnte er sich nicht beklagen. Noch keinen Augenblick hatte er seinen Entschluss bereut, sich mit einer ziemlich schrägen Idee selbstständig zu machen: Er hatte eine Firma gegründet, die damit warb, dass sie alles, was in einem Haushalt kaputtging, reparierte, wenn es sich denn lohnte.

Alle seine Freunde hatten ihm vorhergesagt, er werde damit nicht einmal die Miete für seine Halle und den angrenzenden kleinen Bürobau bezahlen können – ganz abgesehen davon, dass er die Leute nicht finden werde, die die nötige Fachkenntnis besaßen, um Kleingeräte zu reparieren. Sämtliche Vorhersagen hatten sich mittlerweile als falsch erwiesen. Sie reparierten nicht nur ›alte‹ Computer – was hieß: älter als drei Jahre – sondern auch Handys, elektrische Zahnbürsten, Haartrockner, Eierkocher, Mixgeräte, elektrische Rasierer, Rasenmäher, Waschmaschinen, Spülmaschinen, Fahrräder, Kinderwagen und einiges mehr. Einmal war eine alte Dame weinend mit ihrem Rollator gekommen, dem ein Rad fehlte. Das Ersatzteil war viel zu teuer für sie. Sie hatten ein Rad gefunden, das passte, es montiert und ihr nur fünf Euro Lohn berechnet. Schneller und einfacher konnte man einen Menschen nicht glücklich machen. Nur als einmal ein Kunde mit seinem defekten Auto vorgefahren war, hatten sie ihm sagen müssen, dass sie dafür nicht ausgerüstet waren.