Ocean Dance - Katelyn Erikson - E-Book
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Katelyn Erikson

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Beschreibung

**Der Tanz deines Lebens** Norah hat es geschafft: Sie besucht die renommierteste Tanzschule Australiens und arbeitet dort auf eine Profikarriere hin – bis ihr Partner sie einfach für seine neue Freundin sitzen lässt. Ihr größter Traum scheint bereits geplatzt zu sein, als sie eines Abends einen Schwimmunfall hat und beinahe ertrinkt. Doch Norah hat Glück im Unglück: Der gut aussehende Tauchlehrer Mika rettet sie nicht nur aus dem Wasser, sondern ist auch noch ein ehemaliger Tanzprofi, der sich kurzerhand bereit erklärt, mit ihr für den bevorstehenden Wettkampf zu trainieren. Während der gemeinsamen Stunden am Strand beginnt Norahs Herz immer heftiger für ihn zu schlagen. Aber Mika scheint bereits vergeben zu sein und ist deshalb eindeutig nicht an ihr interessiert. Oder etwa doch? »Er bewegte mein Herz dazu, im selben Takt mit dem seinen zu schlagen.« Von türkisblauem Wasser, einem traumhaften Beach Boy und Tänzen im Sonnenuntergang. Die perfekte Liebesgeschichte für alle, die sich zu jeder Jahreszeit an einen sonnigen Strand wünschen. //»Ocean Dance« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.//

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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Impress

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Katelyn Erikson

Ocean Dance

**Der Tanz deines Lebens**Norah hat es geschafft: Sie besucht die renommierteste Tanzschule Australiens und arbeitet dort auf eine Profikarriere hin – bis ihr Partner sie einfach für seine neue Freundin sitzen lässt. Ihr größter Traum scheint bereits geplatzt zu sein, als sie eines Abends einen Schwimmunfall hat und beinahe ertrinkt. Doch Norah hat Glück im Unglück: Der gut aussehende Tauchlehrer Mika rettet sie nicht nur aus dem Wasser, sondern ist auch noch ein ehemaliger Tanzprofi, der sich kurzerhand bereit erklärt, mit ihr für den bevorstehenden Wettkampf zu trainieren. Während der gemeinsamen Stunden am Strand beginnt Norahs Herz immer heftiger für ihn zu schlagen. Aber Mika scheint bereits vergeben zu sein und ist deshalb eindeutig nicht an ihr interessiert. Oder etwa doch?

Wohin soll es gehen?

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Vita

Danksagung

© Foto-Studio Becker.

Katelyn Erikson wurde 1995 in Kasachstan geboren und lebt heute gemeinsam mit Mann, Hund und Pferd im ruhigen Rheinland. Sie schreibt seit sie fünf ist. Dabei wurde sie tatkräftig von ihrem Großvater unterstützt. Heute balanciert sie ihren Alltag munter zwischen ihrem Leben als tierische Mama, Ehefrau, Vollzeitberufstätige und Autorin. „Schlaf“ ist für sie ein Fremdwort.

Dieses Buch ist für meine Familie, meine Freunde und all die Helfer, die mir in der Zeit während der Entstehung dieses Buches zur Seite gestanden haben, als mein Hund verschwunden war.

Kapitel 1

Mika

Adrenalin schoss mir durch den Körper, während ich immer tiefer tauchte. Mit kräftigen Arm- und Beinzügen führte ich meine Schüler zu den Korallenriffen, die ich aufgrund des stürmischen Wetters erst seit wenigen Wochen wieder ansteuern konnte. Sie lagen verborgen bei einer Insel nahe dem Hafen.

Als wir unser Ziel erreichten, drehte ich mich herum und zählte die Anwesenden nach Vollzähligkeit durch. Kurz linste ich zu meinem besten Freund Joe, mit dem ich die Tauch- und Schwimmschule leitete. Er nickte mir zu und hob die Hand, Zeigefinger und Daumen aneinandergedrückt. Alles war in Ordnung.

Während die Tauchschüler die Korallen betrachteten, achtete ich auf die Umgebung. Unter Wasser war alles friedlich und still. Doch oberhalb konnte sich der Wellengang jederzeit verändern. Wetterumbrüche von meiner Position aus zu erkennen, war nicht einfach, doch wenn man wusste, worauf zu achten war, durchaus machbar. Beispielsweise behielt ich unser Boot im Auge. Wenn es sich zu stark bewegen oder es plötzlich dunkler werden würde, würde das auf eine Veränderung der Wasserlage hindeuten. Zu hohe Wellen beim Auftauchen waren nie eine gute Idee. Vor Haien hingegen fürchtete ich mich nicht, da sie äußerst selten so nah an der Insel gesichtet wurden.

Nach zehn Minuten schwamm ich zu den anderen und zeigte nach oben, womit ich ihnen bedeutete, dass wir zum Boot zurückkehren mussten. Jetzt kam der schwierigere Teil. Kontrolliertes Auftauchen, sodass nicht zu viel Druck im Innenohr entstand. Doch das waren keine Anfänger. Ich vertraute darauf, dass sie das, was ich ihnen vor dem Ausflug eingebläut hatte, beherzigten.

Langsam tauchten wir wieder auf. Alle miteinander und ohne jemanden zu verlieren. Während Joe aufs Boot kletterte und von dort aus den ersten Teilnehmern hochhalf, blieb ich im Wasser.

»Das war der absolute Hammer!« Ginger, die einzige weibliche Taucherin am heutigen Tag, saß bereits an Deck und beugte sich leicht über den Rand. Ihre Augen strahlten. »Wie fandest du es?«, fragte sie Brad, ihren Freund, der sich in dem Moment aus dem Wasser hievte, aber nicht antwortete, da er durch die Sauerstoffflasche atmete.

Joe warf mir einen amüsierten Blick zu, während er die Gasflaschen entgegennahm und sorgfältig verstaute. Insgeheim war ich erleichtert, dass der Tag langsam ein Ende nahm. Für heute hatte ich die Schnauze voll. Ich wollte nach Hause, um mich vor den Fernseher zu setzen und den Abend mit einem kühlen Bier ausklingen zu lassen. Denn für diese Jahreszeit was es schon verdammt heiß. Ungewöhnlich heiß sogar, selbst für Süd-Australien. Hinzu kam, dass ich seit zwei Monaten keinen einzigen Tag freigehabt hatte. Die vergangenen Wochen waren von täglichen Reisetouren, Unterrichtseinheiten und Tauchgängen im Freien bestimmt gewesen.

Dafür sah es finanziell top aus. Prinzipiell könnte ich von meinen Ersparnissen ein Jahr lang leben, zumindest wenn ich sparsam wäre. Nicht arbeiten, Sonne tanken, surfen und Zeit allein genießen. Bei dem Gedanken musste ich grinsen.

»Das war es für heute«, murmelte Joe. Er wirkte ebenfalls erleichtert.

Nachdem alle endlich an Bord waren, kletterte auch ich an Deck und gab Joe die Gasflasche, bevor ich mir die Flossen von den Füßen zog. Einengend, aber erträglich. Die Erinnerung an den Tag, als ich sie zum ersten Mal im Kindesalter angehabt hatte, war fest in meinem Hinterkopf verankert. Damals hatten mich ständig Krämpfe in den Waden geplagt. Unerträglich und absolut beschissen.

»Wann ist die nächste Tour?«, erkundigte sich Erich, ein älterer Mann aus Deutschland, der vor geraumer Zeit an die Küste Australiens gezogen war.

»Morgen wieder«, antwortete ich nachdenklich.

Er stieß ein Seufzen aus. »Machst du auch mal frei?«

Ich tat kurz so, als ob ich überlegen würde. »Aktuell nicht.«

Sein Gesicht hellte sich auf und er wackelte mit den Augenbrauen. »Hast du denn Platz für einen alten Mann wie mich?«

»Für dich immer.« Freundschaftlich schlug ich ihm gegen die Schulter. »Bald bist du dein ganzes Geld an mich los.«

»Da, wo es herkommt, ist noch viel mehr«, bemerkte Erich lachend.

Ich schüttelte den Kopf, bevor ich mich daran machte, meine Schüler nach ihrem Wohlergehen zu fragen. Allen schien es gut zu gehen. Sie unterhielten sich, tranken aus ihren Wasserflaschen und tauschten ihre Eindrücke aus, während sie auf den für sie vorgesehenen Sitzflächen hockten. Statt mich dazuzusetzen, schlenderte ich zum Bootshäuschen und machte es mir am Steuer des Motorbootes bequem. Routiniert startete ich den Motor, um uns zurück an die Küste zu bringen. Ich wollte nach Hause. Sofort.

»Alles okay?« Joe trat durch die Tür und ging neben mir in die Hocke.

»Ja«, antwortete ich grummelnd. Als mein bester Freund mich weiterhin anstarrte, stieß ich mit einem Seufzen die Luft aus. »Die Riffe habe ich mit Laura gefunden«, gestand ich leise.

Augenblicklich verfinsterte sich Joes Gesichtsausdruck. »Laura ist eine Bitch, die du schnellstmöglich vergessen solltest. Das ist schon zwei Jahre her, Mann.« Aufmunternd legte er mir eine Hand auf die Schulter. »Du bräuchtest langsam wieder Urlaub.«

Ich lächelte matt. »Stimmt, nur habe ich dafür keine Zeit.«

»Dann musst du sie dir eben nehmen.« Joe sah mich ungerührt an, woraufhin ich lediglich mit den Schultern zuckte.

Die nächste halbe Stunde versorgte er unsere Kunden mit Sandwiches und Wasser, während ich dafür sorgte, dass wir heil am Hafen ankamen.

Vor drei Jahren hatten Joe und ich nach einer durchzechten Nacht spontan die Schwimm- und Tauchschule eröffnet. Als ich die Folgen für mein künftiges Leben realisiert hatte, war es für einen Rückzug zu spät gewesen. Obwohl ich mit meinem damaligen Job ausgelastet gewesen war, hatten wir es gepackt. Gemeinsam. Als Team. Seither boten wir Ausflüge, Trainingseinheiten für Neueinsteiger sowie Fortgeschrittene an. Der Start war holprig verlaufen. Kaum bis gar keine Kunden, schlechtes Wetter und Stolpersteine durch die Behörden. Doch nun lagen alle Schwierigkeiten hinter uns. Mittlerweile unterstützten uns sogar zwei Vollzeitkräfte.

Nachdem wir die Gäste abgesetzt, uns umgezogen und die Tauchschule für den heutigen Tag geschlossen hatten, atmete ich auf. Erleichtert ging ich zum Auto.

»Ach, Mika?«, erklang es betont unschuldig hinter mir. Joe. Während ich mich umdrehte, wusste ich bereits, dass er etwas vorhatte.

»Nein.«

»Was? Warum denn? Ich habe noch gar nichts gesagt.«

»Das brauchst du auch nicht«, entgegnete ich eine Spur genervt.

Schmollend verschränkte Joe die Arme vor der Brust und starrte mich an. Belustigt lehnte ich mich mit der Hüfte gegen das Auto. »Dein Tonfall verrät dich. Was hast du jetzt schon wieder vor?«

Joes Grinsen wurde breiter. »Wie wäre es, wenn wir endlich nach einer gefühlten Ewigkeit zusammen ausgehen? Und bevor du Nein sagst, dieses Mal ist es eine Party auf Sunstone Beach. Ohne Drogen, versprochen«, versicherte er mir schnell.

Allein die Erinnerung an die letzte Fete vor drei Monaten brachte mich zum Lachen. »Was denn? Keine rosa Elefanten mehr für dich?«

Verstimmt stieß Joe ein Schnauben aus und vollführte zugleich eine wegwerfende Handbewegung. Ich sah zu der Narbe an seinem Arm. Mittlerweile war sie heller geworden und nicht mehr auf den ersten Blick zu erkennen. Dafür sorgten die durch die Sonne gebleichten Härchen. Außerdem würden die Frauen ohnehin mehr auf die breiten Muskeln oder den Sixpack achten, den er bei dem heißen australischen Wetter zu gern zur Schau stellte.

»Woher sollte ich wissen, dass die Drinks voller Drogen waren?« Joe verzog das Gesicht zu einer für ihn typischen Unschuldsmiene. Mit den braunen Rehaugen könnte man ihm glatt alles abkaufen. Zu dumm, dass ich ihn in- und auswendig kannte.

»Vielleicht, weil die Party Frei schweben, frei lieben, frei leben hieß und im Verborgenen stattfand? Im Strandabschnitt, wo die Drogendealer seit Jahren ihr Unwesen treiben?«, stellte ich belustigt fest.

Joe zog eine Grimasse. »Kann schon sein.«

»Immerhin hast du einen neuen Freund gefunden«, erinnerte ich ihn lachend und wusste, dass ich ihn damit unter der Gürtellinie traf. In diesem Fall sogar wörtlich gemeint.

Prompt wurde Joes Gesicht purpurrot. »Das war ein einziges Mal«, antwortete er protestierend.

Allein die Erinnerung hätte ihn zur Vernunft bringen sollen, bloß war das bei ihm vergebens. Joe lernte nicht aus Fehlern.

Schmunzelnd zog ich eine Augenbraue hoch. Das Positive an diesem Abend war gewesen, dass mein bester Freund mich nach seiner unfreiwilligen homosexuellen Erfahrung für einige Zeit in Ruhe gelassen hatte, was seine ständigen Partypläne anging. »Nach der letzten Sache wirst du bestimmt Verständnis dafür haben, dass ich dir nicht so ganz vertrauen kann. Am Ende hast du wieder deinen Spaß und ich darf dafür sorgen, dass du nach Hause kommst, ohne dass du dich von oben bis unten vollkotzt.«

»Das ist bisher nur einmal passiert«, protestierte Joe.

»Viermal.«

»Ist doch fast wie einmal.« Er verzog das Gesicht zu einer Fratze. »Glaub mir. Dieses Mal ist es wirklich nichts Schlimmes«, versicherte er. »Eine Cocktailbar, Musik, Strand und leicht bekleidete Frauen. Stell dich nicht so an.«

Sehnsüchtig sah ich zu meinem Auto, ehe ich mich meinem Schicksal ergab und nickte. »Was soll schon schiefgehen?«, fragte mein bester Freund mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht.

Vermutlich alles.

***

Mit einem Bier in der Hand stand ich leicht genervt an der Bar und blickte zu Joe. Dieser lag mit zwei blonden Busenwundern im Arm auf dem Sand und erzählte ihnen Geschichten von Haibegegnungen, die nie stattgefunden hatten. Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Wir waren seit fast zwei Stunden auf dieser dämlichen Party und bisher war tatsächlich nichts Ungewöhnliches passiert. Was eigentlich gut war, aber auch verdammt öde.

Gelangweilt wartete ich darauf, dass die Frauen merkten, was er vorhatte und ihn entweder fallen ließen oder auf einen One-Night-Stand eingingen. Das würde dann so viel bedeuten wie: Er hatte Spaß und ich durfte zusehen, wie ich nach Hause kam, weil wir mit seinem Wagen hier waren. Insgeheim wünschte ich mir, dass er endlich die Richtige fand. Eine feste Partnerin und keine Sexgespielin, wie er es seit Längerem hielt.

»Und was hast du danach gemacht?«, fragte eine der blonden Frauen mit vor Angst geweiteten Augen. Ehrfürchtig strich sie ihm über die Brust. Die andere neigte den Kopf und glitt mit den Zehen Joes Füße entlang, während sie mit den Fingern durch sein halblanges, braunes Haar strich.

Na klasse. Offensichtlich war mindestens eine von beiden ebenfalls nur auf eine nette Nacht aus. Als er anfing über die Narbe an seinem Arm zu reden, die er sich beim Tauchen zugezogen hatte, wandte ich mich ab und stützte mich mit den Unterarmen auf den Tresen, den Blick aufs Meer gerichtet.

»Hat Joe es geschafft, dich zu überreden mitzukommen? Du solltest lernen Nein zu sagen.« Carl, der Barmann, linste belustigt zu mir, während er die Gläser polierte. Ich fragte mich, wo er auf einmal herkam. Vorhin war ich von jemand anderem bedient worden.

»Du hier?« Es war seltsam, ihn hier draußen zu sehen. Üblicherweise war er in einem der größeren Clubs angestellt und mischte dort teuer verkaufte Cocktails. Ihm jetzt mit Shirt und Bermudashorts zu begegnen irritierte mich. Sonst trug er Hemd und schwarze Jeans.

»Jep. Die Kollegin ist gerade zusammengebrochen, da musste ich einspringen.« Begeistert wirkte er nicht darüber. Dann sah er an mir vorbei. »Immerhin einer von euch beiden hat Spaß«, meinte Carl. Ich folgte seinem Blick. Nur noch eine Frau lag bei Joe. Vielmehr auf ihm. Ich verzog das Gesicht und wandte mich wieder ab.

»Die sollten sich ein Zimmer nehmen«, stellte ich mürrisch fest und nahm einen Schluck vom Bier.

»Ruf mich, wenn du Nachschub brauchst.« Carl nickte in Richtung Bierflasche, ehe er sich abwandte und seinen Kollegen beim Zapfen zur Hand ging.

Nachdenklich beobachtete ich die Menge. Unter Mondlicht, der Strand von Dutzenden Fackeln beleuchtet, tanzten und lachten die Menschen beim Klang von zu lauter Musik. The Black Eyed Peas. Als hätten sie meine Gedanken erraten, wurde die Lautstärke genau in diesem Moment aufgedreht. Angespannt verzog ich das Gesicht. Es fiel mir zunehmend schwerer, meine eigenen Gedanken zu hören, weshalb ich mein Bier austrank und in Richtung Meer floh. Doch selbst hier blieb ich nicht ungestört. Die ersten Nachtschwimmer liefen mir entgegen. Nackt und besoffen.

Ihre Eltern waren bestimmt furchtbar stolz auf sie.

Bekümmert sah ich der Gruppe hinterher, als sie zu den Umkleiden am Strand lief. Anfang zwanzig, maximal. Mit meinen sechsundzwanzig Jahren gehörte ich nicht zum alten Eisen, aber manchmal fühlte ich mich so. Unter all den Wilden und Partywütigen war ich fehl am Platz. Ich war noch nie der Typ gewesen, der sich in die Meute warf und unter zu viel Alkohol bei jedem dämlichen Song mitgrölte. Ich hatte viel lieber meine Ruhe.

Gedankenverloren sah ich erneut aufs Meer hinaus, betrachtete den großen, hell scheinenden Mond. Im Hintergrund kreischten Frauen, was heutzutage ein Lachen darstellen sollte. Schrill, schmerzhaft und die friedliche Ruhe des Gewässers störend. Nichts, das mich anzog oder gar verlockte. Angewidert verzog ich das Gesicht. Am liebsten wäre ich nach Hause gegangen. Doch ich blieb. Dieser Moment des Friedens gehörte mir und ich brauchte ihn. Gleichgültig, ob der Lärm der Musik dröhnend in meinen Schädel drang oder nicht.

Plötzlich vernahm ich vage einen Schrei. Irritiert sah ich zurück, jedoch schien sich niemand verletzt zu haben. Zumindest konnte ich von meiner Position aus keinen Tumult ausmachen. Kopfschüttelnd wandte ich mich ab und sah erneut über das Meer.

Genau dann erkannte ich etwas im Schein des Mondes. Trübe, kaum erkennbar. Etwas, das die Umrisse eines Armes hatte, dann eines Kopfes, der kurzzeitig über Wasser auftauchte, nur um wieder unter dem sanften Wellengang zu verschwinden.

»Was zum …?« Fluchend rannte ich, ohne zu zögern, los. Platschend trat ich ins Wasser, bis ich nach wenigen Metern kopfüber untertauchte. Sofort zog ich die Arme hoch und kraulte so schnell ich konnte in die Richtung, in der ich die Umrisse gesehen hatte.

Mein Körper schüttete Adrenalin aus und trieb mich zur Eile an, bis ich endlich an der Stelle ankam. Hektisch sah ich über den Meeresspiegel, doch ich erkannte nichts. »Hallo?« Ein ungutes Gefühl breitete sich in mir aus. »Ist hier jemand?« Niemand antwortete. Ich suchte jede Himmelsrichtung ab, schwamm einige Runden und behielt die Umgebung im Auge. Vergebens. Tief atmete ich ein und konzentriert wieder aus. Mein Herzschlag beruhigte sich langsam. Fast hätte ich aufgelacht wegen meiner eigenen Dummheit. Ich gehörte definitiv ins Bett, wenn ich mir bereits Dinge einbildete.

Verärgert wollte ich schon zur Rückkehr ansetzen, als ich mit einem Mal etwas hörte. Ich wirbelte im Wasser herum. Sofort tauchte ich in die Richtung, aus der ich die Geräusche vernommen hatte. Seltsames Platschen und ein leises Gurgeln, das eindeutig menschlicher Natur gewesen war.

Ich beeilte mich vorwärts zu kommen und widerstand zugleich dem Drang, die Augen zu öffnen. Das Salzwasser würde nur ein Brennen in ihnen verursachen. In der Finsternis hätte ich unter Wasser ohnehin nichts sehen können.

Nach einigen Zügen war ich gezwungen wieder Luft zu holen. Keuchend blickte ich mich um, suchte nach einem Hinweis, ehe ich erneut untertauchte. Dieses Mal blieb ich so lange, bis meine Lunge zu brennen anfing. Aber ich gab nicht auf, sondern schwamm immer weiter, bis es sich anfühlte, als würde ich kurz vorm Platzen stehen. In dem Moment, in dem ich auftauchen wollte, berührte ich etwas. Stoff. Weich umfloss er meinen Handrücken, bevor er verschwand.

Sofort fuhr ich herum und griff ins Wasser, bis ich etwas zu fassen bekam. Hart und doch nachgiebig. Ein Arm. Ohne darüber nachzudenken, umschloss ich das Handgelenk und jagte an die Wasseroberfläche. Keuchend und würgend schoss ich mit dem Kopf an die frische Luft. Kaum dass ich einen Atemzug getätigt hatte, setzte ich alles daran, den fremden Körper nach oben zu bekommen. Mit beiden Händen griff ich unter die Achseln der Person und zerrte sie hoch.

Endlich! Erleichtert atmete ich auf, als ich den Kopf einer Frau erkannte. Sie war bewusstlos. Sofort verschwand das Gefühl der Euphorie. »Scheiße!« Mich selbst verfluchend schwamm ich so schnell ich konnte mit der Fremden im Arm zurück zum Strand. Erste Partygänger bemerkten mich und kamen gaffend näher, statt zu helfen. Im Hintergrund dröhnte Tacata von Tacabro, unter deren Rhythmus sich die Menschen zuckend bewegten. Etwas, das sich heutzutage tanzen schimpfte.

»Ruft einen Notarzt«, schnauzte ich die Glotzer an, während ich ihren Körper ans Ufer zerrte. Dort angekommen drehte ich sie auf den Rücken, reckte ihr Kinn hoch und überprüfte, ob sie atmete. Sie tat es, jedoch äußerst unregelmäßig. Angespannt verharrte ich, dann kam, was kommen musste. Atemstillstand.

Fluchend beugte ich mich über sie und hielt ihr die Nase zu, bevor ich ihren Mund öffnete. Ihren Kopf drückte ich ihr weiterhin in den Nacken, um die Luftwege freizuhalten. Dann drückte ich meine Lippen auf ihre und begann mit der Mund-zu-Mund-Beatmung. Ich wiederholte den Vorgang zweimal, ehe ich zur Herzdruckmassage wechselte, im gleichbleibenden Rhythmus. Lange brauchte ich nicht zu warten, denn nach nur wenigen Augenblicken bäumte sich die Frau auf, drehte sich zur Seite und spuckte Wasser. Tröpfchenweise kam Salzwasser aus Nase und Rachen. Ein leises Wimmern erklang und Mitleid überkam mich. Ich wusste, wie es sich anfühlte, das salzige Nass einzuatmen. Schmerzhafte Prozedur.

»O Gott, ich sterbe«, stieß sie mit einem Stöhnen aus.

»Das wird schon wieder«, versicherte ich sanft.

Sofort hob sie den Kopf. Dunkle Strähnen klebten an ihrer blassen Haut. Ihr Körper zitterte. Besorgt runzelte ich die Stirn, setzte mich neben sie und zog sie unaufgefordert in den Arm.

»Was soll das?«, fragte sie krächzend, wehrte sich jedoch nicht.

»Du bist unterkühlt. Verdammt, wie lange bist du im Wasser gewesen?«

»Keine Ahnung«, murmelte sie kraftlos. Erinnerungen kamen in mir hoch. An damals, als ich dabei geholfen hatte, einige Jugendliche aus dem Wasser zu ziehen, mehr tot als lebendig.

»Weißt du nicht, dass man nicht schwimmen gehen soll, wenn man betrunken ist?« Ich konnte meine Verärgerung nicht verbergen. So etwas passierte, wenn die Partys am Meer stattfanden. Mittlerweile wusste ich nicht mehr, wie viele feiernde Teenager und Erwachsene hier im Gewässer aufgrund von Nachlässigkeit ertrunken waren. Vermutlich wollte ich es gar nicht wissen.

»Ich habe nichts getrunken«, protestierte die Fremde grimmig.

»Und was ist dann passiert? Von einer Welle wirst du schlecht überrumpelt worden sein«, entgegnete ich finster. Dafür war das Gewässer zu ruhig. Zwar gab es vereinzelt etwas höheren Wellengang, jedoch war das keiner, der einem nüchternen Erwachsenen gefährlich werden könnte.

Sie schwieg und starrte ihre Hände an. »Ich …«

»Ja?« Warum war ich überhaupt so wütend? Ich betrachtete die Frau, die die Beine anzog und sich mit deutlichem Widerstreben gegen mich lehnte. Mindestens genauso verstimmt, wie ich es war, sah sie drein. Schweigend fixierte sie den nassen Sand vor unseren Füßen, sodass ich Zweifel daran hegte, heute noch eine Antwort zu bekommen.

Erst jetzt fiel mir auf, wie klein und zierlich sie war. Sitzend überragte ich sie fast um einen Kopf. Ich wusste, dass ich groß war, doch neben ihr fühlte ich mich wie ein Riese.

»Ich hatte einen Krampf in der Wade«, murmelte sie.

Verwundert blinzelte ich. »Wie bitte?«

»Das werde ich nicht wiederholen«, antwortete sie murrend.

Überrascht musterte ich sie. Sie sah auf und begegnete meinem Blick mit einem Ausdruck in den dunkelbraunen Augen, der Erleichterung widerspiegelte.

»Wegen einem Krampf?«, wiederholte ich eine Spur ungläubig. Als sie sich abwandte, hätte ich mir am liebsten die Hand gegen die Stirn geschlagen. Ich wusste zu gut, dass das schnell passieren konnte und die wenigsten unerfahrenen Schwimmer wussten, wie sie damit umzugehen hatten.

»Ja. Er kam ziemlich unerwartet«, murmelte sie mit kratziger Stimme. Ich schätzte, dass das die nächsten Tage nicht anders sein würde.

»Das nächste Mal solltest du dich am besten auf den Rücken legen und warten, bis der Krampf vorbei ist. Falls du es schaffst, kannst du mit beiden Händen den Fuß umfassen und die Zehenspitzen zu dir ziehen. Tut etwas weh, aber es hilft.«

»Soll das jetzt eine Lehrstunde sein?« Sie biss sich auf die Unterlippe.

»Nein, es ist ein gut gemeinter Rat.« Ich runzelte die Stirn. Als mir bewusst wurde, dass es vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt war, um ihr eine Predigt zu halten, hätte ich mir am liebsten erneut mit der Hand ins Gesicht geschlagen.

»Danke für deine Rettung«, brummte sie und sah zu mir. Ihr schien die Situation unangenehm zu sein.

»Gern. Ich bin Rettungsschwimmer, das ist mein Job.« Ich schenkte ihr ein Lächeln, das sie nicht erwiderte. Sie sah unwohl drein. »Wieso gehst du mitten in der Nacht allein ins Wasser?«, fragte ich versöhnlich, während ich von irgendwoher eine Sirene hörte. Zu meiner Verwunderung hatte einer von den betrunkenen Hohlköpfen meine Worte wirklich verstanden und den Notarzt gerufen.

»Keine Ahnung«, gestand sie seufzend und sah aufs Meer hinaus. »Ich brauchte einen kühlen Kopf, aber so kühl, dass ich fast draufgehe, dann doch nicht.« Sie verzog die Miene und fasste sich an die Kehle.

»Vielleicht solltest du vorerst weniger reden«, schlug ich vor und erntete augenblicklich einen bösen Blick. Gelassen zuckte ich mit der Schulter. »War lediglich ein Vorschlag.«

Kurz zögerte ich, ehe ich ein wenig von ihr abrückte, jedoch nicht, ohne sie weiterhin zu stützen. »Ich heiße Mika«, stellte ich mich vor.

Sie lächelte, wobei sich ein Grübchen auf ihrer Wange abzeichnete. »Norah.«

Mir blieb keine Zeit, um etwas zu sagen, denn da rannten bereits zwei Sanitäter auf uns zu. »Alles in Ordnung?«

»Geht schon«, versicherte Norah, doch der Mann schien bei ihrem Anblick anderer Meinung zu sein. Er hockte sich neben uns, stützte sie und bedeutete mir, dass ich sie loslassen konnte. Widerstrebend leistete ich seiner stummen Aufforderung Folge.

»Wir bringen Sie ins Krankenhaus.«

Der andere Mann legte ihr eine Rettungsdecke über die Schultern und zu zweit halfen sie ihr hoch. »Moment, meine Sachen!« Kaum dass sie stand, fingen ihre Beine zu zittern an, sodass die Männer sie von beiden Seiten stützen mussten. »Eine rote Badetasche mit schwarzen Blumen drauf.« Flehend sah sie zu mir.

Sofort verstand ich, was sie meinte, und nickte. »Ich bringe sie ins Krankenhaus«, versicherte ich.

»Danke«, flüsterte sie. Erschöpfung zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Sie konnte kaum noch die Augen offen halten, blinzelte immer wieder hektisch, während ihr die Lider zufielen.

»Dein voller Name?«, fragte ich schnell.

Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. »Flanagan. Norah Flanagan«, sagte sie und sah mir ein letztes Mal in die Augen, bevor sie zum Krankenwagen geführt wurde.

Besorgt sah ich ihr nach, ehe ich mich den Partywütigen zuwandte. Vereinzelt starrten sie zum Krankenwagen. Manche standen in einer Gruppe zusammen und tuschelten, andere wiederum lagen oder saßen mit ihren Getränken im Sand und beobachten das Geschehen. Kaum dass der Wagen weg war und die Sirene nicht länger zu hören war, wurde die Feier fortgesetzt, als wäre nie etwas gewesen.

Idioten.

Solange sie dem Resultat von dummen Verhalten beiwohnten, waren sie aufmerksam und überdachten ihr Handeln. Doch kaum, dass es vorbei war, vergaßen sie alles und machten weiter wie bisher. Frei nach dem Motto, aus dem Auge aus dem Sinn. Die Leichtfertigkeit, mit der sie mit ihrem Leben umgingen, vollgedröhnt mit Alkohol und benebelt vom Beat der Musik, verärgerte mich. Die Rechnung erhielten sie am nächsten Tag. Selbst das würde sie nicht stoppen. Niemals. Erst wenn es zu spät war.

Seufzend setzte ich mich in Bewegung und suchte nach der Tasche, die Norah beschrieben hatte. Ich verfluchte mich selbst dafür, dass ich mein Handy ständig im Auto liegen ließ. Reine Gewohnheitssache, schließlich war ich ständig im oder auf dem Wasser. Immer wieder dachte ich an ihre Augen, an das süße Lächeln und die Zerbrechlichkeit in ihrem Blick. Zeitweise war es sogar egal, dass mir die Hose und das Shirt widerlich am Körper klebten. Ein Leben zu retten war es wert.

Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis ich die Tasche durch Zufall abseits des Geschehens am Strand neben einem Paar Flipflops fand. Neugierig öffnete ich sie und angelte mir den Geldbeutel heraus, um zu überprüfen, ob es tatsächlich ihre Tasche war. Angestrengt versuchte ich den Namen und die Adresse auf dem Führerschein zu erkennen, was im Halbdunkel ein kleiner Kampf war. Vage entzifferte ich den Namen Norah. Erleichtert legte ich alles wieder zurück. Geistesgegenwärtig stopfte ich die Flipflops ebenfalls hinein, von denen ich ausging, dass sie von Norah waren, und schlenderte in Richtung Party, um nach Joe zu suchen. Ich wollte nach Hause und entweder kam er mit oder blieb hier.

Für meinen Teil hatte ich genug Action für heute gehabt.

Kapitel 2

Norah

»Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?«

»Mir geht es gut, Mom. Wirklich«, versicherte ich zum dritten Mal. Die Stimme meiner Mutter hallte laut durch den Hörer. Dabei hatte ich das Smartphone meiner Schwester leise gestellt und hielt es etwas weiter vom Ohr weg. »Mom, wirklich. Du brauchst dir keine Sorgen um mich zu machen.«

»Lüg mich nicht an, du klingst schrecklich«, entgegnete sie protestierend. Es glich einem Wunder, dass sich ihre Stimme nicht überschlug wie vor einem Jahr, als ich ihr verkündet hatte, dass ich auf unbestimmte Dauer zu meiner Schwester Piper ziehen würde.

»Das liegt am Salzwasser. Die Ärzte meinen, ein paar Tassen Tee, etwas Ruhe und ich bin wieder wie neu«, erklärte ich so beruhigend ich konnte. Dabei warf ich Piper einen finsteren Blick zu, die mich jedoch gekonnt ignorierte und sich auf die Straße konzentrierte, während sie uns nach Hause fuhr. Leicht genervt sah ich zum blauen Himmel. Die Mittagssonne schien unbarmherzig auf uns herab. Die Klimaanlage des Autos hatte zu kämpfen, schaffte es aber, den Innenraum angenehm kühl zu halten. Draußen flirrte unterdessen die Luft vor Hitze.

»Soll ich zu euch kommen?«, fragte unsere Mutter überdeutlich besorgt. »Du warst noch nie über Nacht im Krankenhaus.«

»Nein, schon okay. Piper kümmert sich um mich«, protestierte ich sofort und lächelte gequält, dankbar dafür, dass meine Mutter mir nicht gegenüberstand.

»Bist du dir absolut sicher? Du weißt, dass ich sofort komme, wenn du das möchtest«, versicherte sie. »Das macht mir keine Umstände.«

»Ach Mom.« Gewissensbisse nagten an mir. Ich hätte besser aufpassen müssen, dann hätte sie keinen Grund dazu, sich den Kopf wegen mir zu zerbrechen. »Du brauchst nicht extra von Amerika nach Australien zu fliegen.«

»Wenn es dir um die Kosten geht, brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Das weißt du hoffentlich.«

»Natürlich, Mom.« Als Architektin verdiente unsere Mutter sehr gutes Geld, genauso wie unser Vater, der als Regionalleiter einer Bank tätig war. »Ich muss jetzt auflegen, okay?«

»Hab dich lieb, meine Süße. Und sei Piper nicht böse, weil sie mich angerufen hat, ja? Wir sehen uns in drei Monaten bei deinen Qualifikationstänzen.«

»Mom …« Weiter kam ich nicht, da unterbrach sie mich entschieden.

»Keine Widerrede. Dein Vater und ich haben uns bereits Urlaub genommen. Wir kommen und basta!«

Ich lächelte. Gleichgültig, wie oft ich ihr sagte, dass sie nicht kommen musste, sie bestand darauf. Ihre bedingungslose Unterstützung war keinesfalls selbstverständlich. Viele Familien waren intolerant, was künstlerische Berufe anging. Rons Eltern beispielsweise hielten nichts von seinen Karrierewünschen als Tänzer.

»Hab dich auch lieb, Mom.«

»Natürlich hast du das, ich bin deine Mutter«, sagte sie und kicherte, bevor sie nach einem letzten Laut, der nach einem Kuss klang, auflegte.

Noch immer lächelnd betrachtete ich die an uns vorbeirauschende Landschaft und senkte die Hand, in der ich das Handy hielt.

»Ich habe es nur gut gemeint, schließlich habe ich die Verantwortung für dich, solange du in Australien lebst«, erklärte Piper sofort, noch bevor ich mich ihr zuwenden konnte.

»Hättest du ihr nicht erst heute Abend Bescheid geben können? Wenn ich schon schlafe und sie mich nicht anrufen kann? Meine Stimme klingt verdammt scheiße.« Ich schüttelte den Kopf und befestigte das Smartphone in der Halterung neben dem Radio.

»Wenn du weniger reden würdest, wäre sie nicht mehr so scheiße«, entgegnete Piper trocken.

Verärgert sah ich zu ihr, ehe ich mich abwandte und erneut aus dem Beifahrerfenster starrte, die Stirn gegen das kühle Glas gelehnt. Kapitulierend stieß ich die unbewusst angehaltene Luft aus. Sie hatte ja recht, das wusste ich, was dennoch nicht bedeutete, dass es mir gefiel.

»Hey, Kleines.« Aufmunternd griff Piper nach meiner Hand und drückte sie. »Sie kriegt sich wieder ein. So ist sie nun mal. Eine waschechte Glucke«, versicherte sie mir. »Weißt du noch, als ich der Liebe wegen hierhergezogen bin?«

»Sie ist ausgerastet.« Ich erinnerte mich nur zu gut daran, wie unseren Eltern bei Pipers Verkündung, ihre Ausbildung zur Köchin in Australien absolvieren zu wollen, alles aus dem Gesicht gefallen war.

»O ja, das ist sie«, stimmte Piper zu. »Aber sie hat sich nur Sorgen um mich gemacht. So wie ich mir welche um dich mache.«

Als der Druck um meine Hand stärker wurde, sah ich fragend zu ihr. »Ist was?«

»Nein«, antwortete sie prompt und ließ mich los.

»Ich kenne dich. Das ist dein Ich-bin-die-große-Schwester-und-muss-Norah-beschützen-Gesichtsausdruck.«

Sämtliche Alarmglocken ertönten in meinem Inneren. Insbesondere, als sich Piper auf die Unterlippe biss und sich nervös abwandte. »Na ja …«

»Piper!«

Ertappt fuhr sie zusammen. »Das gestern Nacht«, begann sie zögerlich. Sie schielte zu mir, ehe sie sich wieder auf den Verkehr konzentrierte. »Tick nicht aus. Vergiss nicht, ich bin am Steuer und muss dafür Sorge tragen, dass wir heil zu Hause ankommen. Wenn du mich also angreifst, könnte das schwerwiegende Konsequenzen haben.«

Perplex sah ich sie an. »O-kay.« Auffordernd nickte ich ihr zu und wartete darauf, dass sie mir endlich ihr seltsames Verhalten erklärte. Doch je länger sie schwieg, desto mehr befürchtete ich, dass es mir nicht gefallen würde, was sie zu sagen hatte.

Mit den verstreichenden Sekunden wurde Piper zunehmend nervöser. Sie tippte mit den Fingern gegen das Lenkrad und leckte sich über die Oberlippe. Das tat sie immer, wenn sie unsicher wurde.

»Nun ja, du hast viel erlebt und ich könnte verstehen, wenn du glauben würdest, dass alles ausweglos ist«, stammelte sie.

»Du denkst bestimmt, dass ich mir das Leben nehmen wollte«, scherzte ich. Als sie nichts darauf erwiderte, verging mir das Lachen. »Okay, das war ein Witz. Sag mir, dass ich falschliege und du mir so was nicht wirklich zutraust.« Doch sie widersprach mir nicht. Entsetzt starrte ich sie an. Ein flaues Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus und verursachte Übelkeit. »Nein.« Entschieden schüttelte ich den Kopf. »Das ist dumm.«

»Ist es das?« Besorgt sah Piper zu mir. Der Ausdruck in ihrem Blick schmerzte. Darin erkannte ich ehrliche Sorge, aber noch etwas anderes. Unsicherheit. »Seit du klein bist, tanzt du. Es ist dein großer Traum, Norah. Du sprichst seit Jahren von nichts anderem mehr.« Sie lächelte milde. »Die Sache mit Ron vorgestern war heftig. Versteh mich nicht falsch, ich kann nicht nachvollziehen, warum sich jemand das Leben nehmen will, aber ich kann es versuchen. Du musst mit mir reden, damit ich dir helfen kann.«

Ich starrte aus dem Fenster und betrachtete die süßen, kleinen Einfamilienhäuser, die am Straßenrand in regelmäßigem Abstand zueinander dastanden. Ein Neubaugebiet, in dem fast alles gleich aussah. Kaum Individualität. »Nur, weil Ron mich im Stich gelassen hat, werde ich mich nicht gleich umbringen«, murmelte ich. Es betrübte mich, dass Piper so von mir dachte. Zugleich verstand ich sie. Alles deutete darauf hin. Ich, die nicht gut schwimmen konnte, fuhr mitten in der Nacht allein ans Meer, ohne jemandem Bescheid zu geben.

»Menschen haben sich wegen weit weniger schlimmen Dingen umgebracht. Glaub nicht, dass ich dich für labil halte, denn das tue ich nicht. In ausweglos erscheinenden Situationen neigen Menschen dazu, kurzzeitig durchzudrehen und Dummheiten zu begehen, im Glauben, das Richtige zu tun.«

»Das habe ich nicht. Wirklich nicht.«

»Warum bist du dann dort gewesen?« Pipers Stimme zerschnitt die Luft. Erschrocken hielt ich die Luft an und wandte mich ihr zu. Sie war lauter geworden, unterschwellig aggressiver. Erst jetzt sah ich, dass sie das Lenkrad derartig stark umklammert hielt, dass sich die Fingerknöchel weiß unter der Haut abzeichneten.

»Piper«, hauchte ich. Am liebsten würde ich sie umarmen, nur ging das während der Fahrt nicht. Also beugte ich mich vor und legte meine Hand auf ihre. »Ich brauchte einen kühlen Kopf. Nach der Sache mit Ron benötigte ich Abstand zu allem und bin etwas rumgefahren, bis ich am Strand angekommen bin. Da habe ich das Auto stehen gelassen und bin etwas spazieren gegangen, bis ich diese Party gesehen habe. Mir war nicht nach Gesellschaft, aber wieder zurück wollte ich nicht, also bin ich ins Wasser. Keine Ahnung warum, es hat sich in dem Moment richtig angefühlt. Es war so kalt und erfrischend.« Frustriert stieß ich die Luft aus und lehnte mich in die weichen Polster des Sitzes zurück. »Fast so, als würde das Salzwasser sämtliche Unreinheiten von mir abwaschen. Auch meine Probleme. Als ich zurück ans Ufer wollte, bekam ich einen Krampf im Bein.«

Verwunderung zeichnete sich auf Pipers Gesicht ab. Einige Sekunden sagte sie nichts, ehe sie zu mir schielte. »Du hast wieder Krämpfe? Nimmst du die Magnesiumtabletten nicht mehr?«

»Doch schon, aber nicht mehr die starken. Eigentlich ging es mir mit den schwächeren ganz gut. Beim Tanzen hatte ich keine Probleme mehr. Anscheinend habe ich mich geirrt.«

Piper nickte und presste die Lippen fest aufeinander. Mehr sagte ich nicht zu der Situation, sie genauso wenig. Entsprechend schweigsam zogen die nächsten Minuten an uns vorbei, bis wir zu Hause ankamen. Ein kleines Mietshaus auf einem Hügel von Sunset Bay, mit Garten, Balkonen und kleiner Terrasse.

Es fiel mir noch immer schwer zu glauben, dass wir tatsächlich hier waren, um bei Madame Loria zu trainieren. Ron und ich waren schon lange vor Australien Tanzpartner gewesen. Ich konnte mich kaum an eine Zeit ohne ihn erinnern. Wann genau wir zum ersten Mal zusammen getanzt hatten, wusste ich gar nicht mehr, wir konnten jedoch nicht älter als sieben oder acht Jahre alt gewesen sein.

Während Ron eine Wohnung von seinen Eltern finanziert bekam, hatte Piper mich großzügig bei sich aufgenommen und mir ihr Arbeitszimmer überlassen. Ihr alter Schreibtisch stand noch immer an Ort und Stelle direkt vor dem großen Fenster. Obwohl mir die Schlafcouch gereicht hätte, hatte sie diese in den Keller verbannt und mir ein großes Bett gekauft. Anfänglich war es seltsam gewesen, wieder mit Piper unter einem Dach zu wohnen, aber das hatte sich schnell eingependelt. Vor allem, weil sich ihre ach so große Liebe aus dem Staub gemacht hatte, kaum dass sie wegen ihm hierhergekommen war. Vollidiot.

Stillschweigend folgte ich Piper ins Haus und floh direkt auf mein Zimmer, während sie im Badezimmer verschwand. Oben angekommen wusste ich nichts mit mir anzufangen. Ich wollte meine Nachrichten checken, doch das ging nicht, da mein Handy in der Tasche lag, die ich am Strand zurückgelassen hatte. Verflucht. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass dieser Kerl nicht aufgetaucht war. Entweder hatte er meine Sachen nicht gefunden, gar nicht danach gesucht oder beschlossen sie mir nicht zurückzugeben. War ja klar.

»Scheiße!« Ich warf mich rücklings aufs Bett, schloss die Augen und rieb mir übers Gesicht. Angestrengt versuchte ich mich an seinen Namen zu erinnern. Irgendetwas mit M.

Mike? Monty? Mogli? Nein, Letzteres war vom Dschungelbuch.