Nur ein Leben -  - - Jodi Meadows - E-Book

Nur ein Leben - - E-Book

Jodi Meadows

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Beschreibung

Romantische Fantasy: herzergreifend und wunderschön

Ana ist das Mädchen mit der reinen, neuen Seele. Und das macht sie zur Außenseiterin. Denn jeder in ihrer Welt wurde mehrmals wiedergeboren und kann sich an seine vorherigen Leben erinnern. Doch als Ana geboren wurde, passierte etwas Ungewöhnliches: Eine Seele musste für sie sterben. Weil jeder dies als schlechtes Omen deutet, will niemand etwas mit ihr zu tun haben, niemand außer Sam. Doch plötzlich greifen schreckliche Wesen an. Trägt Ana tatsächlich die Schuld daran? Sie wird es herausfinden müssen, wenn sie in dieser Welt überleben will ...

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Seitenzahl: 444

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Buch

Jeder in Range weiß, wer Ana ist: Ana ist das Mädchen mit der neuen Seele. Etwas, das es noch nie gegeben hat. Jeder andere, den sie kennt, trägt nämlich eine uralte Seele in sich, die immer wiedergeboren wird. Jede Erfahrung und jede Erinnerung aus einem alten Leben bleiben so erhalten. Doch als Ana geboren wurde, passierte etwas Unglaubliches: Eine Seele starb, und Ana wurde mit einer reinen Seele geboren. Was hat das zu bedeuten? Ist es etwa ein schlechtes Omen? Niemand will daher etwas mit Ana zu tun haben, nicht einmal ihre Mutter kann ihre Anwesenheit ertragen. Mit achtzehn ergreift Ana die erste Möglichkeit, um ihr Zuhause zu verlassen. Sie muss herausfinden, warum ausgerechnet sie so anders ist als alle anderen. Daher will sie in die Stadt Heart, in das Zentrum allen Wissens, aber auf dem Weg dorthin wird sie beinahe von merkwürdigen Geisterwesen getötet. Erst in letzter Sekunde wird sie gerettet – von Sam. Ana muss herausfinden, was vor sich geht, bevor auch Sam sich von ihr abwendet und die Welt, wie sie sie kennt, in Schutt und Asche liegt …

Autorin

Jodi Meadows lebt im Shenandoah Valley, Virginia, zusammen mit ihrem Ehemann, einer Katze und einer alarmierenden Anzahl von Frettchen. Schon lange ist sie ein überzeugter Bücherwurm und wollte eigentlich schon immer Schriftstellerin sein, spätestens aber, seitdem sie sich dagegen entschieden hatte, Astronautin zu werden. Weitere Informationen unter www.jodimeadows.com.

Inhaltsverzeichnis

BuchAutorinWidmungDreihundertdreißigstes Jahr der Lieder, dritte WocheKAPITEL 1 - SchneeKAPITEL 2 - WasserKAPITEL 3 - SylphenKAPITEL 4 - FeuerKAPITEL 5 - HonigKAPITEL 6 - SchmetterlingKAPITEL 7 - MauernKAPITEL 8 - LiedKAPITEL 9 - RepriseKAPITEL 10 - LeidenschaftKAPITEL 11 - TanzKAPITEL 12 - FreundeKAPITEL 13 - GesichterKAPITEL 14 - WiedererkennenKAPITEL 15 - MarktKAPITEL 16 - SäureKAPITEL 17 - SchritteKAPITEL 18 - VergangenheitKAPITEL 19 - MesserKAPITEL 20 - SeideKAPITEL 21 - MaskeradeKAPITEL 22 - FlügelKAPITEL 23 - GewitterKAPITEL 24 - BesessenheitKAPITEL 25 - In der FalleKAPITEL 26 - UnmöglichesKAPITEL 27 - RatssprecherKAPITEL 28 - ZornKAPITEL 29 - DunkelheitKAPITEL 30 - Nach dem AngriffDANKSAGUNGCopyright

Für meine Mom,die mich ermutigt hat, meinen Träumen zu folgen,und die nie ausgeflippt ist,wenn ich sie angerufen und gefragt habe,wie man Gehirnerschütterungen, gebrochene Gliederoder Verbrennungen zweiten Grades kuriert.

Dreihundertdreißigstes Jahr der Lieder, dritte Woche

Was ist eine Seele anderes als ein Bewusstsein, das wieder und wieder geboren wird?

Dank unserer neuen Technik wissen wir, dass eine Seele als eine Serie von Oszillationen identifiziert werden kann. Die Seelenkundler können diese Schwingungen mit ihren Maschinen messen. Die Sequenz jeder Seele ist einzigartig. Und sie bleibt immer gleich, unabhängig davon, wie die körperlichen Reinkarnationen beschaffen sind. Ich bin hundertmal wiedergeboren worden, und ich erinnere mich an jedes einzelne Leben.

Seelen sind Empfindung, sie sind das Wesen, das in einem neuen Körper geboren wird, wenn der alte stirbt.

Es hat immer eine Million Seelen gegeben, aber jetzt sind wir nur noch eine Million minus eins. Vor fünf Jahren verdunkelte sich in der Nacht, in der Ciana starb, der Tempel schlagartig. Als Li heute Abend unsere Tochter gebar, erwarteten wir Cianas Reinkarnation. Stattdessen wurden Wahrheiten, auf die wir unsere Gesellschaft gegründet hatten, unwiderruflich erschüttert.

Seelenkundler nahmen die Hand des Neugeborenen, drückten sie auf den Seelenscanner und suchten in der Datenbank nach einer Übereinstimmung mit der aufgenommenen Sequenz von Schwingungen.

Es wurde keine Übereinstimmung gefunden. Diese Seele war noch nie zuvor geboren worden. Woher kam sie also? Was ist mit Cianas Seele geschehen? Ist sie ersetzt worden? Könnten auch andere ersetzt werden?

Ist diese neue Seele überhaupt real?

Menehems persönliches Tagebuch

KAPITEL 1

Schnee

Ich bin nicht wiedergeboren.

Als ich begriff, wie sehr mich das von allen anderen unterschied, war ich fünf. Es war die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche im Jahr der Seelen, die Seelennacht, in der sich die Leute erzählen, was sie vor drei Leben gemacht haben. Vor zehn Leben. Zwanzig. Kämpfe gegen Drachen, die Entwicklung der ersten Laserpistole und der vier Leben währende Versuch von Cris, eine Rose in reinstem Blau zu züchten, nur um dann von allen zu hören, sie sei purpurn.

Niemand machte sich die Mühe, mit mir zu reden, daher sprach ich kein Wort – kein einziges –, hörte jedoch gut zu. Sie hatten alle schon einmal gelebt, hatten gemeinsame Erinnerungen, hatten Leben, auf die sie sich freuen konnten. Sie tanzten um die Bäume und das Feuer, tranken, bis sie vor Lachen umfielen, und als es Zeit war, den Dank für die Unsterblichkeit zu singen, schauten einige zu mir herüber, und auf der Lichtung herrschte eine so unheimliche Stille, dass man den meilenweit entfernten Wasserfall auf die Felsen donnern hörte.

Li brachte mich nach Hause, und am nächsten Tag besann ich mich auf alle Wörter, die ich kannte, und bildete einen Satz. Alle anderen erinnerten sich an hundert frühere Leben. Ich konnte das nicht und musste wissen, warum.

»Wer bin ich?« Meine ersten gesprochenen Worte.

»Niemand«, sagte sie. »Eine Seelenlose.«

Ich ging fort.

Es war mein achtzehnter Geburtstag, nur wenige Wochen nach der Jahreswende.

Li sagte: »Gute Reise, Ana«, doch ihre Miene war versteinert, und ich bezweifelte, dass sie es aufrichtig meinte.

Das Jahr der Dürre war das schlimmste meines Lebens gewesen, voll aufgestautem Zorn und Ärger. Das Jahr des Hungers hatte nicht viel besser begonnen, aber jetzt war mein Geburtstag, und ich hatte einen Rucksack voller Verpflegung und Ausrüstung und die Aufgabe herauszufinden, wer ich war und warum ich existierte. Die Möglichkeit, den feindseligen Blicken meiner Mutter zu entkommen, war ein positiver Nebeneffekt.

Ich sah über die Schulter zum Purpurrosenhaus zurück, wo Li, groß und schlank, vor der Tür stand. Zwischen uns wirbelten Schneeflocken.

»Auf Wiedersehen, Li.« Mein Abschied gefror wie Nebel in der kalten Luft, als ich den Rucksack schulterte. Es war Zeit, dieses abgelegene Haus zu verlassen und die anderen kennen zu lernen. Von seltenen Besuchern abgesehen kannte ich niemanden außer meiner schlangenherzigen Mutter. Der Rest der Bevölkerung lebte in der Stadt, in Heart.

Der Gartenpfad wand sich zwischen den reifbedeckten Tomatenranken und Kürbissen den Hügel hinab. Ich zog den Wollmantel enger um mich, während ich die Frau zurückließ, die mich zur Strafe jedes Mal tagelang hungern ließ, wenn ich eine Pflicht nicht richtig erfüllt hatte. Von mir aus durfte es das letzte Mal sein, dass ich sie sah.

Unter meinen Stiefeln knirschten Kies und Eis. Ich behielt die Fäuste in den Taschen und biss die Zähne gegen die Kälte zusammen. Lis durchdringender Blick verfolgte mich den ganzen Weg den Hügel hinunter, stechend wie die Eiszapfen, die vom Dach hingen. Es spielte keine Rolle. Ich war jetzt frei.

Am Fuß des Hügels wandte ich mich nach Heart. In der Stadt würde ich meine Antworten finden.

»Ana!« Li winkte auf der Türschwelle mit einem kleinen Metallgegenstand. »Du hast den Kompass vergessen.«

Ich stieß einen Seufzer aus und stapfte wieder zurück. Sie würde ihn mir nicht bringen, und es überraschte mich nicht, dass sie gewartet hatte, bis ich unten am Fuß des Hügels war, bevor sie mich an meine Nachlässigkeit erinnerte. Als ich zum ersten Mal meine Tage bekommen hatte, war ich aus der Toilette gerannt und hatte geschrien, dass ich verblute. Sie hatte gelacht und gelacht, bis ihr klar geworden war, dass ich tatsächlich gedacht hatte, ich würde sterben. Daraufhin war sie erst recht in schallendes Gelächter ausgebrochen.

»Danke.« Der Kompass schmiegte sich in meine Hand, und ich steckte ihn in meine vordere Tasche.

»Nach Heart sind es vier Tage nach Norden. Sechs bei diesem Wetter. Verlauf dich nicht, denn ich werde dich nicht suchen gehen.« Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu und schnitt den warmen Luftstrom von der Heizung ab.

Verborgen vor ihren Blicken streckte ich ihr die Zunge heraus, dann berührte ich die geschnitzte Rose in der Eichentür. Dies war das einzige Zuhause, das ich je gekannt hatte. Nach meiner Geburt hatte Menehem, Lis Geliebter, unser Reich verlassen. Die Demütigung, eine seelenlose Tochter zu haben, war zu groß gewesen, als dass er hätte bleiben können, und Li hatte mir die Schuld gegeben – an allem. Sie hatte sich nur deshalb um mich gekümmert – oder etwas in der Art –, weil der Rat sie dazu gezwungen hatte.

Danach – noch immer verletzt und gekränkt von Menehems Verschwinden – war sie mit mir ins Purpurrosenhaus gezogen, das ebenfalls verlassen worden war. Sein Name stammte aus der Zeit, als Cris dort Rosen züchtete, die niemand außer ihm selbst als blau bezeichnete. Sobald ich alt genug gewesen war, hatte ich Stunden damit verbracht, die Rosen wieder dazu zu bringen, dass sie den ganzen Sommer über blühten. Meine Hände waren immer noch vernarbt von ihren Dornen, aber ich wusste, warum sie sich so gut schützten.

Ein zweites Mal wandte ich mich ab und trottete den Hügel hinunter. In der Stadt würde ich den Rat um Zeit in der großen Bibliothek bitten. Es musste einen Grund dafür geben, dass ich geboren worden war, nachdem fünftausend Jahre lang immer dieselben Seelen wiedergeboren worden waren.

Der Vormittag schritt voran, aber die Kälte ließ kaum nach. Schneeverwehungen säumten die kopfsteingepflasterte Straße, und ich hinterließ Spuren in der weißen Schicht, die sich seit der Nacht neu gebildet hatte. Ab und zu raschelten Streifenhörnchen und Eichhörnchen in den vereisten Zweigen oder huschten die Tannen hinauf, aber meist war es still. Selbst der Elchbulle, der mit der Schnauze im Schnee wühlte, gab keinen Laut von sich. Man hätte meinen können, ich sei der einzige Mensch im Reich.

Ich hätte vor meinen Quindec fortgehen sollen, meinem fünfzehnten Geburtstag und – für normale Menschen – dem Tag, an dem man körperlich erwachsen ist. Normale Menschen verließen ihre Eltern, um diesen Geburtstag mit Freunden zu feiern, aber ich hatte keine Freunde, und ich hatte gedacht, dass ich länger brauchen würde, um die Fähigkeiten zu erlernen, die jeder andere seit Jahrtausenden beherrschte. Es geschah mir recht – warum hatte ich Li auch immer geglaubt, wenn sie mich als dumm bezeichnete?

Diese Chance würde sie nie wieder bekommen. Am Ende der Straße, die vom Haus wegführte, zog ich den Kompass hervor und schlug den Weg Richtung Norden ein.

Die vertrauten Bergwälder im Süden des Reiches waren ungefährlich; Bären und andere große Säugetiere ließen mich in Ruhe, und ich sie ebenfalls. Ich hatte meine Jugend damit verbracht, Muscheln und Mineralien zu sammeln, die nach Jahrhunderten wieder an die Erdoberfläche gelangt waren. In den Büchern stand, dass der Endsee sich vor tausend Jahren in den Regenzeiten bis hierher nach Norden ausgedehnt hatte und dass man hier deswegen heute auf Schatzsuche gehen konnte. Der See wurde so genannt, weil er die südliche Grenze des Reiches bildete.

Ich machte keine Pause, sondern aß im Gehen einige der schrumpeligen Äpfel aus dem Keller und hinterließ eine Spur von Kerngehäusen für den glücklichen Finder. Als mein Hunger gestillt war, zog ich mir den Hemdkragen über die Nase und ließ meinen Atem über Lippen und Wangen streichen. Die Brust und den Hals gewärmt sang ich Unsinn über Freiheit und Natur. Meine Schritte hielten den Takt, und ein Adler stimmte mit seinen Rufen ein.

Ich hatte nie richtigen Musikunterricht gehabt, aber ich hatte einige Bücher darüber aus der Bibliothek unseres Hauses gestohlen und auch ein paarmal Aufnahmen von Dossam, dem meistgefeierten Musiker im Reich. Ich hatte mir seine – manchmal ihre – Lieder gut gemerkt, falls Li meinen Diebstahl entdeckte. Die Schläge war es wert gewesen.

Allmählich sank die trübe Sonne dem Horizont entgegen. Die verschneiten Gipfel zu meiner Rechten wurden bereits schwarz. Seltsam, denn ich ging nach Norden. Die Sonne hätte also links von mir untergehen müssen.

Vielleicht hatte sich die Straße um einen Hügel herumgewunden, und ich hatte es nicht bemerkt. Aber als ich meinen Rucksack auf dem Kopfsteinpflaster abstellte und auf eine Pappel kletterte, um mir etwas Übersicht zu verschaffen, bewahrheitete sich meine Vermutung nicht. Die Straße führte keineswegs in einem Bogen zurück in die entgegengesetzte Richtung. Sondern sie zog sich, soweit ich es in dem Dämmerlicht erkennen konnte, wie eine Schneise geradlinig durch Fichten und Kiefern, direkt am Endsee vorbei.

Also hatte Li mich hereingelegt.

»Ich hasse dich!«, schrie ich, warf den Kompass auf den Boden und kniff die Augen fest zusammen, nicht sicher, auf wen ich wütend sein sollte. Auf Li, die mir einen schlechten Kompass gegeben hatte, oder auf mich selbst, weil ich ihr eine kleine Geste der Freundlichkeit überhaupt zugetraut hatte.

Ich war einen ganzen Tag umsonst gelaufen und würde einen weiteren Tag für den Rückweg benötigen, aber zumindest hatte ich es bemerkt, bevor ich die Grenzen des Reiches überschritten hatte. Das Letzte, was ich brauchte, war eine Begegnung mit einem Kentauren – durchaus möglich so weit im Süden – oder einem der Sylphen, die die Grenzen des Reiches unsicher machten. Für gewöhnlich kamen sie dank der Wärmefallen, die überall im Wald aufgestellt waren, nicht herüber, aber als Kind hatte ich oft von ihnen geträumt und Zweifel gehegt, ob die Schatten und die Wärme wirklich nur Alpträume waren.

Wie auch immer. Li würde nie von ihrem Sieg erfahren, wenn ich es ihr nicht erzählte.

Dunkelheit senkte sich über den Wald, als ich von der Pappel kletterte, nur dünnes Mondlicht drang durch die Wolken. Ich durchwühlte den Rucksack, bis meine Hand sich um die Taschenlampe schloss, drehte ein-, zweimal kurz am Griff und schlug in ihrem weißen Licht ein Lager auf. Gleich neben der Straße plätscherte ein Bach, und dicke Nadelbäume schützten eine Lichtung, die kaum groß genug für meinen Schlafsack war.

Ich schob etwas Schnee beiseite und legte den Schlafsack auf den Boden. Er ging mir bis über den Kopf und ließ genug Bewegungsfreiheit. Ich hatte kein Zelt und brauchte auch keins, es würde zu lange dauern, bis es darin warm geworden war, da Li mir kein Heizgerät mitgegeben hatte. Nicht, dass ich so viel Anstand erwartet hätte. Trotzdem wurde mir im Schlafsack bald so warm, als wäre ich im Purpurrosenhaus.

Vielleicht konnte ich für immer in der Wildnis des Reiches leben, wenn ich erst einmal wusste, woher ich gekommen war und ob ich wiedergeboren werden würde. Ich brauchte niemanden sonst.

Gedämpft summte ich die Melodie meiner Lieblingssonate, bis meine Augen schwer wurden.

»Sch.«

Ich war mit einem Schlag hellwach und erstarrte. »Hscht.«

Von der anderen Seite des Baches kam ein tiefes Stöhnen. Es waren jedoch keine Schritte zu hören, unter denen Zweige knackten, kein Rascheln in den Ästen. Alles war still, bis auf das Rauschen des Wassers. Und das Flüstern.

Das Gemurmel dauerte an. Jemand anders hatte anscheinend beschlossen, hier sein Lager aufzuschlagen, und dabei irgendwie meinen Schlafsack übersehen.

Schön. Dann würde ich eben gehen. So kurz nach Li war ich für andere Menschen noch nicht bereit. Sie hatte immer gesagt, die Leute würden mich nicht mögen, weil ich war, was ich war, und ich wollte niemandem erklären, warum ich mich am Rande des Reiches befand. Das Gebiet der Menschen erstreckte sich zwar weithin, aber die meisten hatten sich in Heart vergraben, und jetzt musste sich ausgerechnet hier jemand niederlassen.

Die Geräusche der Eindringlinge veränderten sich nicht, als ich aus dem Schlafsack hinausrobbte, meinen Mantel anzog und all meine Habseligkeiten in den Rucksack stopfte. Die Jahre, in denen ich es vermieden hatte, Lis Aufmerksamkeit zu erregen, waren also doch zu etwas nütze gewesen.

Jemand stöhnte. Jetzt wollte ich wirklich hier weg.

Im Schein des Mondlichts kroch ich auf die Straße zu. Es war gerade hell genug, um Bäume und Unterholz zu erkennen. Doch keine Spuren von meinen Besuchern. Ich musste für eine ganze Weile geschlafen haben, denn der Himmel war klar und schwarz, von Sternen wie mit einer feinen Schneedecke überzogen. Äste knarrten im Wind.

»Sch.« Das Geflüster folgte meinem Rückzug.

Mit klopfendem Herzen machte ich die Taschenlampe an und schwenkte den Lichtstrahl dorthin, wo das Wasser über die Steine plätscherte. Schnee, Erde und Schatten. Nichts Ungewöhnliches, von körperlosen Stimmen abgesehen.

Soweit ich wusste, gab es nur ein Wesen, das sich bewegte, ohne die Welt zu berühren. Sylphen.

Meine Lunge brannte von der eisigen Luft, als ich über knirschenden Schnee die Straße entlangrannte. Aus Stöhnen wurde Kreischen und Gelächter. Die Hitze in meinem Nacken mochte aus dem Schrecken geborene Einbildung sein, doch die Sylphen holten auf. Einen Kratzer ihrer glühenden Berührung würde ich überleben, aber alles, was darüber hinausging, würde mich töten.

Es gab zwar Möglichkeiten, sie lange genug gefangen zu halten, um sie tief in die Wildnis zu bringen, aber mir fehlten die Mittel dazu. Und es war unmöglich, einen Schatten zu töten.

Während ich weiterhastete, schlugen mir Zweige ins Gesicht, Dornen hielten meinen Mantel fest. Ich riss mich jedes Mal los und lief tiefer in den Wald hinein. Nur das Zischen verriet, wie nahe die Sylphen waren.

Meine Augen tränten in der eisigen Luft, und die Taschenlampe wurde bereits schwächer, es war Lis alte Ersatzlampe. Meine Brust brannte vor Angst und Kälte, und ich hatte Seitenstechen. Das Heulen der Sylphen klang wie der pfeifende Wind in einem Sturm und kam immer näher. Eine Flammenzunge erreichte meine ungeschützte Wange. Ich schrie auf und versuchte, noch schneller voranzukommen, und prompt verfing sich mein Rucksack in dem Gewirr der Zweige. Wie sehr ich auch daran zog und zerrte, ich bekam ihn nicht frei.

Der Schnee schmolz unter den Sylphen, als sie einen dunklen Kreis aus schauerlichen Geräuschen und Wind bildeten. Schwarze Ranken wanden sich auf mich zu, und die Verbrennung auf meiner Wange schmerzte.

Ich zog die Arme aus den Rucksackgurten und schoss zwischen den Schattenwesen hindurch. Die Hitze traf mich im Gesicht wie aus einem Backofen. Sie kreischten und verfolgten mich, aber ich konnte mich nun freier bewegen. Bäume, Gestrüpp, umgestürzte Baumstämme. Ich rannte, schlug Haken und konzentrierte mich darauf, an dem nächsten Hindernis vorbeizukommen, statt an den Schnee und die Kälte zu denken oder an den feurigen Tod, der mich jagte.

Vielleicht konnte ich sie zu einer der Sylphenfallen führen, aber ich wusste nicht, wo sie waren. Ich wusste nicht einmal, wo ich war.

Die Taschenlampe ging aus. Ich klopfte und drehte den Griff, bis in dem trüben Licht wieder Schnee und Bäume zu erkennen waren.

Die Sylphen heulten und stöhnten und kamen näher, als ich einer schneebedeckten Tanne auswich. Ich spürte einen Hitzeschwall im Nacken, sprang über einen Baumstamm und rutschte auf einen Felsrand über dem See zu. Um nicht hinunterzustürzen, warf ich mich auf die Knie. Meine Taschenlampe hatte weniger Glück als ich und fiel in die Tiefe. Ein – zwei – drei Sekunden. Ein tiefer Fall.

Ein Windstoß wehte vom See herüber, als ich wieder auf die Füße kam. Die Sylphen verharrten am Waldrand, sieben oder acht Geschöpfe aus Schatten und Rauch, die doppelt so groß waren wie ich. Der Schnee schmolz unter ihnen, als sie vorwärtsglitten und ich zwischen ihnen und dem Abgrund des Endsees in der Falle saß.

Ihre Rufe kündeten von Zorn und Hoffnungslosigkeit, von ewig brennendem Feuer.

Ich warf einen Blick über die Schulter. Der See hinter mir war eine einzige dunkle Fläche, aus der nichts hervorstach. Falls es Felsen oder Eisschollen gab, konnte ich sie nicht sehen. Ertrinken wäre ein besseres Ende, als für Wochen oder Monate im Sylphenfeuer zu brennen.

»Ihr kriegt mich nicht.« Ich drehte mich um und sprang von der Klippe. Der Tod würde schnell und kalt sein, ich würde nichts spüren.

KAPITEL 2

Wasser

Ein Schrei verhallte. Meiner.

Ich holte tief Luft und schlug die Hände über Mund und Nase. Wasser schoss mir in die Stiefel, an mir hinauf und über das Gesicht. Der Druck presste mir den Atem aus der Lunge. Mein Mantel saugte sich voll und zog mich in die Tiefe.

Fäustlinge sind keine Flossen, und meine Stiefel waren zu schwer zum Wassertreten. Als ich mich nach oben kämpfte, war ich taub vor Kälte und spürte kaum die Eisklumpen, gegen die ich mit wild rudernden Armen und Beinen stieß. Unter Wasser schien die Schwerkraft in jede Richtung zu wirken, aber als ich noch glaubte, weiter nach unten gezogen zu werden, schnitt mir plötzlich ein eisiger Wind ins Gesicht.

Ich spuckte Wasser und schnappte nach Luft. Ich versuchte, mich ans nächste Ufer zu ziehen, doch ich konnte in der schweren, vollgesogenen Kleidung nicht die Arme heben. Das Gewicht zog mich abermals unter Wasser und ließ mir nur Sekunden, um die Lunge zu füllen.

Wie sehr ich mich auch bemühte, ich konnte den Weg zurück an die Oberfläche nicht finden. Ich klammerte mich an einen Eisbrocken, um mich daran hochzuziehen, doch stattdessen wurde ich herumgerissen. Ein heller Schimmer zog meinen Blick auf sich: die Taschenlampe, die auf den Grund sank, den ich nicht sehen konnte.

Ich hielt den Mund fest geschlossen, aber meine Brust verkrampfte sich, als meine Lunge nach frischer Luft verlangte, wo keine war. Wenn mich die Kälte nicht vorher umbrachte, würde es das Wasser tun.

Meine Gedanken vereisten und zersplitterten. Ich hörte meinen Pulsschlag in den Ohren, der vor Kälte und Sauerstoffmangel immer langsamer wurde. Wie sehr ich auch versuchte, nach oben zu gelangen, ich konnte dieses Oben nicht , und ich konnte meine Arme nicht dazu bringen, sich zu bewegen. Das Wasser wurde dunkler, während ich meiner Taschenlampe auf den Grund des Sees folgte.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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