Oberwelt - Annabelle Laprell - E-Book

Oberwelt E-Book

Annabelle Laprell

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Beschreibung

Als „Versuchskaninchen“ von einer illegalen Institution missbraucht, werden Silas und seine Freunde schon ihr ganzes Leben in einem engen Raum gefangen gehalten. Jeden Tag werden an der sechsköpfigen Gruppe Experimente durchgeführt, durch die die Wissenschaft vorangetrieben werden soll. Immer wieder müssen die Jugendlichen dabei um ihr Leben bangen. Trotz der bedrückenden Situation in ihrem „Gefängnis“ findet Silas, besonders mit seiner besten Freundin Emmeline, Augenblicke der Hoffnung. Plötzlich taucht der junge Barney auf, Weltverbesserer und Mädchenschwarm, der den Teenagern helfen möchte, zu fliehen. Silas entdeckt währenddessen tiefere Gefühle für seine Freundin und Mitgefangene Gracie. Doch wie soll sich der Wunsch nach Freiheit erfüllen, wenn mit Machtdemonstrationen in diesem technisch raffinierten Raum versucht wird, genau das zu verhindern? Willst du den Rest deines Lebens hier in diesem kleinen und grauen Raum verbringen, während die Oberwelt schon auf dich wartet?

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Oberwelt

Ein dystopischer Roman

Annabelle Laprell

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Impressum:

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet:

www.papierfresserchen.de

© 2023 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Taschenbuchausgabe erschienen 2019.

Bearebitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

Cover gestaltet mit Bildern von © Fiona Möhle

ISBN: 978-3-86196-843-6 - Taschenbuch (2019)

ISBN: 978-3-96074-687-4 - E-Book

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Inhalt

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Danksagung

Autorin

Unser Buchtipp

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„In another moment down went Alice after it, never once

considering how in the world she was to get out again.“

Lewis Carroll, Alice's Adventures in Wonderland

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1

Plopp … Plopp, Plopp … Plopp … Plopp, Plopp, Plopp … Ich warf den Flummi gegen die Wand der Toilettentür. Es war ein blauer Flummi. Er war etwa so groß wie eine Aprikose. Wie lange ich keine Aprikose mehr gegessen hatte …

Aber der Flummi war nicht nur blau, sondern besaß auch braune, unförmige Flecken. Außerdem hatte er eine kleine, weiße Aufschrift: Earth. Ich hatte mir schon oft und stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, was dieses Wort bedeuten könnte – und hatte es erst durch ein Buch herausgefunden.

Ich saß also vor der Toilettentür und ließ den Flummi dagegen knallen. Jeder von uns hatte im Laufe der Jahre einen anderen Weg gefunden, um mit unserer Situation klarzukommen. Und meine Variante war wohl die unproduktivste. Aber dieses Plopp erinnerte mich jeden Tag daran, dass unser Albtraum irgendwann vielleicht wie eine Seifenblase zerplatzten würde. Ich gab die Hoffnung nicht auf.

Meine beste Freundin Emmeline konnte unglaublich gut zeichnen. In ihrem Schrank hatte sie viele Skizzenbücher, die sie von unserem Leben ablenkten. Es waren Zeichnungen, die mir sagten, dass es sich lohnte, weiterzuleben. Sie stellten dar, was wir uns erhoffen, erträumen. Aber wir wussten nicht wirklich, was uns draußen erwartet. Wir nannten es Oberwelt. In Emmelines Zeichnungen konnte ich mich fallen lassen. Dann gab es aber natürlich auch die Bilder, die ihre Ängste zeigten – die Hoffnung, die wir nicht aufgaben, aber die doch jeden Tag schwächer wurde. Jedenfalls war das Zeichnen Emmelines Gabe, um diesem Raum einige Stunden entfliehen zu können.

Angelo hingegen würde niemals einen Stift in die Hand nehmen. Er wollte unser Leben durch körperliches Training verdrängen. Und das sah man auch. Wahrscheinlich konnte man die Liegestütze und Kniebeugen, die er am Tag machte, gar nicht zählen. Seine Oberarme sahen aus wie Bälle, die kurz vor dem Platzen waren.

Dann gab es noch Gracie in unseren Reihen. Sie sang den ganzen Tag. Ich vermutete, dass dadurch ihr Gefühl der Leere nicht mehr so laut war. Wirklich! Manchmal dachte ich, dass sie sich sogar selbst in den Schlaf sang. Gracie hatte eine wirklich wundervolle Stimme, aber dies war nicht der einzige Grund, warum wir sie nie anbettelten, aufzuhören.

In unserem Raum gab es das ungeschriebene Gesetz, den anderen das tun zu lassen, was er brauchte, um hier klarzukommen. Aber das galt natürlich nicht für nervige Angewohnheiten.

Gracie hatte übrigens wunderschöne, braune Augen. Ihre Haut sah aus wie Cappuccino, den hier nur unsere Betreuer bekamen. Außerdem mochte ich ihre Haare, weil die so anders waren, als die der anderen Mädchen. Meine beste Freundin Emmeline hatte eine kurze, schwarze Frisur, die aber manchmal gar nicht so kurz war, weil es eine Seltenheit war, dass wir eine Schere in die Hand bekamen.

Ich war mir sicher, dass ich Angelo als Freund wahrnahm, dagegen war Collin für mich schon immer ein unbeschriebenes Blatt Papier. Er war ein schweigsamer Mensch, der immer still einfach nur so dasaß. Ich wusste zudem herzlich wenig über ihn. Wenn mich jemand gefragt hätte, was ich über Collin sagen konnte, hätte ich geantwortet: „Collin duscht sehr lange.“

Die Letzte in unserer Familie war Mary. Sie las unglaublich viele Bücher. Ich war überzeugt davon, dass Mary aber auch die Zickigste von uns war. Sie konnte sich mit Büchern in andere Welten begeben. Mary war blond und hatte ein wenig Ähnlichkeit mit Susanna, eine unserer Betreuerinnen.

Wir waren also sechs Leute. Da fragte man sich sicherlich, wieso dann acht Wasserspender in die Wand gelassen waren. Es hatte wohl mal noch ein Mädchen gegeben, an das ich mich aber nicht mehr erinnern konnte, geschweige denn an seinen Namen. Das Mädchen war sehr früh gestorben.

Dagegen konnte ich mich sehr gut an Yannick erinnern, denn er war mein bester Freund und immer sehr lustig gewesen. Doch irgendwann (es musste ungefähr fünf Jahre her sein) war Yannick abgeholt worden. Sie hatten uns gesagt, dass Yannick „in den Urlaub dürfe“. Aber er war nie zurückgekommen.

Ich dachte viel über ihn nach. Wo er war, wie ihm sein Urlaub gefiel und wann er zurückkommen würde. Doch tief in meinem Herzen wusste ich, dass er nicht im Urlaub war. Und ich wusste auch, dass selbst, wenn er im Urlaub wäre, es dort wahrscheinlich besser war, als hier.

Plopp, Plopp. Es regnete. Wir hatten ein Fenster an der Wand unserer Schränke. Ich wusste nicht, wie lange ich geglaubt hatte, dass man durch das Fenster – wie in den Büchern – wirklich hinaussehen konnte. Heute wusste ich, dass es sich nur um einen Bildschirm handelte, der helfen sollte, uns abzulenken. Das Teil musste etwas Ähnliches wie ein Fernseher sein. Neben dem Fenster war ein Knopf. Wenn man ihn drückte, hörte man passende Geräusche zu dem Bild, das man sah. Dies konnte das Prasseln des Regens oder das Heulen des Windes sein. Manchmal gab es auch ein Zwitschern.

Wir hatten erst durch eines der Bücher, das Mary gelesen hatte, herausgefunden, dass es sich dabei um ein Geräusch handelte, dass sogenannte Vögel machen.

Bücher gaben uns nicht nur Wissen. Sie hatten uns auch unsere Namen gegeben. Wir trugen hier alle eigentlich nur eine Erkennungsnummer. Doch eine Erkennungsnummer und ein Name – das war nicht dasselbe. Meine Erkennungsnummer konnte ich auswendig: A275683. Und mein Name war Silas. Inzwischen wusste ich nicht mehr, aus welchem Buch ich ihn mir ausgesucht hatte, aber ich war immer noch sehr glücklich mit meiner Wahl.

Ich hatte auch erfahren, dass sich die Menschen die Namen eigentlich nicht selbst gaben. Sonst würde Jusie nicht so oft über ihren Namen meckern, wobei ich fand, dass er gut zu ihr passte. Zu den Erkennungsnummern gab es eigentlich nicht viel zu sagen. Sie waren auf dem linken Unterarm zu finden. In schwarzer Schrift. Und ich verstand immer noch nicht, wieso sie beim Duschen nicht abgingen.

Das Seltsame war, dass alle unsere Nummern mit einem A anfingen. Nur nicht die von Gracie. Sie begann mit einem C. Und ich kannte nur eine Person, deren Nummer auch mit einem C begonnen hatte. Das war Yannicks Nummer gewesen.

Ich hoffte insgeheim für Gracie, dass sie irgendwann auch in den Urlaub durfte. Und ich wusste, dass sie Angst hatte, abgeholt zu werden. Ich konnte es in ihren großen, schönen Augen sehen. Denn keiner von uns wusste, wo das wirklich war – draußen. Außerhalb des Raumes kannten wir uns nicht aus.

Unser Raum – das war unsere Welt.

Sonst gab es eigentlich nicht viele Regeln in unserem Leben. Unser Raum war wohl nicht größer, als ein Klassenraum. Das hatte Jusie gesagt, als sie diesen Raum vor ungefähr acht Jahren das erste Mal betreten hatte. Denn natürlich kamen ab und zu Leute zu uns, Jusie war eine von ihnen. Ohne diese Besuche wären wir sicherlich längst gestorben. Ich mochte Jusie von allen Besuchern oder Betreuern am liebsten. Sie war nett und freundlich. Ihr Haar waren lockig und sah aus wie Zuckerwatte. Sie schminkte ihr Gesicht meist weiß mit stechenden Farben. Sie steckte verrückte Schleifen in ihre Haare. Außerdem war sie zusammen mit Heinz Heermann die Einzige, die uns mit unseren Namen ansprach. Sie sagte dann immer: „Ach Kindas.“ Ich wusste, dass sie uns mochte.

Unsere anderen Besucher waren ein eher nicht so fröhlicher Anblick. Es gab da noch einen Mann. Er trug immer einen Anzug und sein Blick ging ins Leere, als wäre er in diesem Raum gefangen und nicht wir. Er verlangte von uns, dass wir ihn „Mr X“ nannten. Das hatte er sicherlich einmal in einem Buch gelesen. Er und Susanna wollten, dass wir den Blick auf den Boden gerichtet hielten und sie nicht unnötig ansprachen, wenn sie bei uns waren. Das konnte sehr anstrengend sein. Susanna war so blass, dass es wahrscheinlich durch sie hindurchleuchten würde, wenn man ihr eine Glühbirne in den Rücken drückte.

Unser letzter Betreuer war eigentlich kaum nennenswert. Sein Name war Heinz Heermann. Sein Aussehen konnte man mit einem Wort beschreiben: langweilig. Aber er sprach wenigstens mit uns. Leider hatte er die nervige Angewohnheit, sich ständig bei uns entschuldigen zu müssen. „Es tut mir leid, Kinder. Es tut mir so leid“, sagte er oft. Und: „Ihr wisst, dass ich das hier nie machen würde, würde ich das Geld nicht so dringend brauchen.“

Das waren alle Menschen in meinem Leben. Fast alle. Einmal in der Woche durften wir unseren Raum verlassen. Das war immer sonntags. Dann gingen wir an einem schmalen Gang vorbei, der noch grauer war als unser eigener Raum. Und an diesem Gang zweigten Türen ab, wie unsere. Jeden Sonntag winkte ich dem Jungen hinter der dritten Tür auf der linken Seite durch ein Glasfenster zu. An unserer Tür – und auch an jeder anderen – war ein winziges Glasfenster eingebaut. Dieses Fenster, kaum größer als ein Buch, bot Einsicht. Dieser Junge war wie ein Strohhalm für mich, an den ich mich klammern konnte. Dieses bisschen Routine half mir, zu überleben. In meinen Gedanken hatte ich den Jungen Robbin genannt. Auch wenn ich noch nie mit Robbin gesprochen hatte, waren wir Freunde.

Sonst gab es herzlich wenig Routine in meinem Leben, die mich glücklich machte. Wenn wir sonntags diesen Gang entlanggegangen waren, kamen wir an einer Sporthalle an. In der wurden wir genau zwei Stunden lang gezwungen, ohne Pause zu laufen. Anscheinend sollte dies der Bewegungsausgleich für unser sonst so beengtes Dasein sein.

Es passierte nicht selten, dass mir beim Rennen schwindelig wurde. Wir bekamen in dieser Zeit auch nichts zu trinken. Während wir uns totschwitzen, wurde unsere Wäsche gewaschen, wir trugen in der Zeit Sportwäsche.

Nach diesen zwei Stunden übergab man uns das neue Lernmaterial in Form einer DVD oder auf Blättern. Doch nach diesen Stunden des Laufens konnte man sich einfach nicht konzentrieren. Nicht, dass dies irgendjemanden gestört hätte. Trotzdem war der Sonntag in gewisser Weise der einzige Tag, an dem wir die Möglichkeit hatten, zu lernen.

Am ersten Tag eines jeden Monats wurden wir zu einer Badewanne geführt, um uns gründlich zu waschen. Diese Tage des Sports und des Badens waren so ausgerichtet, dass sich die Bewohner aus den verschiedenen Räumen auf keinen Fall begegneten. Ich hatte die Vermutung, dass jeder Raum einen anderen Wochentag zum Laufen und Baden hatte.

Jeder von uns hatte nur einen kleinen Schrank in unserem Raum, denn wir besaßen nicht viel. Abends, wenn das Licht ohne Vorwarnung ausging und wir in vollkommener Dunkelheit ausharrten, holten wir unsere dünnen Luftmatratzen aus den Schränken. Und unser Bettzeug. Dann schliefen wir jede Nacht wie die Tiere im Zoo auf dem kalten Boden eines grauen Raumes, dem ich nur allzu gerne entfliehen wollte.

Am kommenden Samstag hatte Gracie Geburtstag. Das war der erste April. Wie alt sie genau wurde, wussten wir nicht, da wir nur den Tag unserer Geburt kannten, nicht aber das Jahr. Aber wir vermuteten alle, dass wir ungefähr fünfzehn bis siebzehn Jahre alt waren.

Es war seltsam, wenn man so wenig über seine eigene Identität wusste und mir schwirrten jeden Tag Fragen durch den Kopf, die ich nicht beantworten konnte. Um damit klarzukommen, hatte ich mir einen Namen gegeben und beschlossen, dass ich sechzehn war.

*

2

Es war Morgen. Durch unser Fenster konnte ich sehen, wie die Sonne langsam aufging. Die Luft war kalt und stickig und wie jeden Morgen spürte ich die Schmerzen in meinem Rücken. Die Schaumstoffmatratzen, auf denen wir lagen, waren nicht dicker als eine Isomatte und vielleicht gerade einmal fünf Zentimeter dick. Außerdem war mir kalt, weil ich ohne T-Shirt geschlafen hatte.

Rechts von mir sah ich Emmeline liegen und warf einen Blick auf ihre Uhr: 6:37 Uhr. Emmeline war die einzige, die eine Uhr besaß. Ich war ihr in gewisser Weise dankbar dafür. Manchmal ging ich nur zu Emmeline, um auf die leuchtenden Ziffern ihrer Digitaluhr zu schauen. Der tägliche Beweis, dass die Zeit nicht stehen geblieben war.

Links neben mir lag Angelo, dessen Atem ich hören konnte. Da wir so wenig über unser Leben bestimmen konnten, hatten wir, seitdem ich mich erinnern konnte, eine festgelegte Ordnung für unsere Schlafplätze. Neben Angelo lag Collin, der immer so starr im Bett lag, als wäre er festgeklebt. Und die letzten beiden waren Mary, dann Gracie. Obwohl Gracie so weit weg von mir lag, konnte ich sie abends singen hören.

Nicht nur mein Rücken, auch mein Kopf brummte an diesem Morgen. So etwas wie Kopfkissen gab es nur in Filmen. Manchmal legte ich eine Jacke unter meinen Kopf. Doch gestern hatte ich es vergessen.

Heute war Montag, gestern hatten wir Sport gehabt. Und jeden Augenblick würden zwei unserer Betreuer durch die Tür kommen, wie jeden Morgen. In solchen Augenblicken versuchte man, einfach weiterzuschlafen. Wirklich durchgeschlafen hatte ich seit Jahren nicht mehr. Ich wusste nicht, wie es den anderen dabei ging, doch ich hörte auch sie in der Nacht stöhnen und zittern.

Jedenfalls hatte Gracie am Samstag Geburtstag. Darauf konnten wir uns freuen. Doch wenn man seinen Raum quasi nie verlassen konnte, war es eine große Herausforderung, jemandem ein Geschenk zu machen. Schließlich wollte man nicht zum hundertsten Mal eine angemalte Klorolle verschenken. Emmeline hatte es da einfacher. Sie konnte immer eines ihrer Bilder verschenken. Dieses Mal hatte ich schon früh genug über ein Geschenk für Gracie nachgedacht und einen vernünftigen Plan ausgeheckt. Genug Zeit hatte ich dafür ja. Ich wollte Gracie einen Kuchen schenken. Aber nicht irgendeinen Kuchen, sondern einen richtigen Geburtstagskuchen. Ich hatte mal gelesen, dass diese immer mit Kerzen geschmückt waren. Doch einen Kuchen zu backen war einfacher als gesagt. Wir hatten keinen Backofen und auch keine Herdplatte. Lediglich eine kleine Mikrowelle war auf einem Tisch in der Nähe des Fernsehers zu finden.

Täglich kamen zwei unserer Betreuer und gaben uns die Essensrationen des Tages. Was wir damit dann machten, war uns überlassen. Ich hatte beschlossen, einiges davon aufzuheben, um Gracie einen Kuchen backen zu können.

An besonders guten Tagen, etwa einmal die Woche, bekamen wir statt der Lebensmittel fertig gekochtes, warmes Essen. Wahrscheinlich, damit wir nicht irgendwann an Mangelerscheinungen sterben würden. Unsere Essensrationen waren sehr gering, denn jeder von uns war im Gegensatz zu unseren Betreuern oder den Menschen in den Filmen, die wir uns ansahen, sehr dünn. Um gegen Mangelerscheinungen gewappnet zu sein und das fehlende Sonnenlicht zu ersetzen, etwas, das wir nur aus unserem Fenster oder aus Büchern kannten, bekamen wir einen Haufen Tabletten. Allerdings hatte uns Jusie erklärt, dass es sich bei den Glühbirnen, die in unseren Lampen steckten, um besondere handelte. Ähnlich wie bei Haustieren schenkten uns diese Glühbirnen genug Vitamin D, um zu überleben.

In meinen Gedanken war ich gerade weit weg von alledem. Ich driftete wieder in diesen schönen Traum ab. Es war ein sonniger Tag und ich lag auf einer Wiese. Die Sonne schien auf mich herab und mir wurde ganz warm. Ich fühlte mich geborgen. Die langen Grashalme stachen mir in den Rücken und waren doch so weich. Wenn ich einatmete, konnte ich den Geruch von Pflanzen wahrnehmen. Über mein rechtes Bein krabbelte ein Marienkäfer. Ich trug eine kurze Hose und deswegen kitzelte diese Bewegung auch auf meiner Haut. In der Entfernung konnte ich Bäume erkennen. Groß und stolz waren sie gewachsen. Ich bewegte meine Arme, wie es Menschen im Schnee taten. Ein Luftzug raschelte vorbei und ich konnte jeden Halm unter meinen nackten Armen spüren, während mir der Sommerduft in der Nase kitzelte ...

„Guten Morgen“, schrie plötzlich eine schrille Stimme in den Raum ... und ich lag wieder auf der kalten Matratze und der sterile Duft des Raumes stach in meine Nase. Dann wurde das Licht angemacht. Wir setzten uns alle sofort aufrecht hin, und als wir sahen, dass es nur Jusie und Heinz Heermann waren, entspannten sich unsere Gesichtszüge wieder. Wir wussten ja nie, was uns noch passieren konnte, deshalb fürchteten wir immer etwas Schlimmes.

Emmeline schaute auf ihre Uhr. „Erst viertel vor“, murmelte sie.

Es war so typisch, dass ich in einen schönen Traum landete, kurz bevor die Betreuer aufkreuzten. Doch wenigstens fing die Woche auf diese Weise gut an.

Jusie trug eine geblümte Strickjacke mit einem merkwürdigen Kleid, das nicht wirklich gemütlich aussah. Aus allen Ecken und Kanten kamen Stacheln hervor. Ich erinnerte mich, dass die Dinger Nieten hießen. Wahrscheinlich waren sie der große Trend dort, wo die beiden herkamen. In der Oberwelt. Mit einem Schütteln vertrieb ich auch diesen Gedanken aus meinem Kopf. Relativ schnell schälten sich Emmeline, Mary und auch Gracie aus den Schlafsäcken. Emmeline zwinkerte mir zu, Mary ging stur geradeaus und beklagte sich über das Wetter. Mädchen musste man nicht verstehen. Gracie war die Letzte, die aufstand. Sie ging an uns Jungs vorbei. Unter ihren Augen lagen Schatten.

„Wieder der Albtraum?“, fragte ich fürsorglich.

Sie nickte nur und ging ins ebenfalls Badezimmer, in das die anderen bereits verschwunden waren. Während sich die Mädchen die Haare kämmten und die Zähne putzten, zogen wir Jungen uns um. Das Badezimmer war sehr klein, weswegen es dort relativ gemütlich war.

Ich rollte meine Matratze zusammen und band das dicke Band darum, damit ich sie in den Schrank stellen konnte, in den ich auch meinen Schlafsack presste. Unter im Schrank war ein winziges Fach mit meiner Kleidung. Zwischen den Kleidungsstücken hatte ich ein paar Bilder und andere Sachen versteckt. Da ich dem Traum immer noch ein wenig hinterher trauerte, nahm ich mir eine kurze Hose heraus, obwohl es dafür eigentlich zu kalt war. Vielleicht konnte ich mir so das Sommergefühl ein wenig länger bewahren ... Mein Lieblingsshirt hatte übrigens die Aufschrift: stay happy. Als wir jünger gewesen waren, hatten wir eigentlich nur praktische Kleidung und Jogginghosen getragen. Doch uns allen war unser Aussehen inzwischen wichtiger geworden. Auch wenn man hier nicht wirklich viele Menschen beeindrucken konnte.

Auf der Innenseite meiner Schranktür war ein kleiner Spiegel angebracht, in dem ich meine Haare kontrollierte. Über den Ohren waren sie schon wieder zu lang geworden. Meine Haare waren definitiv die hellsten aller Bewohner. Dieses Weißblond konnte nicht einmal von Susanna übertroffen werden.

Mit einem Blick in den Spiegel erkannte ich, dass unter meinen Augen Schatten lagen, aber das war mir relativ egal. Emmeline sagte mir immer wieder, dass, egal wie schlecht ich geschlafen hätte, mein Gesicht durch meine frischen, blauen Augen glänzen würde. Was machten da schon ein paar Schatten?

Um den Spiegel herum hatte ich einige Bilder geklebt, die ich aus einer der Zeitschriften geschnitten hatte, die wir hin und wieder, aber viel zu selten bekamen. Außerdem Bilder besonders spannender Tic-Tac-Toe Wettkämpfe, Sudokus oder besonders hässliche Selbstporträts. Ich steckte mir meinen Flummi in die linke Hosentasche und mit einem leichten Seufzen schloss ich die Schranktür. Ich hasste mich selbst dafür, den Tag mit einem Seufzen zu beginnen, aber es tat gut.

Während dieser ganzen Prozedur saßen Jusie und Heinz Heermann auf zwei Klappstühlen neben dem kleinen Tisch, auf dem die Mikrowelle stand. Ihr Blick war dabei wie immer auf den Boden gerichtet. Unruhig tippten Jusies Finger auf dem Holztisch auf und ab. Durch ihre langen und heute lila lackierten Nägel war dabei ein schönes Klacken zu hören.

Auf einmal merkte ich, wie hungrig ich war. Da wir erst später etwas bekommen würden, stürzte ich förmlich auf einen der Wasserspender an der Wand zu. Ihre Reihenfolge war der unserer Liegeposition beim Schlafen identisch. Ich hatte also den zweiten von rechts. Die Wasserspender bestanden im Wesentlichen aus einem Metallstab. Wenn man eine Kugel im Inneren hinunterdrückte, bekam man einen harten Wasserstrahl in den Mund. Ich hatte mich nach all den Jahren nicht daran gewöhnt und fing wie jeden Tag beim ersten Schluck an zu husten. Der Druck des Wasserstrahles war so stark, weil die ganze Wasserversorgung durch Zisternen betrieben wurde. Das hatte Jusie mal aus Versehen erzählt.

Angelo kam auf mich zu und schlug mir auf den Rücken: „Soll ich einen Arzt holen, Prinzessin?“

Während ich „Haha“, murmelte, kamen die Mädchen zurück. Sie sahen schon viel frischer aus, als nach dem Aufstehen. Gracie trug noch ihr rotes Schlaftop. Rot war meine Lieblingsfarbe.

Jusie schaute unruhig auf ihre Uhr: „Kindas! Noch fünf Minuten. Jungs, geht Zähne putzen und, Damen der Schöpfung, zieht euch schon einmal an. Aber bitte mit Tempo.“ Obwohl Jusie diesen herrischen Ton hatte, lächelte sie uns dabei freundlich zu. Heinz schaute in den Inhalt seiner Tasse, die er in Händen hielt, als würde ihn von dort ein Geist anschauen. Mit einem Lächeln wandten wir uns von den Mädchen ab und schlurften in Richtung Badezimmer. Mein Blick blieb dabei an den beiden unbenutzten Wasserspendern hängen.

*

3

„Dürfen wir rauskommen?“, rief Angelo aus der Tür, nachdem wir Jungen uns im Badezimmer gewaschen hatten. Als nur bejahende Antworten kamen, verließen wir den viel zu kleinen Raum. Während die Mädchen sich angezogen hatten, hatten sie es auch fertiggebracht, unsere Hocker aufzustellen. Jeder von uns setzte sich auf einen der Hocker und die täglichen Qualen gingen los.

Angelo, Collin und ich hatten es heute leicht. Wir bekamen nur eine Superspritze. Ich nannte sie so, weil sie innerhalb weniger Stunden gegen Krankheiten kämpfen sollte. Gegen Krankheiten, die wir gar nicht hatten. Kaninchen waren für die Versuche der Wissenschaft schon lange nicht mehr ausreichend. Die Ergebnisse nicht genau genug. Deswegen waren wir hier. Aus diesem Grund waren wir eingesperrt und träumten jeden Tag von einer Welt, die sich jenseits dieses Raumes befand.

Die Superspritze, die mir heute verpasst wurde, sollte gegen Erkältungen wirken. Durch die Nacht ohne T-Shirt, das man mir am Abend weggenommen hatte, denn ich hatte nicht freiwillig ohne T-Shirt geschlafen, hatte ich mich nicht direkt erkältet, aber fühlte mich doch ein wenig angeschlagen. Das Medikament konnten sie trotzdem testen.

Angelo dagegen hatten sie gestern etwas ins Essen gemischt, das ihm rote Augen beschert hatte. Und Collin musste für eine Spritze gegen Übelkeit herhalten.

Ich saß also ruhig auf meinem Hocker und begann, auf die Nebenwirkungen zu warten. Vor meinem Sitz lag bereits ein Klemmbrett, auf dem ich diese notieren konnte. Ich musste niesen.

„Gesundheit“, hörte ich von allen Seiten. Wie gesagt … die Woche fing gut an.

Gracie bekam einen Lippenstift aufgetragen, der je nach Laune die Farbe ändern sollte. Mary musste ein neuartiges Shampoo testen und Emmeline hatte eine Creme gegen ihre nicht vorhandenen Pickel im Gesicht. Vor uns saßen Jusie und der bedauernswerte Heinz Heermann. Ab und zu setzte er zu einem Satz an, schüttelte dann aber den Kopf und schwieg. Ich nieste noch einmal. Irgendwie machte mich diese Superspritze eher krank als gesund. Ich blickte nach rechts und lächelte Gracie an. Aus irgendeinem Grund bekam sie immer die harmlosesten Medikamente, Kosmetika oder was wir auch immer testen mussten. Ich wusste, dass Mary das insgeheim gemein fand. Mich allerdings beruhigte es auf eine Art, die ich nicht wirklich verstehen konnte.

Gracie blickte zu mir auf. Ihre Lippen wurden schlagartig grün.

„Was heißt denn grün?“, fragte ich sie.

Sie zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich starker Ekel“, antwortete sie frech.

„Na danke.“

Gracie lächelte mich an. Ich musste wieder niesen und bemerkte, wie meine Nase langsam verstopfte.

„Wenn das nicht mal das beste Erkältungsmedikament ist, das ich je gesehen habe“, sagte Gracie und schüttelte sich. „Dieser Lippenstift macht mich wahnsinnig. Er juckt, als hätten mich 100 Mücken gestochen.“

„Dann schreib es auf“, merkte ich an.

Gracie verdrehte die Augen.

Auf einmal hörten wir ein Stöhnen. „Also diese scheiß Creme brennt, als hätte man mich angezündet“, schrie Emmeline auf.

Heinz Herrmann sagte schüchtern: „Dann schreib es auf.“

Emmeline sprang auf und begann, vor Schmerzen auf und ab zu hüpfen. „Ich brauche einen Lappen!“, schrie sie durch den Raum.

Jusie blickte auf ihre Uhr: „Ach Kindas. Du musst die Creme noch zwei Minuten drauf behalten.“ Dann murmelte sie Heinz zu: „Es tut mir ja leid. Aber du weißt, was passiert, wenn wir nachgeben.“

In solchen Augenblicken verstand ich Jusie nicht. Jusie war von unseren Betreuerinnen die mit dem besten Herzen. Aber warum arbeitete sie hier, wenn sie so viel Mitleid mit uns hatte? Am Geld konnte es nicht liegen.

Emmeline hüpfte immer noch auf und ab und schrie. Alle blickten sie mitfühlend an. Gracie flüsterte: „Ich glaube, dagegen sind meine juckenden Lippen gar nichts.“

Als Emmeline einen Schrei losließ, der mir bis ins Mark ging und von dem ich annahm, dass Robbin ihn gehört hatte, stand ich auf und nahm sie in den Arm. Emmeline entspannte sich ein bisschen begann zu zucken. In Augenblicken wie diesen kam ich mir schrecklich vor, weil ich so machtlos war.

„Time over“, sagte Jusie mit fröhlicher Stimme. Sie begann, einen Lappen mit warmem Wasser zu befeuchten. Als Emmeline die Creme vom Gesicht gewischt wurde, atmete sie merklich auf. Ihr Gesicht war so rot wie Gracies Schlaftop. Man sah ihr an, dass sie immer noch große Schmerzen hatte. Diese scheußliche Creme schien das ganze Gesicht stark angegriffen zu haben. Doch Emmeline nahm es einigermaßen locker: „Wenn ich Pickel gehabt hätte, wären die auf jeden Fall jetzt weg.“ Sie lächelte mich an und begann, Notizen auf ihrem Merkblatt zu machen. Ich liebte diesen endlosen Optimismus an ihr.

Mary schien das Shampooexperiment gut überstanden zu haben und auch Gracie durfte bald ihren juckenden Lippenstift entfernen. Ihre Lippen waren ein bisschen geschwollen, aber sonst sah sie aus wie immer. Angelos Augen waren restlos geheilt, doch auf einmal rannte er auf die Toilette, um sich dort die Seele aus dem Leib zu kotzen. Während wir anderen versuchten, so gut es ging diese unschönen Geräusche zu ignorieren, die aus dem Badezimmer kamen, sah ich, dass Collins Augen langsam aber sicher rot wurden. Das war die Ironie der Nebenwirkungen.

Wir hatten heute nur sehr kurz arbeiten müssen. Bereits um 15:00 Uhr beschlossen Heinz und Jusie, dass wohl keine schlimmeren Nebenwirkungen mehr auftreten würden. Emmelines Gesicht sah leider wirklich aus, als hätte man es angezündet. Ich legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter. Nachdem Heinz Heermann und Jusie kurz den Raum verlassen hatten, um unser Essen zu holen, kam auch Angelo von der Toilette zurück. Er sah so bleich aus, als hätte Jusie ihn geschminkt. Mary hatte den Anstand „Gute Besserung“ zu murmeln.

Dann kamen unsere Aufpasser mit unseren Tabletts zurück. Auf jedem Tablett lagen eine kleine Dosensuppe und zwei Scheiben Toastbrot. Für das Abendessen gab es noch ein Wurstbrot.

Als sich Jusie und Heinz Heermann schon verabschieden wollten, nutzte ich die Gelegenheit. Ich ging auf Jusie zu und erklärte ihr meine Situation. „Du weißt bestimmt, dass Gracie am Sonntag Geburtstag ... ha-ha-hatschi!“

Jusie nickte. „Ja, da war was.“

„Und ich habe überlegt, dass ich ihr gerne einen Kuchen schenken würde.“

Jusies Augen leuchteten. „Das ist eine wunderbare Idee, Silas! Ich werde alles in die Wege leiten und ihn dir unauffällig zukommen lassen.“

Ich lächelte sie zufrieden an: „Danke Jusie.“

Als sie damit anfangen wollte, zu sagen, dass dies doch selbstverständlich sei, meinte ich: „Nein wirklich! Danke.“ Ich gab Jusie ein High-Five und in dem Augenblick kam auch Gracie auf uns zu.

„Gracie Schatz. Du weißt doch, dass ich eine so vergessliche Tante bin. Hast du mir schon gesagt, was du dir zum Geburtstag wünschst?“ Das mit Geburtstagswünschen war so eine Sache. Wir hatten schließlich keinen Katalog und wussten nicht, was es wirklich für Sachen gab.

Gracie lächelte: „Nein. Ich würde gerne etwas haben, das Musik macht.“

Jusie antwortete: „Eine Spieluhr hast du ja letztes Jahr schon bekommen. Vielleicht einen kleinen CD-Player. Ich schaue, was sich machen lässt.“ Gracie bedankte sich und Jusie und Heinz Heermann verschwanden.

Angelo schaute Gracie erstaunt an: „Was ist ein CD-Player?“

„Ich hab nicht die geringste Ahnung“, sagte sie.

Während Gracie singend in der Ecke saß, waren Angelo und Emmeline zu mir gekommen. Wir wollten zusammen essen. Mein Gesundheitszustand hatte sich bereits ein wenig verbessert, ich musste nicht mehr ständig niesen. Gracie hatte schon die Theorie aufgestellt, dass diese Superspritze einen krank, aber dann auch wieder gesund machte.

Wir standen um den kleinen Tisch herum. Die Klappstühle der Betreuer waren wieder weggeschlossen. Allerdings hatten wir die kleinen Hocker, die wir nachts auf den Tisch stellten. Abwechselnd nahmen wir unsere Dosen in die Hand und wärmten den Inhalt auf. Die Dosen waren so jämmerlich klein, dass sie problemlos in Emmelines kleine, ausgestreckte Hand passten. Wir setzen uns auf die Hocker und Emmeline ermutigte Angelo, doch etwas von der Suppe zu essen. „Du hast heute sehr viel Flüssigkeit verloren“, ermahnte sie ihn.

Bereitwillig begann er, seiner Suppe zu löffeln. Ich versuchte, nicht alles auf einmal herunterzuschlingen und mir das Toastbrot und das Wurstbrot für heute Abend aufzuheben. Das war schwierig, denn es gab eigentlich keinen Augenblick, in dem ich nicht hungrig war.

Emmeline hatte bereits ihre Suppe aufgegessen und schimpfte weiter mit Angelo: „Du machst heute ganz bestimmt keinen Sport mehr. Du hast doch einen Knall!“

Doch Angelo hatte anscheinend genug davon, sich von einem Mädchen die Meinung sagen lassen: „Emmeline, was glaubst du überhaupt, so über mich bestimmen zu können? Das ist doch echt ...“

Auf einmal mischte sich noch Mary ein: „Das ist echt fürsorglich, wenn ihr Jungs nicht für euch selbst sorgen könnt. Dann seid froh, dass wir uns um euch kümmern.“ Mit einer Handbewegung beendete ich den sich anbahnenden Streit und sagte zu Angelo: „Vermutlich ist es wirklich besser, wenn du deine Suppe aufisst. Schließlich musst du bei deinem ganzen Sport viele Proteine zu dir nehmen …“ Damit schien ich ihn überzeugt zu haben. Emmeline warf mir einen anerkennenden Blick zu. Gracie saß in ihrer Ecke und sang einfach weiter, sie verfolgte die Situation, wie andere ein Tischtennis-Duell.

Ein paar Minuten später stand Angelo mit Schwung auf und setzte sich unter das Fenster. Ich sah förmlich, wie es ihn wahnsinnig machte, keinen Sport machen zu können. Ich holte mit Emmeline das Lehrmaterial von gestern aus dem Karton. Es handelte sich dabei um leichte Rechenaufgaben, die wir sehr schnell gelöst hatten. Außerdem sollte man einen Text verfassen, warum es außerhalb von Räumen gefährlich war. Er sollte darüber handeln, was für Gefahren auf einen lauerten und wie sicher doch unser Raum war. Unter der Aufgabenstellung waren Themen aufgelistet, die man nennen sollte: Krieg, Sonnenbrand, Wildtiere, Gefahren von Naturgewalten und Fresssucht. Diese Aufgabe mussten wir nicht das erste Mal lösen. Weder Emmeline noch ich hatten Lust, einen solchen Text zu schreiben.

Emmeline beklagte sich: „Ist dir mal aufgefallen, wie negativ die Oberwelt in Sachtexten und in Filmen dargestellt wird? Nur in Romanen scheint alles wunderbar zu sein.“

Ich nickte. „Nun sind wir alt genug, um das zu erkennen. Aber wer weiß, wie gefährlich es dort wirklich ist und wie gut und sicher wir es hier haben.“ Mit dieser Aussage hatte ich einen empfindlichen Punkt bei Emmeline getroffen. Ihre Gesichtszüge wurden traurig.

„Ich will hier trotzdem weg, Silas.“

„Ich weiß“, sagte ich und nahm sie in den Arm. Sie schrie auf, weil ich dabei ihr Gesicht berührt hatte. „Ich auch“, versicherte ich ihr.

Plopp, Plopp. Seit einer geschlagenen Stunde saß ich vor der Toilettentür und ließ den Flummi dagegen knallen. Mein Abendessen war bereits in meinem Magen. Collin hatte wie gewöhnlich einen sehr langweiligen Tag gehabt. Und Emmeline hatte ein wunderschönes Bild von einem Wald gezeichnet. Inmitten der hohen Gräser, Baumrinden und Tiere stand sie selbst in einem kurzen, weißen Sommerkleid. Sie hatte die Arme ausgebreitet, als würde sie die Atmosphäre des Waldes in sich aufnehmen wollen. Mir war schon öfters aufgefallen, dass Emmelines Bilder meinen Träumen oder Tagesfantasien glichen. Plopp, Plopp. Angelo machte ein paar Sit-ups. Ganz könne er es nicht lassen, Sport zu treiben, hatte er gesagt. Mary war bereits den ganzen Tag in ihr Buch versunken. Ihr Essen hatte sie immer noch nicht angerührt. Wenn man sie darauf ansprach, wurde sie wütend und wollte alleine sein. Wir hatten alle mal einen schlechten Tag. Doch es schien mir, als hätte Mary immer öfter schlechte Tage.

Plötzlich hörte Gracie auf zu singen. Sie stand auf und kam auf mich zu. Mein Herz pochte schneller, als sie sich neben mich setzte. Sie stellte die völlig unnötige Frage: „Was machst du so Silas?“ „Ich schlage die Zeit tot.“ Unter Gracies hochgekrempelten Ärmeln konnte ich ihre Erkennungsnummer sehen. Als sie meinem Blick folgte, atmete sie stöhnend auf. Sie flüsterte nun: „Ich hatte wieder diesen Traum, Silas. Sie haben mich mitgenommen. Weg von euch. Und es war viel schlimmer, als es in den Büchern steht. Es war noch viel schlimmer da draußen, als es hier ist. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Ich habe das Gefühl, dass ...“ Ich legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Gracie begann zu zittern und sie nahm mir ungeschickt den Flummi aus der Hand. Ihre Hand war seltsam kalt. Sie donnerte den Flummi gegen die Toilettentür. Ich fing ihn auf und donnerte ihn zurück. Hin und her.

„Langsam verstehe ich, warum du das machst. Das beruhigt einen wirklich sehr.“ Angelo schaute zu uns herüber. Ich hatte schon immer das Gefühl gehabt, dass er in gewisser Weise eifersüchtig war, dass die Mädchen mit ihren Sorgen und Problemen meistens zu mir kamen.

„Du hättest dir vielleicht kein CD-Dings, sondern einen Flummi wünschen sollen“, zog ich Gracie auf.

„Wieso? Damit ich süchtig werde? Nein danke“, ich hörte sie lachen, „außerdem habe ich ja dich und deinen Flummi. Das wäre ein verschwendetes Geschenk.“ Ihre gekräuselten Haare standen wie gewohnt in alle Richtungen ab.

„Du musst keine Angst haben. Wir lassen doch nicht zu, dass dir irgendetwas passiert“, versuchte ich, ernst zu werden. „Und mal ganz ehrlich. Viel beschissener als hier kann es da auch nicht sein, oder?“

Gracie nickte, während der Flummi wieder auf mich zuflog. Sie neckte: „Wenigstens ist die Gesellschaft hier ganz passabel.“

Ich warf ihr den Flummi in die Seite und daraus entstand ein kleiner Kampf. Es dauerte einige Minuten, bis wir uns wieder abgeregt hatten. Auf einmal fragte ich: „Hast du denn wenigstens dein ganzes Festmahl aufgegessen?“

Wir schauten schuldbewusst auf die zwei Toastscheiben von Mary, die normalerweise niemand war, die ihr Essen ausließ. Deswegen würde ich sie heute nicht darauf ansprechen. Aber bei Gracie musste ich manchmal ein wenig nachhelfen. Sie sollte nicht noch dünner werden. Ich stand auf, holte die beiden Scheiben und reichte sie ihr. „Wenn du sie aufgegessen hast, dann …“

„... gehen wir zusammen Zähne putzen, bevor sie uns das Licht ausschalten“, vollendete Gracie meinen Satz.

Ich nickte. Das war einfach gewesen. Ein wenig schmollend begann sie, auf dem Toast zu kauen. Währenddessen erzählte ich ihr auch von meinem Traum, der durch Jusies schrille Stimme zerstört worden war. Sie legte die Scheibe Toast auf ihre Beine und meinte: „Dein Traum klingt, als hätte er Spaß gemacht. Vielleicht solltest du mich das nächste Mal mitnehmen.“ Ich zeigte auf den Toast. Und sie begann, wieder brav zu essen. Gracie hatte aufgegessen und wir standen auf, um Zähne putzen zu gehen. Ich warf meinen Flummi noch in die Ecke.

Als ich schon ins Badezimmer gehen wollte, meinte Gracie: „Willst du nicht deinen Schlafanzug mitnehmen?“

Dann machte ich etwas, was ich in dieser Form schon Hunderte Male mit Emmeline, aber noch nicht mit Gracie gemacht hatte. Wir stellten uns Rücken an Rücken und zogen uns in Lichtgeschwindigkeit um. Ich war froh, diese Nacht mit T-Shirt schlafen zu dürfen. Ich zog es mir rasch über die kalte Brust und suchte auf dem Boden nach meiner Pyjamahose. Während ich auch die anzog, zwang ich mich immer wieder, meinen Blick vom Spiegel abzuwenden. Schließlich wollte ich Gracies Vertrauen nicht verletzen, indem ich sie beobachtete. „Bist du fertig?“, fragte ich sie schließlich.

„Einen Moment noch“, erwiderte sie. Und dann drehte sie sich in dem süßen, roten Schlaftop um.

Während wir Zähne putzten, versuchten wir, herauszufinden, wer die größeren Blasen mit der Zahnpasta machen konnte. Gracie gewann. Während ich so neben ihr stand, pochte mein Herz wie verrückt. Doch leider dauerte das Zähneputzen nicht so lange. Ich legte meine grüne und sie ihre rote Zahnbürste neben das Waschbecken. Auf einmal gab Gracie mir wie einem Geschäftsmann die Hand: „Das müssen wir unbedingt noch einmal machen.“ Lachend verließen wir das Badezimmer und zogen die Blicke unserer Mitbewohner auf uns.

Keine zwei Minuten später ging das Licht aus und wir holten alle die Isomatten und Schlafsäcke aus unseren Schränken. Während ich tiefer in meinen Schlafsack kroch, fragte mich Emmeline mit neugieriger Stimme: „Was war das denn gerade?“

„Was denn?“, wollte ich wissen.

Sie drehte sich zu mir um. „Du weißt schon, was ich meine.“

Ich nickte, auch wenn sie das im Dunkeln gar nicht sehen konnte. „Ich hab doch nur Zähne geputzt. Emmeline, du weißt doch, dass du meine beste Freundin bist.“ Ich strich ihr über die Haare und war sehr vorsichtig, damit ich nicht die empfindliche Haut des Gesichts berührte.

*

4

Ich atmete unruhig. Wir hatten Mr X zusammengeschlagen und ihm seinen Schlüssel entnommen. Susanna hatten wir schon vor langer Zeit auf der Toilette eingesperrt. Nur ihr unablässiges Klopfen erinnerte an sie. Schade für sie, dass die Räume nach außen alle schalldicht waren. Hektisch lief ich mit dem Schlüssel auf die Tür zu. Ich war so aufgeregt, dass ich das Schlüsselloch nicht treffen konnte. Meine Atmung wurde schnappartig. Wir liefen aus unserem Raum und betraten das erste Mal ohne die Betreuer den Flur. Doch wie sollte es nun weitergehen? Wir schauten uns auf dem grauen Flur genau um. An den Gesichtern meiner Freunde konnte ich ihre Fröhlichkeit erkennen. Voller Freude sprangen wir umher. Wir wollten gerade versuchen, ob wir mit dem Schlüssel auch den Raum von Robbin öffnen konnten, als eine unerträglich laute Sirene losging. Sie wurde immer schriller und meine Gefühle der Freude vermischten sich mit dem der Angst, erwischt zu werden. Was sollten wir jetzt tun? Darüber hatten wir nie nachgedacht. Ein Plan B war nie entwickelt worden. Keiner von uns hüpfte mehr ausgelassen umher, vielmehr pressten wir uns die Hände schützend auf die Ohren, bevor uns die Sirenen wahnsinnig machen konnten …

„Warum schlaft ihr immer noch, ihr faulen Idioten?“, donnerte die Stimme von Mr X durch den Raum. Im ersten Augenblick war ich erleichtert, meinem Traum entkommen zu sein. Keine Sirenen mehr … Doch die Realität sah nicht wirklich besser aus. Susanna startete eine Stoppuhr und verkündete uns, dass wir fünf Minuten Zeit hätten, uns fertig zu machen. Die Mädchen stürmten wie auf Kommando in das Badezimmer, während ich mich verschlafen aufrappelte, zu meinem Wasserspender rannte und trank.

„Trink nicht so viel“, sagte Susanna sogleich.

„Aber ich habe Durst.“

Sie schaute mich mit einem Blick an, der mir sagte, dass ihr das scheißegal war. „Noch vier Minuten siebzehn.“

Mir fiel auf, dass sie es bewusst vermied, mich direkt anzusprechen. Geschweige denn mit meinem Namen. Ich sprintete also zu dem Kleiderschrank und hatte mir noch nicht den Pullover über den Kopf gezogen, als die Mädchen schon wieder zurück waren.

„Neuer Rekord, Mädels“, lachte Angelo. Dieser Kommentar wurde augenblicklich mit einem bösen Blick von Mr X bestraft.

Ich streifte mir meinen Pullover ganz über und rannte ins Badezimmer. Ich war der Letzte, der die Zahnpasta zu packen bekam. In viel zu schnellen und gehetzten Bewegungen putzte ich mir die Zähne und schaute dabei in den Spiegel, wie meine Haare aussahen.

„Noch vierzehn Sekunden“, tat Mr X kund.

Dann musste der Toilettengang wie so oft am Morgen wohl ausfallen. Anders als bei Jusie oder Heinz Heermann wurden mit Mr X keine Gespräche über unser Wohlbefinden oder unseren Schlaf geführt. Wir wurden nur nach den Notizen des gestrigen Tages gefragt.

„Keine weiteren Nebenwirkungen“, murmelte Susanna.

Mr X fügte so gereizt hinzu, dass sein Anzug ganz aufgebläht aussah: „Wahrscheinlich war sie nur zu faul, den Stift in die Hand zu nehmen. Aber vielleicht ist sie auch einfach nur zu dumm zum Schreiben.“ Mr X redete ganz bewusst über uns, als wären wir nicht anwesend. Ich hatte die heimliche Vermutung, dass dies zu seiner Strategie gehörte, uns gefügig zu machen, damit wir uns wertlos und schlecht fühlten. Ich hob den Blick und schaute in Gracies starre Augen. Wir alle hatten Angst vor dem, was nun kommen würde.

Die Klappstühle hatten die beiden natürlich schon lange aufgestellt, denn weder Susanna noch Mr X wollten nur eine Sekunde Zeit verlieren. Als ich mich hinsetzte, leuchtete Susannas wasserstoffweißes Haar aggressiv auf mich hinunter. Während der Jahre hatte sich meine Vermutung, dass besonders Mr X diesen Machtmissbrauch für sein Ego benötigte, immer wieder bestätigt. Jusie versuchte wenigstens, uns das Leben nicht zur Hölle zu machen.

Immer wieder fragte ich mich: „Warum ich? Warum war ich hier? Warum nicht irgendjemand anderes?“ Aber wenn ich wirklich die Wahl gehabt hätte ... ich wüsste nicht, ob ich mit der Tatsache, dass eine andere Person statt mir hier leben müsste, hätte umgehen können.

Nun hatten alle den Blick starr auf den Boden gerichtet. Keiner machte sich die Mühe, uns zu erklären, was sie uns da in die Augen träufelten, als die heutige Prozedur losging. Allerdings traute sich auch niemand von uns, dieses Tun infrage zu stellen oder einfach nur nachzufragen, was mit uns geschah.

Gracie hatte es schon hinter sich und hielt die Augen geschlossen. Nun nahm Mr X mich in Angriff. Gewaltsam hob er meinen Kopf am Kinn, öffnete meine Augen weit und tropfte eine undefinierbare Flüssigkeit in meine Augen. Sofort stapfte er zu Angelo. Ich schloss meine Augen und mir ging die ganze Zeit die Frage durch den Kopf, was dieses Medikament wohl bringen sollte und ob sie mir gestern wieder heimlich etwas in das Essen gemischt hatten, um mich krankzumachen. Wer hatte sich das hier alles überhaupt ausgedacht? Und wie sollte man denn bitte Notizen auf einem Zettel machen, wenn man nichts sehen konnte?

Ich hörte, wie Emmeline links von mir begann, hysterisch zu lachen. Dies war nicht das erste Mal, dass ein Medikament eine solche Auswirkung auf einen von uns hatte. Emmeline lachte so laut, dass ihre Stimme von der Decke hallte. Rechts von mir begann auch Gracie zu kichern.

„Leise C663910“, ermahnte Susanna.

Gracie fühlte sich von ihrer Erkennungsnummer anscheinend nicht wirklich angesprochen und kicherte weiter. Ich hörte, wie sich eine schwere Person erhob.

„Nicht sie“, stöhnte Susanna.

Und dann hörte ich den schallenden Knall einer Hand auf Gracies Gesicht. Sie schrie auf. Augenblicklich öffnete ich die Augen. Ich war nicht der Einzige. Nur Collin und Mary hielten die Augen weiterhin geschlossen. Und Emmeline war völlig in einer anderen Welt und lachte sich die Seele aus dem Leib. Gracie hielt sich wimmernd die Wange und Mr X schaute uns alle grimmig an.

„Lassen Sie Gracie in Ruhe“, schrie ich.

„Genau“, flüsterte Angelo.

Mr X stand die Zornesröte ins Gesicht geschrieben. „Wenn ihr nicht auf der Stelle und sofort eure Augen schließt, knallt es bei euch auch gleich.“

Gracie sagte: „Macht schon.“

Also schlossen wir die Augen wieder und hörten, wie Gracie auch auf die andere Wange geschlagen wurde. In dem Augenblick, in dem sich Mr X hinsetzte, wollte ich wieder rebellieren, doch ich spürte, wie Gracie meine Hand nahm. Sie drückte sie so fest, dass es mir sagte, dass ich mich lieber zurückhalten sollte. Während ich versuchte, durch Gedankenübertragung Gracie zu trösten, schallte immer noch Emmelines hysterisches Lachen durch den Raum, das langsam zu einem Gackern wurde. Eine Sekunde später plumpste Angelo von seinem Klappstuhl auf den nackten Boden.

„Weg ist er“, flüsterte Susanna schlicht.

Mr X fauchte: „Lass ihn einfach liegen.“ Jusie hätte in einem solchen Augenblick eine Decke geholt, um Angelos Körper vor der Kälte des Bodens zu schützen.

Ich verspürte eine plötzliche Schwindelattacke. „Mir ist mega schwindelig“, sagte ich leise.

Mr X lachte: „Dann trink mal was. Soll ja ganz gut sein gegen Schwindel.“

Plötzlich war ich zu schwach, um meine Augen zu öffnen. Außerdem begannen seltsame Figuren vor meinem inneren Auge zu tanzen. Ich ließ vorsichtig Gracies Hand los und stand auf ... und war weg.

Dann war lange nichts, bis Stimmen zu mir drangen. „Angelo, Silas, könnt ihr mich hören?“ Das war Marys Stimme.

Und Gracie flüsterte: „Ich würde dir gerne eine Jacke unter den Kopf legen, Silas. Aber ich darf nicht.“

Es wunderte mich, dass diese Äußerungen geduldet wurden. Vielleicht bildete ich sie mir auch nur ein. Vielleicht war alles nur in meinem Kopf. Andererseits klang Emmelines Lachen immer noch sehr realistisch – es wurde mittlerweile von einer gewissen Atemnot unterstützt.

Als ich meine Augen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder öffnen konnte, brummte mein Schädel. Es fühlte sich so an, als hätten Insekten in meinem Kopf Eier gelegt und alle wären zur selben Zeit geschlüpft. Ein wenig erfreulicher Gedanke. Ich schlug die Augen auf, und als ich mich aufsetzte, spürte ich immer noch ein starkes Schwindelgefühl. „Wie lange?“, fragte ich vorsichtig mit einem Blick auf Angelo, der immer noch ohnmächtig war.

Emmeline blickte auf ihre Digitaluhr und sagte: „Vier Stunden und 45 Minuten.“

Ich setzte mich einigermaßen auf und fühlte, wie sich die kleinen Härchen auf meinem Arm aufstellten. Susanna und Mr X hielten ihren Blick starr auf die Klemmbretter gerichtet. Der Rest von uns schien die Behandlung gut überstanden zu haben. Auf einmal wurde mir bewusst, dass auch Emmelines Lachattacke aufgehört hatte. Ich blickte in Emmelines Gesicht. „Wie lange hast du gelacht?“

Sie zuckte mit den Schultern.

„Fünf Stunden“, hörte ich Gracie kichern.

„Keine Privatgespräche“, rief Mr X.

Ich hätte gerne „danke gleichfalls“ gesagt, aber ich traute mich nicht. Ich versuchte, aufzustehen, war aber immer noch sehr wackelig auf den Beinen. Ich ließ mich zurück auf meinen Hocker plumpsen und hörte ein zischendes Einatmen. Inzwischen war auch Angelo wieder bei Sinnen. Auf einmal fiel mir auf, dass Gracie rote Striemen über dem ganzen Gesicht hatte. Was war noch mal passiert? Ach ja, sie hatte sich wieder einmal nicht beherrschen können. Auf gewisse Weise passte zu Gracie das Sprichwort, auch die andere Wange hinzuhalten.

Es dauerte einige Zeit, bis sich Angelo wieder auf seinen Platz setzen konnte. Als dies geschehen war, stoppte Susanna eine Zeit. Wahrscheinlich würden wir noch ein oder zwei weitere Stunden mit ihr und Mr X ausharren müssen. Ich schaute Gracie in die Augen. Auch wenn sie sich durch die Ohrfeigen gedemütigt fühlte, hatte sie dennoch nicht ihre Würde verloren.

Keinem von uns konnte man ansehen, dass uns sehr starke Medikamente zugeführt worden waren. Niemand von uns hatte seltsame Flecken oder ein Ohr verloren. Aber wenn man uns kannte, konnte man sehen, dass es uns nicht gut ging. Emmeline zuckte ab und zu zusammen und ich schien einer nicht existierenden Wellenbewegung zu folgen, um mein Schwindelgefühl auszugleichen. Gracie berührte immer wieder mit der Hand die roten Stellen in ihrem Gesicht. Als ob sie nicht glauben konnte, was passiert war.

Ich weiß nicht, wie lange wir noch reglos auf unseren Stühlen rumsaßen, doch urplötzlich wurde uns befohlen, aufzustehen. „Hoch von euren Hockern!“, sagte Susanna. „Aber mit ein bisschen Tempo. Los zum Tisch!“

Nachdem wir die Hocker aufgestapelt hatten, stellten wir uns mit dem Gesicht zur Wand und warteten darauf, dass Mr X und Susanna den Raum verließen. Es war schon früher Abend und langsam konnte jeder von uns Essen vertragen. Wir hörten die Tür knallen. Sie fiel ins Schloss und wir waren wieder allein, eingesperrt, aber immerhin allein.

Ich atmete instinktiv auf. Unsere heutige Arbeit stand zu der des vorherigen Tages in einem großen Kontrast. Aber wir konnten ja auch schlecht zu Susanna oder Mr X gehen und uns beschweren. Kommunikation sollte man mit ihnen ohnehin eher vermeiden. Ich wartete ab und schaute nach oben. Der Raum war relativ hoch. Im glatten Dach befand sich eine Art Falltür. Das war der Notausgang. Vor der Falltür war eine schmale Plattform, die ohne eine Leiter unerreichbar war. Egal wie oft wir versucht hatten, Menschenpyramiden auf dem Tisch zu bauen, wir waren nie dort hochgekommen. Es gab zwar eine Notleiter, aber die wurde in einem bombensicheren Schrank aufbewahrt, den man ohne Schlüssel nicht öffnen konnte. Außerdem hatte ich die Vermutung, dass man, ähnlich wie bei der Tür unseres Raumes, so einen Schlüssel brauchte, um …

Die Tür wurde schlagartig aufgerissen und die Grimassen unserer Betreuer rissen mich aus meinen Gedanken über die Freiheit. Sie verteilten die Tabletts. Ich freute mich schon. Es gab ein fertiges Essen. Das hatten wir seit mindestens zwei Wochen nicht mehr gehabt. Es handelte sich um Spaghetti mit einer Tomatensoße und etwas gehobeltem Weißen, was wahrscheinlich Käse sein sollte. Dazu gab es drei Toastscheiben für den Abend und ein halbes Glas Saft. Bei diesem Anblick lief mir das Wasser im Munde zusammen. Die Tabletts gingen herum, doch als ich an der Reihe war, konnte ich auf meinem Tablett nur die üblichen Tabletten finden. Sonst nichts. Das kahle Plastik des Tabletts grinste mich an, als wollte es mir sagen: „Na, weißt wohl nicht, was du falsch gemacht hast …“ Ich schaute auf und konnte Susannas hämisches Grinsen kaum ertragen. Trotzdem versuchte ich, eine Frage zu stellen, aber es klang eher wie ein schlechter Vorwurf. „Ich glaube, Sie haben bei mir etwas vergessen.“

Mr X schüttelte den Kopf, holte aus seiner Umhängetasche ein Sandwich und biss genüsslich hinein. Er schmatzte übertrieben genüsslich. Susanna kam vorsichtig heran und flüsterte mir ins Ohr: „Wer einen Kuchen will, kriegt kein Essen. Weißt du überhaupt, was so etwas kostet?“

Ich wusste nicht, was ich darauf erwidern sollte, deswegen schüttelte ich einfach nur den Kopf. Ohne einen weiteren Kommentar verließen die Betreuer unseren Raum. Durch das kleine Fenster konnte ich Mr X weiterhin beobachten. Er grinste. Was für Idioten waren das denn? Wenn Jusie das wüsste …

Die anderen begannen sofort, mich mit Fragen zu bombardieren. „Hast du was geklaut?“ „Was hast du denn ausgefressen?“ und „Boah Alter, die wollen, dass du stirbst.“

Nur Gracie flüsterte: „Du kannst gerne bei mir mitessen.“

Emmeline nickte: „Bei mir auch.“

Ich beantwortete keine der Fragen, doch Angelo und Mary gaben mir jeweils ein Toastbrot. Ich setzte mich mit meinen Scheiben Brot an den Tisch. Ein paar Sekunden später kamen Emmeline und Gracie nach. Ich wollte mir das eine Brot für den Abend aufheben. Das andere Brot rupfte ich in viele kleine Stücke, weil ich meinen Magen das Gefühl geben wollte, dass er etwas zu essen bekam. Doch nach kaum einer Minute hatte ich mein Mittagessen verspeist. Es war wirklich nett, dass mir Emmeline ein Drittel von ihren Nudeln übrig ließ. Genauso Gracie, die ihren Rest auf Emmelines Teller kippte. Dabei handelte es sich aber mindestens um die Hälfte. Ich nahm dankend Emmelines Gabel und ermunterte Gracie, selbst noch ein paar Nudeln mehr zu essen. Sie gehorchte. Als mir Emmeline auch noch ihren Saft anbot, wurde mir klar: Das war wahre Freundschaft. Zu reagieren, ohne die Situation zu hinterfragen.

Wir saßen alle ziemlich entspannt auf unseren Hockern. Das Essen war fantastisch gewesen und ich hatte mich bestimmt hundertmal bei meinen Freundinnen bedankt. Ich hatte Gracie ein Handtuch gereicht, das ich mit kühlem Wasser befeuchtet hatte. Ich besaß die Hoffnung, dass dadurch die roten Striemen von ihrem Gesicht verschwinden würden. Ich saß Emmeline gegenüber und wir legten ein Puzzle, das ich zu meinem achten (oder vielleicht auch neunten) Geburtstag bekommen hatte. Es handelte sich dabei um einen Regenwald und seine verschiedenen Tiere. Auch wenn es ein großes Puzzle mit 500 Teilen war, konnten wir ohne große Überlegungen die Teile ineinanderfügen, denn wir lösten es mindestens dreimal pro Woche. Emmeline und ich hatten unsere Freude daran, die Zeit zu messen und neue Puzzle-Rekorde aufzustellen. Zwei Jugendliche, die ihren grauen Raum quasi nie verließen, lösten ein Puzzle, das die pure Natur darstellte. Wie sarkastisch. Ich sah, wie Mary aufgeregt von ihrem Buch aufblickte. Und das passierte alles andere als oft. Den Rand des Puzzles hatten wir schon längst zusammengefügt – man konnte bereits deutlich den Affen, den Leoparden und den Paradiesvogel erkennen. Vielleicht würden wir heute unseren Rekord brechen. Ich legte mich wirklich ins Zeug und versuchte, bei jeder von Angelos Liegestützen gleich mehrere Teile zu packen. Unser Rekord lag momentan bei vier Minuten und 48 Sekunden. Ich bemerkte, wie Emmeline rot wurde, und begann, hektisch zu schnauben. Endspurt! Es fehlten nur noch die Schlange und der giftige, kleine Frosch. Der Frosch hatte es mir besonders angetan. Obwohl er so farbenfroh war, konnte er mit seinem Gift eine ganze Horde von Menschen töten. Hoffentlich würde ich so einen Frosch niemals in meinem Essen vorfinden.

„Jippie!“, rief Emmeline aus, die das letzte Teil des Puzzles eingefügt hatte.

„Und? Die Zeit?“, fragte ich Emmeline aufgeregt.

Sie blickte auf die Digitaluhr. „Vier Minuten 53.“ Sie schnaubte. „Das können wir aber besser.“ Ich nickte zustimmend. „Viel besser.“ Während Emmeline schon einen herumliegenden Stift packte und auf ihren Skizzenblock zutrottete, sah ich, wie Mary ihr Interesse an uns verlor und wieder begann, in ihrem Buch zu lesen. Auf einmal hatte ich das dringende Bedürfnis, sie mehr ins Geschehen zu involvieren. Obwohl es bereits sehr spät war, schlug ich Mary und Gracie vor, einen Film anzuschauen. Mary stimmte widerwillig zu und ich zog mir meinen Schlafanzug an. Abends ließ ich mir mehr Zeit, um meine Zähne zu putzten. Meine Haare standen wieder in alle Richtungen ab. Ich ließ mir Wasser über die Hände gleiten und strich mir vorsichtig durch die Haare, sodass …

„Silas?“ Vorsichtig kam Gracie in das Badezimmer. „Ups“, sagte sie. Vor Schreck vergaß ich, den Wasserhahn zuzudrehen. Nachdem auch das geklärt war und mein Herzschlag einen normalen Rhythmus angenommen hatte, setzte ich mich mit Gracie zu Mary, die bereits vor dem kleinen Bildschirm hockte. Sie hatte sich eine Wissens-DVD ausgesucht. Wissens DVD 4 war der Titel. Der Film war überwiegend aus der Vogelperspektive gedreht und der Sprecher gab seine Kommentare zu den Kulissen ab. „Ein unschuldiger Strandbesuch. Es sieht so leicht und unbeschwerlich aus.“

Und wir alle fügten den nächsten Satz hinzu: „Doch ein Strandbesuch endet nicht selten tödlich.“

Der Sprecher begann, über Meerestiere zu reden, und Gracie lachte: „Das Monster der Tiefe. Der Hai. Er fühlt sich von Menschen geradezu angelockt und reagiert häufig aggressiv.“ Dann wurden einige Haie vorgestellt. Doch wir alle hatten nur Augen für die schönen, bunten Fische.

„Ob die auch gefährlich sind?“, wollte ich wissen.

Nun ging der Sprecher zum Sonnenbaden über. „Wer eine schöne Bräune haben möchte, macht oft diesen Fehler.“

„Doch Hautkrebs ist quasi vorprogrammiert“, nahm ich dem Kommentator die Worte aus dem Munde.

Und Mary übernahm: „Auf dem offenen Meer muss man immer auf die Gefahren des Unwetters gefasst sein. Ein Sturm oder ein einschlagender Blitz, das sind nicht selten Ursachen für untergehende Schiffe.“ Doch während all dieser negativen Werbung für einen Strandbesuch waren die glücklichen Gesichter der Kinder im Video nicht zu übersehen. Der Film dauerte noch eine Weile und endete mit den Worten: „So schön ein Strand auch sein mag. Die Gefahren lauern überall und man sollte lieber im sicheren Haus bleiben.“

„Es stimmt schon, dass so ein Strand gefährlich ist. Die Krebse, die zwicken, oder den Krebs, den man vom Sonnen kriegt. Aber ich will trotzdem dahin“, schwärmte Gracie. Mary hatte mal davon gelesen, dass es eine Art Creme gab, mit der man sich gegen den sogenannten Sonnenbrand schützen konnte. Ich konnte mich vage daran erinnern, dass wir irgendwann einmal Sonnencreme getestet hatten. Ich hatte fürchterlichen Ausschlag bekommen. Während noch der Abspann lief, der uns nicht wirklich interessierte, blickte Emmeline von ihrem Bild auf.

„Fertig“, rief sie und stapfte zu uns, um uns ihre Zeichnung zu zeigen. Doch Klack. Und das Licht war aus.

„Ich glaube, du zeigst es uns besser morgen“, lachte ich.

„Da sieht man einfach mehr“, fügte Angelo hinzu.

*

5

Ich schaute durch das Fenster auf das Meer hinaus. Das Fenster war vergittert. Hinter mir saß meine Mutter ... eine unheimliche Mutter, die ich eigentlich gar nicht hatte. Sie besaß lange, spitze Finger, saß in der Nähe auf einem Stuhl und las in einer Zeitung. Wenn sie einen Artikel zu Ende gelesen hatte, leckte sie sich ausgiebig die Finger, um auf die nächste Seite zu blättern. Seltsamerweise las sie die Zeitung von hinten nach vorne. Auch die Buchstaben schienen irgendwie verdreht zu sein. Die Überschrift des Artikels war: Piranhas töten alten Mann. Ich hatte keine Ahnung, wieso ich all dies wusste und lesen konnte, obwohl ich doch nach draußen schaute und meine Mutter genau in die andere Richtung. Ich drehte mich langsam zu ihr um.

Sie spitzte die Lippen, schaute von der Zeitung auf und fragte mit kühler Stimme: „Silas. Was willst du?“

Ich antwortete nicht.

Sie sprach weiter: „Du musst noch zwei Stunden auf das Meer schauen. Nur so kannst du lernen, wie gefährlich es ist.“

„Ich weiß“, antwortete ich mit unterwürfiger Stimme. „Aber wenn wir zusammen gehen würden, dann ...“

Meine Mutter schnitt mir scharf das Wort ab: „Silas, du weißt genau, dass dein Vater nicht der Einzige war, der dem Meer zum Opfer gefallen ist.“

Ich drehte mich wieder zu meinem Fenster, um die Mutter nicht unnötig zu reizen. Schließlich kam schon Rauch aus ihrem strengen Haarknoten auf dem Hinterkopf hervor. Ich ignorierte die Frage, wieso wir so nah am Meer wohnten, wenn meine Mutter sich doch so davor fürchtete.

Die Köchin hatte bereits das Essen bereitet. Ich wusste nicht, was es war, aber es roch himmlisch. „Danke Lisa“, sagte meine Mutter und ließ sich auf einem kleinen Wagen das Essen bringen. Lisa deutete fragend auf mich und meine Mutter lachte auf: „Er hat etwas zu tun. In zwei Stunden kann auch er etwas bekommen.“ Das Essen roch wirklich fantastisch. Schon begann meine Mutter, mit ihrem Besteck zu hantieren. Auf einmal entdeckte ich ein kleines Mauseloch an meinem rechten Fuß. Es war gerade so groß, dass meine Faust hineingepasst hätte. Ich drehte mich hektisch zu meiner Mutter um, die ganz in ihr Essen vertieft zu sein schien. Plötzlich fühlte ich, wie ich von dem Mauseloch magisch angezogen wurde. Erst mein Fuß, doch dann flutschte ich komplett durch und stand auf einmal auf der anderen Seite. Meine Mutter kreischte auf. Sie rannte zum Fenster und steckte ihre Hand durch das Mauseloch, um mit ihren langen, dürren Fingern meinen Fußknöchel zu packen. Doch ich sprang zurück und lief los, um die Wellen zu erwischen, bevor meine Mutter sämtliche Klappen und Schlösser der Haustür geöffnet hatte.

Ich war glücklich, als ich aus diesem Traum erwachte. Ich spürte das Gefühl von vollkommener Freiheit, welches mich nicht besonders oft umgab, und war sofort hellwach. „Wie spät ist es?“, fragte ich Emmeline.

„Silas“, knurrte sie mich an. „Es ist 4:29. Lass mich schlafen.“

„Ich kann nicht mehr einschlafen“, flüsterte ich.

Sie drehte sich zu mir um und flüsterte: „Dann leg dich ins Badezimmer und mach hier nicht so einen Aufstand. Ich Will Schlafen!“ Das waren klare Worte.

Ich schälte mich vorsichtig aus dem Schlafsack und schlich ins Badezimmer. Die große Lampe ging bei Nacht nicht an. Es gab nur ein schwaches Licht, welches das Badezimmer erleuchtete. Ich setzte mich auf das Waschbecken und atmete tief durch. Man konnte generell nicht genau sagen, wann das Licht an- und ausging. Doch es schien jemand von außen zu tun. Und meistens ging es genau dann an, wenn Mr X in aller Herrgottsfrühe auftauchte. Ich stellte mich wieder auf meine Füße und trank ein wenig Wasser. Dabei erinnerte ich mich an die gruseligen Finger der Mutter und stellte mir vor, wie sie durch diese Badezimmertür kamen …

Plötzlich ging die Türe auf und ich sprang zurück. „Ich bin es nur“, flüsterte Gracie.

„Soll ich rausgehen?“, fragte ich.

Sie schüttelte verschlafen den Kopf. „Ich kann auch nicht mehr einschlafen“, erklärte sie schließlich.

Ich nickte. „Albträume?“, fragte ich weiter.

Sie nickte.

„Der Albtraum, den du immer hast?“, fragte ich.

Sie nickte noch einmal.