Nur ein einziger Song – Nicole & Zack - Stacey Lynn - E-Book

Nur ein einziger Song – Nicole & Zack E-Book

Stacey Lynn

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Beschreibung

Nicoles Leben war perfekt. Bis das Schicksal zuschlug und ihr alles nahm, was sie liebte. Dies ist nun ein Jahr, drei Monate, eine Woche und sechs Tage her, und Nicole ist endlich wieder bereit, ihr Leben zu leben.

Genau an dem Abend trifft sie auf Zack Walters - einen erfolgreichen und berühmten Rockstar. Und obwohl Nicole zunächst gar nicht weiß, wer da vor ihr steht, beginnt diese Begegnung ihr sicheres und ruhiges Leben zu verändern. Zack bringt sie zum Lachen und weckt auch noch ganz andere Gefühle in ihr. Doch dann ist Nicole gezwungen, sich dem Schmerz zu stellen, den sie so lange und so tief in sich verborgen hat. Wird sie es schaffen, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben anzufangen?

Eine romantische und heiße Liebesgeschichte, bei der kein Auge trocken bleibt. eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.



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Seitenzahl: 459

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel eins

Kapitel zwei

Kapitel drei

Kapitel vier

Kapitel fünf

Kapitel sechs

Kapitel sieben

Kapitel acht

Kapitel neun

Kapitel zehn

Kapitel elf

Kapitel zwölf

Kapitel dreizehn

Kapitel vierzehn

Kapitel fünfzehn

Kapitel sechzehn

Kapitel siebzehn

Kapitel achtzehn

Kapitel neunzehn

Kapitel zwanzig

Kapitel einundzwanzig

Kapitel zweiundzwanzig

Kapitel dreiundzwanzig

Kapitel vierundzwanzig

Kapitel fünfundzwanzig

Epilog

Danksagungen

Über dieses Buch

Nicoles Leben war perfekt. Bis das Schicksal zuschlug und ihr alles nahm, was sie liebte. Dies ist nun ein Jahr, drei Monate, eine Woche und sechs Tage her, und Nicole ist endlich wieder bereit, ihr Leben zu leben.

Genau an dem Abend trifft sie auf Zack Walters – einen erfolgreichen und berühmten Rockstar. Und obwohl Nicole zunächst gar nicht weiß, wer da vor ihr steht, beginnt diese Begegnung ihr sicheres und ruhiges Leben zu verändern. Zack bringt sie zum Lachen und weckt auch noch ganz andere Gefühle in ihr. Doch dann ist Nicole gezwungen, sich dem Schmerz zu stellen, den sie so lange und so tief in sich verborgen hat. Wird sie es schaffen, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen und ein neues Leben anzufangen?

Über die Autorin

Stacey Lynn liebt es, Geschichten zu schreiben, bei denen sich die Leser in die Charaktere verlieben und sich wünschen, es wären im realen Leben ihre besten Freunde oder Familie. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in North Carolina. Tagsüber versorgt sie liebevoll die Familie, abends macht sie es sich mit einer Decke und einem Buch oder Laptop auf der Couch gemütlich und schreibt all die Geschichten auf, die ihr durch den Kopf gehen.

Weitere Informationen unter: www.staceylynnbooks.com

STACEY LYNN

Nur eineinziger Song

NICOLE & ZACK

Aus dem Amerikanischenvon Cécile Lecaux

Deutsche Erstausgabe

»be« – Das E-Book-Imprint der Bastei Lübbe AG

Für die Originalausgabe:

The original English language edition was published as »Just One Song”.

Copyright © 2013 Stacey Lynn, USA (www.staceylynnbooks.com)

Diese Ausgabe wurde vermittelt durch Claudia Böhme Rights & Literary Agency, Hannover (www.agency-boehme.com)

Für diese Ausgabe:

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Anne Pias

Lektorat/Projektmanagement: Anna-Lena Meyhöfer

Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München unter Verwendung von Motiven von © Kiuikson/istock; vectorcup/shutterstock.com

E-Book-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-7880-1

www.luebbe.de

www.lesejury.de

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Kapitel eins

Nicole

Ich betrachte das Mädchen mit den dunkelblauen Augen im Spiegel und runzle die Stirn. Früher sprühten meine Augen förmlich vor Lebensfreude, aber jetzt wirken sie stumpf, beinahe leblos. Ganz egal, was ich in den vergangenen fünfzehn Monaten unternommen habe, um die Trauer zu bewältigen und mir ein neues Leben aufzubauen, ich war nicht mit dem Herzen dabei. Ich habe die Veränderung schon vor einem Jahr bemerkt, aber aus einem unerfindlichen Grund stimmen mich die dunklen Augenringe, die durch das Make-up schimmern, und die müden Gesichtszüge erst heute Abend traurig.

Ich neige den Kopf langsam zur einen, dann zur anderen Seite und kneife die Augen leicht zusammen, als würde ein veränderter Blickwinkel etwas an meinem Spiegelbild ändern, obwohl ich weiß, dass es sinnlos ist. Ich sehe unverändert traurig und erschöpft aus. Ich greife nach der Mascara. Nachdem ich ein paar Lagen wimpernverlängernder schwarzer Tusche aufgetragen habe, prüfe ich mit kritischem Blick das Ergebnis. Unverändert.

Ich lege die Mascara etwas zu heftig zurück und atme geräuschvoll aus.

»Ich bin das alles so leid«, sage ich seufzend zu der Fremden im Spiegel.

Die junge Frau mit dem roten Schmollmund und dem schokoladenbraunen Haar ist nur noch ein Schatten der Frau, die sie früher war, und ich habe genug von ihrem Anblick. Ich hasse sie, diese Hülle meines früheren Ich, der die nackte Verzweiflung ins Gesicht geschrieben steht. Die eingesunkenen Wangen und das traurige Lächeln, das ich wie eine Auszeichnung getragen habe – ich kann sie nicht mehr sehen. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie es angefangen hat, aber ich habe seit dem Unfall die Tage gezählt, sie im Kalender durchgestrichen. Und jeder Strich stand für einen weiteren Tag in der Hölle.

Vor achtundzwanzig Tagen habe ich beschlossen, mit dem Zählen aufzuhören und zu versuchen, ins Leben zurückzukehren. Aber bisher sind dabei nur ein paar erbärmliche, vergebliche Versuche herausgekommen, den Blick nach vorn zu richten. Doch als ich mich jetzt für mein wöchentliches gemeinsames Abendessen mit meiner besten Freundin Mia zurechtmache, habe ich plötzlich genug davon. Es ist Zeit, wieder nach vorn zu sehen … Wieder am Leben teilzuhaben.

Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ich fühle, wie etwas tief aus meinem Innersten aufsteigt, etwas, das mir einen Funken neuen Lebensmut und Hoffnung einhaucht. Ich will wieder mehr als nur in dieser leblosen Hülle dahinvegetieren.

Spontan greife ich nach dem Telefon und schreibe Mia eine Nachricht.

Planänderung. Wir gehen heute in Jack’s Bar.

Ich sehe förmlich vor mir, wie Mia mit hochgezogenen Brauen auf die Nachricht starrt, mit offenem Mund, die hellblauen Augen ungläubig aufgerissen. Vermutlich denkt sie, ich hätte den Verstand verloren, und ich weiß, dass sie eine ausführliche Erklärung von mir verlangen wird, wenn sie mich abholt, aber ich bin fest entschlossen, das durchzuziehen.

Mia:Sicher?

Ich:Komm her, bevor ich es mir anders überlege.

Sie antwortet sofort.

Mia:Willkommen zurück, Süße. Wurde auch verdammt noch mal Zeit.

Ich weiß nicht, ob ich wirklich »zurück« bin … Tatsächlich werde ich wohl nie wieder die Alte sein. Aber heute Abend möchte ich den unerwarteten Funken anfachen, damit er nicht gleich wieder erlischt.

Ich blicke wieder auf das Mädchen im Spiegel und sehe einen leisen Hoffnungsschimmer.

Ich verlasse das Bad und schließe hastig die Tür hinter mir, als könnte ich so verhindern, dass es mir folgt. Ich möchte wieder ich selbst sein, sei es auch nur für einen Abend. Mein altes Ich, das Musik liebt, Tanzen, Lachen und einfach Spaß haben.

Ich stolpere über meine eigenen Füße, als Mia und ich unsere frühere Lieblingsbar betreten.

Ich blicke in Richtung Bühne. Sie ist noch leer, aber wir haben Mittwoch, und es ist noch früh. Es wird nicht mehr lange dauern, bis irgendeine Band aus der Gegend dort spielt. Mir geht durch den Kopf, dass wir hoffentlich mit dem Essen fertig sind, bevor es losgeht, damit ich noch rechtzeitig verschwinden kann, aber dann schüttele ich den Kopf.

Genau deshalb bin ich ja hier. Um wieder Dinge zu tun, die ich früher getan habe, anstatt davonzulaufen und mich zu verstecken. Ich spüre Sehnsucht in mir aufsteigen, als ich an die vielen Abende denke, an denen ich auf eben dieser Bühne gespielt habe. Diesen Teil von mir habe ich fünfzehn Monate lang verleugnet. Ich habe ihn gemeinsam mit ihnen beerdigt, weil ich nie wieder Freude empfinden wollte. Damals hätte ich das als Verrat an ihnen empfunden. Es erschien mir nicht richtig, so weiterzuleben wie bisher, weiter meinen Hobbys und Interessen nachzugehen, als sie nicht mehr da waren.

Aber heute Abend frage ich mich, ob das nicht falsch war, auch wenn ich beim besten Willen nicht zu sagen vermocht hätte, woher dieser Gedanke so plötzlich gekommen ist. Ich muss diesen Schritt tun, um es herauszufinden. Ich muss das tun. Nur für einen Abend. Ich folge Mia zu einem kleinen Stehtisch in der Mitte der Bar, unmittelbar neben einem Geländer und mit Blick auf die kleine Tanzfläche und direkt gegenüber der Bühne.

Es ist »unser« Tisch.

Ich schenke ihr ein scheues Lächeln, als ich mich setze. Sie ist die letzten zwanzig Minuten sehr geduldig gewesen und hat mir, seit sie mich zu Hause abgeholt hat, Anekdoten von ihrem letzten Trip nach Los Angeles erzählt. Sie war dort für ihren Job als Einkäuferin eines aufstrebenden, trendigen Kaufhauses namens Callie’s. Aber ich weiß wohl, dass die Uhr tickt und es nicht mehr lange dauern wird, bis sie eine Erklärung von mir verlangt.

Mia und ich sind seit der Schulzeit miteinander befreundet, genauer gesagt seit ich mit meinen Eltern ins Nachbarhaus gezogen bin. Als die Möbelpacker unseren LKW entluden, rannte sie kreischend durch unseren Vorgarten, verfolgt von ihrem Bruder Elijah, der eine Strumpfbandnatter in der Hand hielt. Sie packte meinen Arm und zog mich mit sich, und seitdem waren wir beste Freundinnen.

Heute Abend habe ich schwitzige Hände und bin schrecklich nervös, als ich ihr in der Bar gegenübersitze, in der ich während meiner Collegezeit gekellnert habe und wo wir uns seit dem Schulabschluss mindestens einmal im Monat treffen. Ich verbinde Jack’s Bar mit unzähligen Erinnerungen, und auch wenn es vorwiegend schöne Erinnerungen sind, fühlt es sich gerade an, als würde ich jeden Augenblick von meiner Vergangenheit förmlich erschlagen.

Ich schaffe das. Ich muss das tun. Nur diesen einen Abend.

Ich wiederhole das in Gedanken wie ein Mantra, um mich zu beruhigen, aber es funktioniert nicht. Ich stehe ganz kurz davor, hinauszustürmen und niemals wieder zurückzukommen, und das würde ich auch tun … Wenn ich nicht wüsste, dass, wenn ich das Jack’s nicht ertrage, ich erst recht keine andere Location ertragen werde.

Mia wirft mir weiter fragende Blicke zu, während wir das Essen und die ersten Getränke bestellen und mein Blick hektisch durch die dunkle, etwas schäbige Bar huscht, die all die Jahre so etwas wie unser zweites Zuhause war. Es hat sich nichts verändert, abgesehen von den Bandnamen auf den Plakaten an den Wänden drüben bei den Billardtischen und den Gesichtern der Bedienungen.

Als unsere Biere gebracht werden, weiß ich, dass die Schonfrist vorbei ist. Ich trinke einen Schluck, stelle das Glas zurück auf den Tisch und hole tief Luft.

»Ich habe genug davon, immer traurig zu sein. Ich wollte heute Abend herkommen, um mich zu erinnern … Und um zu versuchen, zur Abwechslung wenigstens einen Abend mal wieder Spaß zu haben.«

Mia strahlt über das ganze Gesicht. Sie hat Monate versucht, mich genau dazu zu überreden, und ich habe jedes Mal wie ein Kind mit den Füßen aufgestampft und ein Riesentheater gemacht.

Und sie war es auch, die mich förmlich zu unseren Mittwochstreffen genötigt hat, als sie eines Tages in meine alte Wohnung marschiert ist und erklärt hat, ich hätte lange genug in Yogahosen und labberigen alten T-Shirts herumgegammelt.

»Also …« Ich räuspere mich, machtlos gegen das nervöse Flattern meines Magens. »Ich denke … Ich weiß auch nicht … Es ist einfach an der Zeit, wieder am Leben teilzuhaben. Nach vorn zu sehen. So was in der Art.« Ich stöhne innerlich angesichts meiner Unsicherheit.

Mia mustert mich nachdenklich. In ihrem Blick lese ich Mitgefühl, aber ich weiß, dass sie noch versucht zu verstehen, was ich ihr sagen will, da ich mich offensichtlich nicht ganz klar ausgedrückt habe. »Es ist jetzt über ein Jahr her. Du bist in eine eigene Wohnung umgezogen. Und du hast dich selbstständig gemacht.«

Das alles ist richtig. Und es klingt, als hätte ich am Leben teilgehabt. Als hätte ich nach vorn gesehen. Aber das habe ich nicht gemeint.

»Ich meine … privat.« Ich hasse meinen schüchternen Tonfall und würde mich am liebsten unter dem Tisch verkriechen. Oder nach Hause gehen und mich in die Fotobearbeitung stürzen. Aber das hieße, davonzulaufen, und genau das möchte ich nicht mehr. Ich bin nicht sicher, ob ich wirklich ein Date im Sinn hatte, als ich mich vorhin fertig gemacht und darüber nachgedacht habe, dass ich nur noch eine leere Hülle bin. Aber ich würde lügen, würde ich behaupten, ich hätte in den vergangenen Monaten nicht das eine oder andere Mal daran gedacht.

Mia ist eine wunderbare Freundin, und das Verhältnis zu meinen Eltern ist so eng, dass ich jederzeit zu ihnen gehen kann, aber von diesen drei Menschen abgesehen, bin ich einsam gewesen.

Mias Lippen bilden ein perfektes »O«, als ihr ein Licht aufgeht. »Du meinst … Dating?«

Ich nicke und fahre mir mit den Fingern durch das Haar. Ich fühle mich gerade sehr verwundbar. »Ich meine … nicht gleich morgen. Aber ich vermisse …« Ich breche mitten im Satz ab und suche nach den richtigen Worten, um Mia zu erklären, was ich fühle. Die Wahrheit ist, dass ich Mark und Andrew furchtbar vermisse. Ich vermisse sie jede einzelne Sekunde jedes einzelnen Tages, aber in den letzten Monaten habe ich nach und nach akzeptiert, dass sie nicht mehr da sind. Und nachdem ich diese Tatsache erst akzeptiert hatte, ist mir bewusst geworden, wie sehr ich eine Beziehung vermisse – Nähe und Vertrautheit. Es fehlt mir, meinen Alltag mit jemandem zu teilen, beim Essen mit jemandem zu lachen und einfach zu wissen, dass es einen Menschen gibt, der mich auf eine Art und Weise liebt, die über Freundschaft oder elterliche Fürsorge hinausgeht. Ich möchte das wieder fühlen. Oder zumindest spüren, dass es grundsätzlich möglich ist, so etwas wieder zu fühlen.

Ich brauche den Satz nicht auszuformulieren. Mia versteht, was ich meine. Wie immer versteht sie mich auch ohne Worte, und ich nehme an, der wehmütige Ausdruck in meinen Augen, allein bei dem Gedanken an eine neue Beziehung, spricht ohnehin Bände.

»Ich freue mich, dass du so denkst.« Sie spricht in gedämpftem Tonfall, aber die Freude auf ihrem Gesicht ist nicht zu übersehen. Ihr Lächeln erinnert mich an Andrews Strahlen, wenn er am Weihnachtsmorgen die Treppe herunterkam und die Berge von Geschenken unter dem Baum sah. Ich weiß, dass allein meine Bereitschaft, eine neue Beziehung überhaupt in Betracht zu ziehen, sie überglücklich macht.

Mir ist außerdem bewusst, was ich mit meinem Geständnis ihr gegenüber ausgelöst habe, denn einmal abgesehen von ihrer Leidenschaft für trendige Luxusklamotten gibt es kaum etwas, das Mia größeren Spaß bereitet, als auszugehen und Menschen zu verkuppeln. Sie liebt Männer. Die unterschiedlichsten Arten von Männern, und ich nehme an, dass sie in Gedanken bereits in ihrem Adressbuch blättert und überlegt, mit wem sie mich bekannt machen will – und wird. Ich nehme es ihr aber nicht übel. Sie ist nämlich ziemlich gut im Verkuppeln.

Mir wird noch einmal bewusst, wie lange wir schon befreundet sind. Wir sind sehr unterschiedlich, aber wir ergänzen uns in vielem. Mia nutzt jede Gelegenheit, die das Leben ihr bietet. Sie geht Risiken ein, ohne groß darüber nachzudenken, während ich vorher das Für und Wider abwäge. In den langen Jahren unserer Freundschaft war sie die Initiatorin vieler mehr oder weniger gewagter Unterfangen, auf die ich mich nur zögernd eingelassen habe, nachdem sie mich der Feigheit bezichtigt hatte. Ich wollte nicht als Hasenfuß dastehen, und im Nachhinein war ich immer froh gewesen, dass ich mich von ihr hatte mitreißen lassen. Wie beispielsweise als wir auf der Highschool alle Cheerleader-Häuser mit Klopapier »dekoriert« oder die Fotomontage ihrer Studentinnenverbindung durch das offizielle Foto der Studentenverbindung ihres damaligen Schwarms ausgetauscht hatten. Zu meinen schönsten Erinnerungen gehören der Tag, an dem sie Fallschirmspringen ausprobieren wollte, und natürlich der Abend, an dem sie mich zu einem Date mit Mark überredet hatte.

Ihre hellblauen Augen sprühen Funken vor Aufregung. Ich kann förmlich sehen, wie ihre Pläne für mich Gestalt annehmen.

»Du meinst das wirklich ernst, oder?«

Ich nicke. »Ich brauche das heute Abend.«

»Also gut.« Sie klatscht in die Hände, als hätten wir uns auf einen Deal geeinigt, wobei ich nicht sicher bin, worin genau dieser Deal besteht. Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass sie mich noch heute Abend zu etwas Verrücktem überreden wird. Ich muss lächeln, weil die Vorstellung mir nicht halb so viel Angst macht, wie ich erwartet hätte.

Ich mustere sie neugierig und frage mich, was in ihrem Kopf vorgeht, werde aber abgelenkt, als das Essen gebracht wird.

Ich konzentriere mich auf meinen Burger, weil es mich doch etwas nervös macht, was sie gerade ausheckt, und weil ich die Eröffnung ihres Plans möglichst lange hinauszögern möchte.

Irgendwann erlischt das verschmitzte Funkeln in ihren Augen, und wir plaudern über mehr oder weniger belanglose Dinge. Ich erzähle ihr von einigen Familienfotos, die ich diese Woche geschossen habe. Fotografieren war schon immer mein Steckenpferd, und Mias ständigem Zureden, ich solle diese Leidenschaft zum Beruf machen, ist es zu verdanken, dass ich mich tatsächlich als Fotografin selbstständig gemacht habe. Die Entscheidung ist mir nicht allzu schwergefallen, und in der ersten Zeit habe ich vor allem Freunde aus meiner alten Nachbarschaft abgelichtet. Die haben sich gern als Versuchskaninchen zur Verfügung gestellt und mich weiterempfohlen, sodass das Geschäft mit der Zeit Fahrt aufgenommen hat.

»So«, sagt sie schließlich, und ich weiß sofort, dass es jetzt ernst wird. Ich möchte, dass du heute Abend mit jemandem flirtest.«

Ich verschlucke mich und huste einen Bierregen über den Tisch. Verlegen schlage ich eine Hand vor den Mund, aber Mia lacht nur.

Ich schüttele den Kopf, aber ich kann in ihren Augen sehen, dass sie auf ihrem Wunsch beharrt.

Ich funkele sie wütend an, und es ist, als würden wir wortlos streiten. Es bedarf keiner Worte. Sie fordert mich heraus. Wie früher. Sie braucht es nicht einmal auszusprechen, weil ich in ihren Augen lesen kann. Es ist fast zwei Jahre her, seit ich diesen Blick das letzte Mal gesehen habe. Damals hatte sie die Idee, ich solle nackt in dem See baden. Es war mitten am Tag, und es wimmelte von Jetski- und Wasserskifahrern. Das hier ist das erste Mal, dass sie mich seit dem Unfall herausfordert, etwas Verrücktes zu tun, und zusammen mit meinem eigenen Wunsch, wieder ins Leben zurückzukehren, entzündet es einen Funken in mir.

»Auf gar keinen Fall. Ich wollte heute nur herkommen, um Musik zu hören. Ich glaube nicht, dass ich schon bereit bin für …« Ich führe den Satz nicht zu Ende. Es ist lange her, dass ich geflirtet habe, ich weiß nicht einmal mehr, wie man das macht.

Aber das Blitzen in ihren Augen verrät mir, dass es sinnlos ist, zu widersprechen. Ihr Blick gleitet über die anderen Gäste in der Bar, und ich fühle, wie mein Magen sich verkrampft. Sie wird mich zwingen, es zu tun.

»Mia …«, versuche ich es wider besseres Wissen, aber sie bringt mich mit erhobener Hand zum Schweigen. »Du willst doch nicht etwa kneifen?«

Verdammt. Ich habe, seit ich dreizehn war, keine Herausforderung oder Wette ausgeschlagen, und auch jetzt bringe ich es nicht über mich zu kneifen. Meine übermütige beste Freundin wirft ihre lange blonde Mähne über die Schulter und grinst, als hätte sie einen Sechser im Lotto. Und so ähnlich ist es ja auch, da ich einfach nicht Nein sagen kann, trotz meiner Sorge, elendig zu versagen.

»Gut. Was muss ich tun?«

Sie scannt die Menge, und meine Nervosität wird mit jeder Sekunde schlimmer. Ich glaube einfach nicht, dass ich mich wirklich darauf einlasse. Ich wollte heute Abend eigentlich nur nach fünfzehnmonatiger Pause mal wieder in mein Lieblingslokal, ein bisschen was trinken und dabei Live-Musik hören.

Erstaunlich, wie leicht ich mich zu etwas Verrücktem überreden lasse.

»Ganz einfach. Du musst mit jemandem flirten, den ich aussuche. Und ich setze noch einen drauf …« Sie lächelt mich mit hochgezogener Braue an, und ihr herausfordernder Blick weckt meine Neugier. »Wenn du jemanden dazu bringst, dich auf einen Drink einzuladen, kaufe ich dir ein Paar Manolos.«

»Du machst Witze.«

»Nein. Und ich mache es dir sogar leicht.« Sie zeigt mit ihrem Bierglas auf zwei Typen, die an der Bar stehen. Der eine ist groß und blond und redet wild gestikulierend auf seinen Freund ein. Soweit ich sehen kann, sind beide etwa in unserem Alter, vielleicht ein klein wenig älter.

Der Blonde sieht hammermäßig aus, aber von dem anderen Typ kann man im schummrigen Licht nicht viel erkennen, zumal er eine Baseballmütze tief in die Stirn gezogen hat.

Mit einem Stöhnen wende ich mich wieder Mia zu. »Sie stehen ganz am Ende der Bar, und du weißt so gut wie ich, dass Leute, die sich diesen Platz aussuchen, in Ruhe gelassen werden wollen.«

»Stimmt, aber es sind zwei, und du brauchst nur einen, der dir ein Bier ausgibt. Ich bin ganz sicher, dass du einen von denen dazu überreden kannst, dich einzuladen. Und jetzt zieh den Rock etwas höher, zeig deine umwerfenden Beine und verdien dir ein paar neue Luxustreter.«

Schnaubend werfe ich einen Blick auf meinen schwarzen Rock, dessen Saum bereits deutlich oberhalb des Knies endet, bevor ich wieder Mia ins Gesicht sehe. Ich habe umwerfende Beine? Lang und sonnengebräunt, ja. Aber Mia ist diejenige von uns mit den Beinen einer Tänzerin, und das, ohne dass sie etwas dafür tun müsste. Wenn hier jemand umwerfende Beine hat, dann sie.

Ein Teil von mir würde am liebsten weglaufen, aber ein anderer Teil – jener Teil, den ich so lange unterdrückt habe und der sich jetzt langsam wieder zurückmeldet – ist wirklich scharf auf ein paar neue Designer-Schuhe. »Also gut.«

Auf Beinen, die sich anfühlen wie Wackelpudding, stelze ich nervös in Richtung Tresen. Als ich die Bar erreiche, schenkt der große Blonde mir ein flüchtiges Lächeln, bevor er sich wieder seinem Kumpel zuwendet. Ich habe das ungute Gefühl, gescheitert zu sein, noch bevor ich überhaupt versucht habe, den Typen anzuflirten.

Ich blicke zurück zu Mia, die mir aufmunternd zulächelt und mit einem Wink zu verstehen gibt, dass ich dranbleiben soll.

Ich stelle unsere leeren Gläser auf den Tresen und hebe eine Hand, um den Barmann auf mich aufmerksam zu machen. Dann erst sehe ich, wer da hinter der Theke steht, und jeder Gedanke ans Flirten ist schlagartig vergessen.

Kapitel zwei

Nicole

»Pete!«, rufe ich entzückt, als ich meinen absoluten Lieblings-Barkeeper erkenne, der übrigens auch der Inhaber ist und somit mein ehemaliger Boss. Warum er seinen Laden Jack’s Bar genannt hat anstatt Pete’s ist sein wohlgehütetes Geheimnis.

Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd, und die Nervosität wegen meines »Auftrags« fällt schlagartig von mir ab. Pete ist weit mehr als nur mein Ex-Chef. Er ist ein Freund, den ich viel zu lange vernachlässigt habe, und ich freue mich wirklich riesig, ihn zu sehen.

Er wendet sich mir zu, und vor Überraschung klappt ihm buchstäblich der Unterkiefer herunter. Mein Grinsen wird noch breiter, als ich sehe, wie seine Augen sich weiten und er mehrmals hintereinander blinzelt, als traue er seinen Augen nicht.

Ich nicke, um zu bestätigen, dass er nicht halluziniert.

»Nicole! Es ist so lange her, Kleines!« Ehe ich mich versehe, packt er meine Hände, zieht mich halb über den Tresen und schließt mich in seine kräftigen Arme. Es ist die wohl unbequemste Umarmung meines Lebens. Die Kante der Theke bohrt sich schmerzhaft in meine Hüften, und ich bete inständig, dass mein Rock nicht noch höher gerutscht ist.

Er drückt mich fest an seine Brust und wiegt mich vor und zurück, und als er mich schließlich wieder loslässt, habe ich Tränen in den Augen. Erst jetzt wird mir bewusst, wie sehr ich ihn vermisst habe.

Er schaut sich rasch um, als wolle er prüfen, ob uns jemand beobachtet – oder jemand etwas bestellen möchte. Dann legt er seine Hand auf meine und drückt sie. Er mustert mich aufmerksam. »Wie geht es dir?«

Ich wische mir mit einem traurigen Lächeln eine Träne aus dem Gesicht. »Es geht mir gut … aber es war hart. Ich denke aber, jetzt geht es mit mir wieder bergauf.« Ich deute mit der Hand in Richtung Tresen. »Es fühlt sich echt gut an, wieder hier zu sein.«

Er nickt ernst. »Das sollte es auch. Du bist hier zu Hause, Nic.« Ein Gast am anderen Ende der Bar ruft nach ihm, und er bewegt sich auf ihn zu, jedoch ohne den Blick von mir abzuwenden. »Vergiss das nie, hörst du?«

»Wenn ich das richtig sehe, bist du hier Stammgast.« Ich wende mich dem großen Blonden links von mir zu, der mich entwaffnend freundlich anlächelt. Es fühlt sich nicht an, als würde er mit mir flirten, aber wie sollte ich das beurteilen können? Ich glaube, ich bin noch nie in einer Bar angeflirtet worden. Ich war ja immer mit Mark unterwegs.

Ich lächle höflich. Ich weiß, dass Mia uns gespannt beobachtet, und widerstehe der Versuchung, ihr einen Blick zuzuwerfen.

»Ich habe hier gekellnert, als ich auf dem College war. Ist lange her«, entgegne ich und sehe mir den Fremden etwas genauer an. Er ist groß, richtig groß, und sehr schlank, aber muskulös. Seine Frisur passt allerdings nicht so recht hierher. Mit seinen langen blonden Haaren würde er besser auf ein Surfbrett an der kalifornischen Küste passen als in eine schummrige Bar im Mittleren Westen.

Er nickt, als wäre das eine akzeptable Antwort, während ich etwas unsicher dastehe, weil ich nicht weiß, was ich noch sagen soll.

Schließlich reiche ich ihm die Hand, und er ergreift und schüttelt sie. »Ich bin Nicole.«

»Jake. Und das hier ist mein Freund Zack.«

Ich blicke auf den Typen mit der Baseballmütze und stutze. Diese Augenfarbe … So helle grüne Augen habe ich noch nie gesehen. So hell, dass sie beinahe durchsichtig scheinen. Sie faszinieren mich. Ich bin vollkommen verblüfft, dass allein seine Augenfarbe mich derart aus dem Konzept bringt, dass ich ein paar Sekunden brauche, um mich wieder daran zu erinnern, warum ich überhaupt hier vor ihm stehe.

Zack lächelt lässig und nickt mir zu. »Schön, dich kennenzulernen.«

Ich will den Blick von ihm abwenden, aber irgendwie gelingt es mir nicht. Es klingt nicht so, als wäre er übermäßig begeistert, mich kennenzulernen. Es scheint ihm nicht recht zu sein, dass ich mit ihnen rede, und er lässt den Blick durch die Bar schweifen, als wollte er nicht dabei beobachtet werden. Mir fällt wieder ein, dass diese Ecke der Bar der typische Rückzugsort für Gäste ist, die unter sich bleiben wollen.

Jakes leises Lachen reißt mich aus meinen Gedanken. Ich muss endlich in den Flirtmodus schalten, sonst wird das nichts mit den neuen Schuhen. Verdammt, ich bin so nervös, dass ich nicht einmal dann flirten könnte, wenn mein Leben davon abhinge. Vielleicht hilft ja die Wahrheit, auch wenn sie ein wenig peinlich ist.

Ich streiche mir lächelnd mit einer Hand das Haar über die Schulter und wende mich wieder Jake zu, dessen Blick immer noch belustigt zwischen mir und Zack hin und her wechselt.

»Ich dachte, ihr könnt mir vielleicht einen Gefallen tun.« Jakes Augen leuchten auf, aber Zack sieht noch angespannter aus.

»Und worum genau geht es dabei?«, will Zack misstrauisch wissen.

Ganz offensichtlich ist er nicht geneigt, auf meine Bitte einzugehen, also hole ich tief Luft und wende mich stattdessen an den gut gelaunten Jake. »Meine Freundin hat gesagt, dass, wenn ich mich traue, heute Abend mit jemandem zu flirten und ihn dazu zu bringen, dass er mir ein Bier ausgibt, sie mir ein neues Paar Schuhe kauft. Leider bin ich nicht so bewandert, was Flirten anbelangt …« Ich weiß, dass ich dummes Zeug rede, und ich werde immer unsicherer, da die beiden mich mustern, ohne eine Miene zu verziehen. »Wenn ihr Pete rüberwinkt und ein Getränk für mich bestellt, wird er es euch vermutlich gar nicht berechnen, das heißt, es wird euch aller Wahrscheinlichkeit nach nichts kosten.«

Ich verstumme und lächle nervös. Das Ganze klang unglaublich blöd und albern, und es ist mir furchtbar peinlich. Das wird nicht funktionieren.

Im ersten Moment starren mich beide nur schweigend an, aber dann lacht Jake schallend. Zack lehnt den Oberkörper zurück, und ich sehe, wie sein Blick an meinen Beinen hinabgleitet bis zu meinen roten High Heels.

Unvermittelt steigt eine verräterische Wärme in mir auf, und meine Knie zittern leicht. Es ist fast anderthalb Jahre her, seit mich jemand das letzte Mal so angesehen hat, und es macht mich ganz hibbelig. Ich versuche, den Blick abzuwenden und mich wieder auf Jake zu konzentrieren, bei dem ich mich deutlich sicherer fühle, aber dann zucken Zacks Mundwinkel und verziehen sich schließlich zu einem richtigen Lächeln.

Er ist heiß. Ich kann selbst nicht glauben, dass ich das tatsächlich registriere, aber der Mann ist megasexy. Ich würde wetten, dass er mit diesem Lächeln jede rumkriegt, und ich stehe hier und fasele etwas von meinen nicht vorhandenen Flirttalenten und neuen Schuhen. Unfassbar.

»Du siehst nicht aus, als würdest du neue Schuhe brauchen«, sagt er in einem Tonfall, bei dem mir ein wohliger Schauer den Rücken hinunterläuft. Was zur Hölle ist nur los mit mir?

Ich muss aufhören, ihn anzustarren. Ich richte den Blick auf die Theke, aber dann wird mir klar, dass es eigentlich mehr als Frage gemeint war und er auf eine Antwort wartet.

»Ich bin eine Frau. Als Frau hat man nie genug Schuhe.«

Jake sieht mich an, als würde er ein Lachen unterdrücken, und ich frage mich unwillkürlich, ob der Typ immer so gut drauf ist.

»Lass mich das zusammenfassen: Du flirtest mit uns, wir laden dich auf einen Drink ein, der uns nichts kostet, und dafür bekommst du ein Paar Schuhe von deiner Freundin geschenkt? Und das ist alles, was du von uns – von Zack – möchtest?«

Ich neige den Kopf und blicke die beiden verwirrt an. »Was sollte ich sonst noch von euch wollen?«

Jake krümmt sich vor Lachen und schlägt seinem Kumpel auf die Schulter. Brennende Röte überzieht meine Wangen, als mir bewusst wird, wie man das verstehen kann. Ich will Zack nicht ansehen, kann aber nicht anders.

Er schüttelt lächelnd den Kopf, als könne er nicht glauben, dass ich das gesagt habe. Ehrlich gesagt kann ich es selbst nicht glauben, obwohl ich das Gefühl nicht loswerde, dass uns dabei völlig andere Gedanken durch den Kopf gehen.

»Gar nichts«, sagt er schließlich. »Ich bestelle dir deinen Drink, wenn du mir eine Frage beantwortest.« Mit fragend hochgezogener Braue warte ich, dass er fortfährt. »Warum hat deine Freundin uns ausgesucht? Und wie ist sie überhaupt auf die Idee mit diesem Spielchen gekommen?«

Sein Grinsen weckt in mir Gefühle, die ich eine Ewigkeit nicht empfunden habe, was mich mehr verwirrt als seine Frage an sich.

»Das sind aber zwei Fragen«, entgegne ich und fahre mir durch die Haare, wobei ich hoffe, dass er das leichte Zittern meiner Hände nicht bemerkt.

Er wölbt eine Braue und nippt an seinem Bier. Ich ertappe mich dabei, dass ich beobachte, wie sein graues Button-down-Hemd sich über seiner Brust spannt.

Ich schlucke. Ich fühle plötzlich Dinge, deren Bedeutung mir vollkommen unklar ist, und blinzele mehrmals, bemüht, mich wieder auf die Realität zu konzentrieren. Irgendetwas stimmt nicht mit mir. Ich schaffe es einfach nicht, den Blick von ihm loszureißen. Dabei wollte ich doch heute Abend einfach nur etwas Spaß haben und nicht gleich den erstbesten Typen, der mir über den Weg läuft, hoffnungslos anschmachten.

»Stimmt.« Er zuckt mit den Achseln, stützt sich mit einem Ellbogen auf den Tresen und sieht mich unverwandt an.

Ich fahre mir mit der Zunge über die Lippen und werfe einen Blick in Petes Richtung. Vielleicht sieht er mich ja mit den leeren Gläsern hier stehen und bringt mir ungefragt ein frisches Bier. Zum Teufel mit den Schuhen. Ich kann mir selbst welche kaufen. Etwas an Zack versetzt mich nämlich in einen sehr sonderbaren Zustand, sodass es vermutlich ratsam ist, auf die Einladung zu verzichten und schnellstens das Weite zu suchen.

Andererseits würde das bedeuten, zu verlieren, und mein Stolz verbietet, dass ich ohne Drink an unseren Tisch zurückkehre.

»Weil Mia mich hasst«, murmele ich und hoffe, dass er sich damit zufrieden gibt. Ich blicke wieder in sein Gesicht, und Zack nickt, als würde das alles erklären. Dabei erklärt es gar nichts, aber das scheint ihn nicht wirklich zu stören. Jedenfalls zwinkert er Jake zu. Sie scheinen sich wortlos auszutauschen, was mich nur noch mehr verwirrt. »Deine Freundin heißt Mia?«, fragt Jack, woraufhin ich nicke. »Hol sie doch rüber, dann können wir alle zusammen etwas trinken.« Meine Augen weiten sich vor Erleichterung, und ich wende mich mit einem aufgesetzten triumphierenden Lächeln Mia zu.

Unsere Blicke begegnen sich, und ich winke sie herüber an die Bar. Sie lächelt breit. Offensichtlich ist sie stolz auf mich. Natürlich habe ich nicht wirklich geflirtet, also bin ich mir nicht sicher, ob sie mir die Schuhe tatschlich kaufen wird. Was soll’s. Ich selbst bin definitiv stolz auf mich, weil ich zwei Fremde angesprochen habe und mich gut amüsiere, was ja die eigentliche Vorgabe für den Abend war. Ich fühle mich zum ersten Mal seit fünfzehn Monaten wieder mehr wie der Mensch, der ich früher war, und ich spüre, dass die traurige junge Frau, die ich zu Hause im Spiegel gesehen habe, langsam, aber sicher verblassen wird. Es fühlt sich gut und gleichzeitig ein wenig beängstigend an.

»Hier ist dein Drink«, sagt Zack und schiebt die Biere zu mir rüber. Ich nehme beide und drehe mich um, um das eine an Mia weiterzureichen.

Sie ist noch knapp zwei Meter von mir entfernt, als sie mir zulächelt und dann einen Blick auf Zack und Jake wirft. Plötzlich weiten sich ihre Augen, und sie stolpert über ihre eigenen Füße. Sie rudert mit den Armen, um nicht zu fallen, und rempelt mich an, wobei ihr Bier auf mein T-Shirt schwappt.

»Hey, pass doch auf«, kreische ich, aber sie beachtet mich nicht und wendet sich stattdessen Zack zu. Er lächelt nun nicht mehr. Stattdessen liegt ein angespannter Zug um seinen Mund, und Jake lässt den Blick durch die Bar schweifen. Ein paar von den Gästen blicken zu uns rüber, schauen aber gleich wieder weg, woraufhin Jake sich wieder entspannt.

»Ach du Scheiße!«, ruft Mia aus, schlägt eine Hand vor den Mund und stützt sich haltsuchend auf die Theke. Ihre Augen sprühen Funken wie ein Feuerwerk am vierten Juli, und sie hüpft förmlich auf und ab vor Aufregung. »Du bist Zack Walters!«

Zacks Kiefer lockert sich, und er lächelt wieder, aber diesmal irgendwie anders. Es wirkt arrogant, aufgesetzt und überheblich.

»Du kennst ihn?«, frage ich und blicke verdattert von einem zum anderen.

Meine Frage hat eine weitere Lachsalve von Jake zur Folge. Mir ist völlig rätselhaft, was so verdammt komisch an meiner Frage sein soll und warum Zack plötzlich so unglücklich aussieht, während meine sonst so coole und abgeklärte Freundin völlig ausflippt.

Mia starrt mich entgeistert an und schüttelt den Kopf, als wäre das die dümmste Frage, die sie je gehört hat.

»Zack Wal-ters«, wiederholt sie langsam und betont jede Silbe, als hätte sie es mit einem Kleinkind zu tun. Seltsamerweise hilft es tatsächlich.

Zack Walters. Ein berühmter Rockstar und Mias heimlicher Schwarm. Wie dumm von mir. Trotzdem komisch, dass meine Freundin, die tagtäglich mit Supermodels und Promis zu tun hat, völlig durchdreht. Faszinierend. Ich habe sie, glaube ich, noch nie so aus dem Häuschen gesehen.

Allerdings entgeht mir nicht, dass ihr Benehmen Zack eher unangenehm zu sein scheint. Ich sehe ihn mir genauer an. Mia hat recht. Aber da ich im Gegensatz zu ihr keine Klatschblogs lese, hätte ich ihn vermutlich auch ohne seine Baseballmütze nicht erkannt.

»Freut mich, dich kennenzulernen«, sagt Zack und reicht ihr langsam die Hand. Es klingt wie vorhin bei mir, so als meinte er das genaue Gegenteil von dem, was er sagte. Jetzt verstehe ich auch, warum. Vermutlich wollte er nur in Ruhe etwas trinken gehen, ohne erkannt zu werden.

Jake lächelt Mia höflich an, und ich mache die beiden miteinander bekannt.

Zack legt den Kopf leicht auf die Seite und sieht mich an. »Und du hast mich wirklich nicht erkannt?«

Ich schüttle den Kopf, teils, um seine Frage zu beantworten, teils, um das eigentümliche Prickeln abzuschütteln, das seine Stimme in mir ausgelöst hat.

»Ich hatte nicht die geringste Ahnung«, erwidere ich und fühle, wie ich erneut erröte. Ich muss die einzige junge Frau in ganz Amerika sein, die einen Star wie Zack nicht auf den ersten Blick erkennt. In einem von Mias Hochglanzmagazinen war er als Amerikas heißester Bachelor bezeichnet worden, und ich weiß, dass seine Musik cool ist. Ich habe nur seit dem Unfall generell wenig Musik gehört und seine sogar bewusst gemieden. »Sorry.«

Zack lacht und schüttelt wieder den Kopf. »Das braucht es nicht. Ich nehme das als Kompliment.«

»Wieso?« Das klingt unfreundlicher als beabsichtigt, und ich höre Mia neben mir schnauben.

Er beschränkt sich auf ein Achselzucken, und ich sehe, wie Jakes Schultern vor Lachen beben. Schon wieder. Der Kerl muss der glücklichste Mensch auf Erden sein. »Es ist nur … Ich glaube, es hat noch nie jemand versucht, mich dazu zu bringen, ihm einen Drink auszugeben, weil er scharf auf ein neues Paar Schuhe war.«

Mia schnappt hörbar nach Luft. »Du hast es ihnen gesagt? Das zählt nicht!«

Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Tut mir leid«, sage ich entschuldigend, aber dann kommt mir ein Gedanke. »Wusstest du, wer er ist, als du mich auf die beiden angesetzt hast?«

Mia errötet. Sie wird wahrhaftig rot, und diesmal bin ich diejenige, die sich ein Lachen verkneifen muss. Sie schüttelt den Kopf und blickt verlegen auf Zack, immer noch sichtlich eingeschüchtert von seiner Gegenwart. »Das konnte ich auf die Entfernung und mit der Mütze nicht sehen.«

Ich zeige mit dem Daumen auf Mia und wende mich wieder Zack zu, bemüht, die Stimmung wieder aufzulockern. Warum? Keine Ahnung. »Sie hat ein lebensgroßes Poster von dir an der Decke über ihrem Bett.«

Jake lacht, während Mia mich wütend anfunkelt. »Red keinen Blödsinn. Es ist nur ein 15 mal 20 Bild auf der Kommode.« Zack errötet, aber Jake beugt sich mit einem spitzbübischen Funkeln in den Augen vor.

»Dann hast du das Poster gesehen?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich liege nicht so oft in ihrem Bett auf dem Rücken.« Als mir die Zweideutigkeit meines Satzes bewusst wird, spüre ich erneut verräterische Hitze in den Wangen und hoffe, dass niemand das aufgreift. Vergeblich.

»Dann bist du lieber oben.« Ich verschlucke mich an meinem Bier.

Zack gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Idiot.«

»Gott nein … Ich …«, stammle ich. Das Ganze ist mir wahnsinnig peinlich, aber alle anderen amüsieren sich königlich. Und ich muss zugeben, dass ich mich nicht erinnern kann, wann ich das letzte Mal so viel Spaß hatte. Es ist fast wieder wie in den alten Zeiten, und es macht mich glücklich, zu wissen, dass ich wieder unbeschwert sein kann. Gleichzeitig stimmt es mich plötzlich auch traurig, weil es mir vorkommt, als würde ich Mark verraten.

Ich seufze und richte den Blick auf die Bühne. Die Band, die später spielen wird, hat mit dem Aufbau ihres Equipments begonnen. Der heutige Abend ist ein wirklich großer Schritt. Trotzdem bin ich nicht sicher, ob ich ohne die beiden jemals wieder so unbeschwert sein werde wie früher. Ich spüre, dass Mark sich das für mich wünschen würde, aber ich weiß nicht, ob ich das ohne ihn schaffe, oder ob ich es ohne ihn überhaupt schaffen will. Ich komme mir vor wie eine Flipperkugel, hin und her geschleudert zwischen dem Wunsch, in mein altes Leben zurückzufinden, und dem, nach vorn zu schauen und endlich wieder glücklich zu sein. Es fällt mir so verdammt schwer, die Vergangenheit loszulassen, obwohl ich weiß, dass ich es muss, wenn ich eine Zukunft haben will.

»Nic?« Ich zucke zusammen, als Mia mich mit dem Ellbogen in die Seite stößt, und wende mich ihr abrupt zu.

»Wo warst du gerade?«, fragt sie, aber ich schüttle nur den Kopf. Ich war in Gedanken bei einem neuen Leben, aber ich wäre mir albern vorgekommen, wenn ich das vor den anderen ausgesprochen hätte. Ich werfe einen Blick auf Zack und Jake, die mich neugierig mustern.

»Nirgendwo«, entgegne ich und schüttle den Kopf, um meine Gedanken zu klären. »Habe ich was verpasst?«

»Mia hat uns gerade von ihrem Job bei Callies erzählt, und ich habe gefragt, was du arbeitest.«

»Ich bin Fotografin.« Zack entspanntes Lächeln verschwindet, und er runzelt augenblicklich die Stirn.

Eine Fotografin, die ganz zufällig ausgerechnet im gleichen Restaurant abhängt wie er und sich unter einem Vorwand an ihn ranmacht? Das wäre sicher nicht das erste Mal, dass ihm das passiert. Aber ich winke ab, um die fast greifbare Spannung abzubauen, die plötzlich von ihm ausgeht.

»Nicht diese Art von Fotografin.« Ich habe das Bedürfnis, genauer zu erklären, was ich tue, auch wenn ich nicht näher darüber nachdenken möchte, warum es mir so wichtig ist, dass sich Zack in meiner Gegenwart entspannt fühlt. »Ich fotografiere vorwiegend Familien«.

»Wie bist du zum Fotografieren gekommen?«, fragt er argwöhnisch, und ich frage mich ein weiteres Mal, warum mir so viel daran gelegen ist, dass er mir vertraut.

Ich zucke mit den Schultern und bemühe mich, entspannt zu bleiben. Dass mir das gründlich misslingt, erkenne ich daran, dass ich ihm nicht in die Augen sehen kann. »Ich weiß, wie wichtig es ist, Familienerinnerungen festzuhalten.« Das beantwortet nicht direkt seine Frage, und ich sehe seinem fragenden Blick an, dass er durchschaut hat, dass ich ihm ausweiche.

»Ich habe so das Gefühl, dass da eine Story hintersteckt«, sagt er, klingt aber nicht mehr so angespannt. Ich entspanne mich ebenfalls, weil er offensichtlich nicht mehr denkt, ich würde Bilder von ihm noch vor dem Morgengrauen in der Blogosphäre posten.

»Bist du auch Journalist?«, frage ich ihn mit einem neckenden Lächeln und nippe gleich darauf an meinem Bier, während ich überlege, wie ich fortfahren soll. »Es gibt Augenblicke, in denen ein Blick zwischen Eltern und Kind dem jeweils anderen signalisiert ›Mein Herz gehört dir, und du bist für mich das Wichtigste auf der Welt‹. Ich kann Stunden mit Kunden verbringen und auf genau diesen Gesichtsausdruck oder Blick warten. Manchmal passiert es beim Herumtollen im Laub, manchmal beim Überqueren einer Brücke, wenn sie stehenbleiben, um auf den darunterliegenden Fischteich hinabzusehen. Oder wenn Eltern ihr Kind hoch in die Luft werfen, oder wenn das Kind einen Wutanfall bekommt, weil die Schuhe zu eng geschnürt, zu rosa oder zu irgendwas sind. Ich beende ein Shooting nie, bevor ich nicht von allen Beteiligten diesen einen Blick im Kasten habe. Ich möchte diese Augenblicke für die Ewigkeit festhalten.«

»Das klingt unglaublich befriedigend.«

»Das ist es.« Ich lächle bescheiden. Er bedrängt mich nicht weiter, wofür ich dankbar bin, weil er nicht gleich erfahren muss, welchen Ballast ich mit mir herumschleppe und ich das Thema auf keinen Fall zur Sprache bringen möchte. Ich habe schon kurz nach Marks und Andrews Tod gelernt, dass Menschen mir nicht mehr in die Augen sehen, nachdem sie erfahren haben, dass ich mit sechsundzwanzig bereits Witwe bin und mein Kind verloren habe.

»Und was macht ihr beiden in der Stadt?«, frage ich, um das Thema zu wechseln, woraufhin ich erneut Lachsalven ernte, ohne zu wissen, was an meiner Frage so komisch gewesen sein soll.

Mia schüttelt den Kopf. »Du bist echt der Knaller, Nic, ehrlich.« Sie deutet mit der Hand auf die Männer. »Sie geben morgen ein Konzert.«

Oh. Das erklärte vieles. Auf die Gefahr hin, noch dümmer dazustehen, wende ich mich an Jake: »Dann spielst du mit Zack in einer Band?«

Jake neigt den Kopf und will sich schier ausschütten vor Lachen. Ich hätte es wissen müssen.

Zack murmelt etwas, das ich nur halb mitbekomme, aber er sagt etwas von urkomisch. Ich fühle, wie mir brennende Röte ins Gesicht steigt, da offensichtlich ist, dass er mich damit meint.

Er hebt entschuldigend eine Hand. »Das muss dir nicht peinlich sein. Ich find es lustig.«

Er findet meine Ignoranz also unterhaltsam. Ich bin noch nie so stolz gewesen. »Und warum jetzt genau?«, möchte ich wissen, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich die Antwort wirklich hören möchte.

Er schüttelt nur den Kopf, lächelt und nickt in Richtung Jake. »Jake spielt Bass. Und ich finde das Ganze so erfrischend, weil ich schon viel zu lange mit keiner schönen Frau mehr geflirtet habe, die nicht das Geringste von mir weiß.«

Ich beiße die Zähne zusammen, um zu verhindern, dass mir der Unterkiefer herunterklappt. Hat er das wirklich gerade gesagt? Ich muss mich verhört haben, oder er hat Mia gemeint, weil sie nämlich von uns beiden die Attraktive ist. Sie hat den Körper einer Balletttänzerin, ohne etwas dafür tun zu müssen. Ich sehe recht sportlich aus, weil ich viel laufe, und ja, ich würde mich auch als ganz hübsch bezeichnen. Wie das nette Mädchen von nebenan. Aber schön? Ich glaube, außer Mark hat mich noch nie jemand als schön bezeichnet, und es fühlt sich seltsam an, es von einem Fremden zu hören. Ich werfe Mia einen ungläubigen Blick zu, aber sie macht einen hochzufriedenen Eindruck. Wie um alles in der Welt soll ich darauf reagieren?

Ganz einfach. Gar nicht. Stattdessen bestelle ich per Handzeichen bei Pete noch etwas zu trinken, weil mein Mund sich anfühlt, als wäre er voll Watte, und ich nicht sprechen, geschweige denn klar denken kann.

Als ich endlich wieder den Mut aufbringe, Zack anzusehen, zieht er lediglich die Brauen hoch. »Das hast du doch sicher nicht zum ersten Mal gehört.«

Ich schüttle nur stumm den Kopf, immer noch zu benommen, um zu sprechen, und erröte wieder, als er leise lacht.

Jake wirft einen Blick auf die Uhr und stellt sein Glas ab. »Ich gebe ja nur ungern den Spielverderber, aber wir müssen wirklich gehen.«

Zack legt die Stirn in Falten und blickt von mir und Mia zu Jake. Er nickt und stellt ebenfalls sein Bier auf die Theke. Er legt Geld auf den Tresen, schlägt mit der flachen Hand auf die Theke und wendet sich ab, wie um zu gehen. Mitten in der Bewegung hält er inne und dreht sich wieder zu mir um. »Wir müssen zu einem letzten Soundcheck in die Konzerthalle. Habt ihr beiden Lust mitzukommen?« Er schaut Mia an. »Ihr könntet den Rest der Band kennenlernen, und ich besorge euch Eintrittskarten für das Konzert morgen.«

»Klar!«

»Ich kann nicht.«

Zack blickt von einer zur anderen. Mias strahlt vor Begeisterung, während mein Gesicht vermutlich völlig andere Emotionen widerspiegelt. Angst vielleicht?

Mias Züge werden ganz weich, als sie sich mir zuwendet, und ich weiß, dass ich mich zum Idioten mache, weil ich nur wortlos dastehe. In Jack’s Bar zu gehen war eine Sache, aber Zack Walters live spielen zu hören, das ist einfach zu viel.

Sie beugt sich vor und raunt mir zu: »Weißt du noch, was der Zweck des heutigen Abends war?«

Zack schaut verwirrt, und das zu Recht. Ich fluche innerlich, während Mia mich mit Blicken anfleht, Ja zu sagen. Ich kann diesen Augen nicht widerstehen.

Mit einem schwachen Lächeln nicke ich und blicke zu Zack auf. »Also gut, Zack. Das wäre wirklich nett. Vielen Dank«, sage ich ebenso leise, wie Mia vorhin mit mir gesprochen hat.

»Gut.« Seine Augen funkeln ein klein wenig, und er schlägt Jake auf die Schulter. »Darren, unser Fahrer, wartet auf uns. Wenn ihr in zehn Minuten zum Südeingang kommt, lässt er euch rein.«

Er kommt auf mich zu, und ich erstarre und halte krampfhaft meine Bierflasche umklammert, als er sich mit einer beinahe zärtlichen Geste eine Haarlocke von mir um den Finger wickelt. Der Ausdruck in seinen Augen wird weicher, und plötzlich kann ich den Blick nicht mehr von dem hellen Grün abwenden, das jetzt ein wenig dunkler zu sein scheint. Er verzieht einen Mundwinkel zu einem sexy Lächeln, und ich habe so das Gefühl, dass genau dieses Lächeln dafür sorgt, dass ihn auf seinen Konzerten Mädchen reihenweise anschmachten. Zumindest behauptet das Mia. Aber jetzt glaube ich ihr das unbesehen, weil nämlich die Schmetterlinge in meinem Bauch wild flattern, als er auf mich herabsieht. Das heißt, genau genommen fühlt es sich nicht an wie Schmetterlinge, sondern eher wie Affen, die auf einem Trampolin herumspringen. Und das jagt mir eine Heidenangst ein, wenn auch nicht auf eine negative Art, die in mir den Fluchtinstinkt wecken würde. Tatsächlich fühlt es sich sogar so gut an, dass ich mich am liebsten an seine Brust schmiegen würde.

»Dann sehen wir uns gleich?«, fragte er mit so sanfter und ebenso rauer Stimme, dass ich ihn bei der Geräuschkulisse in der Bar kaum verstehe. Mir hat es buchstäblich die Sprache verschlagen, und so nicke ich nur stumm. Zumindest hoffe ich, dass ich das tue, ich bin nämlich so weggetreten, dass ich nicht einmal weiß, ob ich mich überhaupt bewege.

Er lässt meine Haarsträhne los und lacht leise in sich hinein, schenkt dann Mia ein breites Grinsen und winkt. »Bis gleich.«

Immer noch bewegungsunfähig, blicke ich ihm nach.

»O Mann«, flüstert Mia, und ich wende mich ihr zu, wobei mir bewusst wird, dass mein Mund offensteht. »Das war heiß.«

Sie lacht, als sie meinen verdatterten Gesichtsausdruck sieht. »Jetzt erzähl mir nicht, du hättest nicht bemerkt, dass er total auf dich steht. Ich meine, ich weiß ja, dass es bei dir schon eine Weile her ist, aber er hat dich angestarrt wie ein Verdurstender ein Glas Wasser.«

Ich verdrehe die Augen, schüttele den Kopf und versuche zu verstehen, was da gerade passiert ist.

Mia hakt sich bei mir unter, und ich folge ihr nach draußen, immer noch ganz benommen, nicht nur, weil Zack Walters mit mir geflirtet hat … konnte das wirklich sein? Sondern vor allem, weil seine Berührung anders als erwartet bei mir weder Angst noch Unbehagen ausgelöst hat.

Tatsächlich habe ich sie sogar genossen.

Kapitel drei

Nicole

Noch bevor wir die Türen zur Konzerthalle öffnen, spüre ich unter den Füßen das Vibrieren einer Bassdrum. Ich wische mir die feuchten Hände am Rock ab und drücke dann die Fingerspitzen in die Handflächen, in der Hoffnung, der Schmerz könnte mich von meiner Nervosität ablenken. Ich kneife die Augen fest zu und atme geräuschvoll aus.

Mia umfasst meinen Ellbogen mit festem Griff. Ich sehe zu ihr und kann an nichts anderes denken als an meine panische Angst davor, vielleicht den einen Song von ihm zu hören. Gleichzeitig geht mir durch den Kopf, wie leid ich es bin, in dieser ständigen Angst zu leben.

Ich muss das jetzt tun. Wenn ich auch nur ansatzweise den Wunsch hege, ein neues Leben anzufangen und mit der Vergangenheit abzuschließen, muss ich durch diese Türen gehen.

»Du schaffst das«, sagt Mia ermutigend und drückt meinen Arm, während sie mit der anderen Hand nach der Klinke greift. Ich nicke. Ich hoffe es, ich möchte es nämlich.

Als wir durch die Tür treten, klappt mein Unterkiefer herunter. Wenn Mark und ich auf ein Konzert gegangen sind, habe ich die Energie geliebt, die einem entgegenschlägt, wenn man eine Halle mit Tausenden von Menschen betritt und deren Vorfreude auf die bevorstehende Show spürt. Aber als ich jetzt die Halle betrete, auch wenn wir ganz oben auf dem Oberrang sind, an dem am weitesten von der Bühne entfernten Punkt, verschlägt mir der Blick auf die menschenleere Arena den Atem. Ich betrachte die Reihen mit Hunderten von leeren Stühlen vor uns und das rege Treiben unten im Saal, wo Männer schweres Equipment auf Rollen hin und her schieben, und über den Boden Stromkabel zum Lichtkasten ganz in unserer Nähe verlegen. Mir läuft ein Schauer über den Rücken.

Ich habe jahrelang Klavier gespielt und an der Universität von Minnesota einen Abschluss in Musik gemacht, Konzerte und Live-Auftritte vor Publikum sind mir also nicht fremd. Allerdings verblasst meine bislang größte Zuschauerzahl von 500 Personen angesichts dieses Saals. Ich versuche, mir vorzustellen, wie es ist, wenn man als Musiker auf einer solchen Bühne steht, das Gewusel betrachtet und weiß, dass die Sitzreihen in weniger als vierundzwanzig Stunden mit Tausenden von Fans besetzt sein werden, die zu der Musik abgehen, in die man sein ganzes Herzblut gesteckt hat.

Es gelingt mir nicht. Egal, wie sehr ich mich auch anstrenge, es übersteigt bei Weitem mein Vorstellungsvermögen. Doch hier und jetzt spüre ich eine Erregung und eine Energie, die die Erinnerung an Konzerte, die ich besucht oder bei denen ich selbst aufgetreten bin, sowieso überlagern.

Als ich endlich den Blick von den Tausenden von leeren Sitzen lösen kann und Mia ansehe, spiegeln sich meine Emotionen auf ihrem Gesicht.

»Das ist unfassbar«, flüstert sie ehrfürchtig, ehe sie den Blick von mir abwendet und auf die Bühne richtet, wo ein knappes Dutzend Leute rumstehen, sich über Instrumente beugen, Gitarren stimmen und ein paar Beats auf den Drums trommeln. Ich vermute, dass es teils Bandmitglieder sind und teils Roadies. »Dafür hast du echt was gut bei mir.«

»Hmm«, entgegne ich und wische mir erneut den Schweiß von den Handflächen. Das hier ist gleichzeitig unfassbar aufregend und nervenaufreibend.

Ich kann nicht glauben, dass ich das wirklich tue.

Als wir näher kommen, wobei Mias hohe Absätze laut auf dem Boden klackern, sehe ich, wie Zack auf der Bühne einem Mann die Hand auf die Schulter legt. Auch im Profil kann ich erkennen, dass er die Stirn gerunzelt hat, als er den Kopf schüttelt. Er hat seine Baseballmütze abgelegt, und ich sehe, wie er die Hand von der Schulter des Mannes nimmt, sich mit den Fingern durch das Haar fährt und tief ausatmet. Hinterher sieht sein Haar perfekt verwuschelt aus, so wie das nur bei Männerhaar möglich ist. Er wendet sich von dem Mann ab und erstarrt, als er uns sieht.

Seine Lippen zucken leicht, und er grüßt uns mit einem knappen Winken. »Da seid ihr ja.«

»Diese Gelegenheit hätten wir uns um nichts in der Welt entgehen lassen. Nochmals vielen Dank für die Einladung«, sagt Mia aufgekratzt, und ich sehe ihr an, dass sie an sich halten muss, um nicht laut zu jauchzen.

Ich lächle etwas verhaltener, weil ich immer noch mit meiner Angst zu kämpfen habe – auch wenn ich mir die allergrößte Mühe gebe, tapfer zu sein, und es mir wirklich verhasst ist.

Zack sagt etwas zu den Umstehenden, die aufblicken und zu ihm herüberkommen. Ich kann den Blick nicht von ihm abwenden, genauer vom Spiel seiner Armmuskeln, als er sich mit den Fingern durch das Haar fährt. Ich habe so den Verdacht, dass meine Vorbehalte nicht nur mit der Furcht zu tun haben, seine Musik zu hören, sondern vor allem mit ihm selbst.

Noch bevor ich auch nur ansatzweise durchschaut habe, was das alles zu bedeuten hat, springt er von der Bühne und wird sogleich von Jake und zwei anderen Typen umringt. Er macht eine Handbewegung in unsere Richtung. »Darf ich euch die anderen Bandmitglieder vorstellen? Mia, Nicole …« Er legt eine kurze Pause ein und lächelt mir zu. »Chase und Garrett, Schlagzeug und E-Gitarre.«

Chase tritt als Erster vor. Er ist ein wahrer Hüne, riesig und einschüchternd mit einer Brust wie ein Football-Spieler und einer glänzenden Glatze, die zum Teil von einem Kopftuch verdeckt wird, das er um die Stirn trägt.

Würde ich ihm auf der Straße begegnen, würde ich vermutlich die Straßenseite wechseln. Beinahe wäre ich einen Schritt zurückgewichen, als er mir die Hand entgegenstreckt, aber sein breites, freundliches Lächeln mildert den ersten Eindruck.

»Chase. Freut mich.«

Er betrachtet mich mit hochgezogener Braue. »Nicole, richtig?« Ich nicke und drücke seine Hand. »Schön, dich kennenzulernen. Hab schon viel von dir gehört«, sagt er mit einem Grinsen.

»Halt die Klappe«, brummt Zack kaum hörbar und boxt ihn leicht in die Schulter.

Mia an meiner Seite gluckst. Na toll. Ich habe das Gefühl, dass alle ihre Vermutungen bezüglich Zacks Interesse an mir sich gerade bestätigt haben, und alles, was ich mache, ist dazustehen wie ein Idiot, weil mir beim besten Willen keine Erwiderung einfällt. Ich höre Chase an seiner Seite lachen.

Er wendet sich Mia zu, um sie ebenfalls zu begrüßen, und ich brauche mir keine Gedanken mehr über eine passende Erwiderung zu machen, als Jake uns mit Garrett bekannt macht, der uns freundlich und lässig anlächelt und die Hände schüttelt.